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Jahre Heinrichs II. uns ein buntes Spiel von kaiserlichen Allianzprojekten und antikaiserlichen Intriguen. Während man mit dem Kaiser über eine mögliche Ausgleichung aller Differenzpunkte handelte, bemühte man sich gleichzeitig, Verbündete zu einem Kriege gegen den Kaiser zu ers werben. Zwischen Karl und Heinrich gab es vornehmlich Einen Punkt, der in allen Verhandlungen auftauchte und an dem jeder Vertrag scheitern mußte, die piemontesische Frage. Karl konnte nicht und wollte nicht Piemont in französischen Händen lassen, und Heinrich war ebensowenig im Stande, diese Basis für seine italienischen Pläne aufzugeben. Und so mußten alle Friedensversuche der Diplomatie immer wieder zuletzt zu erneuertem Hader hinführen.

Da hatten eine Zeitlang die schottischen Verwicklungen den französischen König so sehr in Anspruch genommen, daß er die Neutralität des Kaisers schon als einen Gewinn anzusehen geneigt war. Und wie um dieselbe Zeit Heinrich wieder ein engeres Verständniß mit dem alten Papste Paul eingegangen, knüpften die Engländer in ihrem Kriege gegen Schottland und Frankreich sehr dringende Beziehungen mit dem Kaiser an: in den Sommermonaten des Jahres 1549 war wirklich der Abschluß eines kaiserlich-englischen Bündnisses sehr nahe gerückt 11). Die Engländer schmeichelten sich mit der Hoffnung und ließen sich von den kaiserlichen Ministern durch die Aussicht aufregen, daß schon im nächsten Jahre Karl selbst einen Angriff auf Frankreich erheben werde. Aber diese Combination war in sich doch ein Unding. In einem Augenblicke, in dem der Kaiser den deutschen Protestantismus niedergeschlagen und Deutschland mit starker Hand unter seinen katholischen Willen ge= beugt hatte, in einem solchen Augenblicke wäre es ein seltsames Schauspiel gewesen, eine Allianz mit dieser exclusiv protestantischen Regierung Somerset's einzugehen, eine Allianz, gegen Frankreich und den Papst gerichtet. Freilich der Sturz Somerset's erweckte dann für eine kurze Weile die Hoffnung bei dem Kaiser, daß in dem Staatsrathe von England katholische Tendenzen vorwalten würden 12); aber auch Warwick's Regierung befolgte dieselben religiösen Tendenzen eines eifrigen Protestantismus, die Somerset an's Ruder gebracht hatte. Und Warwick war bald bestrebt, sich mit Frankreich zu vergleichen. Der im März 1550

11) Calendar p. 36. 39. 41. ff. Vgl. Tytler I. 190 und Marillac's Depesche vom Juli 1549 bei Ribier II. 270.

12) Vgl. Froude Bd. V. 157 ff. und die Notiz bei Ranke Engl. Gesch. I. 237.

geschlossene englisch-französische Friede hat dazu beigetragen, die europäische Parteistellung vollständig zu ändern.

Wie der neue Papst, sich von den Franzosen abwendend, immer engere Beziehungen zu dem Kaiser gewann, kam König Heinrich den Engländern immer näher. Die nächsten Monate haben dann eine Verbindung von England und Frankreich herbeigeführt, welche der Freundschaft von Kaiser und Papst entgegenstand. Wenn König Heinrich zum Kriege gegen den Kaiser schreiten wollte, durfte er sicher auf eine freundliche Neutralität von England, vielleicht sogar auf eine englische Allianz rechnen.

In Italien hatte damals König Heinrich die päpstliche Allianz als Ausgangspunkt seiner italienischen Bestrebungen verloren, aber er hatte dafür die Nepoten des verstorbenen Papstes, die Farneses gewonnen. In dem Herrscher von Parma, dem kaiserlichen Schwiegersohne Ottavio Farnese, fand die französische Politik das brauchbarste Werkzeug für ihre Pläne. Wenn es bei dem Kaiser zum festen Entschlusse geworden war, auf die eine oder die andere Weise auch Parma dem Herzogthume Mailand zu annectiren, so fand er in dem Papste einen gütigen Ver= mittler, der von den Farneses die Aufgabe ihrer Stellung in Parma verlangte. Aber Ottavio lehnte jegliche Vermittlung des Papstes ab: alle Compromisse, die Julius ersonnen und beiden Parteien vorlegte, wurden von Ottavio und seinen geheimen Freunden, den Franzosen, verwerfen. Kaiser und Papst hatten zuletzt sich über einen Plan ge= einigt, der auch Gonzaga's Beifall erlangt und in Rom von Mendoza auf das Wärmste vertreten wurde 13): Karl sollte in den Besitz von Piacenza und Parma gebracht werden, aber er sollte diese beiden Stärte von Papst und Kirche zu Lehen nehmen; und dafür versprachen Papst und Kaiser den Herzog Ottavio zu entschädigen: man dachte daran, ihn wieder in den Besitz von Camerino zu setzen und ihm etwa von kaiserlicher Seite noch eine jährliche Rente auszuwerfen. Aber Ottavio ließ sich nicht darauf ein. Wiederholt versuchte der Papst ihm diese Concessionen abzuringen, aber alle Versuche blieben erfolglos: Ottavio be= harrte in seiner ablehnenden Haltung 14). In diesen letzten Vorgängen hatte sich nun der Papst schon in so hehem Grade compromittirt, daß

13) Karl an Mendoza vom 30. October 1550 und Gonzaga an Karl vom 12. Dezember (A. v. S.)

14) Instruktion für den Bischof von Fano an den Kaiser geschickt, vom 26. Januar 1551 und Sendung des Pietro Camaiani an Ottavio vom 16. Februar 1551. (Beides in der Sammlung Verzosa's.) Vgl. auch Ribier II. 315 ff.

es für ihn nicht mehr möglich war, jene Abweisungen Ottavio's geduldig Hinzunehmen, jene Auflehnung seines Vasallen gegen seinen oberherrlichen Willen zu dulden. Da hielt er es für geboten seinen vertrauten Staatssekretair selbst an den Kaiser zu schicken und durch ihn dem Kaijer zu erklären 15), daß er sich fest entschlossen habe, in den italienischen Fragen eng vereint mit dem Kaiser zu bleiben: wenn er sähe, daß Ottavio, auf französische Hülfe gestüßt, Unruhen erregen wolle, sei er als Lehnsherr entschlossen, gegen den rebellischen Vasallen auch zu Zwangsmitteln zu schreiten.

So trat Papst Julius III. von Tag zu Tag entschiedener auf; in der Conzilangelegenheit und in der italienischen Territorialfrage Eines Sinnes mit dem Kaiser, fuhr er in dem Consistorium heftig gegen die Farneses und ihren französischen Protektor heraus. Aber auch hier hatte sich mit den particularen Interessen Italiens die allgemeine Sache verwickelt. König Heinrich schien damals den Zutritt Frankreichs zu dem allgemeinen Conzile zu verweigern und schien seine Zuflucht zu gallicanischen Conzilen, zu gallicanischen Ideen zu nehmen 16). Und diese religiöse Haltung der französischen Politik stachelte den geistlichen Herrn zu heftigerem Grolle auf; es lag nicht in der Natur dieses Italieners, in seinen Aeußerungen Maß zu halten: er sprach von einer Absetzung des französischen Königs durch sein päpstliches Machtgebot ; und Kaiser Karl, der Feind der Franzosen, mußte ihm vorstellen, in seinen Drohworten gegen Frankreich vorsichtiger einzuhalten 17). Noch einen lezten Versuch, ob er König Heinrich in friedlicher Weise aufhalten könne, machte der Papst, als er seinen Neffen Ascanio della Cornia an den französischen Hof sandte 18): Heinrich möge doch einsehen, daß Ottavio's Verhalten nicht mehr zu ertragen sei und von

15) Sendung des Dandino, des Kardinales von Imola vom 31. März 1551. P. d'Etat III. 504.

16) Ribier II. 317 ff.

17) In Simancas ist ein Bericht: Lo que passo su md. con el Dandino" (leg. 876 fol. 150) über Karl's Gespräche mit diesem päpstlichen Gesandten; Karl ertheilt darin dem Papst die Antwort: aunque su sd. avia apuntado a D. Diegoh que queria proceder a privacion del dicho rey como cismatico y envestir de su reyno a su md. y a su alteza, teniendo en lo que devia esta voluntad y agradesciendola, no podia dexar de suplicarle que moderase como confiava lo haria el justo sentimiento que dello tenia para guiar las cosas por el camino que conviniese evitando de dar causa al rey de meterse en cosa no conveniente.

18) P. d'Etat III. 529.

Ottavio seine schützende Hand abziehen. Aber auch dies half nichts. Man wurde in Italien bald handgemein. Von Seite Ottavio's und von Seite der Kaiserlichen kam es zu feindlichen bewaffneten Schritten.

Es hatte der Papst sich entschlossen, gegen Ottavio von den kaiserlichen Waffen Gebrauch zu machen. Gonzaga führte das Heer, das im Namen des Papstes Ottavio strafen sollte, und der kaiserliche Schatz gab die Geldmittel her, des Papstes Politik zu unterhalten. Eine päpstliche Anleihe bei dem Kaiser war die Form, in welcher Unterstützung geleistet wurde: aber es wurde unter den Contrahenten im Zweifel erhalten, ob der Papst das geliehene Geld wirklich zurückzahlen müsse 19).

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So sah man schon in den Sommermonaten des Jahres 1551 einen Zusammenstoß kaiserlicher und französischer Streitkräfte auf diesem italienischen Boden. Noch war der förmliche Bruch der beiden Mächte nicht erfolgt, noch verkehrten Karl und Heinrich nach üblichem Brauche in diplomatischem Verkehre, noch verhandelte man über die Beilegung der lokalen Differenzen; aber man schlug schon in Italien, der Franzose als Protektor des italienischen Rebellen, der Kaiser als Helfer des strafenden Papstes. Es lag auf der Hand, daß dieser Zustand nicht dauern konnte, und das hatte man auf beiden Seiten eingesehen. Auch der Kaiser sann in jenem Sommer auf einen umfassenderen und nachhaltigeren Angriff gegen Frankreich. In diesen Monaten, die den Höhepunkt seiner Macht in deutschen Dingen bezeichnen, beabsichtigte er einen recht nachdrücklichen Schlag gegen den französischen Rivalen zu führen, dessen geschäftige Thätigkeit er überall in seinem Wege fand. Mit den Erben von Navarra waren schon in den letzten Jahren wiederholt Beziehungen eröffnet worden, den navarrischen Rechtsstreit durch irgend einen Compromiß zu beschließen und diese französische Familie in dienstbeflissene Ergebenheit von Spanien zu bringen. Jezt nahm man diesen Plan ernstlich in Erwägung. In Augsburg wurde eine

19) Am 27. Juli 1551 legt Julius III. in langem Schreiben Karl seine Lage dar und ganz besonders seine italienischen Bedrängnisse, die ihn dazu zwingen, bei Karl Schutz zu suchen. Er dringt auf die Unterstützung Karl's, wie er ja auch Karl durch mezzi frutti unterstützen wolle; über die Anleihe bei Karl äußert er sich: si havero modo di render li denari il che piaccia pur a Dio che sia, li rendero piu volentieri che V. M. non li pigliera; si non havero il modo, so che ella non mi fara scomunicare ne mi mandara il bargello a casa. Die Aeußerung über das Conzil aus demselben Schreiben im Anhange VIII. 3.

dauernde Verbindung besprochen, die einen kaiserlich-spanischen Einfall in Südfrankreich vorbereiten sollte. Aber nachdem man genauer den Stand der Dinge auf dieser Seite untersucht hatte, entschloß sich Karl zulezt doch, dieses so gefährliche Wagniß nicht zu versuchen und mit dem navarrischen Fürsten nicht eher sich zu binden, ehe nicht sichere Garantien für den Erfolg des gemeinsamen Unternehmens beigebracht seien 20). Nichtsdestoweniger aber war Karl entschlossen, den ihm gebotenen Handschuh aufzunehmen und den Krieg gegen König Heinrich, wenigstens auf italienischer Seite, mit allen Kräften zu führen 21).

Im September 1551 waren die beiden Gegner überzeugt, daß auch der offene Krieg nicht länger zu vermeiden sei, sie schritten ungescheut zu dem definitiven Bruche. König Heinrich ging mit der rücksichtslosesten Entschiedenheit vor; dem kaiserlichen Gesandten ließ er seine Pässe geben; seinem Königreiche gebot er unter keinem Vorwande irgend eine Geldzahlung an den Papst zu leisten, und dem von Papst und Kaiser berufenen Conzile ließ er die Erklärung zugehen, daß die französische Kirche sich ihm nicht unterordnen werde 22).

Der enger geschlossenen Verbindung von Papst und Kaiser ist hierdurch der französische König offen entgegengetreten. Heinrich hat sich offen als den Mittelpunkt aller europäischen Oppositionen gegen Habsburg hingestellt, er hat offen die Führerschaft in einem europäischen Kriege gegen Karl's Kaiserstellung ergriffen.

Und dieser Angriff sollte nicht auf einen Punkt beschränkt bleiben: es war von vorne herein ein combinirter Plan allseitigen Angriffes in's Auge gefaßt.

Auch mit den Türken kam jetzt wieder eine französische Allianz zu Stande 23). Man hatte vor einigen Jahren den Abschluß eines Friedens zwischen Karl und dem Sultan tro des Aufgebotes aller Künste nicht zu verhindern vermocht. Und wie Suleiman in den Perserkrieg

20) Karl an Max und Maria (die Regenten von Spanien) 11. September 1550. (Leg. 645. fol. 45.) Karl an Maria vom 13. Juni 1551. (Leg. 646. fol. 29.) Memorial, das die lezten Forderungen Navarras enthält, vom 21. August 1551 in den Pariser Simancas-Papieren. Karl an Philipp vom 13. September 1551, welches Schreiben die Ledenken Karl's darlegt. Leg. 646. fol. 82.

21) Karl an Philipp vom 23. September. (Leg. 646. fol. 91.)

22) Renard an Karl aus Paris vom 14. September 1551. (Archives de l'Empire.) Vgl. auch Heinrichs Mandat vom 7. September Ribier II. 343 ff.

23) Vgl. über diese türkischen Beziehungen seit 1547 die Akten bei Charrière II. 30-170.

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