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Kaisers Entschluß in der deutschen Sache verändert. Die scharfe Instruction für den Reichstag hatte die Eintracht zwischen Papst und Kaiser vorausgesetzt, sie hätte folgerecht zu einem gewaltsamen Bruche mit der Partei der Reformatoren geführt; jezt durfte sich Karl nicht noch einen neuen Gegner zu erregen wagen, jezt mußte er Deutschland im Frieden zu erhalten suchen, und so entschloß er sich jetzt zu einer Milderung des Wormser Ediktes, zu „Straferlaß und Gelindigkeit" gegen die Neuerer in der deutschen Kirche, damit er sich dadurch die Möglichkeit bewahre, aus Deutschland Truppen für seine europäischen Kriege zu ziehen 10).

So wurde durch die Entwickelung der europäischen Politik der „,,katholische König“ von Spanien zur Toleranz gegen die deutschen Ketzer geführt! Der Reichstag von Speyer im Jahre 1526 hat den Grund gelegt, aus dem im Reiche die Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses, die Freiheit der Religion in Deutschland erwachsen sollte. Die Gesinnungen und Anschauungen der Reformatoren hatten noch einmal in dieser Versammlung das Uebergewicht; in der Forderung, die nicht zu läugnenden Mißbräuche in der Geistlichkeit abzustellen, begegneten sich die katholisch Gesinnten und Luthers Freunde; aus dem Streit der sich kreuzenden Anschläge und Entwürfe stieg zuletzt die Idee empor, die Ordnung der religiösen Frage einem Jeçen für sich zu überlassen. Von allen Seiten wurde dieser Schluß des Reichstages gebilligt, daß bis zum allgemeinen oder nationalen Conzile ein jeder Stand,,,so lebe, regiere und es halte, wie er es gegen Gott und kaiserliche Majestät zu verantworten sich getraue", daß also ein Seder der Reformation Luthers anhängen oder ihr widerstreben möge, wie seine Gesinnung ihn treibe. Und der Kaiser hat, von seiner Seite einem solchen Reichstagsbeschlusse kein Hinderniß mehr in den Weg gelegt: in die italienischfranzösischen Kriegshändel verwickelt, hat er in der Kirchenfrage die deutsche Nation der eigenen Entwickelung überlassen.

Wir verfolgen hier nicht die Wechselfälle des Krieges. Von der höchsten Erbitterung gegen den Medizeer erfüllt, suchte ihm Karl in Rom selbst Gefahren zu erregen, wünschte er ihn so empfindlich wie möglich zu schlagen. Ein Heer von deutschen Landsknechten, zum größten Theil schon von lutherischem Haß gegen die Päpste aufgeregt, zog gegen die ewige Stadt des Papstthums, erstürmte und plünderte sie und hielt den Papst selbst in seiner Burg gefangen. Karl aber auch in der höchsten Leidenschaft gegen Papst Clemens der Würde des

10) Carl an Ferdinand v. 27. Juli 1526 bei Bucholt III. 370 f. Maurenbrecher, Karl V.

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Papstthumes eingedenk, hatte die Verhandlung mit dem feindlichen Papste nie ganz abgebrochen; der spanische König, der Politik der Ahnen getreu, konnte dem Friede suchenden Papst die Hand nicht versagen, ja wie er von jeher den Papst und sein Haus in sein Interesse und seine Allianz zu locken gesucht, so bot er auch 1527 und 1528 Alles auf, um Clemens den Schritt ins kaiserliche Lager zu erleichtern. Daß Florenz sich erhob der Medici Joch abzuwerfen, gab bei dem Papste die Entscheidung: die Herrschaft seines Geschlechts in der Vaterstadt aufrecht zn halten, that Clemens widerstrebend das Unvermeidliche, er schloß Frieden und Freundschaft mit dem spanischen Sieger. Und auch die Franzosen vermochten nicht auf der italischen Halbinsel Fuß zu fassen: sie drangen wohl einmal bis ins Königreich Neapel vor, sie schienen wohl einmal kurze Zeit dort Meister zu bleiben im Schlachtenspiel, aber ihr Glück war durchaus nicht von Dauer: im Süden und im Norden erhielt sich fest aufgerichtet das spanische Banner. Das Jahr 1529 hat auch zwischen Karl und Franz einen neuen Frieden gebracht, auf derselben Grundlage, nach denselben Gesichtspunkten geschlossen wie der Madrider. In Cambray ward der Sieg der spanisch-kaiserlichen Macht der Habsburger über den Rivalen aus dem Hause Valois aufs Neue besiegelt und beschworen: Karl bleibt unangefochten Herr von Italien, Franz behält jezt und das ist eine Concession über den Madrider Frieden hinaus das Herzogthum Burgund in unangefochtenem Besize, er entsagt aber feierlich und für ewige Zeiten allen Ansprüchen auf italischen Boden, und die beiden Herrscher verpflichten sich dann aufs Neue, von der Christenheit den Türken abzuwehren und aus ihrer Mitte die Keßer zu vertilgen.

Es scheint, als ob die Richtung der hohen Politik, welche schon 1525 die deutsche Reformation mit einem ernstlichen Angriff bedroht hatte, in erneuerter Stärke auflebe, als ob die kriegerische Macht der streng katholischen Nation den Germanen in der Einheit der allgemeinen Kirche zu bleiben zwingen wolle. Wenigstens an dem Willen des Kaisers hat es nicht gefehlt, einen solchen Versuch zu wagen.

2.

Seit jenem Reichstag von Worms, dem der Kaiser noch selbst beigewohnt, hatte die Lage Deutschlands sich sicher nicht nach dem Sinne oder den Wünschen des Kaisers gestaltet: jene Bewegung in der Tiefe der Nation, die in dem Auftreten der Reformatoren auf religiösem Gebiete ihren Ausdruck gefunden, hatte inzwischen sich über ganz Deutschland verbreitet, hatte allenthalben ihre Wurzeln eingesenkt, hatte von den wichtigsten Stellen des Reiches stets fester und fester Besit ergriffen. Nachdem einmal auf dem Reichstage von 1526 die Freunde der Reformation den Rechtsboden zur Befestigung ihrer kirchlichen Neuerungen sich erobert hatten, wagten sie, die schon ein engeres Bündniß gegen die kriegerischen Gelüste der katholischen Stände aufgerichtet hatten, sogar ihrerseits einen Angriff, dem gegnerischen Anfall, den sie vermuthet, zuvorzukommen; und als nun 1529 auf dem Reichstag die kaiserlichen Bevollmächtigten die Zugeständnisse von 1526 eben jenen Rechtsboden der evangelischen Stände aufzuheben entschlossen waren, erhob sich diese Partei der Reformation zu einem kräftigen Proteste gegen ein solches Verfahren. Diese protestirenden Fürsten wahrten energisch ihren Standpunkt, das einmal erlangte Recht sich nicht wieder nehmen zu lassen: und so in Parteien gespalten, deren Jede ein anderes Gesetz als das rechtmäßige anerkannte die Einen das von 1526, die Andern das von 1529 sind die Stände von Speyer geschieden. Und auch in der politischen Lage durfte der Kaiser wenig Fortschritte seiner Politik sehen. Zwar das Reichsregiment, das man ihm auferlegt, hatte er leicht abgeworfen, aber seine Macht und sein Einfluß war durch den Erzherzog Ferdinand durchaus noch nicht gekräftigt oder erhöht worden, ja es hatte oftmals von Versuchen und Intriguen gegen das habsburgische Vorrecht verlautet, von geheimnißvollen Plänen dem Habsburger einen römischen König, der

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ihn einst ersehen solle, schon jetzt an die Seite zu stellen. Als Ferdinand endlich nach den Verträgen seines Hauses 1526 sowohl Böhmen als Ungarn ausprach, stieß er an beiden Stellen auf Hindernisse: die ungarische Frage verwickelte ihn weiterhin in einen Türkenkrieg, und der gewaltige Stoß, den Soliman eben in dem Jahre 1529 auf den Südosten des Reiches geführt, erschütterte das ganze Deutschland in der gefährlichsten Weise.

Auf allen Seiten ist so dem kaiserlichen Willen des Siegers über Frankreich und Italien die Aufgabe erwachsen, auch in Deutschland mit aller Energie einzuschreiten, sowohl die religiösen Wirren mit starker Hand zu schlichten und zu ordnen, als auch gegen den Türken die Grenze des Reiches zu schützen und zu schirmen. Und Karl war geneigt, die Waffen von Italien und Spanien auf diese neue Aufgabe. zu richten.

Er selbst verließ Spanien und ging nach Stalien, dert mit dem Papste Clemens, dessen Abfall ihm noch eben so viel zu schaffen gemacht, den er aber jetzt aufs Neue an sich gefettet zu haben glaubte, Abrede zu treffen, was zunächst geschehen selle. Karl's Sinn war voll von Entwürfen und Plänen; auf die ganze Lage Europas waren seine Ideen gerichtet. Er traf den Papst in Bologna: worüber die Beiden dort mit einander berathen und geplant, das tritt doch nachher in den Resultaten deutlich zu Tage. Unt Karl sagte es dem Bruder in vertraulichem Schreiben 1), was er in Italien und in Deutschland erstrebe: nachdem er zunächst Italien völlig beruhigt und die spanische Herrschaft auf der Halbinsel in allen Einzelheiten gesichert und geordnet, wolle er auf die religiöse Frage in Deutschland seine ganze Aufmerksamkeit richten, wolle er auch die politische Zukunft des Reiches durch die Erhebung des Bruders zum römischen Könige sichern, und wenn erst das religiösgeeinte und politisch fügsame Deutschland auf das Gebot seines Kaisers und Königs Geld und Soldaten zur Verfügung gestellt, dann wolle er auch den Krieg gegen den Türken aufnehmen, er selbst, der Herr des Abendlandes, gegen den ungläubigen Herrscher des Morgenlandes; und das solle ein Krieg werden, nicht wie man ihn bis jezt geführt zur Abwehr des Feindes, nein, nach dem großartigsten Plane, mit den großartigsten Mitteln, mit der vereinigten Macht aller christlichen Staaten. So hoch waren die Ziele, die Karl seiner Politik für das Jahr 1530 gestellt. Von dem Boden solcher Projekte aus konnte er

1) Vom 11. Januar 1530, bei Lanz I. 360.

allerdings leichten Sinnes dem Bruder rathen, einstweilen nur Waffenstillstand zu schließen, wenn er sich des Feindes nicht erwehren könne — eine Nachgiebigkeit, ein Zurückweichen für den Moment, um sich zu dem kräftigeren Vorgehen erst besser zu rüsten.

Auch die geistliche Frage hat der Kaiser mit dem Papst in Bologna besprochen; sie ist für ihn doch Eins der Momente in dem Gefüge der europäischen Politik, das er durch direkte Verhandlung mit dem geistlichen Herrn in Ordnung zu sehen gedachte. Wenn er da dem Papste eine endgültige Erledigung der deutschen Wirren auf diesem Gebiete zujagte, wenn er sich anheischig machte, die,,Ketzerei" der Neuerer nicht mehr zu dulden, für die ,,Pestkrankheit“ Deutschlands jetzt das radikale Heilmittel zu schaffen, so gelobte der Papst auch von seiner Seite dem Unternehmen des Kaisers allen Beistand und Vorschub. Es faßten die beiden Häupter der Christenheit dabei auch das in's Auge, daß unter Umständen man zu einem allgemeinen Conzile genöthigt sein könnte, und unter Umständen wollte man wirklich dem Ruf der Deutschen nach einem Conzil willfahren, man wollte die Autoritäten der gesammten Kirche zusammenbringen, die deutschen Keßereien zu verdammen 2). Der Kaiser sah es jetzt deutlich ein, welche Bedeutung ein solches Conzil, von ihm geleitet und geführt, für seine kaiserliche Stellung in Europa erhalten könnte: in einer solchen Versammlung der europäischen Christenheit, von den anderen geringeren Fürsten umgeben, konnte Karl Berathung halten mit dem Fürstencongresse über den Türkenzug des Abendlandes, welchen er selbst zu führen beabsichtigte, dort konnte er durch die Stimme Europa's Recht sprechen lassen über die Beleidigungen, die man ihm zugefügt, die Angriffe, die man gegen sein Haus erheben 3). Und wenn auf derselben Versammlung die deutschen Neuerer durch die Wucht der ganzen abendländischen Kircheneinheit überwältigt werden sollten, so war es gleichzeitig doch immer das Ziel des spanischen Herrschers, dem von allen Seiten erkannten Bedürfniß einer „Reformation“ der Geistlichkeit hier Rechnung tragen zu lassen: man wollte ebensowohl der einzelnen Geistlichen Lebenswandel durch strengere Vorkehrungen bessern, als die Verfassung der Kirche, die Stellung.

2) Vgl. den Briefwechsel zwischen Kaiser und Papst von 1530, dazu des Legaten Campeggio Berichte (Bes. vom 29. Juli 1530 bei Lämmers Monumenta Vaticana p. 47 f.)

3) Außer dem citirten Brief an Ferdinand vgl. das Gutachten der Erzherzo= gin Margaretha bei Lanz I. 341.

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