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ten zu verharren vermocht! Oder welchen prinzipiellen Grund gab cs, der die Vortheile des Religionsfriedens dauernd allein den Mitgliedern des Schmalkaldner Bundes zugesprochen? Es lag doch im Wesen der Sache selbst, daß der Bund sich zu erweitern und alle die Stände in sich aufzunehmen suchte, die seine Religion vertretend, die Augsburger Confession zu ihrem Bekenntniß anerkannten.

Schon bald nach dem Frieden unternahmen es die Häupter des Bundes, in Uebereinstimmung mit Bayern und auf Frankreichs Schuß rechnend, die habsburgische Herrschaft aus Würtemberg zu beseitigen. Des hessischen Landgrafen kühner Kriegszug seßte den vertriebenen Herzog von Würtemberg in seine Lande wieder ein und errang im Frieden von Kadan dem Herzog das Recht, auch Würtemberg der Reformation zu eröffnen. Wie gewaltig war da dieser deutschen Reichsfürsten Bündniß in Aufnahme, als sie die Schranken des Nürnberger Friedens durch diese kühne That durchbrachen!

Es galt das, was hier im einzelnen Falle durchgekrungen, als allgemeines Princip zur Geltung zu bringen.

In Folge jenes Friedens von Kadan hatten sich auch König Ferdinand und Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, der Erste unter den protestantischen Fürsten, einander genähert. In persönlicher Begegnung in Wien sagte Ferdinand jetzt in ganz allgemeiner Weise Beilegung aller Anfechtungen der protestantischen Zustände zu: indem er dabei die protestantischen Stände im Einzelnen zu bezeichnen unterließ, fügte er sich in die Macht der Thatsachen, welche die Schranken des Nürnberger Friedens schon erweitert hatten1). Und auf Grund dieses Zugeständnisses nahm die Bundesversammlung zu Schmalkalden im Dezember 1535 neue Stände in sich auf. Den französischen König, der damals zu seinem erneuerten Kriege gegen den Kaiser des Bundes Hülfe zu erlangen wünschte, wiesen freilich die Stände zurück: sie gingen. nicht in seine Ideen einer religiösen Ausgleichung und eines gemeinschaftlichen Kriegsbundes ein; ja, in jenem italienischen Kriege blieben sie völlig neutral und ließen sich nur vom Kaiser die erneuerte Versicherung seiner friedlichen Haltung und Beobachtung des Friedstandes ertheilen.

Während also die politische Verbindung aller Protestanten zum Schutz ihrer Kirche immer neue Anerkennung und immer weitere Ausdehnung gewann, arbeitete man auch an der inneren Einigung der re

1) Vgl. die treffende Bemerkung Rante's D. G. IV. 63.

Ligiösen Systeme der Protestanten. Wenn auch nicht diese gewünschte Verschmelzung der verschiedenen Secten, so doch eine gewisse Annäherung kam in der Wittenberger Concordie zu Stande: in friedlichem Geist einigte man sich zu gemeinsamen Formeln und überzeugte sich von dem gemeinsamen Grunde.

In allen Beziehungen ist so die Stellung der Protestanten eine stärkere geworden. Seitdem sie aus innerem Glaubensmuthe sich der Politik des Kaisers in Augsburg widersett, sind sie immer mehr Herren von Deutschland geworten: der Griff des Kaisers, der sie damals zu fassen und bei der katholischen Einheit zu halten versucht, war gänz lich mißlungen; ja, er hatte nur die bessere Befestigung der protestantischen Kirchen zur Folge gehabt. Und wenn der Kaiser jet andere Saiten anschlug, wenn er jezt wir sahen unter welchen Umständen und aus welchen Motiven das allgemeine Conzil zu berufen und Vergleichsverhandlungen mit den religiösen Gegnern vorzubereiten Sorge trug, so durfte auch dies neue Verfahren des Kaisers die Protestanten nicht beunruhigen, es mußte auch dies ihre Stellung nur weiter befestigen.

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Die Protestanten fühlten sich schon so stark und so gesichert in ihrer neuen Bedeutung, daß sie das ihnen gebotene Conzil als ein ungenügendes verwarfen; ja, den Bewegungen der katholischen Stände entgegen wären sie beinahe ihrerseits zu einem Angriff geschritten. Und erst als in Nizza Karl und Franz sich geeinigt, erst als in Deutschland unter kaiserlichem Schuße der katholische Gegenbund zu Stande gekommen, erst da entstand in den Protestanten, die festen Sinnes und kühnen Muthes mehr und mehr von Deutschland Besiß ergriffen, auf's Neue die Besorgniß vor einem Angriff durch den feindlichen Kaiser. Wenn sie jetzt ihrerseits ein französisches Bündniß suchten, so mußte es ihnen klar werden, daß dieser Rückhalt ihnen für den Augenblick entzogen sei, daß König Franz auf des Kaisers Anschauungen eingegangen und jetzt an der spanisch-katholischen Politik Karl's mitarbeite. dings wie jene Vereinigung von Kaiser und König zuerst den Weg der Verhandlungen mit den Abgefallenen einzuschlagen sich vorgesezt hatte, so wurde auch der Ausbruch des Krieges in Deutschland einstweilen verhindert und jener Tag in Frankfurt eröffnet: mächtig und stark in ihrer Stellung über ganz Deutschland hin, forderten die Schmalkaldner Verbündeten dort einen beständigen Frieden", ohne Rücksicht auf einstiges Conzil oder einstige Religionsvereinigung. Und wenn auch so viel nicht gewährt werden konnte, so mußte der kaiserliche Commissar

doch die Erweiterung des Nürnberger Friedens auf alle neu zugetretene Glieder des Bundes zugestehen. In der That, es war das ein neuer Sieg des protestantischen Bundes auch inmitten einer neuen Weltlage.

Und als einen Vortheil durften die deutschen Protestanten auch das begrüßen, daß die dritte der europäischen Großmächte sich damals ihrem Standpunkte näherte. Es sind ja die Tage, in welchen im Rathe und im Reiche Heinrich's VIII. von England Cromwell's Politif das Ruder ergriffen, eine Politik, die ganz auf protestantischem Boden gewachsen auf Anlehnung und Verbindung mit dem deutschen Protestantismus ausging.

Als endlich der Kaiser in den Niederlanden erschien, wie gefährlich fand er da die Sache der Protestanten gewachsen! Der protestantische Fürstenbund von Deutschland war im besten Zuge, den Engländern die Hand zu reichen und auch den unmittelbaren Nachbaren der kaiserlichen Erblande, den Herzog von Cleve, für die protestantische Sache zu gewinnen. Den Bund des Kaisers mit einem höchst zweifelhaften und unzuverlässigen Könige von Frankreich und einem nie aufrichtig ergebenen Papste drohte die Verbindung der mächtigeren deutschen Fürsten mit Cleve Geldern, mit England, mit Schweden und Dänemark zu überflügeln.

Fürwahr, es liegt klar auf der Hand, weshalb der Kaiser 1540 und 1541 den Weg der Religionsgespräche eingeschlagen. Als da nun bald die Aussicht eines Abkommens, einer Allianz mit Frankreich dahinschwand, und als sich ein neuer Krieg mit Frankreich erhob, da mußte es der kaiserlichen Politik als das einfachste und wirksamste Mittel erscheinen, aus jener europäischen Allianz der protestantischen Elemente, die vor einem Jahre sich zusammenzuschließen gedroht hatte, Bundesgenossen gegen Frankreich zu suchen. Und diese Schritte wurden vom Erfolge gekrönt.

In England brachten des englischen Königs unberechenbare Launen und die Forderungen des englischen Volkes Cromwell's protestantische Pläne zum Sturze. Und die rückschreitenden Tendenzen am Hofe Heinrich's wußte des Kaisers Staatskunst geschickt zu benußen, den König von England wieder in das antifranzösische Lager zu bringen.

Wenn der Herzog von Cleve, sich Franz näherno, alle Versuche einer Ausgleichung mit den kaiserlichen Ansprüchen auf Geldern zurückwies und seine Rechte und seine Länder auf dem Grunde eines französischen Bündnisses sicherstellen wollte, so gab das den Anlaß, jenem

großen protestantischen Bunde ein anderes Mitglied zu entziehen. Wie in der Geldern'schen Frage der Angelpunkt gewesen, in dem sich die antikaiserlichen Elemente in Europa alle vereinten, so wurde nun dieselbe Frage die Schraube, die der Kaiser an die deutschen Verhältnisse ansezte. Auf dem Regensburger Reichstag hatte Karl den Protestanten Freiheit der Religion bis zum Couzile und Gleichheit des Rechtes im Reiche gewährt; in den Verhandlungen mit den einzelnen Fürsten aber ging Karl noch ein gutes Theil weiter. Die Aufnahme Cleve's in den Schmalkaldner Bund und die Vertheidigung des Herzogs durch die Protestanten zu hindern, schloß der Kaiser Separat-Verträge mit dem Kurfürsten von Brandenburg und sogar mit dem Landgrafen Philipp von Hessen: jenem gestattete er die Aufrichtung seiner lutherischen Kirchenordnung, damit die Legalität protestantischer Zustände anerkennend, und diesem verzieh er alle Mißachtungen und Uebertretungen der Reichsgesetze und nahm ihn,,aus besonderer gnädiger Zuneigung, Liebe und Freundschaft“ in seine Gnade und seinen Schuß auf2).

Es darf kein Wunder nehmen, daß die Lage der Protestanten unter diesen Verhältnissen sich beinahe in das Gegentheil der früheren Zustände verkehrt hat. Sie, die der Kaiser früher bedroht hatte, die er von dem Rechte des Reiches ausschließen wollte, und denen er höchstens faktische Duldung zugestanden, sie suchte er jetzt als seine Verbündeten auf, als seine Genossen im Kampfe mit Frankreich. Er ließ es zu, daß der protestantische Bund durch selbstmächtige That den Zustand rechtlichen Friedens sich wahrte: ungehindert von Kaiser und Reich` schlugen die Protestanten den Versuch des Herzogs Heinrich von Braunschweig, einen katholischen Rechtsspruch auszuführen, zu Boden. Und dennoch zeigte der Kaiser diesen Siegern über seinen alten Verbündeten, und sicher vertrat Herzog Heinrich auch die eigentliche Meinung des Kaisers stets freundlichere Mienen. Hatte doch derselbe Landgraf Philipp, der hier in der Braunschweiger Irrung wieder einmal der kecke Vorkämpfer der protestantischen Sache gewesen, die Aufnahme Cleve's in den Schmalkaldner Bund hintertrieben und dem Kaiser die Möglichkeit verschafft, sogar mit protestantischer Zustimmung den Herzog von Cleve zu züchtigen.

Wir erinnern uns, daß zu jenem französischen Kriege, der eben

2) Vertrag mit Philipp vom 13. Juni 1541 bei Rommel Philipp der Großmüthige, Landgraf von Hessen II, 434 ff und Vertrag mit Joachim vom 24 Juli 1541 bei Ranke D. G. VI. p. 337 ff.

damals mit erneuerter Heftigkeit entbrannte, der Kaiser vergeblich den Papst sich zum Bundesgenossen gesucht hatte. Des Papstes Neutralität im Kriege zwang den Kaiser unabweisbar, sich für diesen Krieg Genossen im protestantischen Lager zu werben. Und bei den Protestanten konnte er kaum eine bessere Empfehlung haben, als seine Spannung mit dem Papste. Mit offenem Vertrauen kamen ihm die Fürsten auf dem Speierer Reichstage im Jahre 1544 entgegen. Mit Kurfürst Johann Friedrich und mit Landgraf Philipp trat der spanische Karl hier in freundschaftliche Beziehungen. Ihm bewilligten sie mit freudiger Bereitwilligkeit des Reiches Hülfe gegen Frankreich; und er erkannte den Religionsfrieden nach den Bestimmungen der Regensburger Deklaration rückhaltlos an: sie Alle, der Kaiser und die Protestanten, sprachen es damals aus, daß eine allgemeine Reformation der ganzen Kirche nothwendig geworden, und daß die Vorbereitung dazu ungefäumt vorzunehmen sei. Und während es so das Ansehen gewann, als ob der Kaiser an der Spitze des Reiches und nach den Wünschen des Reiches die religiösen Kämpfe schlichten wollte, während die Protestanten voll Zutrauen und voll Hoffnungen waren, wiesen sie alle französischen Anträge ab: von ihrem Kaiser geführt, hofften sie eine nationale Einigung zu erzielen.

Der Krieg nahm die bekannte Wendung: nach seinem Siege über Franz hat Karl wieder die natürlichen Tendenzen seiner Stellung reiner herausgekehrt. Wenn er durch einen gemäßigten Friedensschlußz Franz für sich gewann, und wenn er mit dem Papste eine neue Verbindung verhandelte, wie mußte da im Reiche wieder Alles anders werden!

Wahrlich, die protestantischen Fürsten sind in keiner Weise diesem Kaiser gewachsen gewesen.

Von den Häuptern der Protestanten war Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen seiner politischen Machtstellung nach der bedeutendere. Er war ein würdiger, charakterfester, gottergebener Herr, dem es mit der Frage der Kirchenreformation ebenso Ernst war, als mit seinen theologischen Händeln. Wenn Biederkeit und Festigkeit des Charakters, wenn unerschütterliches Gottvertrauen, wenn strenge Gewissenhaftigkeit auch in den kleinsten Dingen die vorzüglichsten Eigenschaften eines groBen Staatsmannes wären, dann würde wohl Johann Friedrich vor Allen der Fürst gewesen sein, der die Sache der deutschen Reformation zum Siege geführt hätte. Aber wie einmal in dieser Welt die Dinge liegen, waren seine pedantische Gewissenhaftigkeit und skrupulöse Rechtlichkeit nicht im Stande, weder die einzelnen Elemente der Protestan

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