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Frühjahr anzugreifen, und so den Fehler des Schmalkaldener Krieges nicht noch einmal in Scene zu setzen. Auch Markgraf Hans stimmte einen Moment diesem Beschlusse zu, nachher aber gerieth er in Wortwechsel mit Moriß; die persönliche Heftigkeit der beiden streitenden Fürsten, durch äußere Umstände unterstüßt, vermochte wenige Stunden nach dem Abschlusse des Bundes den Markgrafen Hans sofort wieder auszuscheiden. Die übrigen Fürsten aber unter der Führung von Moriz blieben bei jenem Entschlusse einer allgemeinen Erhebung gegen den Kaiser, sie ließen die in sich unmöglichen und unfruchtbarem Ideen des Markgrafen fallen1o). Ja, die politische Nothwendigkeit zwang sie, noch ein weiteres bittereres Zugeständniß zu machen.

Der französische König begnügte sich nicht mit der immerhin ungewissen Aussicht auf eine dereinstige Kaiserwürde in Deutschland, er erhob sofortige Forderungen, er verlangte sofortigen Gewinn. Als der Beschüßer der deutschen Freiheit und der deutschen Verfassung wollte er zuerst ein Protektorat über die geistlichen Stände von Deutschland übernehmen. Aber dies lehnten die protestantischen Fürsten ab. Und dann wünschte er in den Besitz der lothringischen Grenzprovinzen gesezt zu werden, welche die französische Zunge redeten, d. h. er bean= spruchte die Abtretung von Meg, Toul, Verdün und einiger anderen nicht namentlich aufgeführten Orte. Und der deutsche Fürstenbund war nicht in der Lage, diesen Preis für französische Hülfe zu weigern. Der Markgraf Albrecht Alcibiades von Culmbach, der, ohne Mitglied des Fürstenbundes zu sein, sich doch zu demselben Kriege verbündet hatte, wurde beauftragt, der deutschen Fürsten Einwilligung in die französischen Bedingungen persönlich nach Frankreich zu bringen. In Chambord ist darauf am 15. Januar 1552 dieser Vertrag abgeschlossen worden: für eine französische Mitwirkung gegen den Kaiser, für eine französische Unterstützung des deutschen Aufstandes haben diese Deutschen die lothringischen Grenzlande dem Franzosen Preis gegeben.

Fürwahr, die Klage des deutschen Patriotismus gegen diese Fürsten ist eine berechtigte. Es ist und bleibt eine Schmach für eine Nation, wenn sie vom eigenen Leibe Stücke los reißen muß, um fremde Hülfe zu bezahlen: das ist der alte Fluch, der auf einem jeden Versuche ruht, durch fremde Hülfe die Freiheit zu erringen.

Ich verkenne die Schwere des Vorwurfes nicht, den jedes Deutschen Gefühl gegen diese Thaten des Fürstenbundes und seines Führers

40) Voigt 144. Rante V. 226.

Morig zu schleudern berechtigt ist. Ich glaube, unsere Nation wird sich schwer für einen Fürsten begeistern lassen, der durch solche Mittel Deutschland aus den Händen spanisch-katholischen Joches befreit hat.

Aber ich meine doch, hier gerade ist der Punkt, an dem sich mit furchtbarer Schwere das Unheil fühlbar macht, das durch diese spani sche Regierung der Habsburger über Deutschland gebracht ist: es hat keine andere Möglichkeit gegeben, die antinationale Regierung dieses Kaisers von der Nation abzuwerfen, als eine schmähliche Vereinigung mit dem nationalen Feinde.

Die Revolution von 1552 ist nur die reife Frucht der habsbur gischen Kaiserregierung gewesen, wie sie die beiden Reichstage von Augsburg in Deutschland aufzurichten den Anfang gemacht haben.

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Und während also die Wogen der Opposition gegen den Kaiser in Deutschland immer höher gingen und die Grundlagen seiner Macht ernstlich zu erschüttern drohten, baute der mächtige Kaiser, im Gefühle seiner Siege schwelgend, weiter an den luftigen Traumgebilden seiner kaiserlichen Herrschaft. Den Sieg über die Protestanten bis zum Ende zu verfolgen, sollte das Conzil der allgemeinen Kirche jetzt zur Wahrheit werden: in allen Fragen mit dem Papste aufs innigste verbündet, wie hätte Karl da noch an dem Conzile auf unbesiegliche Schwierigkeiten zu stoßen erwarten können? Nachdem die Einheit des Willens mit dem Papste besiegelt war, hatte es in der That alle Vermuthung für sich, daß jetzt der früher durch manche Hindernisse aufgehaltene Gang der conziliaren Frage ein gleichmäßiger, ein sicherer, ein ungefährlicher sein werde.

Papst Julius hatte an das Conzil als seinen Legaten den Kardinal Crescenzio gesendet, einen tüchtigen Legisten, einen unbescholtenen Priester, einen Kardinal, der zu den Anhängern des Kaisers gezählt wurde. Und neben ihn wurden nicht als Legaten, aber als Präsidenten der Versammlung zwei Geistliche gestellt, die gerade in den deutschen Verhandlungen ihre Probe bestanden hatten, Pighino und Lippomano. Man war von päpstlicher Seite bereit, am 1. Mai die Verhandlungen in Trident wieder zu beginnen, aber nach allseitiger Uebereinkunft verschob man zuletzt den eigentlichen Anfang des Conziles doch wieder auf den September dieses Jahres.

Da hatte in der That diese Versammlung der Geistlichen in Trident ein etwas anderes Aussehen gewonnen, als sie es vor vier Jahren ge=

Ma urenbrecher, Karl V.

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habt. Allerdings hatte die französische Kirche, wie es bei dem politischen Bruche zwischen König Heinrich und dem Papste nicht anders zu erwarten war, ihren Beitritt zu dieser Tridentiner Versammlung verweigert, und man bedurfte in Trident großer Mäßigung und Selbstbeherrschung, daß man nicht dem Hohne der Franzosen in schroffer Weise antwortete, daß man doch den förmlichen Bruch, das offene Schisma mit Frankreich vermied1). Aber an Stelle der Franzosen machte damals die deutsche Kirche ihre Erscheinung: in der Versammlung haben die geistlichen Kurfürsten des deutschen Reiches persönlich ihren Siz genommen; und es läßt sich nicht läugnen, daß die Kölner Theologenschule ganz bedeutend in die Debatten eingegriffen hat. Wenn so die officielle Kirche von Deutschland an dem Leben der abenländischen Christenheit Theil genommen, so stand sogar noch ein Weiteres bevor. Von Anfang an wurde es verkündet, daß die Protestanten alle sich diesem Conzile unterworfen, und daß protestantische Anschauungen hier vertreten, ausgesprochen, vertheidigt werden würden. Kaiser Karl schien wirklich da den mächtigsten Einfluß auf die religiöse Gestaltung des Abendlandes ausüben zu sollen. Dem Conzile persönlich näher zu sein und ohne Weitläufigkeit dort seine Stimme vernehmen zu lassen, verlegte Karl im November seinen Hof nach Innsbruck. Die kaiserliche Anschauung in Trident selbst wurde durch den geistlichen Diplomaten vertreten, der schon neben Mendoza früher an dem Conzile thätig gewesen und der zu den wichtigeren Berathungen über kirchliche Dinge wiederholt herbeigezogen war: Francisco de Toledo, ein Vertrauter Albas, war die Seele der kaiser= lichen Gesandtschaft. Und neben ihm erschien der Graf von Montfort als Repräsentant des deutschen Reiches und ein burgundischer Geistlicher als Organ der niederländischen Kirche, und auch noch einen Spanier wollte man senden, der Spanien noch besonders vertreten sollte. Diesen verschiedenen Gesandten war Vargas, ein Mitglied des Rathes von Castilien, ein erprobter spanischer Canonist, beigegeben, mit seinem Urtheile und seinem Rathe den Gesandten zur Hand zu sein2). Die kaiserliche

1) Le Plat IV. 236–242. 249–258. Vgl. Pallavicino XI. 17. und XII. 9. 2) Vargas ist nicht eigentlicher Gesandter am Conzile gewesen, sondern nur ein Beistand, ein Agent zur Unterstüßung der offiziellen Gesandschaft; ganz in derselben Weise wie er, Quintana und Velasco dies 1546 und 1547 schon waren. Zu den allgemein bekannten Akten und dem mehr vertraulichen Briefwechsel dieses Vargas mit Granvella, den Levassor edirt hat, (Lettres et mémoires de Fr. de Vargas) war es mir vergönnt noch die ganze amtliche Correspondenz Toledos mit dem Kaiser einzusehen. (leg. 646 und 877.)

Politik hat so alle Segel angesetzt, das Conzil nach ihrer Meinung zu führen.

Aber in den Verhandlungen jener Zeit trat die ganze Schwierigfeit der Aufgabe, die die spanische Politik auf sich genommen, am deutlichsten zu Tage: ihre Gesichtspunkte waren fest gefaßt, konsequent fest= gehalten, geschickt vertreten; und dennoch zeigte es sich bald, welche ungeheueren Hindernisse die Kirchenfrage in sich selbst barg, sogar dann, wenn der Papst des Kaisers Alliirter war. Es gelang keineswegs zu erreichen, was man beabsichtigt hatte: eine gründliche Reform im Bunde mit dem Papstthum und eine Unterwerfung der deutschen Kezer unter die katholische Einheit brachte man auch diesmal nicht zu Stande.

Es lag doch in der Natur seiner Stellung selbst, daß jeder Papst wenig Neigung hatte, in größeren Verhandlungen die Angelegenheiten der Kirche debattiren zu lassen. Wer das Verhalten aller jener Päpste des sechszehnten Jahrhunderts zu der Conzilfrage überschaut, wird leicht zu der Meinung kommen können, daß es im Grunde keinem der Päpste genehm war, sich mit dem Conzile zu befassen. Auch Julius III., der im Conclave die Verpflichtung eingegangen, das Conzil und die Reform eifriger zu betreiben, und der mit dem Kaiser im besten Einvernehmen lebte, auch dieser Julius III. hatte im Grunde seines Herzens wenig Gefallen an der großen Prälatenversammlung, deren oft unangenehmen Charakter er übrigens als Kardinal aus eigener Erfahrung kennen gelernt hatte. Nun wollte er gewiß mit dem Kaiser Eines Sinnes bleiben und sein gegebenes Wort nicht zurückziehen; aber er entschloß sich doch einmal dem Kaiser alle Schwierigkeiten direct ans Herz zu legen: die Franzosen widerstrebten, und die Deutschen hätten erst recht wenig Lust, und auch die Italiener seien so arm, und dann erst, wenn die Beschlüsse der Kirchenversammlung gefaßt seien, dann erst würden sich die wahren Schwierigkeiten erheben: die Conzilbeschlüsse müßten dann auch ausgeführt werden. Aber er wiederholte doch, daß er sich der Meinung des Kaisers unterwerfen wolle3). Und so fügte sich der Papst in die Wiederaufnahme der Verhandlungen. Aber in Trident dauerte es nicht lange, - und diese unlustige Gesinnung des Papstes und alle die sachlichen Schwierigkeiten gelangten zu praktischer Bedeutung.

Kaiser und Papst waren darin einig, daß die früher gefaßter Defrete den wahren Glauben der Kirche enthielten; die Fundamentaldogmen der Kirche waren nach ihrer übereinstimmenden Meinung schen

3) Anhang VIII. 3.

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