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dig waren alle Anträge auf Widerspruch gestoßen. Jezt unter dem Eindrucke der Ereignisse von Piacenza fühlte man in Venedig wie in Rom, welche Drohung des Kaisers in diesem Aufstande gelegen. Schon wenige Tage nach jenem Racheschwur ließ der Papst König Heinrich auffordern, die im Sommer fast eingeschlafenen Verhandlungen über diese italienisch-französische Defensivliga wieder aufzunehmen29). Und wie sich die Dinge geändert hatten, das wurde den Kaiserlichen klar, als trotz der eben geschlossenen Uebereinkunft in der Conzilfrage der Papst wieder von Eröffnung der Verhandlungen in Bologna zu reden anfing 30). Auch der Cardinal Farnese, der bis dahin zu des Kaisers Seite gehalten, ging jezt, von dem Tode des Vaters getroffen, zu den Franzosen über.

Die französisch-päpstlichen Verhandlungen wurden lebhafter und nahmen bestimmtere Gestalt an, als jetzt auch der Cardinal Karl von Guise in Rom erschien. Dieser Staatsmann, der, noch jung an Jahren, auf Heinrich's II. Regierung Einfluß zu üben begonnen, dieser mächtige Cardinal, der die nächsten Jahrzehnte in der französischen Geschichte die hervorragendste Rolle spielt, gab durch sein persönliches Auftreten in Rom den schleppenden Verhandlungen eine raschere Wendung; mit eindringender Lebhaftigkeit stellte dieser junge Priester dem Papste die furchtbare Höhe der Beleidigung vor, die Karl ihm zugefügt habe, eine That, so ungeheuer, daß, wie Guise überzeugt war, niemals ein Gedanke von Vergeben und Vergessen in des Papstes Seele Eingang haben könne. In den Busen des jungen Franzosen ergeß der alte Italiener alle Gefühle seines Hasses, seiner Bitterkeit, seines Nachedurstes gegen den Kaiser. Ja, mit edler Offenheit und großartiger Selbsterkenntniß vertraute er es ihm an, wie tief er es fühle, daß er selbst sich alle diese Leiden geschaffen habe: hätte er nicht den Kaiser zum Kriege in Deutschland getrieben und unterstüßt, so würde doch Karl nicht im Stande gewesen sein, solche Frevelthaten an ihm zu vollziehen. Freilich, eine solche Machterhöhung sei durchaus nicht seine Absicht gewesen, ja, ganz offen wolle er es ihm sagen, er habe es für das Beste erachtet, den Kaiser in eine Sache zu verwickeln, aus der er wohl nicht leicht zum Ziele gelangen könnte 31). Wie tief bereute es

29) Französische Depesche aus Rom vom 18. September Ribier II. p. 63. Vgl. die Mittheilung aus Venedig ebendaselbst p. 60.

30) Mendoza 26. September bei Döllinger p. 122.

31) Guise's Depeschen vom 31. Dctober und 11. November. Ribier II. p. 71-85. Vgl. bef. p. 75.

da in dem vertraulichen Gespräche mit seinem jungen Freunde der Papst, daß er die kaiserliche Verbindung eingegangen. Unanfechtbar klar und unwiderleglich bewiesen war es dem Italiener jegt, daß allein auf einer französischen Allianz das Heil der italienischen Zukunft ruhe. Die Ordnung der italienischen Verhältnisse, die Sicherheit der Familie Farnese, den Schuß der allgemeinen Kirche, Alles war jetzt Paul III. bereit, seinem lieben Schne ron Frankreich anzuvertrauen. Natürlich in seinen. Ideen war das Nächste und Dringendste, Piacenza aus den Händen Gonzaga's loszulösen, und deßhalb kamen der Papst und Farnese und Guise darin überein, daß Piacenza sowohl als Parma nicht dem Eidame des Kaisers, sondern dem mit der französischen Bastardtochter zu vermählenden Horazio Farnese übergeben werden sollten. Ob Horazio an französischem Schutze und französischer Besatzung genug habe, oder ob er einen Tausch dieser seiner Länder gegen ein französisches Lehen eingehen solle, blieb einstweilen noch vorbehalten. Ottavio dachte man mit Castro und Camerino zu entschädigen: auf diese Weise hoffte man ganz Mittelitalien unter französische Hoheit zu bringen. Darin durfte man weiter erwarten, auch eine Eramunterung zur Liga bei den immer noch zaubernden Venetianern zu haben. Aber alle diese Verabredungen, die sich in den Grenzen eines Vertheidigungsbundes zu halten schienen, faßte man in Rom nur als Einleitung zur Offensive gegen den Kaiser auf. Sowohl Genua als Neapel konnte der Punkt sein, auf den man den ersten Schlag zu richten hatte. Wenn schon im Sommer die kaiserliche Diplomatie Verbindungen der Franzosen und des Papstes mit dem neapolitanischen Aufstande gefürchtet, wenn aber damals der Papst alle Anträge der Rebellen zurückgewiesen hatte, so ließen jezt Farnese und der Papst bei König Heinrich direct anfragen, ob er nicht einen Angriff auf Neapel machen wollte, sie reizten und drängten in unruhigem Eifer den König zu diesem Einfall in das italienische Land. Ja, mit einigem. Erstaunen erfahren wir, daß der Stellvertreter Christi sogar eine Ver= bindung der Franzosen mit den Türken anregte: entweder von der Flotte des Sultans selbst, oder von dem Herrscher von Algier, so erörterte man es an Guise32), sei ein Angriff auf die neapolitanische Küste zu erbitten.

In solche Aufregung versezten die Vorgänge in Piacenza den alten Papst. Die Stellung der beiden Häupter der Christenheit ist so auf italienischem Boden immer feindlicher geworden. Nachdem die Hoff=

32) Ribier II. p. 77 und 81.

nung dem Papste genommen, von dem Kaiser die Ausstattung seiner Familie zu erlangen, hat er sich wieder an den französischen König gewandt. Und während er hier die französischen Waffen zu einem Angriff auf des Kaisers Stellung in Italien zu ertegen versuchte, ließ auch der Führer der kaiserlichen Macht in Italien keinen Moment ungenußt, auf ein Fortschreiten der kaiserlichen Annexionspolitik zu bringen. Den Bemühungen des Papstes auf die venetianisch-französische Liga entgegen bestand Gonzaga auf einer kaiserlichen Offensive als dem einzigen zutreffenden Rettungsmittel. Er meinte, daß ebensowohl Siena als Genua unter die direkte Regierung des Kaisers zu stellen und dort kaiserliche Festungen und Besatzungen aufzurichten seien; er glaubte weiterhin dem Papste in seinem eigenen Kirchenstaate zu Leibe zu gehen, sei es, indem man einen Angriff des kaiserlichen Vasallen von Florenz auf Perugia hervorrufe, oder sei es, indem man die Colonnas zu einem Aufstande veranlasse; und er rieth endlich auch den Venetianern Ernst zu zeigen, auch gegen sie die Unzufriedenheit ihrer Vasallenstädte zu benutzen 33).

So haben von beiden Seiten die Verhältnisse zu einem italienischen Kriege hingedrängt.

Welch einen Rückschlag mußte diese italienische Verwickelung auf die Ordnung des deutschen Reiches, auf die Neugestaltung der deutschen Kirche, auf die Befestigung des kaiserlichen Sieges über die Protestanten ausüben! In die Religionsverhandlungen des deutschen Reichstages hat die Verbindung des Papstes mit Frankreich hemmend eingegriffen.

Wer könnte da noch zweifeln, daß die Verhältnisse der italienischen Landespolitik die geistlichen Angelegenheiten der Christenheit gelenkt haben?

33) Gonzaga vom 4. und 7. November 1547. Sim. Leg. 1193 fol. 115 und fol. 184.

11.

Der er deutsche Krieg hatte Karl V. das Resultat ergeben, daß die Macht der Gegner in wenigen Schlägen gebrochen, daß ganz Deutschland ängstlich auf des Kaisers Willen gespannt, daß ihm endlich Raum geschaffen war, alle Gedanken seines Willens in Ausführung zu bringen. Und auch auf italienischer Seite hatte in dem letzten Jahre es sich deutlich angezeigt, wohin dieses spanischen Habsburgers Macht das italienische Volk führen wollte. Aber die eigenthümliche Lage der italienischen Dinge brachte ihm manches nicht erwartete Hemmniß auf seine Bahn auch in Deutschland. Es verwickelten sich die politischen Angelegenheiten der Halbinsel immer ernstlicher und immer bedenklicher mit den allgemeinen Bedürfnissen der kirchlichen Lage. In den italienischen Fragen war es schlechterdings unmöglich, an einem Bruche mit dem Papste für immer vorbeizukommen, und in Deutschland war es unbedingt nothwendig, in innigster Uebereinstimmung mit dem geistlichen Haupte der Kirche zu bleiben. Aus dieser Schwierigkeit hat auch Karls V. politische Meisterschaft keinen Ausweg zu ersinnen vermocht.

Bei aller Virtuosität, die diese Spanier in politischen Dingen erlangt hatten, gelang es ihnen nicht, in diese so verwickelten und so verwirrten Beziehungen bleibende Klarheit zu bringen. Bei aller Schärfe des Urtheiles und der Einsicht in die schwebenden Fragen vermochten sie nicht, die politischen Anforderungen der kaiserlichen Stellung und die kirchlichen Bedürfnisse der großen religiösen Bewegung des sechszehnten Jahrhunderts in bleibenden Einklang zu stimmen. Bei aller Energie und Kraft ihres politischen Handelns waren sie nicht im Stande, das unmögliche und unvernünftige Ideal einer kaiserlichen Weltherrschaft möglich und vernünftig zu machen.

Es ist eine eigenthümliche und seltsame Mischung verschiedener, widerstrebender, feindlicher Motiven und Interessen, dieses Gewebe der spanisch - kaiserlichen Politik! Eine merkwürdige Erscheinung ist auch der Mann, der die Seele des Ganzen gewesen.

Fassen wir an dieser Stelle die Persönlichkeit und die Tendenzen. dieses Kaisers Karl V. auch einmal genauer in's Auge.

Am 24. Februar 1500 wurde dem Erzherzog Philipp, dem Herrn der Niederlande, dem Erben Maximilians I., und seiner Gemahlin, der spanischen Prinzessin Donna Juana ein schwächliches Kind geboren, das den Namen Karl erhielt. Nach dem frühen Tode des Vaters und bei dem unglücklichen Wahnsinn der Mutter wurde seine Erziehung in den Niederlanden von seiner Tante, der Erzherzogin-Statthalterin Margarethe, geleitet. Karl wurde von einem niederländischen Professor (rem nachherigen Papste Hadrian) in wissenschaftlichen Dingen und von dem Hofmeister, dem Herzog von Chièvres, in den ritterlich- körperlichen Spielen nach damaliger Sitte unterrichtet. Es ist uns nicht bekannt, ob er irgend eine besondere Vorliebe zu irgend einer Beschäftigung gezeigt habe; nur das steht fest, daß er Chièvres Persönlichkeit lieb gewann und ihm immer mehr Einfluß über sich gestattete. Als er dann nach dem Tode Ferdinands des Katholischen nach Spanien ging, war er, der in niederländischen Sitten Erzogene, den Spaniern eine fremde und eine verhaßte Erscheinung: es hat manches Jahr gedauert, bis er in sympathischere Beziehungen zu der spanischen Nation getreten ist, ein eigentlich herzliches Verhältniß hat sich wohl niemals entwickelt.

Von den Befähigungen des jungen Fürsten hatte man damals nur eine sehr geringe Meinung'): wie er durchaus abhängig war von dem Willen des Herzogs von Chièvres, so konnte er auch in keiner Beziehung zu einer selbständigen Meinung oder zu einem selbständigen Willensacte gelangen.

Er lernte in Spanien nicht die Politik des spanischen Großvaters fortseßen. Alles, was seine Regierung that, war von den Gesichtspunkten des väterlichen Großvaters, des habsburgischen Max' beherrscht. Die Minister jener burgundisch-niederländischen Politik, die

1) So berichten die Venetianer aus Spanien 1517. Esso re per la qualita soa non e hom di far molto conto, und auch: Quel re di Spagna e reputa per niente per esser giovene (bei Lanz Mon Habsburg 2. Abtheilg. Einleitg. p. 220.) Vgl. Ranke, Fürsten und Völker. I. p. 131.

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