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Regierungen und Rathgeber fortgerissen werden, wir haben keinen Mann in ganz Deutschland, der stark genug wäre, den Volkswillen aufzuhalten oder aus seiner Richtung zu bringen. Habt ihr je von den mächtigen Stürmen in der östlichen Steppe gehört, Michael Mroß? Diese Stürme sind so stark, daß sie große Schafherden mit ihren Treibern fortreißen in einer Richtung, Meilen weit, Tage lang. Merkt, mein Bursche, ihr und Viele euresgleichen sind die Schafherde, ihr und eure Treiber müßt dahin, wohin der lebhafte Drang unserer öffentlichen Meinung jagt. Weder der Sturm, noch die Herde weiß, wo das Ende des Jagens sein wird, aber beide können nicht mehr auseinander. Und wollt ihr wissen, Michael Mroß, wer ich bin? Ich bin einer von den Namenlosen, die euch den Wind machen.

2. Die Kunst, ein dauerhafter Minister zu werden.

(Grenzboten 1848, Nr. 30.)

Auf meinem Leichenstein wünsche ich nicht die Worte, welche der Ministerpräsident v. Auerswald der preußischen Nationalversammlung als Grabschrift empfahl:,,Er lebte 1848 und war ein Sohn seiner Zeit“, sondern ich will die Aufschrift: „Er lebte 1848 und wurde nicht Minister.“ Ia noch mehr, ich habe den Wunsch, daß außer mir noch einige Deutsche aus diesem Jahrgange übrig bleiben möchten, seien ihrer auch nur wenige, welche nicht Minister gewesen sind, oder jezt sind, oder in Zukunft sein werden. Um nun dem Vaterlande solche Männer zu erhalten, sehe ich mich genöthigt, gewisse Recepte der Oeffentlichkeit zu übergeben, welche die besondere Wirkung haben, einer volksthümlichen Regierung Halt, Dauer und Wirksamkeit zu sichern. Auch ich hege die innige Ueberzeugung, daß unsere Zeit eine sehr große ist, und wenn ich auch annehme, daß sie gerade deshalb so groß wurde, weil die Menschen darin so klein

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sind, so soll dadurch keinerlei Anklage gegen die Redefertigkeit unserer Revolutionshelden ausgesprochen werden. Ferner weiß ich sehr wohl, daß gute Recepte vielleicht dicker, aber nicht größer machen können, selbst wenn ein Talent, wie z. B. Robert Blum, seinen Kohl darnach zurichtet. Demungeachtet sind es goldene Lehren, und sie haben den großen Vorzug, sämmtlich uralt zu sein. Ob man sie hier und da frivol finden wird? Höchstens in einigen Vereinen zu Wien, Breslau und Berlin, deren republikanische Tugend sich gegen jeden Schein von List, Verstellung und Heuchelei empören müßte. Da aber diese ehrenwerthen Vereine im Begriffe find, die Wissenschaft des Lesens für reactionär zu erklären, weil Jedermann während des Lesens in widerlicher Abhängigkeit vom Schriftsteller und Drucker lebt, so ist nicht zu befürchten, daß ihnen diese Worte zu Gesicht kommen.

Vor Allem mögen die Kandidaten eines Ministeriums den Glauben abthun, daß eine gewisse Redlichkeit, feste politische Ueberzeugungen und Geschäftskenntniß hinreichen, sie zu solcher Stellung zu befähigen. Im Gegentheil, diese Eigenschaften helfen jetzt dazu, einen Staatsmann zu ruiniren, sobald sie ihn doctrinär und sicher machen. Von allen Schulen, durch welche das Leben für diese Kunst vorbereitet, weiß ich keine besser zu empfehlen als die, auf ein Jahr Director einer Truppe von Komödianten zu werden. Hier kann er lernen, finanzielle Verlegenheiten durch Diplomatie zu überwinden, Intriguen zu machen und zu vereiteln, und Fächer mit passenden Subjecten zu besetzen. Der Hauptvortheil aber ist, daß er begreift, was unsere Minister sämmtlich nicht verstehen, die Kunst, durch dramatische Effecte die Masse zu leiten, und daß er die innigste Ehrfurcht vor dem Geschmack und den Launen des hochverehrten Publikums bekommt. Leider machen die stürmischen Zeitläufte diese Vorbildung, die einzig gründliche, vor der Hand unmöglich.

Die Völker haben von je das Bedürfniß gefühlt, über ihre

Götter zu lachen. Jupiter stand unter dem Pantoffel, Thor mußte sich von den Riesen ganz nichtswürdig vexiren lassen, und selbst Napoleon wurde zum „kleinen Corporal", um der Phantasie seiner Soldaten recht handlich zu sein. Und die Völker danken es durch rührende Anhänglichkeit, wenn sie hin und wieder das eigene Selbstgefühl durch Erniedrigung ihrer Heiligen aufblasen dürfen. Wer seinem Volke ein Gott werden will, soll den Punkt nicht außer Acht lassen. Er überlege sich, ob er irgend etwas komisches in seiner Erscheinung hat oder hineinbringen kann, etwa einen seltsam gestuzten Bart, oder ein humoristisches Bäuchlein, oder eine große Nase, oder wenigstens einen lächerlichen Zug um die Augen. Diese komische Seite soll er cultiviren und dem Volke preis geben, und er wird den Vortheil überall merken. Seine Volksthümlichkeit wird sich erstaunlich schnell befestigen, jedes edle Wort, das er spricht, wird in dem unedlen Beiwerk seiner Erscheinung die beste Unterlage finden, und seine Neider und Feinde werden so viel Wige über seine Nase oder seinen Bauch zu schreiben und zu zeichnen haben, daß sie darüber andere gefährlichere Angriffe versäumen.

Während früher ein Minister leutselig sein mußte, um populär zu werden, soll er sich jezt, wo die größte Höflichkeit erwartet wird, zuweilen einer kräftigen Grobheit befleißigen. Das souveräne Volk hat in diesem Augenblick wenig Respect vor Rang und hoher Stellung und hält in dem bengelhaften Uebermuth seines jungen Sieges Freundlichkeit leicht für Schwäche. Jeder Widerstand gegen seine Launen wird es empören, und doch hegt es leisen Zweifel an seiner eigenen Weisheit und eine stille Sehnsucht sich imponirt zu sehen und einen ,,ganzen Mann" sich gegenüber zu stellen. Ein ganzer Mann“ aber nach dem Herzen des Volkes kann diesem nicht angenehmer werden, als wenn er bei Gelegenheit gegen eine Depu tation des Volkes oder gegen einflußreiche Persönlichkeiten sackgrob wird, d. h. den Eindruck sicherer Kraft macht. Solche Bescheide, wie: Meine Herren, entweder sind Sie betrunken

oder Sie halten mich für verrückt, in beiden Fällen kann ich nicht mit ihnen verhandeln, sind bewundernswerth, entzücken durch die liebenswürdige Ueberlegenheit, welche aus ihnen hervorscheint, und fliegen, wie sonst reizende Bonmots, von Mund zu Munde. Kann der Herr grob und zu gleicher Zeit wißig sein, so ist das vollends vortrefflich. Allerdings muß er dabei gerade stark in seinem guten Recht sein und hohle Tröpfe zu Gegnern haben. Gegen Männer aus dem Volke selbst wird er natürlich stets fein und artig sprechen. Auch auf sein Costüm soll er wohl achten, geht er spazieren, so sei er unscheinbar, damit er nicht auffalle; den Parteiführern feindlicher Clubs gegenüber nachlässig, um einen gewissen Mangel an Respect anzudeuten, dem Volke gegenüber elegant gekleidet, das gefällt und schmeichelt der Menge immer noch; hat er aber eine Partei im Volke, die fest an ihm hängt, so trage er unter ihr das Kleid, das sie selbst liebt, sei es die Uniform der Nationalgarde oder die Blouse.

Hier muß ich auf die Cigarren, als auf eine kleine liebenswürdige Stüße des Regierenden aufmerksam machen. Sie müssen aber sehr stark sein und in einem großen merkwürdigen Etui aufbewahrt werden. Wo im Budget ein Fond für geheime Ausgaben durchzusehen ist, wird diese Summe viel nüßlicher in Havannas, als in Spionen angelegt. Hat der Minister eine persönliche Neigung zu Malicen, so gibt ihm eine Sorte mörderischer und berauschender Maduros Gelegenheit, in dem Lager seiner Feinde unter dem Schein freundlicher Gesinnung, flaues Wesen und Abspannung zu erzeugen. Immer aber muß er sein Etui gefüllt erhalten und bei allen Gelegenheiten, wo er es nicht angemessen findet, als vornehmer Mann aufzutreten, mit unbedingter Leutseligkeit selbst rauchen und Rauch verursachen. Besucht er z. B. einen feindlichen Club, so schaffe er sich durch sechs bis acht Cigarren, die er gleich beim Eintritt an Solche, die ihn etwa noch kennen und grüßen, ungezwungen und scherzhaft austheilt, eine kleine Partei und

ziehe diese Partei allmählich bis in die Mitte des Raumes nach sich. Findet sich nun irgend eine Gelegenheit, in seinem Interesse dramatisch zu wirken, durch Zischen, Toben, Prügeln und dergleichen, so kann er sicher auf sechs bis acht menschliche Wohlwollen rechnen, welche seinen übrigen Gönnern Muth machen. Wichtiger werden sie in andern Fällen. Gesetzt: Herr Staberl oder Herr Buffet erscheint als Deputation, dem Minister anzuzeigen, daß er das Vertrauen der Nation verloren habe. Der elegante Kammerdiener meldet die Deputation, sie wird in ein kleines, gemüthliches Rauchzimmer geführt. Jezt muß der Minister schnell die Halsbinde abnehmen und einen leichten Hausrock anziehen. Dann tritt er zur Seitenthür schnell herein. (Eine Entschuldigung, er habe es für Unrecht gehalten, sie warten zu lassen und) Nun, mein treuherziger Staberl, oder: Buffeh, mein alter Feind, wie geht's? Was habt ihr wieder gegen die arme Regierung conspirirt? (bietet liebevoll Cigarren an). - Staberl oder Buffet recufirt mit steifer Verbeugung, wird um eine Nuance aufgeregter und beginnt feierlich: Herr Minister. — Minister (mit vornehmer Grazie unterbrechend) Ach, meine Herren, ihr Club hat mich abgesezt und sie kommen mir das zu sagen. (Uebergang, Hervortreten guter Laune) Aber das ist kein Grund, mir meinen Comfort zu rauben, ich werde Sie ruhiger und gefaßter anhören, wenn Sie mir das Recht geben weiter zu rauchen und deshalb fordere ich, daß Sie den Brauch meines Hauses ehren. (Nochmaliges Anbieten der Cigarren, schleuniges Hereinstürzen eines Dieners mit Licht.) Wenn jetzt einige der Deputirten sich bethören lassen, eine Cigarre zu nehmen, so wird es eine rechte Freude sein, wie gemüthlich sich die Abseßung ausnimmt, wie geschickt sich der Minister vertheidigt, wie der versöhnende Duft des Rauches in die Herzen eindringt, wie vielleicht Alles nur ein Mißverständniß war, oder die Feindseligkeit des erbitterten Clubs wenigstens auf das zum Gedeihen des Staats und des Ministers nöthige Maß heruntergebracht wird. Ver

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