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ten zusammenzuhalten, noch der gutgeschulten und wohl überlegenden Politik des Kaisers zu begegnen.

Ein ganz anderer Charakter war Landgraf Philipp von Hessen. Eine reichbegabte Natur, Frische und Rührigkeit in allen Dingen, Kühnheit und Entschlossenheit zeichneten ihn ebenso aus, als sein Eifer für die Reformation und seine Begeisterung für die lutherische Lehre. War er es doch gewesen, der in allen entscheidenden Momenten durch sein Handeln die protestantische Sache vorwärts gebracht! Aber diese rasch entschlossene Neigung zum Vorgehen und Einhauen hatte auch zweimal schen Deutschland an den Rand des allgemeinsten Bürgerkrieges ge= führt. Und wie es durchaus nicht in seiner Art lag, seine Gesinnungen und seine Absichten zu verbergen, wie er selbst mit einer gewissen großartigen Offenherzigkeit und Vertrauensseligkeit sich in die Verbindung mit dem Kaiser gestürzt, nur an ein kaiserliches Wort sich haltend, so war er ganz dazu geeignet, vom Kaiser hingehalten, ausgenugt, betrogen zu werden. Er war über seine Familienangelegenheiten mit den Nachbaren in Streit gerathen, und diese allerpersönlichste Sache, die eine Verstimmung zwischen ihm und Johann Friedrich erregt, hatte dem Kaiser das Mittel gegeben, die Verbündeten zu veruneinigen und den Abschluß jenes großen protestantischen Bündnisses von 1540 zu hindern.

Das waren die Häupter des Schmalkaldner Bundes, die beiden Fürsten, auf denen die Zukunft der Protestanten im Reiche zu ruhen schien. Protestantischer Fürsten waren allerdings noch manche vorhan= den, aber keiner der größeren und bedeutenderen trat dem Bunde bei, wir erörtern hier nicht, durch welche Gründe im Einzelnen verhindert. Nur Einen Fürsten gab est, den Herzog Moriz von Sachsen, dessen Talente den Ringkampf mit der kaiserlichen Politik aufzunehmen fähig waren; aber ihn hielten territoriale Händel und Reibungen von einer Gemeinschaft des Handelns mit Kursachsen und Hessen zurück, und der Scharfblick des kaiserlichen Rathes wußte dem kalt berechnenden Ehrgeiz dieses unbemittelten und kleinen Fürsten rechtzeitig entgegenzukommen.

Zene Fürsten also, denen bis dahin die protestantische Partei die mächtige Stellung des Speierer Reichstages verdankte, waren durchaus nicht geeignet, die Vortheile ihrer Lage so zu benußen, daß der Protestantismus dauernd gesichert wurde. Von den schönen Verheißungen und den allgemeinen Redensarten des Kaisers über Conzil und Reformation und Religionsfrieden ließen sie sich gerne bethören und lieferten ihm die Waffen, welche gegen sie selbst gekehrt werden sollten.

Von großer Tragweite war schon der Fehltritt der protestantischen Fürsten, den sie in der Cleve'schen Frage begingen: sie ließen die am Niederrhein begonnene Reformation im Stiche und führten vornämlich durch ihr Verhalten die Befestigung kaiserlicher Macht in jenen Gegenden und die Rückkehr des Fürsten von dem schon geschehenen Uebertritt herbei.

Und während auf dem Speierer Reichstage die Aussichten der Protestanten sich glänzender denn je gestaltet hatten, mußte es sich auf dem Wormser Reichstage nun entscheiden, ob auch nach dem Frieden mit Frankreich und der Annäherung an den Papst auf dem vorjährigen Grunde weiter gebaut, oder ob jezt das Conzil, das eben berufene, und die Unterwerfung aller Parteien unter dies Conzil die Lösung der Frage werden solle: die Protestanten verlangten da, daß sie jezt eines beständigen Friedens versichert würden, ,,dermaßen, daß die zuvor aufgerichteten Friebstände durch berührtes Tridentisches Conzil nicht aufgehoben, sondern nichtsdestoweniger bis zu christlicher Vergleichung beständig bleiben und gehalten werden sollten". Natürlich ging der Kaiser nicht darauf ein; er hielt die Protestanten zwar noch im Unklaren über seine eigentliche Meinung, er entschloß sich nur, durch ein neues Religionsgespräch die Unterordnung unter das allgemeine Concil vorzubereiten. Wir wissen, zur selben Zeit wurde mit dem Papste der Beschluß gefaßt, durch alle Mittel, auch durch Gewalt diese Unterwerfung zu erzwingen.

Wenn die Protestanten 1544 die günstige Lage nicht zu einer endgültigen Erledigung der schwebenden Frage benutzt, so war jetzt sicher kein Gedanke mehr, daß sie in ihrem Sinne Abmachungen hätten erlangen können. Gerüchte und Gerede gingen am Reichstage nnd im Reiche von kriegerischen Absichten des Kaisers; aber die Protestanten wiesen den einmal auftauchenden Gedanken zurück, den noch nicht vorbereiteten Kaiser zu überziehen. Und auch in einer anderen praktischen Frage ließen sie sich gleichfalls den günstigen Moment entgehen. In dem Erzbisthum Köln hatte Kurfürst Hermann von Wiet, begünstigt und getrieben von dem allgemeinen Aufschwunge der protestantischen Sache eine Kirchenreformation nach protestantischem Sinne in Angriff genommen und war darüber mit seinem Kapitel in offenen Zwiespalt gera then. Als der Kaiser nun den Protest der Katholiken von Köln gnädig entgegennahm, und als die Kurie die Suspension über den abtrünnigen. Kirchenfürsten mit rascher That verhängte, wandte sich auch Kurfürst Hermann an die protestantischen Bundesfürsten um Aufnahme unter

die Bundesverwandten und Schutz seines Erzstiftes. Und wirklich beschloß der Bund, dem Kölner zu helfen und von dem Kaiser Abstehen von allem raschen Verfahren zu fordern. Aber die ausweichenden Erklärungen des Kaisers und die Versicherungen seiner gütigen und friedlichen Gesinnungen vermochten schließlich über die zögernden Fürsten des protestantischen Bundes noch immer so viel, daß sie sich ruhig verhielten und die Beseitigung des Kölner Erzbischofes thatsächlich zu hindern sich nicht rührten.

Es ist in der That unbegreiflich, wie im Frühjahr des Jahres 1546 die ganze Atmosphäre von Kriegsgedanken und Kriegsgerede erfüllt war, wie man die Boten zwischen Rom und Brüssel, zwischen Brüssel und Valladolid kommen und gehen sah, und wie man doch immer noch Vertrauen und Zuversicht in des Kaisers friedliebendes Gemüth sette..

Diese Verblendung der Protestanten ist nur durch ihre Ungeschicklichkeit erreicht worden.

Es waren genug Elemente vorhanden, welche die Stellung der Protestanten zu einer gewaltigen und widerstandsfähigen machen konnten. Wenn der Pretestantismus fast in allen deutschen Gebieten sich Anhänger erworben und von den Fürsten schon die überwiegendste Mehrzahl unter seine Bekenner zählte, so schien es nur eines großen Anstoßes zu bedürfen, um die Nation zur Einheit auf protestantischem Boden zurückzuführen. Allenthalben war der Haß und die Abneigung gegen die habsburgische Herrschaft so gewaltig gewachsen, daß ein Angriff Karl's auf die deutschen Zustände den allseitigsten Widerstand herverrufen zu müssen schien3). Welches die Stimmung in Deutschland gewesen, hatte noch im Herbste 1545 sich in Braunschweig gezeigt. Die Erhebung Herzog Heinrich's war vor dem Uebergewicht der Schmalkaldner Fürsten fast ehne Schwertstreich zur Ruhe gebracht. Und noch mehr. Wenn damals auch der Kurfürst von der Pfalz über seinen Anschluß an die Schmalkaldner zu verhandeln sich getraute, wenn auch der neuerwählte Erzbischof von Mainz bei den Protestanten Hoffnungen rege machte, daß Mainz dem Beispiele Kölns folgen werde, so erscheint es fast wunderbar, daß jener,,allgemeine deutsche Fürstenbund", den im Herbste 1545 Landgraf Philipp projectirte, nicht zum

3) Vgl. über die überwiegende Majorität der Protestanten die Aeußerung Sanuto's (bei Albèri I. Bd. 2. p. 135.) und den Haß gegen Carl ib. p. 130 ff. P. 146.

Abschluß kommen konnte1). Wie wäre da Karl eine Fessel angelegt, und wie wäre es ihm schwierig oder unmöglich gemacht worden, den eben erfaßten und mit dem Papst verabredeten Gedanken eines,,deutschen Krieges" zur Ausführung zu bringen.

Aber die Protestanten verstanden es nicht, diese Elemente zu sammeln: alle weiteren Entwürfe hinderte die tief gewurzelte Spannung. zwischen Johann Friedrich und Moriß, die der Landgraf zu vermitteln durchaus nicht der Mann war. Selbst die inneren Angelegenheiten. des Schmalkaldner Bundes konnten nicht völlig in Ordnung gebracht werden: Beschwerden und Reibungen der Mitglieder untereinander waren auch hier an der Tagesordnung, und gar neue Mitglieder hineinzuziehen oder die großen evangelischen Territorien, wie Brandenburg und die Pfalz, einzuschließen, schien etwas durchaus Unmögliches. Und auch die benachbarten Rivalen Desterreichs, die Herzoge von Bayern, deren Verbindung mit den protestantischen Fürsten früher zu den Siegen des Schmalkaldener Bundes ein Wesentliches beigetragen, auch sie wußte man jezt nicht bei der Gemeinschaft dieser Opposition festzuhalten. Endlich trieben territoriale Händel und persönliche Feindschaften eine Reihe protestantischer Fürsten in die weitgeöffneten Arme des Kaisers.

An allen Stellen in Deutschland verloren die Protestanten nach und nach die Verbindungen, die den Widerstand gegen Karl's Angriffspläne erfolgreich zu machen versprachen. Und die Stüßen im Auslande, die helfen konnten, sich beizubringen, wollte ihnen auch nicht gelingen.

Diese Idee, die doch so nahe lag, hatte man wirklich auch bei dies sen Protestanten gefaßt: man hatte sich bemüht, sowohl an König Franz Schutz zu gewinnen, als mit dem antirömischen England einen Bund einzugehen gegen den Kaiser. Man hatte Gesandte hin- und herge= schickt, zunächst die beiden Kronen zu versöhnen und beide zu dieser · Allianz gegen Habsburg geneigt zu machen. Aber nach vielfachen Täuschungen mußte man es erfahren, daß man weder in Frankreich noch in England der entgegenarbeitenden Faktionen Herr geworden war; und was etwa König Heinrich bieten mochte, genügte der eigensinnigen Pedanterie des sächsischen Kurfürsten nicht. Wenn immer wieder der Landgraf in England anknüpfte, so zerriß jedesmal seines deutschen Alliirten Weigerung die Fäden dieser Verbindung").

4) Vgl. Seckendorf III. 570 u. 571. Rommel II. p. 480-482. 5) Seckendorf III. 552 ff. 568 ff. Eine Reihe sehr interessanter Details

Als endlich im Juni 1546 der Reichstag in Regensburg eröffnet wurde, hatte des Kaisers Sache im letzten Jahre überall neue Mittel und neue Hülfsquellen seiner Kriegsmacht sich eröffnet. Und in demselben Jahre war der Boden der protestantischen Stellung in Deutschland von Innen und von Außen stets unsicherer, und ihre Macht, die anscheinend so kräftige, stets unkräftiger und loser geworden. So trat man in den Krieg ein.

aus diesen Verhandlungen enthalten die Aktenstücke in den State Papers X. und XI. Auch Sleidan ist hier eine erste Quelle.

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