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Wagschale zu Gunsten der kaiserlichen Forderungen neigte, wußte Clemens immer wieder die Sache unentschieden zu halten, und zuletzt die Bedingung der vorherigen Eintracht aller Mächte auf's Neue vorzubringen 22). Und noch zu weiteren gefährlicheren Schritten gelangte der französische König in dieser Allianz mit dem Papste: mit den Elementen der Opposition in Deutschland, mit den Schmalkaldener Bundesfürsten trat er in Verbindung; und wenn auch Franz einstweilen den offenen direkten Bruch mit Karl hier zu vermeiden suchte, so unterließ er es doch keinen Moment, die Grundlagen des kaiserlichen Ansehens in Deutschland zu untergraben. Aber in den deutschen Unruhen von 1534, die sich der französischen Unterstützung erfreuten, vermochte das Nachgeben Ferdinand's, der sich in den Verlust Würtembergs zu fügen hatte, den Frieden zwischen den Parteien im Reiche noch einmal herzustellen. Allerdings in dieser Lage konnte es den kaiserlichen Ministern nicht verborgen bleiben, daß man einem neuen Kriege mit Frankreich mehr und mehr zutreibe. Die Autorität des Kaisers in Deutschland tief erschüttert, die politische Macht des Kaisers auf eine völlige Passivität zurückgeführt, der Papst, der stets unsicher gewesen, jezt dem französischen Einfluß vollständig unterworfen, England dem definitiven Bruch mit der Kirche und der spanischen Macht ausgesetzt, die Türken und ihre Corsaren im Mittelmeer mächtig und siegreich vorwärts schreitend: diese Lage der Dinge mußte es doch dem Kaiser empfehlen, alles eben Mögliche von seiner Seite zu versuchen, um nur den Bruch mit dem Frankenreich, der Seele jener Oppositionen, zu vermeiden. Und in der That, der Kaiser that viel und bot Großes an, wenn Franz sich friedlich mit ihm einigen wollte 23); nur das Eine konnte er nicht ge= währen, und gerade auf dies Eine hatte Franz allen seinen Willen gerichtet: es durfte Karl den Franzosen in Italien nicht Fuß fassen lassen, aber hartnäckiger als je hielt Franz auf's Neue daran fest, daß auch ihm ein Stück italienischen Bodens gebühre. So verhandelte man Monate lang, ohne sich einer Verständigung auch nur zu nähern. Franz aber rüstete sich rührig und entschlossen zu dem großen Angriffskrieg auf Karl's italienisches Reich. Der allerchristlichste König knüpfte sogar mit den Türken eine Verbindung an 24), er ließ einen combinirten

22) Interessante Mittheilungen aus Depeschen des französischen Gesandten in Rom giebt Nanke D. G. III. 355.

23) Die Verhandlungen in Pap. d'état II. p. 102. 120. 136 ff. 205 f.

24) Instruction vom 11. Februar 1535 bei Charrière Négociations de la France dans le Levant I. 255.

Angriffsplan vorlegen, er reizte die türkischen Corsaren zum Ueberfall auf die spanischen Plätze im Mittelmeer. Das aber hat Karl in die Nothwendigkeit versetzt, erst diesen Gegner abzuwehren: das Festwurzeln türkischer Macht an einer der spanischen Seemacht gefährlichen Stelle zu hindern, machte er 1535 den Zug nach Tunis jene Expedition glänzender und strahlender Waffenthat, die ihn so recht in dem Lichte des katholischen Königs, des Kaisers der Christenheit erscheinen ließ. Gehobenen Gefühles und in dem Bewußtsein dieses Sieges über den Ungläubigen, den Erbfeind der Christen, kam Karl nach Italien, dort die Huldigung seiner Provinzen entgegenzunehmen und mit dem neuen Papste, dem Römer Farnese, Italiens Angelegenheiten zu ordnen. Er traf in Italien auf Neuerungen, die Franz mit rascher That zu benugen wußte.

Den Verbündeten des Kaisers, den Herzog von Savoyen, griff damals Franz an; in wenigen Schlägen hatte er ihn seines Landes beraubt; Savoyen und Piemont sollten ihm den Weg nach Mailand eröffnen und ihm ein Pfand sein, für das er den so sehnlich erstrebten Besitz der Lombardei eintauschen konnte. Denn als im Oktober 1535 der Besizer Mailands, Herzog Sforza, ohne Kinder gestorben, hatte sich ihm wieder eine neue Gelegenheit geboten, die Forderung auf Uebergabe des erledigten Herzogthumes zu erheben. Wirklich hatte man über diese Frage jest wieder mit erneuerter Lebendigkeit verhandelt, die kaiserliche Politik selbst machte einmal Miene, unter gewissen Bedingungen an einen der französischen Prinzen eine solche Uebergabe Mailands geschehen zu lassen; nur wollte man ebensowohl die Selbständigkeit dieser Regierung gegenüber dem französischen Reiche sichergestellt wissen, als auch von Franz eine aufrichtige und zuverlässige Unterstützung in den allgemeinen Fragen sich ausbedingen. Der Kaiser hatte zunächst die Entscheidung hinausgeschoben, ohne jemals ganz in den Verhandlungen abzubrechen. Allein während er wohl dem dritten Sohne des Königs, der noch ledig war, eine solche Concession gewähren konnte, hielt ihn doch Alles ab, das Gleiche dem zweiten Schne, dem Herzoge von Orleans, der mit einer Italienerin verheirathet war, zu bewilligen. Und darüber vermochten sich des Kaisers und des Königs Interessen nicht in's Einvernehmen zu setzen. Als nun von Süditalien aus Karl sich Rom näherte, kam er immer sicherer zur Entscheidung, daß ein direkter Krieg mit Franz auch imh jezt unvermeidlich geworden 25);

25) Vgl. Granvella's Memoire in Pap. d'état II. 445.

in Rom selbst, in der Mitte der Cardinäle, in Gegenwart des Papstes erfolgte endlich der Bruch, den des Kaisers gereizte Heftigkeit und aufbrausende Leidenschaft in merkwürdiger Scene der erstaunten Welt persönlich zu verkünden für gut hielt. Es ward der Angriff gleichzeitig. vom Süden und von den Niederlanden aus gegen Frankreich beschlossen.

Weitab von Deutschland, der Reformation in Deutschland, den protestantischen Fürsten Deutschlands hatte so den katholischen Kaiser der Strom der europäischen Politik gerissen: weit entfernt das Programm von 1529 zur Ausführung zu bringen, mußte er es ruhig ansehen, es schweigend geschehen lassen, daß sich die Neuerung im deutschen Reiche immer mehr befestigte, daß die Landesfürsten sich eng anschließend an die geistlichen Lehrer des Volkes ihre Macht im Einzelnen immer mehr erhöhten, daß in den Angelegenheiten des Reiches der Habsburger Einfluß immer mehr dahinschwand. Freilich, inmitten der revolutionären Stürme von 1534 verschloß man sich am spanischen Hofe nicht der Einsicht 26), wie leicht man wieder die Deutschen sich gewinnen könnte, wenn man nur auf das Treiben der Neuerer eingehen wollte; aber nur im Falle der äußersten Noth, des äußersten Zwanges hielt man es für möglich zu solchem Schritte greifen zu dürfen der katholische Sinn dieser Staatsmänner sträubte sich doch aus allen Kräften gegen eine jede prinzipielle und dauernde Concession. Auch in Allem, was man den Protestanten nachgegeben und geopfert, gab es eine Grenze, und da war ein augenblickliches Zulassen, eine zeitweilige Enthaltung von der katholischen Offensivpolitik schon ein ganz gewaltiges Geschenk zu nennen. Des Erzherzog Ferdinand bedrängte und schwache Lage machte es allerdings nöthig, den Nürnberger Frieden auf's Neue zu bestätigen: nachdem er Sachsens Anerkennung seiner römischen Königskrone erlangt, mußte er neue Versicherungen seiner friedlichen Haltung ausstellen, mußte er es geschehen lassen, daß der Schmalkaldener Bund seine Zahl und Macht erweitere und erhöhe. Und sogar Karl gab 27), als er gegen Frankreich aufbrach, die Erklärung, daß er den Friedstand im Reiche zu erhalten und die Spaltung nur durch. friedliche Mittel auszugleichen wünsche. In der That, es hatte den Anschein, als ob das Conzil, das allseitig angerufene und angestrebte Conzil jetzt in die Wirklichkeit treten sollte: auch darüber hatte Karl in Rom eine Einigung mit dem neuen Papste erzielt.

26) Interessante Aeußerung Karl's in Dep. vom 18. Juni 1534 (Pap. d'état II. 122).

27) 7. Juli 1536 bei Neudecker Urkunden 244.

Dem Papste Clemens VII., dem feingebildeten Humanisten, dem charakterlosen, ungeschickten und unglücklichen Politiker war im Herbste 1534 der Römer Alessandro Farnese gefolgt. Auch er war ein Freund literarischer gelehrter Bildung, ein eleganter Lebemann, ein ehrgeiziger, vorwärts strebender Kopf. Er war schon ein alter Bewerber um die Ehre des Papstthums: schon mit Medici und Wolsey hatte er 1521 rivalisirt und damals durch des kaiserlichen Gesandten Vermittelung zu siegen versucht; im Conclave von 1523 hatte er dann einen Moment die gegründetste Hoffnung gehabt, seine Erhebung durchzusetzen, zulezt aber doch vor dem mächtigeren Medici zurückstehen müssen. In Medici's Pontificat war es Farnese's Bestreben geblieben, sich in der Gunst der beiden großen Mächte zu erhalten, und es glückte ihm auch, wenigstens jede offen ausgesprochene Feindschaft zu vermeiden, wenn auch im Grunde die Franzosen ihn wohl unter ihre Cardinäle zählen konnten. Als er nun endlich 1534 das ersehnte Ziel erreicht hatte, legte er deutlich die Absicht an den Tag, daß der Papst Paul III. die neutrale Erscheinung des Cardinal Farnese fortseßen wollte; wie er sofort durch die Erhebung allseitig gelehrter, gebildeter und frommer Männer zur Würde des Cardinalates sein Interesse für die allgemeinen Angelegenheiten der Christenheit zu beweisen Sorge trug, so bemühte er sich auch die Meinung auszubringen, er werde ein treuer allgemeiner Vater aller christlichen Fürsten sein, er werde Alles thun, den Frieden zwischen Karl und Franz zu erhalten. Aber diese Sache hatte auch noch eine andere verborgenere Seite. Wie Karl von Neapel nach Rom herauftam, war er unablässig bemüht, den Papst und die Farneses enger und enger an sich zu binden; die egoistische Begehrlichkeit dieser Italiener sollte die Fessel sein, die sie in des Kaisers Willen zwinge. Der Sohn des Papstes, Pier Luigi Farnese, war es, durch den die engere vertraulichere Verbindung, die geheime Liga von Kaiser und Papst vermittelt werden sollte. Ein wüster Soldat, ein liederlicher und brutaler Mensch hatte er früher im kaiserlichen Heer gedient, dann aber plöglich aus demselben entlassen auf seinen Gütern gelebt: durch des Vaters Erhebung auf den Stuhl Petri ging auch ihm jetzt die Heffnung auf, eine politische Rolle zu spielen: wenn es sein Wunsch war, sich in Italien ein Fürstenthum zu gründen, so verhieß ihm der Kaiser dazu wirksamen Beistand. Man verhandelte eben während dieses italienischen Aufenthaltes des Kaisers über Novara, über Montferrat, man dachte auch an größere Gebiete, Siena oder Parma und Piacenza, vielleicht sogar an Mailand; es kam aber doch noch nicht zum

Abschluß zwischen den Farneses und dem Kaiser, und es war vorläufig nur dem Papst gestattet, den Sohn als Gonfaloniere an die Spite der militairischen Kräfte des Kirchenstaates zu stellen und ihn zum Herzoge von Castro zu erheben 28). Auf beiden Seiten aber bestand Wunsch und Absicht, auch weiter noch für die Größe der Farneses zu sorgen.

Und von diesem Papste hatte Karl bei seiner Anwesenheit in Rom es erlangt, daß sofort ernstliche Anstalten getroffen werden sollten, die Wiedervereinigung des Abendlandes in Eine Kirche zu erleichtern: das Conzil wurde von dem Papste bewilligt, und die Bulle der Berufung nach den Wünschen der kaiserlichen Minister abgefaßt 29). So wurde mitten in den Vorbereitungen zum Kriege mit Frankreich die Entscheidung getroffen, daß man durch kirchliche Maßregeln der deutschen Spaltung abhelfen, daß man ihr abzuhelfen wenigstens den Versuch wagen wolle.

Und als nach manchen vergeblichen Schritten der päpstlichen Diplomatie, die den Frieden herzustellen sich geschäftig bemühte, man doch zum Kriege mit Frankreich kommen mußte, auch ohne dafür des Papstes thätige Allianz zu erlangen, da that die Politik des Kaisers, zu diesem Kriege aus Deutschland recht ausreichende Unterstügung zu gewinnen, noch einen weiteren Schritt 3): die Sendung Held's nach Deutschland hatte doch die Aufgabe, alle dem Kaiser verfügbaren Mittel aufzubieten, durch welche er einen Krieg der deutschen Nation gegen den französischen Friedensstörer erregen zu können glaubte, sie bezeichnete das äußerste Maß von Zugeständnissen, welches der Kaiser den Protestanten anbieten konnte. Die Einsicht hatte Karl gewonnen, so lange die religiöse Spaltung dauere, werde er auch nicht auf freudige Unterordnung und bereiten Gehorsam bei den Deutschen rechnen. dürfen; aber wie sehr er auch es bedauerte, daß er nicht auf die früher gewollte Weise helfen könne, wie sehr er auch es betonte, daß an das alte geheiligte Dogma des Glaubens nicht gerührt werden dürfe, so entschloß er sich doch vorläufig zu einem neuen Verfahren: er hielt es jetzt für möglich, den Neuerern Einzelnes, wenn es nicht gerade die Dogmen der Kirche berühre, zuzugestehen; er war bereit den Pro

28) Vgl. über diese Dinge Affò vita di Pierluigi Farnese p. 18–23. und Pap. d'état II. 489 ff. sowie Charrière I. 319.

29) Granvella vom 23. April (P. det. II. 454) und Sanchez v. 7. Juli (Bucholtz IX. 136.)

30) Instruktion für Held bei Lanz II. 268 ff.

Maurenbrecher, Karl V.

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