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Soldaten, Gesetz des Heeres und internationaler Kriegsbrauch bändigen ihm die Willkür und richten seine Gedanken und Werke nach den Zwecken seines Staates. Er ist bei gleicher Waffenzeit nicht nur ein besserer Krieger, als der französische Mobile, sondern mit diesem verglichen auch der civilisirte Mann gegenüber einem Halbwilden. Und dieser letzte Vorzug ist wohl werth, daß die allgemeine Aufmerksamkeit darauf weile. Vor wenigen Wochen hat der Prinz von Joinville, der einst selbst ein Feldherrnamt bekleidet hat, die Nuchlosigkeit begangen, öffentlich die friedlichen Bürger und Bauern Frankreichs zu blutigen Racheacten an den eindringenden Deutschen aufzufordern es ist derselbe Prinz des Hauses Orleans, welcher verjagt aus Frankreich und gastfrei in England aufgenommen, sich bei seinen unmilden Landsleuten dadurch Huld zu gewinnen suchte, daß er ihnen sofort in einer Schrift von England her auseinanderseßte, wie sie es anfangen müßten, die englische Flotte zu besiegen. — Nach ihm hat die provisorische Regierung in frevelhafter Verstörung, die. an den unwissenden Köpfen von Paris eher entschuldigt werden kann, in ähnlicher Weise den Krieg der Bürger und Bauern gegen die feindlichen Heere verkündet. Dieser Act hat denn auch in einem Theil Frankreichs zur Bildung von Banden geführt, welche, halb Patrioten halb Räuber, unseren Heeren oft lästig werden. Es sind Feldjäger und Postillone abgeschossen worden, es find Wagen mit Verwundeten und Proviant, sogar einzelne Colonnen aufgehoben, es sind kleinere Heeresabtheilungen überfallen und gefangen; man hat aus Häusern und Hecken auf durchziehende oder gar auf kämpfende Truppen geschossen, hat sogar Verwundete und Einquartierte gemeuchelt und einigemal scheußlich verstümmelt.

Dafür sind durch unser Oberkommando oder unsere Soldaten den Thätern bis jetzt etwa folgende Strafen aufgelegt worden: Außer der humoristischen Strafe von 250 Flaschen Champagner (für den Schuß beim Eintritt in Rheims) in

Summa etwa 3,000,000 Francs Contribution, 20—30 einzelne Häuser niedergerissen, 20-30 ganze Dörfer angezündet und niedergebrannt, 150-200 Bauern erschossen oder verbrannt, dazu auch Weiber und Kinder, welche sich an Mordthaten betheiligt hatten oder darum im Verdacht standen. Diese unheimliche Berechnung wird genügen, um die Bedeutung zu charakterisiren, welche der Volkskrieg für Frankreich hat. Der militärische Schaden, der uns dadurch erwachsen ist, läßt sich in Summa etwa dem vergleichen, den eine Anzahl regulärer Schwadronen unter einem unternehmenden Befehlshaber im Rücken des Gegners anzurichten vermag. Der Schaden für die verführten Landleute und für die wirthschaftlichen Interessen des Landes ist größer. Unberechenbar groß ist die Gefahr, welche durch derartige Aufregung des Volkskriegs der gesammten Cultur der gebildeten Menschheit bereitet wird.

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Das Menschengeschlecht hat drei Jahrtausende gebraucht, um aus jener wilden Kriegsführung: gänzliche Vertilgung von Mann, Weib und Kind der Feinde, bis zu der Humanität des modernen Krieges durchzudringen, welche das Privateigenthum der Feinde — mit unvermeidlichen Ausnahmen — achtet, welche in dem Verwundeten nicht den Feind, sondern den leidenden Mitmenschen sieht, und welche sorglich bemüht ist, die Zerstörungsmittel des Krieges so zu bilden, daß die Verwundungen möglichst große Aussicht für Erhaltung des Lebens Lassen.

Der civilisirte Krieg ist Kampf der Staaten durch den militärisch organisirten Theil ihrer Volkskraft, der Kampf selbst ist Zerstörung der Kampffähigkeit des Feindes in sehr bestimmten militärischen Formen, welche die Schonung der feindlichen Leben und Güter, so weit irgend möglich, erstreben. Ein Staat, welcher die allgemein angenommenen militärischen Formen aufgibt und den civilen Theil seiner Bevölkerung zu thätigen Theilnehmern des Kampfes macht, wirft seine gesammte Bevölkerung dadurch in die Gräuel und die Vernich

tung der Urzeit zurück, er gibt dieselben der Strafe, der Rache, der nothwendigen Zerstörung durch den Sieger preis. Der deutsche Soldat ist verpflichtet, Leben und Eigenthum seines feindlichen Quartiergebers so zu achten, wie das seiner Landsleute, nur Obdach, Lager und zuweilen Kost hat er zu fordern. Von dem Tage, wo er weiß, daß sein Quartiergeber durch die feindliche Regierung verpflichtet wird, den Einquartierten feindlichen Banden zu überliefern, ja selbst zu töten, vom Hinterhalt aus, durch das Essen, oder wenn der Einquartierte schläft, so muß der Soldat den Bürger und Bauer austilgen, aus der Wohnung in die Ferne jagen, ihm alle Mittel zu der Unthat, Haus und Hof, Geräth und Vieh zerstören; er muß die Städte und Dörfer niedersengen, das Land, welches er besetzt, in eine Wüste verwandeln. Selbstverständlich wird dadurch auch für ihn die Aussicht geringer, sich unter den fremden Brandstätten zu erhalten. Aber als Sieger hat er doch unvergleichlich größere Mittel sich zu ernähren, aus seiner Heimat und anderswoher Zufuhren zu beziehen, als der Lette auf dem verödeten Gebiet auszudauern, endlich dasselbe durch Colonisten seines Stammes neu zu bebauen.

Wollen die Kelten von Paris uns zwingen, im 19. Jahrhundert einen solchen Kampf gegen sie zu führen, indem sie ihn ruchlos, abenteuerlich gegen uns aufregen, so werden sie die Folgen zu tragen haben.

Wir haben mit schwerem Herzen und sehr gegen unsern Wunsch diesen unnöthigen Krieg, den die Franzosen uns erklärten, aufgenommen. Wir haben bisher die civile Bevölkerung mit einer humanen Schonung und Nachsicht behandelt, die sie wahrlich nicht um unsere Truppen verdient hat. Wir werden aber zuletzt genöthigt werden, sie zu behandeln, nicht wie ihre Falschheit und Tücke uns behandeln möchte, aber so wie nöthig ist, um ihnen die Scheu vor dem Stärkeren eindringlich zu machen.

Während die Nationalregierung bewaffnete Banden_er

mahnt, aus den Häusern auf unsere Soldaten zu schießen, schreit die französische Presse lautes Weh über den barbarischen Brauch der Deutschen, das Haus zu zerstören, aus welchem ein Bürger auf deutsche Truppen geschossen. Und während die Regierung von Paris den Städter und Landmann zu Räuberei und Mörderei anfeuert, erläßt die Akademie von Paris feierlichen Protest gegen eine Schädigung der Kunstund Alterthumsschäge durch freche feindliche Kugeln. Auf den ersten Unsinn ist keine Antwort nöthig, dem zweiten möge eine kurze Betrachtung antworten. Wir fühlen recht innig den Werth, welchen ein Bild von Raphael in den Pariser Museen für unsere Cultur hat. Wenn aber heut durch Aufopferung des besten Bildes, der schönsten Antike, das Leben auch nur eines unserer Söhne und Brüder, welche in Frankreich kämpfen, vor dem Tode bewahrt werden könnte, wir müßten, ohne zu zaudern, Holz und Marmor der Vernichtung hingeben, um unser Leben und Blut zu bewahren. Und hier handelt es sich nicht nur um das Leben eines Mannes, sondern um Leben und Heil von Hunderttausenden, und nicht nur um hunderttausend Einzelne, sondern um Leben und Heil des Höchsten, was wir auf Erden haben, unseres Staates.

Dieser Krieg ist ein grimmiger Krieg, und das Volk, mit dem wir zu kämpfen haben, ist ein verkommenes Volk.

(Grenzboten 1870, Nr. 44.)

10. Schwarzweißroth und die deutsche Frage. Es war vorauszusehen, daß die Reise des Herrn Thiers den neutralen Mächten eine willkommene Anregung geben werde, ihre Friedenswünsche den Kriegführenden mitzutheilen. Auch Industrie, Handel, Staatseinnahmen der Neutralen leiden unter dem Kriege; die unerhörten Siege der Deutschen und der politische und militärische Sturz Frankreichs beunruhigen, das neue Uebergewicht Preußens wird seit dem Tage von Sedan mit starkem Mißtrauen, die Hilflosigkeit der Franzosen mit

Theilnahme betrachtet. Jedem Cabinet wandeln sich diese gemeinsamen Empfindungen nach den eigenen Interessen, im Ganzen hat die Staatenfamilie Europas vorwiegend conservative Neigungen, sie erträgt auch Lästiges, was sich eingelebt hat, mit langer Geduld, aber sie betrachtet jede Neuerung mit dem größten Mißtrauen. Fast alle Regierungen haben sich der Demüthigung des kaiserlichen Frankreichs gefreut, alle sind der Vergrößerung Deutschlands bis in die Vogesen abgeneigt. Wenn jetzt England im Verein mit Destreich und Italien vorsichtigen Rath für Waffenstillstand und Einberufung einer Constituante ertheilt, und der Kaiser von Rußland in directem Schreiben Schonung für Paris erbittet, so halten wir nicht für leicht, eine solche Lebensäußerung der Großmächte mit hochachtungsvoller Gleichgiltigkeit abzufertigen, wie unbequem uns der Rath auch gerade jezt kommen mag, und es wird aller Gewandtheit und Energie unseres auswärtigen Amtes bedürfen, um die Ansichten der Neutralen mit dem in Einklang zu bringen, was für uns militärisch nothwendig ist.

Denn die Ueberzeugung ist im Heer und Volke allgemein, daß die Franzosen noch nicht so weit gebracht sind, um in eine Abtretung des Elsaß und des Saargebiets zu willigen, und daß eine Unterbrechung unserer militärischen Operationen gerade jezt für uns unheilvoller wäre, als eine verlorene Schlacht. Erst wenn Meß und Paris in unserer Gewalt sind, dürfte die Zeit für Zusammentritt einer französischen Constituante gekommen sein.

An den Festfahnen, welche unsere Landsleute in den lezten Monaten zur Siegesfeier von Fenstern und Dächern wehen ließen, war in Norddeutschland zuweilen Schwarzrothgold zu schauen. Nicht nur bei solchen deutschen Hausbewohnern, welche aus alter Gewohnheit oder Unzufriedenheit diese Bannerfarben hochschäßen, oder in sparsamem Gemüth eine vorhandene Flagge aufzubrauchen wünschen. Auch kluge Leute lassen, z. B. in Berlin, die Reichsfahne von 1848 wehen; denn so erklären

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