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in den Niederlanden Residenz haben und von dieser Seite aus den französischen Krieg in größerem Maßstabe aufnehmen 6).

Und da trat nun auch das Ereigniß ein, das die Richtung der kaiserlichen Politik endgültig bestimmt hat. Wenn schon in den letzten Monaten Verhandlungen über den Kanal hin angeknüpft waren, England wieder an die habsburgische Politik zu binden und in den Krieg gegen Frankreich fortzureißen), so eröffnete der unerwartete Tod des jungen Königs Eduard von England noch ganz andere, bessere Aussichten. In England bestieg den Thron Karl's Cousine, die Prinzessin Maria, mit Leib und Seele die Tochter der Spanierin, mit Leib und Seele den spanischen Interessen treu ergeben. Und da fand Karl's Politik noch Lebenskraft genug in sich, diese Möglichkeit eines neuen, großartigen Aufschwunges zu erfassen. Ohne jegliches Zaudern, mit der alten Lebendigkeit des Entschlusses, ganz frei von jener Apathie und Langsamkeit, über die man in Italien klagte, erkannte Karl die neue Sachlage und zauderte nicht sie zu benutzen. Er hat sofort seinen Willen ausgesprochen ), daß Philipp die neue Königin von England heirathe und Englands Katholisirung auf sich nehme. Und der spanische Philipp, wenn auch nicht freudig und Anfangs mit zögernden Schritten, hat bald die Bedeutung dieser neuen Aufgabe durchschaut und hat sich festen Sinnes an die schwere Arbeit gemacht.

Das waren die Motive, die auch in Deutschlands Geschicken die endgültige Wendung hervorgerufen und Ferdinands Friedenspolitik begünstigt haben.

Einen Augenblick zwar schienen die sich in England eröffnenden Aussichten einen neuen Streitpunkt zwischen Karl und Ferdinand zu erheben. Auch König Ferdinand erging sich in Plänen und Projecten, seine Familie zu erhöhen; auch er faßte die Idee, einem seiner Söhne, dem Erherzoge Ferdinand, die Königin und das Reich von England zu gewinnen. Aber sobald Karls Wunsch deutlich und unverhüllt her

6) Karl an Philipp. 2. April 1553 bei Gachard 154 ff.

7) Ueber diese Verhandlungen zwischen Karl und Eduard seit dem Ende von 1552, die, von einer Friedensvermittlung Englands ausgehend, zuleht auf die Idee eines habsburgisch-englischen Bundes gegen Frankreich hinauskamen, an dem aber auch das deutsche Reich; Theil haben solle, benutzte ich außer den im Calendar notirten Akten des Record Office noch die Papiere im British Museum: wie sehr ist es zu bedauern, daßz jene offizielle Arbeit nicht alles aufgenommen, was in London zugänglich ist!

8) Karl 30. Juli 1553. (leg, 807. fol. 22.).

vertrat, zog Ferdinand sich mit allen Ansprüchen sofort zurück, seine gethanen und beabsichtigten Schritte gegen den Bruder unterwürfig entschuldigend 9). Und als Karl die englische Krone seinem Sohne gesichert hatte, gab auch er Ferdinand jene glückverheißende Botschaft, die spanische Linie des Hauses Habeburg habe auf den Versuch verzichtet, Deutschland als ihr Erbe in Anspruch zu nehmen. Es lag im Interesse und in der Absicht beider Brüder, jezt freundlich sich über alle entstandenen Differenzpunkte zu vergleichen. Wie die Katholizität Karl's den Religionsfrieden mit dem Protestantismus zu verwerfen sich perpflichtet glaubte, gab Karl dem Bruder das Reich völlig preis. Und auch die Spannung mit dem Schwiegersohne, die weit heftigeren Charakter an sich gehabt, war der Kaiser jezt geneigt zu besänftigen. Max und Maria wiederholten damals die Forderungen, die sie 1552 schon einmal aufgestellt hatten: als habe Maria von dem Nachlasse ihrer Mutter nicht den entsprechenden Antheil erhalten, als habe Karl die Mädchenschulden der Tochter noch zu bezahlen, als habe er auch die Kosten ihrer Reise nach Deutschland noch nicht hinreichend erstattet. Karl und Philipp ließen sich auf Erörterungen über den Rechtspunkt und auf Berechnungen über die geforderte Geldsumme ein. Und dabei meinte Karl doch, jedenfalls noch Etwas für seine Tochter thun zu müssen. Man kam endlich auch hierüber zu einem Vergleich 10). Die Sympathie des Erzherzoges für die spanische Politik, die Opferfreudig= keit und Unterordnung zu Gunsten des Vetters und Schwagers von Spanien vermochte man allerdings nicht in Max anzuregen 11): er galt noch immer für einen Gegner der Spanier, eine Ansicht, die ja auch bis zu seinem Ende den Kaiser Maximilian II. begleitet hat; wir erörtern an dieser Stelle nicht, in wie weit ihn hierin die europäische Meinung richtig oder unrichtig beurtheilt hat.

Auf dem Reichstage in Augsburg erhielt Ferdinand noch ein Schreiben des Bruders, das ihn bat, wenn eben möglich den Reichstag noch eine Zeit lang versammelt zu halten: es habe der Kaiser noch eine wichtige Mittheilung zu machen, über die er jedoch vorher mit

9) Ferdinand an Karl 29. Dezember 1553 und Karl 3. Februar 1554 bei Lanz 3, 596. 605.

10) Sendung des Pero Lasso an Philipp nach England, und ein gutachtlicher Schriftwechsel zwischen Karl und Philipp: zulegt ordnete Karl dies in Brüffel. (August 1555.) Das Aktenmaterial ist ein sehr ausgedehntes.

11) Vgl. Anhang IX. Gerüchte über Max' Abneigung waren vielfach verbreitet. Vgl. bef. noch die Relation Tiepolos v. 1557. (Alberi 3, 169.)

seinem Sohne geredet haben müsse 12). Ferdinand war nicht im Stande, diesem Wunsche des Bruders zu willfahren, und, soviel ich sehe, war es nicht seine Meinung, das hier angedeutete Vorhaben jetzt schon sich verwirklichen zu lassen. Es war ja nichts Anderes gemeint, als die · förmliche Abdankung des Kaisers, eine vollständige Niederlegung seiner kaiserlichen Würde und Stellung. Obgleich jetzt auch König Philipp von England den deutschen Habsburgern eine ausdrückliche Versicherung abgab13), daß er nicht mehr auf der Augsburger Verabredung bestehe und auf seine Erhebung zum römischen Könige jetzt völlig verzichte, so wußte doch Ferdinand diesen Akt der Abdankung seines Bruders vor den Kurfürsten noch aufzuhalten, er zog es vor, die thatsächliche Macht über Deutschland unumschränkt auszuüben, sich mit dem Titel eines römischen Königes begnügeno 14).

So hat der Träger der spanischen Universalmonarchie sich von Deutschland zurückgezogen. Die Entwürfe des spanisch-katholischen Universalreiches haben sich in unserer Nation nicht zu verwirklichen vermocht. Nachdem dieser habsburgische Kaiser die nationale Entwicke lung, die einen so viel verheißenden Anfang genommen, in ihren besten Blüthen geknickt hatte, war er zuletzt dahingebracht, die Unmöglichkeit weiteren Erfolges in Deutschland einzusehen und Deutschland den Rücken zu wenden.

Karl V. hat sein Leben und seine Kräfte an die Aufgabe gesetzt, das mittelalterliche Kaiserthum in seinem ganzen Machtumfange zu erneuern; er hat Herrschaft und Oberhoheit über die anderen Staaten der Christenheit angesprochen und er hat die Leitung der Einen Kirche genau in den Bahnen des mittelalterlichen Katholizismus erstrebt.

Und diese beiden Ziele zu verwirklichen ist auch der großartigen, seinen und entschlossenen Staatskunst dieses Kaisers nicht geglückt: unmöglich und unvernünftig ist doch immer das Streben, die Menschheit auf eine Stufe der Entwickelung zurückbannen zu wollen, welche sie schon überwunden!

Aber wenn der Kaiser selbst seine besten Kräfte und seine Lebens

12) Karl15. Auguft. Ferdinand 24. September und 19. Oktober. Bei Lanz 3, 673. 683. 688.

13) Sendung des Luis Venegas an Ferdinand und Max, August 1555, über die ich die Akten in vollständiger Reihe in dem größeren urkundlichen Werke veröffentlichen werde.

14) Auf diese Verhandlungen von 1555--1558 werde ich ebenfalls später eingehend zurückkommen.

thätigkeit vergebens an solche Ideale gesetzt hatte, wenn auch sein Leben durch das Gewicht der politischen Aufgabe gebrochen und zerschlagen war, so hat doch der Kaiser, zähe und hartnäckig in seinen Gedanken, nicht für immer die Arbeiten seiner Politik einstellen wollen. Wo die eigenen Fähigkeiten ein Ende hatten, sollten frische, jugendliche, unverbrauchte Kräfte eintreten. Der Sohn und Nachfolger war bestimmt und war entschlossen, dieselbe Aufgabe des Vaters auch seiner Regierung vorzustecken.

Die Einheit der Ziele von Philipp und von Karl steht für mich fest. Es ist ein und derselbe Gedanke, der den Vater wie den Sohn begeistert und beseelt hat, es ist ein und derselbe Glauben, der den Sohn wie den Vater in Niederlagen emporgerichtet und im Glücke erhoben hat. Die Leitung der allgemeinen Christenheit in den Ordnungen der mittelalterlichen Kirche, dies System eines mittelalterlichen Gedankens haben. diese spanischen Herrscher mit allen Mitteln moderner Regierungsweise, mit allen Werkzeugen moderner Staatskunst verfolgt.

Aber das Ideal des Vaters hai Philipp doch nicht ganz in der Weise des Vaters zu verwirklichen gestrebt: er hat einen anderen Weg eingeschlagen, er hat von einer anderen Seite sich seiner Aufgabe genähert.

Auch bei Karl war die Grundlage seiner Macht über Europa die Königsgewalt auf der spanischen Halbinsel. Aber diese spanische Basis tritt bei dem Sohne, der in Spanien geboren und von Spaniern er zogen war, in weit höherem Maße hervor: Philipp ist von Jugend auf ein Spanier gewesen, Philipp hat sich durchaus keiner anderen Denkweise, keiner anderen Gefühlsrichtung anzuschließen, anzunähern oder nur anzubequemen geliebt.

Und an dies spanische Reich schloß sich zunächst die Herrschaft von Italien an. Auch diese Verbindung Spaniens mit Italien war eine alte Sehnsucht spanischer Politik, noch aus den glorreichen Tagen der katholischen Könige. Wie Karl, mehr und mehr auf die spanische Weise eingehend, immer deutlicher die Bedeutung des oberitalischen Besitzes eingesehen, so war es für Philipp von Anfang an ein festes Axiom, sich die Hoheit über Italien zu sichern, ein Axiom, das auch in den Augsburger Verabredungen von 1551 den eigentlichen Kern der spa= nischen Forderungen ausgemacht hat. Die Politik der spanischen Krone wurde ja von Jahr zu Jahr einseitiger der Vertreter und Vorfämpfer der römischen Kirche. Und schon aus diesem Grunde durfte man der unbedingten Herrschaft über Italien nicht entjagen.

Die vorzugsweise katholischen Theile Europas hat also der spanische Philipp mit eisernen Banden zu umklammern gewußt. Und ganz in derselben Richtung arbeiteten auch die Spanier außer Europa. Auch in dem neuen Welttheil gingen sie vor, als die Eroberer und als die Missionäre zum Segen dieses katholischen Europas.

Der weitere Besitz dieser Universalmonarchie, von dem Karl ja eigentlich ausgesetzt hatte, das burgundische Erbe der Niederlande gab dann die Stelle ab, auf welcher von Norden her diese Tendenzen sich aufbauten. Aber hier waren schon bedenkliche Symptome aufgetreten, die Fortdauer der spanischen Herrschaft bedrohend. Und doch konnte vielleicht die habsburgische Politik eine Möglichkeit erfassen, auch diese ihre Stellung zu behaupten: es war ja das gerade der größte Gewinn, den die englische Heirath dem jungen Universalherrscher bringen mußte, daß er durch das englische Reich auch seine Sicherheit in den Niederlanden verstärkte. Natürlich, in diesem Zusammenhange konnte die kaiserliche Politik auf die Gelüste der deutschen Habsburger nach dem Erwerbe der Niederlande nicht mehr Rücksicht nehmen: für die allgemeine Stellung in Europa war es jetzt dem Spanier zu wichtig, mit den Niederlanden und mit England den alten französischen Rivalen noch von einer anderen Seite zu bedrängen.

Wahrlich die Uebermacht des spanischen Philipp schien doch noch eine bedeutende zu bleiben: die Combination der niederländisch-englischen Macht mit dem romanischen Süden, wenn es sie zu befestigen gelang, mußte unfehlbar dem Erdtheil gebieten.

Auf die deutsche Krone wurde es da leichter zu verzichten.

Die Heimath der lutherischen Reformation, diesen Ursiz aller der neuen Keßersecten, konnte und durfte der Herrscher des Katholizismus freiwillig fahren lassen.

Wenn Kaiser Karl bald mit listiger Unterhandlung, bald mit offener Gewaltthat die deutsche Nation, die doch immer mehr dem Protestan= tismus zu verfallen schien, in die Einheit der Kirche zurückzubringen versucht hatte, so hat König Philipp in den Anfängen seiner Regierung, von dem Mißgeschicke des Vaters lernend, diese deutsche Seite der universalen Aufgaben nicht mehr in der Weise des Vaters angefaßt. Gab es für ihn doch noch einen anderen Weg indirecten Einflusses. Die gutgeschulte Politik der spanischen Staatsmänner wußte eine Menge anderer Mittel in Bewegung zu setzen, durch die sie den Katholizismus in Deutschland zu retten, zu stärken, aufs Neue zu verbreiten sich im Stande fühlte.

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