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in der früheren Vereinigung des Conziles endgültig geordnet; und was etwa von dogmatischen Fragen noch unentschieden gelassen war, betraf nicht die wesentlichen Punkte des christlichen Glaubens, es waren nur unwesentliche Lehren von untergeordneter Bedeutung. Und da lag es der päpstlichen Anschauung sehr nahe, wenn sie hoffte, recht bald dem ganzen Conzile ein Ende zu machen, in wenigen Sessionen die übrig gebliebenen Punkte rasch zu erledigen. Aber das war keineswegs die Meinung des Kaisers: von Anbeginn an waren ja für ihn die dogmatischen Arbeiten der Tridentiner Versammlung nur Nebensache gewesen; denn für ihn waren die Dogmen schon durch die alten Conzile genügend festgestellt: die spanische Kirchenpolitik verlangte eine Reform der Kirche, verlangte eine neue Disciplin in der Geistlichkeit, verlangte eine besser geordnete Verfassung der Kirche1). Und wenn Karl sein Verhältniß zu Deutschland weiter berücksichtigen wollte, so konnte er sich auch der Wahrnehmung nicht verschließen, daß gerade die Mißbräuche im kirchlichen Leben hier zuerst die lutherische Bewegung hervorgerufen hatten; diese Quelle des Uebels verstopfend, durfte er demnach hoffen, auch die Ketzerei selbst nach und nach zu beseitigen. So sehen wir denn auch, daß der Kaiser diesmal alle seine Mittel in Bewegung gesetzt hat, die beabsichtigten Reformen der allgemeinen Kirche ins Leben zu rufen. Es waren das dieselben Forderungen, die in den ersten Monaten des Jahres 1547 von den Spaniern erhoben und den damaligen Legaten Anlaß ge= worden waren, in aller Eile die Arbeiten des Conziles einhalten zu lassen. Es mußte sich jetzt zeigen, ob der Papst Monte eine neue Ansicht über diese Reform gewonnen, und ob die neuen Leiter des Conziles größere Neigung besaßen, die gewünschte Arbeit in Angriff zu nehmen. Und das, meine ich, ist auch diesmal wieder der Punkt gewesen, über den Kaiser und Papst sich nicht zu einigen vermochten: an dieser Frage haben sie sich aufs Neue von einander getrennt.

Nachdem man sich über die ausstehenden Dogmen mit großer Leichtigkeit geeinigt hattes), konnte man die Reformdebatten nicht mehr vermeiden. Die spanischen Reformtendenzen, die hier auch von der kaiser

4) Karl an Toledo vom 5. Januar 1552 spricht dieses Axiom der spanischen Conzilpolitik mit deutlichen Worten aus: Considerando que la principal causa porque se congrego el concilio no fue solo por lo tocante a las dogmas, que estas ya estavan determinadas por otros muchos concilios, sino porque se hiziesse una devida y tal reformacion que los protestantes no tuviesen ocasion de perseverar en sus errores fundados sobre los abusos.

5) Wir reden von der 12., 13. und 14. Session des Conziles.

lichen Politik auf das Lebhafteste vertreten wurden, hoben vor Allem das als ihren Gesichtspunkt hervor, daß die Geistlichkeit selbst in ihren einzelnen Gliedern einen möglichst würdigen, frommen, religiösen Charakter an sich tragen müsse; sie hatten daher früher schon auf der Residenzpflicht der Bischöfe bestanden; sie glaubten eine Gewähr für die Tüchtigkeit der einzelnen Geistlichen dadurch zu schaffen, daß die Bestellung geistlicher Aemter nicht in die Hand entfernter Behörden, sondern in die Befugniß der nahe gesessenen, der Bedürfnisse des einzelnen Falles kundigen Personen gestellt werde: es war daher ihre Meinung, die Ordination der Geistlichkeit vielleicht ganz in die Hand des Landesherrn zu legen, und weiter ging ihre Absicht dahin, jeglichen Einfluß Roms auf die Landeskirchen abzuschneiden. Diese Spanier erhoben laut ihre Stimme auch gegen die Mißbräuche an der römischen Kurie; auch hier wollten sie unerbittlich einschneiden, auch hier gesundere Zustände schaffen. Was ihnen in ihrer eigenen Landeskirche theils schon geglückt war, theils unablässig von ihnen erstrebt wurde, das sollte die Norm für die Ordnung der allgemeinen Kirche abgeben.

Es liegt auf der Hand, daß der Papst wenig Befriedigung über solche Vorschläge empfand, und daß der Legat nicht ruhig solche Dinge durchgehen ließ. Auch Crescenzio hat mit den Spaniern Toledo und Vargas recht heftige Scenen über diese Reformfrage durchgemacht. Auch er ist wohl gegen spanische Bischöfe mit dem Vorwurf der Keßerei losgefahren, auch er ist hart an einen offenen Bruch mit dem kaiserlichen Gesandten gekommen?). Crescenzio war durchaus nicht gemeint, irgend einen Punkt der bestehenden Zustände, irgend ein Vorrecht der römischen Kurie fahren zu lassen. Ja, er ging so weit, in seine Gegenentwürfe ausdrücklich die Erklärung aufzunehmen, daß der Papst auch über das Conzil gesetzt sei: alle Zweifel daran galten ihm als Keßereis).

Und als diese Erörterungen immer hißiger und lebhafter wurden, kam die Erscheinung protestantischer Deputirten hinzu, die Lage noch mehr zu verwickeln. Schon bei der Behandlung der Abendmahlslehre hatte der Kaiser die Forderung stellen lassen, daß man den controversen Punkt über den Laienkelch nicht in einem den Protestanten feindlichen Sinne vor der Ankunft derselben entscheide, sondern daß man sie selbst erst

7) Davon sind Toledo's und Vargas' Briefe voll.

8) Crescenzio äußerte, wie Toledo berichtet, einmal geradezu: quien dudava de la superioridad del papa al concilio era herege. (leg. 877. fol. 219).

erwarte. Wie er in dieser Hinsicht für die deutsche Kirche durch das Interim eine Ausnahme aufgestellt hatte, so wünschte er, daß auch das Conzil auf die deutschen Bedürfnisse Rücksicht nehme. Laienkelch und Priesterehe seien ja, so meinte der Kaiser, die wichtigsten der noch streitigen Fragen; und wenn die Protestanten sich bei dem Interim in allem Ue= brigen der katholischen Lehre gefügt hätten, so scheine es angemesssen, diese beiden Fragen nicht rücksichtslos zu beeilen. Und noch in der legten Stunde drang diese Meinung in Trident durch: man verschob die Entscheidung über die Form des Abendmahlgenusses auf eine spätere Session, auf eine Zeit, in welcher man auch die Protestanten angehört haben würde9).

Endlich erschienen wirklich die ersten der protestantischen Gesandten; sie zeigten an, daß protestantische Theologen ihnen nachfolgen würden, die vor dem Conzile eine Vertheidigung der gesammten protestantischen Anschauungen übernehmen sollten; sie verlangten in den vom Baseler Conzil gebrauchten Formeln Geleitsbriefe zur Sicherung ihrer Theologen. Und auch diese Frage des sicheren Geleites für die Protestanten gab den Gesandten und den Legaten Anlaß zu Meinungsverschiedenheit, zu Hader und Streit. Recht lange verhandelten die beiden Parteien darüber, ehe sie sich einigen konnten 10). Die kaiserlichen Gesandten gewannen dabei den Eindruck und befestigten sich immer mehr in dieser Meinung, daß den Päpstlichen Nichts unangenehmer sei, als die Erscheinung der Protestanten auf ihrem Conzile: die Schwierigkeiten, die Crescenzio dem Auftreten der Protestanten bei jeder Einzelheit in den Weg warf, nahmen ja kein Ende11). Und als am 24. Januar die Protestanten vor ciner allgemeinen Congregation der versammelten Väter den Auftrag ihrer deutschen Fürsten auseinandersetzten, fuhr Schrecken, Bestürzung, Entrüstung in diese Italiener. Man fand die Sprache der Kezer gewaltig unverschämt: redeten sie doch von einer Wiederaufnahme der Debatten über jene Fundamentalartikel der beiden Kirchen; forderten

9) Vargas 7. October 1551: Der Kaiser motivirt sein wiederholtes Gesuch um Aufschub der Decrete über utraque und conjugio de los sacerdotes auf folgende Weise: pues en estos dos no ay priesa y son los principales que oy en dia estan en alteracion, señaladamente haviendo los estados del imperio con acceptar el interim convenido en todo lo demas, con la orthodoxa doctrina, a lo menos hasta la determinacion que hara el concilio de las controversias. (Karl an s. Gef. 5. Januar 1552.)

10) Vargas 7. October. 7. Dezember. vgl. Anhang VIII. 5.
11) Toledo's Depeschen vom 11. 13. 19. Januar 1552.

sie doch, daß der Papst als Partei und nicht als Richter auf dem Conzile erscheine, daß er alle Bischöfe ihres Treueides gegen Rom entlasse, daß das Conzil uneingeschränkt die höchste Autorität behaupte 12).

In der That, die Unterwerfung der Protestanten unter das Conzil, die der Kaiser zu Stande gebracht hatte, konnte jezt einen bedrohlichen Charakter annehmen. Wenn sich dieses Benehmen der Protestanten mit der antipäpstlichen Opposition der Spanier verband, welche Folgen hätte das für die Gestaltung der katholischen Kirche haben müssen! Aber wie wir schon wiederholt sahen, daß solche Combinationen wirklicher innerer Verbindung mit den Neueren der Seele des Kaisers fern ge= blieben sind, so finden wir auch an dieser Stelle, daß das Verhalten des Kaisers zu dem Auftreten der Protestanten ein völlig korrektes ge= wesen ist.

Es war allerdings sein Wunsch, daß das Conzil die Protestanten ruhig anhöre: auch wenn sie in noch so lästerlichen Reden sich hier ergehen sollten, so möge man bedenken, daß die Sprache der Kezer immer eine gottlose gewesen sei; man möge sich gegen etwaige protestantischen Deklamationen nicht in Zornesreden ereifern, sondern man möge sie kalten Blutes anhören und dann durch gewichtige Stimmen einsichtiger Theologen des Conziles widerlegen lassen 13).

„Die wahre Autorität des Conziles“, ruft der Kaiser aus, „besteht darin, daß man ihnen antwortet und sie mit den nöthigen Gründen widerlegt, in Milde und Mäßigung des Geistes."

Aber wenn auch die kaiserliche Anschauung weit entfernt war, in der Sache mit den Protestanten sich zu einigen, wenn sie nur aus Rücksicht auf Deutschland eine freie Aeußerung der Protestanten zuzulassen wünschte, so erregte es auf der Seite der päpstlichen Politiker doch schon ein gewaltiges Aergerniß, daß der Kaiser so viel von katholischen Geistlichen verlangte. Man sah es als eine Beleidigung an, den Protestanten überhaupt antworten zu sollen; man schwebte stets in der Besorgniß, es möge aus protestantischem Munde ein Schmähwort gegen den Papst fallen, das man ruhig anhören wüsse: man verabscheute es, sich überhaupt mit diesen Ketzern einzulassen 14). So hatte das Conzil noch nicht viel mehr als drei Monate gesessen, — und Kaiser und Papst waren in ihren Be= strebungen auf eine solche Differenz ihrer Anschauungen und ihrer Inter

12) Toledo am 28. Januar 1552. vgl. Pallavicino.

13) Anhang VIII. 10: es ist dieselbe Ansicht, wie sie Vargas am 7. Oktober 1551 dargelegt hatte.

14) Montesa (Mendozas Sekretair) 28. Januar 1552.

essen gestoßen, daß das Conzil in Trident noch einmal der Schauplat eines durchgreifenden Bruches der beiden Gewalten zu werden drohte. Die Lage ist im Januar 1552 in der That eine so bedenkliche gewor den, daß man an der glücklichen Beendigung der schwebenden Fragen zu verzweifeln und sich nur nach einem leidlichen Auswege umzusehen begann.

Der kaiserliche Gesandte Toledo selbst glaubte seinem Herrscher unverhüllt diese Lage der Dinge vorstellen zu müssen 15): wenn die dogmatischen Arbeiten in der allerkürzesten Frist beendigt werden konnten, und wenn unter den obwaltenden Umständen es eine Selbsttäuschung, eine unverantwortliche Chimäre war, eine ausreichende Reformation der Kirche von diesem Conzile zu erwarten, so sah Toledo ein, daß nur zweierlei übrig bleibe: entweder, und darauf arbeitete der Legat hin, das Conzil in den nächsten Wochen zu Ende gehen zu lassen, oder eine Suspension der Verhandlungen vorzunehmen. Toledo's Rath entschied sich für diese lettere Seite. Dadurch, meinte er, bleibe dem Kaiser Spielraum offen, mit den Deutschen in den unentschiedenen Fragen, vor Allem also, was Laienkelch und Priesterehe angehe, zu verhandeln; und die Erwartung einer neuen Zusammenkunft des Conziles enthalte auch eine gewichtige Unterstüßung der kaiserlichen Bestrebungen. Diese Vorstellungen Toledo's aber hatten nicht den Beifall des Doktor Vargas, und er fand in seinem Protektor Granvella das geeignete Organ, durch das er gegen die Meinung seines vorgesetzten Gesandten seine Einwen dungen an den Kaiser bringen konnte 16). Der Kaiser lehnte die Vorschläge Toledo's ab und erneuerte seine Anweisung, auf energische Fortsegung der Reformdebatten zu dringen 17). Karl wollte noch nicht von seiner Willensmeinung abgehen, durch dieses Conzil ebensowohl die allgemeine Reform der Kirche als die Beibringung der deutschen Kezer zu erreichen; und die Reformarbeiten seiner Spanier und die Verhandlungen des Conziles mit den unterworfenen Protestanten schienen ihm noch immer die geeigneten Mittel, seinen Willen durchzusehen. Als aber der Zwiespalt am Conzile, der über beides entstanden war, immer heftigere Formen annahm und immer unaufhaltsamer auf den Bruch hindrängte, da entschloß sich Toledo noch einmal zu einem Schritte bei dem Kaiser. In der Session des 25. Januar 1552 hatte man es nach

15) Toledo 25. Dezember 1551 bei Döllinger 177 ff. Vgl. Anhang VIII. 6. 16) Vargas 29. Dezember 1551 (bei Levassor.)

17) Karl an Toledo 5. Januar 1552.

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