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des Rechtsverfahrens, Selbstregiment der Stadt- und Landgemeine, freies Regieren der Landeskreise und Bezirke, gerechte Principien der Besteuerung, möglichst feste Verbindung des Volkes und des Heeres und vor Allem die Anfänge der socialen Reformen, welche die letzte Forderung unserer Zeit sind, können während dieses Uebergangsregiments in das Leben treten. Wird dies gewonnen, dann erst ist die wahre Grundlage vorhanden für eine freie Vereinigung der deutschen Völker, welche die Separatinteressen nicht aufhebt, sondern versöhnt. Und wenn hier die Ueberzeugung ausgesprochen wird, daß in dieser Zeit der preußische Staat seine Pflicht und sein Recht, die Führerschaft deutschen Lebens zu übernehmen, antreten wird, so ist damit zu gleicher Zeit die Hoffnung ausgesprochen, daß es dem preußischen Volk am ersten und vollständigsten gelingen muß, die Keime des neuen Lebens in sich zu entwickeln und zur Blüthe zu bringen.

Die Beweise dafür liegen in der merkwürdigen Organisation des preußischen Staates, welcher höchst originelle, ja bewundernswürdige demokratische Unterlagen besißt, und einzelne derselben, z. B. Gewerbefreiheit, ganz radikal gebildet hat. Freilich ist das segensreiche Gedeihen dieser Institutionen überall gedrückt und beschränkt worden durch den Umstand, daß sie von der Regierung gegeben, behütet, überwacht und bevormundet worden sind, gerade dadurch entstand die seltsame Verbindung zwischen freiem Volksleben und aufgeklärtem Regierungsdespotismus, welche Preußen zu einem Gegenstand des Mißtrauens viel häufiger gemacht hat, als nöthig war. Jezt sind alle freisinnigen Institutionen Preußens von diesem Druck befreit und können sich zeitgemäß entwickeln. Nicht die Größe des Heeres, nicht die Ordnung des Haushalts soll hierbei in Rechnung gebracht werden, wohl aber der Umstand, daß in Preußen das große Princip, jeder Mann sei in Waffen geübt, durch die Landwehr bereits die Anfänge volksthümlicher Gestaltung gewonnen hat, der Umstand, daß die preußische Klassen

steuer, deren Vertheilung und Aufbringung durch die Communen, der vernünftigen Abgabenform, einer Einkommensteuer, welche durch das Volk selbst erhoben und in die Staatskasse geliefert wird, näher kommt als das Steuersystem irgend eines anderen Staates. Dazu kommt, daß Preußen in der Städteordnung und der Krystallisation der Communen zu einzelnen Kreisen vortreffliche Grundlagen für ein Selbstregiment des Volkes findet. Kein anderer Staat hat ferner mit solcher Mäßigung, Ausdauer und Geseßeskraft so schwierige Verhältnisse zu reguliren begonnen, als der preußische bei Entschädigung einzelner Gewerbegerechtigkeiten in den Städten, bei Lösung der bäuerlichen und gutsherrlichen Verbindung zu überwinden hatte. Was man auch im Einzelnen an den Principien der bäuerlichen Ablösungen aussehen und ändern muß, im Großen betrachtet ist die fünfundzwanzigjährige Thätigkeit der Ablösungscommissionen eine so weise Maßregel gewesen, daß die Wirkungen derselben zumeist dazu beigetragen haben, den preußischen Staat zu einem Vertreter deutscher Freiheit gegen die patriarchalische Hörigkeit slavischen Lebens zu machen. Selbst in der gründlichen Bildung seiner Beamten, der großen Kraft und Ehrlichkeit seines Richterstandes besitt Preußen eine Macht, welche, wie auch ihre bisherige Verwendung war, von jezt ab viel dazu beitragen wird, Erfahrung und Lebensweisheit in den neuen Lebensformen heimisch zu machen. Rechnen Sie noch den Umstand dazu, daß Preußen in der Zeit eines unbeschränkten Monarchismus sehr glücklich vermieden hat, eine schädliche Centralisation der Intelligenz und der Verwaltung in seiner Residenzstadt zu bewirken, so daß die einzelnen Provinzen freie Verbündete und nicht Knechte Berlins geblieben sind, lassen Sie auch den Vortheil gelten, daß Preußen in diese finanziell schwierige Zeit ein, mit Ausnahme der Ostbahn, fertiges Eisenbahnnetz gebracht hat; ja lassen Sie selbst ein großes Unglück Preußens nicht aus der Rechnung, den Umstand nämlich, daß die furchtbare Hilflosigkeit, an welcher einzelne Theile

des Landes leiden, die Pestdistricte Oberschlesiens, die Bezirke der Weber und Spinner, dem Staat die zwingende Nothwendigkeit auflegt, eine Versöhnung socialistischer Ideale mit dem praktischen Staatsleben durchzusetzen; bringen Sie alles dies in Rechnung, so finden Sie darin einen Antrieb und eine Bürgschaft dafür, daß die Entwickelung preußischer Kraft und preußischen Volkslebens eine energische, imponirende und heilvolle werden muß. Da die Aufgabe des preußischen Volkes und seiner Regierung eine so große und vielverheißende ist, so mag der Preuße auch mit ruhigem Vertrauen und mit Hoffnung den Gegensaß ansehen, in welchen vielleicht das preußische Selbstgefühl dem der übrigen Stämme gegenüber kommen kann.

Was die preußische Regierung bis jezt gethan hat, den Beschlüssen der Paulskirche entgegen zu kommen, war verständig, auch die Erklärung des Ministerpräsidenten von Auerswald wegen Uebernahme der preußischen Kriegsmacht durch den Reichsverweser, war ebenso klug als offen. Vielleicht war die Form, in welcher das Reichsministerium die Aufforderung erließ, nicht passend, doch jezt ist keine Zeit, wo man ein Recht hat ängstlich an Formen zu mäkeln. Vereinigung des Commandos in einer Hand ist nothwendig, daß an die Stelle eines Bundesfeldherrn der Reichsverweser getreten, ist der Sache nach durchaus nicht bedenklich. Aber auch in der Zukunft möge das preußische Ministerium den wichtigen Grundsatz festhalten, daß eine Opposition gegen die Paulskirche im Interesse Deutschlands und ebenso sehr Preußens solange zu vermeiden ist, als die Versammlung und ihre Executivgewalt die nationalen Interessen Deutschlands nicht preisgeben, denn Preußen hat aus Klugheitsgründen am meisten den Widerstand zu scheuen. Und vorläufig ist nicht zu fürchten, daß die Beschlüsse der Versammlung zu einer Gefahr werden. Sollte aber ja der Tag kommen, wo eine unselige Eile oder Bedenklichkeit, etwa in der italienischen Frage, oder in den gefährlichen Punkten, wo die östreichischen und deutschen Interessen

nicht Hand in Hand gehen, zu Tage käme, in diesem Falle, der jedem deutschen Mann als ein großes Unglück erscheinen müßte, gibt es für Preußen allerdings nur den einen geseßlichen Weg des Widerstandes, daß die preußischen Minister, wenn ihre Vorstellungen in Frankfurt ungehört verhallen, den Vertretern des preußischen Volkes die Frage zur Entscheidung und Beschlußnahme vorlegen.

Zweierlei aber mag das preußische Volk in allen seinen politischen Fractionen vor Augen behalten, erstens, daß Preußen die innige Verbindung mit dem übrigen Deutschland ebenso wenig entbehren kann, als die kleinen Staaten die Vereinigung mit Preußen, und zweitens, daß die Stellung und das Ansehen, welches jeder einzelne Staat in der neuen Vereinigung einnehmen wird, nicht durch provisorische Beschlüsse und Stimmungen, auch nicht durch historisches Selbstgefühl und abschließendes Vertrauen auf die gegenwärtige Macht bewirkt werden kann, sondern abhängig ist von dem Grade, in welchem es den einzelnen Völkern, großen oder kleinen, gelingt, in ihrem Hauswesen sich vernünftig und tüchtig zu organisiren. Und wenn Preußen, wie wir alle hoffen, dies bei sich durchseßt, so wird und muß es einst die Führerschaft Deutschlands übernehmen. Es wird dies keine Usurpation der regierenden Familie über andere Regenten, sondern eine Folge der Achtung und Zuneigung sein, welche der Größte und Tüchtigste sich unter freien Gleichberechtigten gewinnt.

4. Die preußischen Finanzen und ihr Minister.

(Grenzboten 1848, Nr. 32.)

Der kleine Reichsgulden, der preußische Silberthaler und die östreichische Fünfguldennote mit ihren silbernen Provinzen, den Zwanzigern, sind in diesem Augenblick nicht nur bedeutungsvolle Bilder des geschäftlichen Verkehrs und des äußeren

Umfanges ihrer Staaten, sondern sie stellen jedes durch seine Eigenthümlichkeit auch ziemlich genau die verschiedenen Werthe dar, welche die innere Lebenskraft ihrer Länder in den Augen eines Staatsmannes und Finanziers hat. Der glänzende Gulden des 241/2-Fußes ist als maßgebende Geldeinheit der kleinen Staaten neu und leicht, wie das Gepräge seiner Länder, er repräsentirt den bequemen Verkehr der billigeren Existenzen des Südens, ist aber für den großen internationalen Umsag ebenso unzureichend, als die Kraft seiner Regierungen. Die Fünfguldennote Oestreichs, die größte unter den deutschen Werthen, ist gerade jest wenig mehr als ein Scheinwerth, und obgleich die solide Kraft und das Gepräge der 15 Einheiten, deren Verbindung sie ausmacht, nirgend bezweifelt werden wird, so leidet der Staat als Ganzes doch an demselben verhängnißvollen Uebelstand, welcher sein Hauptverkehrsmittel, die Banknoten, trifft, daß ihm die solide Basis und innerer Halt fehlen. Preußen hat die Vortheile, welche sein Silberthaler für den Umsaß darbietet, auch für seine staatliche Organisation gewonnen. Es ist ein schweres, tüchtiges Wesen, hart, rund, ficher; gewichtig gegen den Reichsgulden, logisch fest und genau gegen die Gemüthlichkeit des östreichischen Kreuzerverkehrs, in welchem ungerade Fünf als gerade Zwei gelten. Dieser Vergleich ist kein müßiges Spiel mit Bildern, denn die drei maßgebenden Einheiten des Geldverkehrs, ursprünglich aus der Individualität der Länder und des Volkslebens hervorgegangen, haben auch wieder durch ihre verschiedene Beschaffenheit dazu beigetragen, die Physiognomie der drei großen Theile Deutschlands zu bestimmen.

Der Minister Hansemann hat es unternommen, das Thalerstück Deutschlands fortzurollen und seinen Cours gut zu stellen; einige Betrachtungen über seine Thätigkeit und die Finanzlage Preußens werden den Lesern vielleicht willkommen sein.

Da es in unseren Tagen mehr als je darauf ankommt, nicht nur das Verständige zu thun, sondern auch ihm einen

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