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Dieser Gegensatz der kaiserlichen und der päpstlichen Meinung über das Conzil hat sich uns schon in den ersten Momenten seiner Thätigkeit, auch bei der Eintracht von Kaiser und Papst, herausgestellt. Wir werden es demnach leicht begreifen, daß er jetzt, wo Kaiser und Papst auf's Neue sich zu neuer Feindschaft trennten, in noch grellerer Weise und schärferem Ausdruck in die Verhandlungen und in die Geschichte des Conziles eingreift.

In der sechsten Session, am 13. Januar, war gegen den Willen des Kaisers das Dogma der Justifikation verkündet und die Scheidewand zwischen der katholischen Kirche und den Protestanten aufgerichtet. Der Papst, der den Entschluß Cervino's zu diesem entscheidenden Schritte billigte, hielt durch ihn die Arbeiten des Conziles für erledigt und glaubte, dasselbe könne sofort beendigt werden 22). Aber das war mit nichten die Meinung des Kaisers. Wenn er und seine Theologen auch an dem Dogma selbst nichts auszusehen hatten, so bedauerten sie doch die unzeitige Bekanntwerdung desselben. Nach dem Willen des Kaisers that Pacheco und thaten die spanischen Geistlichen Alles, die weiteren Verhandlungen in die Länge zu ziehen. Und sie kamen, als man nun endlich sich mit den Vorarbeiten zur Kirchenreformation beschäftigte, mit sehr umfassenden Reformprojekten heraus. Ganz in Uebereinstimmung. mit den Reformtendenzen, welche in Spanien selbst schon vor einem halben Jahrhundert Ximenes durchgesetzt hatte, ganz nach den Ideen, wie sie auch die strengere, religiösere Richtung der neuen Cardinäle in Rom angedeutet hatte, wollten sie nicht nur das Dispensationsrecht, die Residenzpflicht, die Pfarrordnungen der Geistlichkeit nach reineren Grundsägen umgestaltet wissen, sondern sie gelangten dabei auch zu der Erörterung der alten Streitfragen, wie die allgemeine Geistlichkeit zu dem Papste stehen müsse 23). In diesen Verhandlungen gab es Scenen, in welchen der Eifer in den Vorkämpfern Roms und die Beharrlichkeit in den Vertheidigern des ,,göttlichen Rechts" der Bischöfe hart an einander geriethen. Es wurde den Legaten oft schwer, die erregten Gemüther zu besänftigen. Nachdem am 3. März noch die siebente Session die Lehre von den Sakramenten im Allgemeinen, der Taufe und Confirmation im Besonderen festgestellt, und als eben die Geistlichen mit der

22) Vega vom 8. Februar (Simancas).

23) Vgl. das Memoriale des Vargas über die Reformen in der Kirche (bei Villanueva, vida literaria II. p. 412 ff.) das auf das bekannte Consilium de emendanda ecclesia zurüdweist. Auf dem Conzil überreichten die spanischen Bischöfe einen gemeinsamen Antrag, censura, bei Le Plat III. p. 509-511.

Erörterung der Abendmahlslehre den Anfang gemacht hatten, wurde in den Legaten und im Papste das Verlangen immer dringender, den überhandnehmenden Reformdebatten auszuweichen. Und wie der Papst in jenen Tagen auch einem Bruche mit dem Kaiser immer näherkam, so hatte er schon am 22. Februar den Legaten die Vollmacht ertheilt, wenn sie es für nöthig hielten, die Verhandlungen abzubrechen und das Conzil zu verlegen.

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Eine Krankheit, die gerade damals in Trident ausbrach; gab den Legaten den erwünschten Vorwand für eine solche Verlegung, auf die Cervino wir erinnern uns dessen schon mehrmals gedrungen hatte 24). Als er freilich den Vätern des Conziles diesen Vorschlag machte, entstand ein offener Bruch zwischen der päpstlichen und kaiserlichen Partei. Pacheco und seine Genossen geriethen in die heftigste Aufwallung: sie drohten mit dem Zorne des Kaisers, sie protestirten gegen jeden Beschluß. Aber es half nichts. In der mit überstürzender Eile auf den 11. März berufenen achten Session ging der Antrag der Legaten durch, die nächste Session des Conziles in Bologna zu halten. Pacheco und die Spanier blieben zurück, den Befehlen ihres Kaisers entgegensehend; die Italiener, dem Winke der Legaten gehorchend, verließen die Stadt mit Schmähworten gegen die zurückbleibenden Spanier25).

Ein Schisma in der allgemeinen Versammlung der Kirche war entstanden, der politische Bruch zwischen Kaiser und Papst war in der Kirchenversammlung mit großartigem Scandale in Scene gesetzt!

Wie mußte dieses Verhalten der geistlichen Politiker in Rom und Trident den Kaiser erschüttern! Der Papst, von dem er Hülfe erwartet, entzog ihm seine Truppen, seine Subsidien und endlich seine geistliche Hülfe: er hatte ihn in den Krieg verwickelt, ungeduldig zum Losschlagen gedrängt und ließ ihn endlich schmählich im Stiche. Des Kaisers Zorn, sich immer mehr steigernd, kannte da keine Grenzen mehr: es sind eine Reihe sehr bewegter Auftritte vorgefallen, in welchen Karl_mit Schärfe und Bitterkeit die päpstlichen Redensarten in ihrer wahren. Bedeutung enthüllt hat. Da mußte er es doch völlig unbegreiflich finden, wie der Papst es ablehnen konnte, die italienische Unterstützung den kaiserlichen Waffen ferner zu leihen; und wenn er auch bei sich sogleich den wahren Grund dieser Sinnesänderung der Kurie erkennend, gerade in dem Erfolge des gemeinsamen Feldzuges die Ursache der päpstlichen 24) Pallavicino IX. 14 u. 15. Raynaldus 1547 §. 45 und §. 48. Vgl. Ranke D. G. IV. 385.

25) Juan Paez de Castro. 3. April 1547 bei Villanueva II. 414 f.

Unlust sehen mußte, so hielt er doch nach Außen Anfangs noch an sich 26); und erst als ihm nun in salbungsvollen Phrasen von den päpstlichen Agenten vorgetragen wurde, daß der Papst als neutraler Bater aller Christen nicht einen Separatbund mit ihm, als einem einzigen Gliede der Christenheit, aufrechthalten dürfe, erst bei dieser allerdings sehr fadenscheinigen Argumentation flammte der Zorn des Spauiers empor 27). Freilich, den Rückzug des italienischen Hülfscorps durfte er billigen, wegen der schlechten Mannszucht und der schlechten Bezahlung hatten diese Soldaten weit mehr Schaden angerichtet, als sie im Felde genützt 28) - aber die vorgebrachten Gründe für diese Abberufung, wie sie mit Glückwünschen und Segenssprüchen vermischt ausgesprochen wurden, durfte der Kaiser ohne Scheu als Spott und Hohn bezeichnen. In seinem gerechtfertigten Aerger sagte Karl in der That dem Vertreter des Papstes manche bitteren Dinge in's Gesicht: er kenne die französischen Gesinnungen des Papstes jezt zur Genüge, seine französische Krankheit nannte es der Kaiser, absichtlich dieses doppelsinnige Wort wählend sein schlechtes Leben liege aller Welt offen vor, gewiß werde er den heiligen Petrus fortfahren zu verehren, aber nicht diesen Papst Paul: und ähnliche Dinge wiederholte er in vielfachen Wendungen. Wie nun endlich gar der päpstliche Antrag einlief, auf die Bekehrung Englands mit allen Mitteln zu arbeiten, äußerte sich Karl noch ge= reizter29) er werde sicher nie mehr eine Sache anfassen, die auf Wunsch oder zum Nutzen dieses Papstes zu geschehen habe; habe ihn doch Paul Einmal schon in einen Krieg verwickelt, und lasse ihn jezt im Stiche; aber dennoch hoffe er, auch ohne den Papst, auch zum Aerger Seiner Heiligkeit, den Sieg in Deutschland zu vollenden, wie er ihn mit Gottes Hülfe begonnen; und wolle der Papst ihm nur Legaten und Nuncien als Beistand schicken, so werde Karl es erproben, was diese Priester, in die erste Schlachtreihe gestellt, mit ihrem Segen gegen die feindlichen Waffen auszurichten im Stande seien.

Aber wie groß auch immer die Entrüstung des Kaisers gewesen,

26) 17. Januar 1547 im Anhang V. 9. 10.

27) 11. Februar 1547. im Anhang V. 11.

28) Wir haben allen Grund Karl's Klagen in dieser Richtung als wohlbegründete anzusehen; der savoyische Gesandte wenigstens theilte schon während des Feldzuges selbst darüber Einiges mit (Stroppiana's Depesche vom 6. September 1546 in Compte rendu de Séances de la Commission royale d'histoire de Bruxelles. 2. Serie XII. p. 123 ff.)

29) 17. März 1547. im Anhang V. 12.

er konnte und wollte es doch noch nicht glauben, daß Alles mit dem Papste zu Ende sei 29a). Auch nach diesen Zwistigkeiten hielt er noch an der Meinung fest, daß zum Zweck einer so heiligen Unternehmung die geforderte Hälfte des spanischen Kirchengeräthes oder wenigstens jene Million Subsidie bewilligt werden würde. Und sogar als in der spanischen Regierung, die Prinz Philipp leitete, die Idee des Kaisers auf allerlei Bedenken gestoßen und allerlei Gegenvorstellungen hervor gerufen hatte, ließ sich doch der Kaiser nicht in seinem Plane beirren: freilich versicherte er seinen Spaniern, nicht ohne des Papstes Zustimmung solle die Maßregel durchgeführt werden, und jede andere Deutung. seiner früheren Aeußerungen sei ein Mißverständniß; aber er befahl doch auch jetzt (nachdem er eben die päpstliche Ablehnung erfahren) die Maßregeln der Ausführung vorzubereiten 30). Erst die Vorgänge des 11. März haben ihm auch hierüber gründlich die Augen geöffnet.

Als ihn die Nachricht von der Translation des Conziles erreichte, erließ er sofort an seine Vertreter in Italien den Befehl, in Rom und am Conzile ungesäumte und schleunige Rückkehr aller Väter nach Tri= dent zu verlangen 31); und keine Entschuldigung nahm er an, was auch immer der Papst und die Legaten sagen mochten.

Einen solchen Zorn hatte man freilich in Rom nicht vorausgesehen. Der Papst hatte sich mit der Hoffnung geschmeichelt, die Thatsache der Verlegung werde der Kaiser als eine geschehene Thatsache ruhig hinnehmen. Aber obwohl die Cardinäle, mit Ausnahme dreier Spanier, alle die Verlegung nach Bologna gut hießen, so war der Papst doch in eine große Verlegenheit gerathen. Er konnte doch seine Legaten nicht bloßstellen, und er durfte diesem Willen des Kaisers gegenüber nicht sein Vorherwissen oder seinen Befehl eingestehen. Er wußte sich in dieser Klemme nicht anders zu helfen, als daß er mit feierlichem Schwure dem kaiserlichem Gesandten die Versicherung bekräftigte, alles Vorge= fallene sei ohne sein Wissen geschehen 32). Natürlich diesen Betheuerungen, 29a) Vgl. im Anhang 98* und 104*. 30) Vgl. Anhang IV. 16. Wie es sich übrigens mit diesem Mißverständniß der früheren Aeußerung verhält, beweist die ausdrückliche Erklärung Karl's, auch ohne päpstliche Gutheißzung diese Säkularisation ausführen zu wollen, wie sie im Schreiben vom 28. November 1546 vorliegt. Vgl. Anhang p. 50*.

31) Anhang V. 13. 14

32) Depeschen Vega's vom 26. 29. März und 5. April (Sim.) z. B. in der Depesche vom 26. März heißt es: el respondio que el concilio se avia mudado de Trento sin su sabiduria, afirmandolo con tantos juramentos que hera la major vergença del mundo oyrlo.

wie sehr sie sich auch steigern mochten, schenkten weder die kaiserlichen Diplomaten in Italien, noch die kaiserlichen Minister im deutschen Feldlager Glauben: sie waren der schlechten Dienste, die der Papst der gemeinsamen Sache erwiesen, eingedenk und sannen darauf, gleichzeitig mit der Restitution des Conziles in die frühere Lage, auch den Papst empfindlich zu strafen.

Zunächst mußte eine Entscheidung in Deutschland gesucht werden. Nachdem in Süddeutschland die Unterwerfung der Städte vollzogen war, brach das kaiserliche Heer nach dem Norden auf, die Truppen der Protestanten in ihren eigenen Gebieten aufzusuchen.

Das Heer des Schmalkaldener Bundes hatte sich im November des vergangenen Jahres in beschleunigtem Marsche in die Gebiete Sachsens und Hessens zurückgezogen. Ohne Mühe hatte es des neuen Kurfürsten Moritz Waffen aus Sachsen vertrieben und sogar seine Lande erobert. Johann Friedrichs Heer hatte überhaupt in dem März 1547 einen Vortheil nach dem anderen errungen und eine glückliche Stellung behauptet. Auch im Königreich Böhmen war ein Aufstand gegen König Ferdinand ausgebrochen, der dem sächsischen Kriege die Hand reichte. Es war in den Tagen dieses protestantischen Glückes, daß König Franz der deutschen Opposition Gelder und Soldaten zu senden versprach, und daß in Rom sich des Papstes Herz mit froher Zuversicht auf eine Niederlage des Kaisers rüstete 33). Und in der That, die Gefahr einer Niederlage war für den Kaiser nicht unwahrscheinlich. Über Karl selbst wankte keinen Augenblick. Auch wenn der Türkenkrieg Deutschland überziehen sollte, auch wenn der Franzose in's Reich hereinbrechen wollte, Karls Entschluß war unerschütterlich fest, die Protestanten im eigenen Lande aufzusuchen.

Nachdem er von den süddeutschen Städten Geld contributionen erpreßt, nachdem er die großen unentschieden gebliebenen Territorien zu einer Erklärung ihrer Lage veranlaßt, zog er im März seinem Bruder und dem Herzog Moriß zu Hülfe34).

Wenngleich krank, war Karl selbst doch zum Schlagen muthig. Er selbst drang auf diesen Zug, es war ihm ein persönliches Bedürfniß, die hartnäckigen Rebellen persönlich zu züchtigen: es war sein Wunsch, je eher je lieber die entscheidende Schlacht zu wagen. Alle

33) Vgl. Ribier I. 637 und 639.

34) Karl's Schreiben vom 20. März an Ferdinand bei Lanz II. p. 552 und an Philipp im Anhang IV. 16.

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