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gezogen war, hatte das Abendland eine Zeit der Ruhe genossen. Jetzt aber war der Sultan siegreich zurückgekehrt, und jezt hatte der spanische Angriff an der nordafrikanischen Küste aufs Neue seinen Zorn gereizt. Der französische Diplomat in Konstantinopel wußte diese Umstände wohl zu benutzen; es gelang ihm, einen neuen Türkenangriff auf Karl's Stellungen hervorzurufen. Man wünschte in Frankreich, daß die türkische und die französische Flotte sich im Mittelmeere zu gemeinsamen Operationen vereinigten, und daß vor Allem ein Angriff auf Neapel gemacht werde 24). Wenn so im Süden Italiens die spanische Herrschaft bedroht wäre, gewann Heinrich, selbst von Piemont aus operirend, mehr und mehr Aussicht, auch aus dem oberen und dem mittleren Italien nach und nach die Spanier zu vertreiben.

Und wie in demselben Sommer die englische Macht sich an Frankreich anzulehnen Miene machte, wie in den ausgesuchtesten Höflichkeiten der beiden Monarchen sich die freundliche Gesinnung der beiden Regierungen äußerte, wie endlich auch der beabsichtigte Ehebund des jungen Königes von England mit einer französischen Prinzessin dem politischen Bunde Dauer zu geben verhieß 25), da famen in den Beziehungen zum Kaiser recht ärgerliche Vorfälle hinzu, die, in den religiösen Differenzen der beiden Mächte wurzelnd, Karl und Eduard vollständig zu überwerfen drohten. Zunächst war es freilich der englischen Regierung nicht möglich, in dem europäischen Kriege handelnd aufzutreten; aber auch dies konnte je länger je leichter herbeigeführt werden26); und einstweilen wenigstens stand die englische Macht in feindlich beobachtender Haltung dem kaiserlich - französischen Kriege gegenüber.

Die solideste Basis aber für seine Pläne fand Heinrich in den Zuständen Deutschlands. Anscheinend zwar war die kaiserliche Macht krafterfüllt über Deutschland verbreitet, anscheinend hatten die zuletzt errungenen Siege eine kaiserliche Regierung über die Nation aufgerichtet, wie sie lange nicht so kraftvoll gewesen; aber in vielen und gerade recht wesentlichen Beziehungen war der Sieg Karl's doch nur ein scheinbarer zu nennen, den es jetzt erst auf die Dauer zu befestigen galt. Vor Allem in der für den Bestand seiner Herrschaft so wichtigen Frage der spanischen Succession war Ferdinands Unlust zwar gedrückt, zwar nie ergehalten, aber keineswegs entwurzelt, keines

24) Instruktion für Aramon vom 17. Mai 1551 Ribier II. 297 ff.
25) Calendar 109. Tytler I. 385 ff. Froude V. 211 ff.

26) Sendung Wotton's zum Kaiser, Calendar 87 und 137 ff.

wegs beseitigt. Das Werkzeug, das Karl in den deutschen Dingen bisher so treu gedient hatte, versagte diesmal den Dienst. Wenn auch Karl im März 1551 seine Ideen bei dem Bruder durchgesetzt, wenn auch Ferdinand sich verpflichtet hatte, gemeinsam mit der kaiserlichen Politik die Wahlangelegenheit bei den einzelnen Kurfürsten ins Werk zu sezen, so vermochte Karl es doch nicht, den Bruder bei der Ausführung ihrer Pläne festzuhalten, es blieben dem Bruder noch manche Momente, aus denen er einen Widerstand gegen jene beabsichtigten Maßregeln erwecken konnte, ohne selbst dabei sich als Gegner des Kaisers bloszustellen. Und nachdem sich in Augsburg bei allen Fürsten schon die größte Unlust gezeigt hatte, auf die Ideen Karl's einzugehen, nachdem die Fürsten sich gleichsam das Wort gegeben, die Wahl des Prinzen Philipp nicht zu Stande kommen zu lassen 27), da zeigte auch Ferdinand wenig Geneigtheit, zu der Ausführung dieser ihm so verhaßten Idee nachdrücklich zu wirken. Die Brüder waren doch übereingekommen, daß Ferdinand die sächsische und die brandenburgische Stimme beizubringen habe, ja, er sollte keines Mittels schonen, sofort seines Freundes Morig Erklärung zu schaffen; aber als es nun Ernst mit seinen Verhandlungen bei diesen Kurfürsten werden sollte, hatte er eine Reihe prächtiger Verhinderungsgründe aufzuzeigen, die gerade seine gewandtesten und erfahrensten Geschäftsmänner an der Uebernahme dieser Mission rerhinderten 28). Nach einigem Aerger und einigen gereizten Briefen ward zuletzt ein Graf Schlick mit dieser Aufgabe betraut. Aber Anfangs schoben die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg eine Zeit lang die Antwort hinaus und gaben zuletzt ihren Entschluß deutlich zu erkennen, daß sie nicht auf den Wunsch des Kaisers eingehen wollten 29). Die Verhandlung mit den rheinischen Kurfürsten hatte der Kaiser selbst übernommen; wir wissen nicht, wie weit es ihm bei ren geistlichen geglückt ist. Was den Kurfürsten von der Pfalz anbelangt, so glauben wir zu der Annahme berechtigt zu sein, daß er im Allgemeinen zugestimmt habe 3o). Im Ganzen aber ist doch das Resultat feineswegs zweifelhaft, daß in dem Jahre 1551 man noch nicht recht vorwärts gekommen war, und die Unruhen des folgenden Jahres haben dann alle Anfänge des Erfolges hinweggespült.

27) So erzählte nachher der Kardinal von Augsburg. P. d'État IV. 421.
28) Vgl. Lanz, Staatspapiere 477 und im Anhang VII. 4. 5.
29) Langenn I. 452. Bucholz VI. 466.

30) Instruktion für Seld bei Lanz Staatspapiere 465 ff. Ueber die Erfolge der Sendung Weldwicks bei der Pfalz vgl. Lanz III. 67. vgl. auch 77.

Wir sehen hier, Ferdinand ist vorzüglich durch das Verhalten des sächsischen Kurfürsten auch in dieser Frage vor den weiteren Fortschritten seines Bruders behütet worden. Wie sich nun um jene Zeit der engere Anschluß des Kurfürsten Moriß an diese deutsche Linie der Habsburger immer weiter entwickelt, wurde Ferdinand von dem kaiserlichen Bruder je länger, je mehr entfernt. Nach den Auftritten in Augsburg ist das alte Verhältniß völlig geschwunden, es haben sich jezt die habsburgischen Brüder mit mißtrauischen Blicken, wie heimliche, aber gefährliche Gegner beobachtet. Zugleich mit dem Prinzen Philipp war auch Max nach Spanien gereist, sich selbst von dort seine Gemahlin herüberzuholen; und als die Rückkehr dieses Paares aus Spanien sich auch nur um Weniges verzögerte, wurde wieder das Gerede laut, in dieser Verzögerung sei heimliche Absicht des Kaisers verborgen, den dem Sohne gefährlichen Concurrenten aus Deutschland so lange entfernt zu halten, bis dort Philipps Wahl entschieden wäre. Der Kaiser wenigstens hielt es für nöthig, recht nachdrücklich dieser Voraussetzung entgegen= zutreten und diesen Verdacht bei dem Bruder und bei dem Neffen nicht aufkommen zu lassen31). Ja, es scheint, als ob die Differenz zwischen den Brüdern sich noch weiter als in Mißstimmung und in Verweigerung der vereinbarten Unterstüßung Luft gemacht habe. Wenn auch vielleicht die Nachrichten, die man an dem französischen Hefe hatte, von einem Anspruche, den Ferdinand an das gemeinsame habsburgische Erbe erhoben hätte, nicht vollständig von der üblichen Uebertreibung französischer Politik freigeblieben sind32), so nahm doch der Kaiser jezt seinem Bruder die Hoffnung auf den Erwerb des Würtembergischen Herzogthumes, das ja immer als Lockspeise Ferdinand vorgehalten und in der That auch in gewisser Beziehung wenigstens Ferdinands Ein

31) Karl an Ferdinand vom 15. August (Lanz III. 70) und Karl an Philipp vom 29. Juli; in welchem Schreiben er die Gefahren darlegt, die eine Seefahrt bei der Nähe der türkischen Flotte für ihn haben könnte; aber wenn diese Flotte nicht erscheine, werde Max nachher sagen, es sei Alles absichtlich so gesagt worden, ihn aufzuhalten. (despues segun la condicion del rey pensaria que todo avia sido forjado a proposito de detenerle por tractar mejor lo del imperio en su ausencia, y piadosamente se puede creer que facilmente lo persuadiera al rey su padre) Philipp wird angewiesen, ihm alle Umstände darzulegen, und ihm selbst die Entscheidung und damit die Verantwortung zu überlassen, ob er jezt überfahren wolle oder nicht. (Leg. 646. fol. 58.)

32) So äußert sich König Heinrich in jener Instruktion für Aramon, Ribier II. 298.

fluß unterstellt war33). Und am kaiserlichen Hofe war wirklich einmal die Meinung verbreitet, auch König Ferdinand stehe mit den Franzosen in geheimer Verbindung gegen den Kaiser, eine Meinung, von der die historische Forschung leider noch nicht im Stande ist zu entscheiden, ob sie gegründet oder ob sie ein böswilliges Gerücht der kaiserlichen Politiker gewesen34). Wenn wir von allen nicht genau beglaubigten Nachrichten absehen, so steht doch so viel fest, daß aus den Augsburger Verträgen vom März 1551 sich eine tiefe Spaltung unter den Brüdern entwickelt, und daß ganz besonders in den Beziehungen zwischen Max und seinem kaiserlichen Schwiegervater eine weniger freuliche Disharmonie feit jenem Augsburger Reichstage geherrscht hat.

Und während so in den Spitzen der habsburgischen Regierung sich die Auflösung der bisherigen Einheit bis zu einer verhaltenen Feindschaft steigerte, stimmte die kaiserliche Politik ihren Ton den deutschen Fürsten gegenüber um Nichts herab. In sehr bestimmter Weise ließ Karl den Markgrafen Hans auffordern, sich über seine Rüstungen zu erklären und Zusicherung und Bürgschaft seines friedlichen Verhaltens zu stellen. Aber der Markgraf war entschlossen, nicht von der Augsburger Confession zu lassen, wenn er auch in allem Anderen Gehorsam versprach 35). In sehr drohendem Tone ließ der neue Kanzler des Kaisers, der junge Granvella, sich vernehmen: wenn deutsche Fürsten sich wider des Kaisers Conzil und wider des Kaisers Religionspolitik auflehnen wollten, so müsse Deutschland für und für in Blut schwimmen, um dem kaiserlichen Gebote Nachachtung zu verschaffen36). In sehr herrischen Ausdrücken erging endlich des Kaisers Aufforderung an die norddeutschen

33) Karl an Ferdinand vom 15. August. Lanz III. 69, vgl. die späteren Aeußerungen zwischen den Beiden; ebd. 503. 514 ff.

34) Einen direkten Beweis für solche Intriguen zwischen Ferdinand und Heinrich hat man meines Wissens noch nicht gefunden; höchstens daß Heinrich durch den Kardinal von Ferrara den Erzherzog Max in Italien begrüßen und an ihn aucunes particularités ausrichten ließ. (Ribier II. 351). Ich finde außerdem noch die Notiz, daß ein Beamter des kaiserlichen Gesandten Renard, Quiclet, der eine geheime Beziehung zu dem französischen Staatssekretaire Aubespine hatte, später über seine Gespräche mit Aubespine Depositionen gemacht hat, in welchen es sich um französische Anträge an Ferdinand handelt, für den Preis eines französischen Bündnisses ihm den Besitz der Niederlande zu verschaffen (Vgl. die Excerpte aus dem Verhör Quiclet's, die in P. d'État V. 1-3 gegeben sind;) Aber ich bin nicht im Stande zu entscheiden, wie weit diesen Angaben des Spions Glauben zu schenken ist. 35) Voigt 88 ff. 36) Boigt 126.

Rebellen, von jezt ab sein Interim genauer zu beobachten. Aber Markgraf Hans wies auch diese Sommation in scharfen Worten ab37). Man konnte damals wirklich getrost wiederum die protestantische Fahne erheben; denn in denselben Tagen war es ja sicher geworden, daß Karl genug mit König Heinrich zu schaffen haben werde. Auch der Bund der deutschen Protestanten mit dem französischen Könige war seinem Abschlusse nahe.

Schon im Mai dieses Jahres, als sich der Bund der deutschen Fürsten enger zusammenschloß, war es Moritz klar geworden, daß man ohne französische Mitwirkung das „viehische Servitut", in das der Kaiser die Deutschen drängen wollte, nicht werde abwerfen können. Natürlich, Moriz verbarg es sich nicht, daß man für französische Hülfe auch von deutscher Seite Etwas werde zahlen müssen. Schon bei dieser ersten Sendung an den König zeigte man ihm die Bereitwilligkeit bei einer neuen Kaiserwahl in Deutschland auf französische Wünsche Rücksicht zu nehmen, und jedenfalls wollte man sich verpflichten, nie gegen König Heinrich etwas vorzunehmen38) Die Antwort auf diese Sendung brachte der Bischof von Bayonne Jean de Fresse, der im August in Deutschland erschien. Und da jetzt dem deutschen Unternehmen die französische Mitwirkung gesichert war, erklärte auch Kurfürst Morit seinen Freunden, alles bisherige Zaudern und Schwanken aufzugeben und sich dem Fürstenbunde gegenüber zu den entschiedensten Thaten zu verpflichten. Er berief seine Gesinnungsgenossen zur Besprechung nach Lochau39). Man berieth dort die wichtige Frage, ob man selbst offenjiv auftreten over des Kaisers Angriff abwarten solle. Dem Franzosen natürlich konnte mit einem bloßen Defensivbunde gar Nichts gedient sein, es war für ihn eine selbstverständliche Sache, daß man den Kaiser angreife und überfalle; aber den gewissenhaften Deutschen erschien dies nicht so unbedingt nothwendig. Markgraf Hans besonders verehrte den Kaiser als die ihm von Gott gesetzte Obrigkeit und glaubte höchstens zum Schuge seines bedrängten Gewissens gegen seinen kaiserlichen Herrn sich vertheidigen zu dürfen. Mag man diesen Standpunkt auch großartig und edelsinnig nennen, es war jedenfalls unmöglich ihn unpraktischer und unpolitischer auszudenken. Und diese Fürsten entschlossen sich denn auch, Morig' Rath folgend, ihrerseits den Kaiser im nächsten

37) Am 10. August 1551. Voigt 133.
38) Instruktion für Reiffenberg vom 25. Mai 1551. Langenn II 327.
39) Voigt 142 ff. Langenn I. 485. Ranke V. 217 ff.

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