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Papstes Sache war es doch niemals, einen Schritt entschieden und ganz zu thun, furchtsam und ängstlich sah er nach allen Seiten sich um, eingeschüchtert wußte er der Drohung des Mächtigeren nur List und Verschlagenheit entgegenzusetzen, den Schwierigkeiten und Gegensätzen nur durch kleine Mittel, durch Ausweichen und Wenden, durch allerlei Künste einer kleinen und kleinlichen Politik zu begegnen. So ist sein Pontifikat verhängnißvoll geworden für Italien, für die katholische Kirche in Deutschland sowohl als in England.

Dem neugewählten Papste, der schon früher den Bund mit Karl und Heinrich von England geschlossen, der französischen Königsmacht ein Ende zu bereiten, ertheilte jezt froher Zuversicht voll der Kaiser auch das Versprechen 2), in Deutschland schärfer zuzusehen, das Wormser Edikt allenthalben einzuschärfen, auf ernstlicher Beobachtung seiner Vorschriften zu bestehen. Wie das deutsche Reichsregiment und die deutschen Fürsten früber das Gebot des Kaisers zur Seite liegen gelassen, so achtete des Kaisers Politik jetzt wenig auf die Wünsche und Forderungen des Reiches; es gelang das Regiment selbst zu beseitigen, es gelang auch den Erzherzog Ferdinand, des Kaisers jüngeren Bruder, der seine Stelle im Reiche wahrnehmen sollte, abhängiger von dem spanischen Bruder zu machen: das, was in Spanien geglückt, durch feindliche Trennung die Gegner zu überlisten, sie in ihren Sonderinteressen geschickt und gewandt zu fassen, das schien auch hier Erfolg zu verheißen.

Allein gerade in der religiösen Frage, der schwierigsten Aufgabe für des Kaisers Staatsmänner, kam man auch diesmal noch nicht zum Ziele: die unbedingte Anerkennung und Beobachtung des Wormser Ediktes erreichten die kaiserlichen und päpstlichen Bevollmächtigten nicht, ja ihnen zum Troze beschloß der Reichstag von 1524 die religiöse Frage ohne Rücksicht auf Rom in einem Reichstage oder Conzile in Deutschland selbst zum Austrag zu bringen, ein Beschluß, der des Kaisers Mißbilligung in höchstem Grade erfuhr, der sofort auch in Rom Berathungen über einen schwer zu fassenden Entschluß hervorrief 3). Man sah sich in die Nothwendigkeit versett, von einem allge= meinen Conzil der ganzen Kirche auch in Rom zu reden und zu rathen; und auch des Kaisers Eröffnungen schienen auf ein solches Conzil hinzudeuten als auf das beste Mittel, die deutsche Neuerung

2) Am 22. Dez. 1523 bei Lanz, I. 80.
3) Bei Pallavicino II, 10, §. 22-27.

gründlich zu beseitigen und gleichzeitig in der Kirche, wo es Noth thue, zu bessern.

Dem Kaiser eröffneten sich, so scheint es an dieser Stelle 4), über haupt zwei Wege, der deutschen ,,Keßerei" ein Ende zu machen, entweder ein gewaltsames von ihm persönlich geleitetes Einschreiten zur Erfüllung des Wormser Ediktes oder ein Conzil, das durch die Autorität der Kirche die Meinungen der Deutschen überwinde und Ordnnug schaffe: und da Gewalt in Deutschland zu üben in diesem Augenblicke dem Kaiser nicht möglich erscheinen wollte, so legte er es dem Papste recht nahe, nur getrost und feinem treuen kindlichen Sinne vertrauend das Conzil zu berufen. Aber das war durchaus nicht die Meinung des Medizeers: ja, wenn er der kaiserlichen Allianz und der erdrückenden Freundschaft des mächtigen Karl bisher schon müde geworden war, so suchte er jetzt die Bande jener großen kaiserlichen Coalition zu lösen, und dem Fluge des kaiserlichen Adlers nach Frankreich den Ausgangspunkt zu entziehen. In Italien, in Frankreich, in England wußte diese päpstliche Diplomatie so geschickt ihr Spiel zu treiben, daß an allen Enden dem Kaiser stets neue Schwierigkeiten entstanden. Erst der Donner des Sieges ven Pavia zerriß die künstlichen Gewebe der päpstlich-französischen Intrigue; damit waren dann Italien und Frankreich auf's Neue dem gebietenden Willen des Kaisers eröffnet, ja der. französische König selbst in die Hand des Habsburgers gefallen mußte alle Gedanken an einen italienischen Krieg aufgeben, mußte seine ganze Thätigkeit dahin richten, die eigne Freiheit und die Selbstständigkeit und Integrität des französischen Landes zu erlangen.

Auf das Schicksal der deutschen Reformation haben diese italienischen Wirren doch ganz bedeutend zurückgewirkt. Die religiöse Bewegung in den deutschen Landen zu hemmen, die immer schroffer und greller sich ausbildenden Unterschiede zwischen den Neuerern und den Altkatholischen zu vermindern oder auszugleichen, das konnte der Papst und das konnte der Kaiser nur hoffen, wenn Beide in allen Dingen Eines Sinnes bleiben wollten: eine jede Differenz aber in irgend einer Frage von Bedeutung mußte einer Förderung, einer Begünstigung der Reformation in Deutschland gleichkommen.

Wenn im Sommer 1524 der Kaiser sich zu einer entschiedenen Haltung, zu einer prinzipiellen systematischen Thätigkeit den Neuerern

4) Karl an den Gesandten in Rom am 18. Juli 1524;` bei Gachard, Correspondance de Charles V. et d'Adrien VI, p. 206.

entgegen verpflichtet, wenn von dieser Strömung begünstigt die der alten Kirche treu gebliebenen Fürsten und Stände sich um den päpstlichen Legaten auf dem Convente in Regensburg geschaart hatten: so hatte doch die Abwendung des Papstes Clemens aus dem kaiserlichen Bunde sofort die Folge, daß der Kaiser in dem katholischen Eifer lauer werdend einstweilen die Dinge in Deutschland einmal wieder gehen ließ 5).

Es folgte das tolle Jahr 1525 mit seinen blutigen und wirren Aufständen, seinen wüsten Unruhen, seiner ganzen furchtbaren Revolution; dies Jahr des Bauernkrieges hätte wieder eine Gelegenheit ge= boten, mit Einem Schlage auf allen Gebieten die deutsche Frage zu lösen, aber das Haupt des Reiches war fern ab; und somit blieb es den niedern Landesherren des Reiches überlassen, der wüstesten Unordnung Einhalt zu thun, Retter der ruhigen Einwohner zu werden. Die Macht der einzelnen Landesherren hat denn auch die Bauern niedergeworfen: es ist im Reiche Alles beim Alten geblieben. Nur in der kirchlichen Bewegung zeigte sich unverkennbar ein Rückschlag: wie Luthers Lehre jest immer mehr mit conservativen Elementen durchsetzt ward, so kamen überhaupt die Lehrer der Reformation selbst in engerem Anschluß an die dem Evangelium günstigen Fürsten und Stände zu einer Einrichtung ihrer Kirchen, zur Feststellung ihres Dogma's. Was die religiöse Neuerung damit an populärem Ungestüm und ursprünglicher Frische verloren, das hat sie auf der andern Seite durch die festere Organisation ihrer Glieder, durch den offiziellen Charakter ihrer Vertretung wieder gewonnen. Denn auch die offiziellen Kreise des Reiches und des Reichstages haben sich damals immer mehr in feste Parteien geschieden und gespalten. Seitdem einmal der Regensburger Convent die Losung gegeben, sind die Parteien auch außerhalb des Reichstages zusammengetreten und haben sich katholische und evangelische Fürsten zu besonderen Bündnissen zusammengeschlossen. Dadurch ist freilich die Einheit des Reiches stets mehr und mehr geschwunden, dadurch ist aber auch einer jeden der Religionsparteien das Fortbestehen und die Existenz gesichert werden. Während Hessen und Sachsen zuerst sich vereinten, das,,Evangelium", die Lehre Luthers, gegen die gefährlichen Anstalten der Gegner zu vertheidigen, ist auch aus der Mitte jener Regensburger Versammlung ein engerer Bund erwachsen, geschlossen zur Aufrechthaltung der alten katholischen Lehre und Kirche, zur Abwehr und Bewältigung einer jeden Neuerung, zur Beobachtung und Durchführung des Wormser Ediktes.

5) Karl an Sessa vom 9. Febr. 1525; bei Gachard, l. 1. p. 213.

Und diese Fürsten wendeten sich sofort nach Spanien an den Kaiser, von ihm die Zusage zu erlangen, daß er energisch auf der Vollziehung der einmal gefaßten Beschlüsse des Wormser Tages be= harren, daß er sich ihrer Kräfte auch zur gewaltsamen Lösung solcher Aufgaben, wenn es Noth thue, bedienen wolle. Die Botschaft der katholischen Deutschen traf den Kaiser bereit und entschlossen zur That.

Die Schlacht von Pavia und ihre Folgen hatten des Kaisers Ideen zu siegesstolzer Höhe getragen: was man einstens an Ansprüchen, an Forderungen, an Plänen im Sinne gehabt, das schien dem Gefühle des Siegers jetzt erreichbar zu werden, das schickte er sich an, von dem gefangenen Gegner zu erzwingen und dann auf seinen Zugeständnissen weiter bauend auch anderwärts durchzusehen 6). Und wie in diesen politischen Träumen der spanische Karl nicht allein als der Herr der pyrenäischen Halbinsel, der niederländischen Staaten, der deutschen Krone erschien, wie er geradezu nach altem Sinn der Kaiser, das oberste Haupt der abendländischen Christenheit zu sein gedachte, so faßte er hier auch die allgemeinen Angelegenheiten Europas als seine Sache auf: bei der Neuordnung der politischen Machtverhältnisse sollte auch die religiöse Frage erledigt werden:,,die Irrthümer der lutherischen Sekte auszurotten und zur Reform in der Christenheit" sollte das allgemeine Conzil, von dem schon vorher geredet worden war, jetzt berufen werden : die Früchte des Sieges sollten allerdings den Habsburgern in Italien, in Frankreich, in Deutschland, aber auch der Kirche und der Sache Gottes Nußen und Segen verschaffen. Aber in den Verhandlungen über diesen Friedensschluß stieß man bald auf Hindernisse mancherlei Art; es fehlte schließlich sehr viel, daß man jene Entwürfe hätte verwirklichen können. Vor Allem das Verhältniß zum Papste Clemens konnte nicht wieder in die richtige Lage gebracht werden. Wie sehr auch die kaiserliche Staatskunst es ins Licht zu sehen wußte, daß sie dem allgemeinen Wohle der Kirche zu dienen und den von Gottes Gnade verliehenen Sieg zur Ausrottung der Kezer zu benutzen den Willen habe, wie dringend sie auch es dem Haupte der Kirche vorzustellen, mit welcher Wärme sie es ihm ans Herz zu legen bemüht war, daß kein Zugeständniß an die deutschen Reformatoren bewilligt werden solle, ja daß die habsburgischen Brüder auch den offenen Bruch mit dem

6) Vgl. das bei Bucholz II S. 278 f. mitgetheilte Mémoire Gattinara's mit desselben Ministers Darlegungen auf der Conferenz von Calais 1521 (Papiers d'etat I 125 ff. bes. p. 156. 209. 213. 218. 222.)

Reichstage der deutschen Fürsten nicht scheuen wollten ): Alles das machte doch auf den Papst keinen Eindruck: nur immer drohender wurde ihm das Uebergewicht der kaiserlichen Macht in Italien, nur immer drin= gender wurde in ihm der Wunsch, sich gegen ein Bündniß mit dem Kaiser zu schützen. In fieberhafter Aufregung, in rühriger Geschäftigkeit suchte Clemens eine Coalition gegen den Kaiser ins Leben zu rufen; seine Meinung war, die Italiener zu einer nationalen Liga zu sammeln, den Franzosen Muth zu erneuertem Kriege zu machen, die englische Macht aus der kaiserlichen Allianz zu lösen und sie in diese antikaiserliche Verbindung aufzunehmen ). Es erfolgten Schritte zu diescm Ziele auf allen Seiten, und der Papst sah bald seine Absicht mit den günstigsten Hoffnungen gekrönt. Als in Madrid der Friede zwischen Karl und Franz geschlossen und beschworen wurde, waren die Minen schon aufs Neue geladen, die Karls Monarchie in ihren Grundfesten erschüttern sollten: sobald der König frei war, brach er den Vertrag und den Schwur von Madrid, und der Papst trug eiligst dafür Sorge, daß die Kette des europäischen Bundes sich zusammenschließe.

Während in Spanien der Kaiser auf den Madrider Frieden und die neue Allianz, die er mit dem französischen Könige gegen Türken und Kezer geschlossen, vertrauen zu dürfen wähnte, während er des katholischen Bundes Botschaft aus Deutschland, die ihm Herzog Heinrich von Braunschweig überbrachte, freudig willkommen hieß und diese Fürsten zum Beharren auf der ergriffenen Position ermunternd ihnen Beistand mit Waffengewalt, seine persönliche Erscheinung auf deutschem Boden, allgemeine Ordnung der kirchlichen Fragen in Rom zusagte 9); während also der Kaiser getreu den dem Papste gegebenen Verjprechungen der deutschen Reformation mit Ernst und Nachdruck zu begegnen sich rüstete: wurde fast zur selben Zeit vom Papste und von Frankreich und von England der Angriffskrieg gegen Karls kaiserliche Stellung vorbereitet.

Und auch diesmal hat die Wendung der europäischen Politik des

7) Karls Depeschen an Sessa, vom März, Juli, August, Oktober und Dezember 1525 (Gachard, p. 214. 219. 220. 222. 224.)

8) Soweit ich die Sache verfolgen kann, finde ich schon vor dem Ende 1524 die ersten Beziehungen Wolsey's zu der Regentin Louise: damals schon hat der Bruch zwischen Heinrich und Karl sich angebahnt. (In Captivité du roi François I. p. 53.) Aber der englischen Frage ist an dieser Stelle nicht weiter nachzugehen möglich.

9) Vgl. Ranke D. G. II. 279 ff.

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