Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

wenigstens, in diese hergebrachten Formen einen neuen selbstherrlichen Geist gebracht. Einige Jahre hindurch hat unter dem Scheine der -alten Herrschaft ein moderner Absolutismus über Deutschland gewaltet. Auch Karl hat sich beschieden, eine bleibende Ordnung für die Zukunft Deutschlands nicht herrichten zu können, er hat sich mit dermomentanen Machtentwickelung und Machtsteigerung begnügt.

Wenn wir genauer zusehen, was ist denn Karl's Herrschaft in jenen vier Jahren anders gewesen, als das ausgeprägteste Willkürregiment ? An die menschlichen Leidenschaften hatte sich der Kaiser gewendet, durch alle Mittel einer falten und wohlüberlegten Berechnung hatte er die Opposition nieder geschlagen. Und jezt, als er die Einen durch die Anderen besiegt, hat er Beiden mit dem gleichen Lohne gedankt.

Alle Parteien in Deutschland sind von dem siegreichen Kaiser mit derselben Willkür behandelt worden. Da hatte er doch die Bayern gewonnen durch die Aussicht auf die pfälzische Kur, aber jetzt konnten die Bayernherzoge Rechtsörterungen und Bittschriften an den Kaiser verschwenden, Karl zog es jezt vor, den Kurfürsten zu erhalten. Da hatte er denselben Bayern das Herzogthum Neuburg zugesagt: allerdings dem armen Pfalzgrafen wurde es genommen, aber es sollte dem spanischen Feldherrn, dem Herzoge von Alba, als Belohnung seiner Kriegsdienste überliefert werden 1), und bis Alba selbst es antrat oder es an einen Dritten verkauft hatte, blieb es dem Schuße spanischer Truppen unter der Verwaltung des Kaisers überlassen. Da hatte er auch den Herzogen von Würtemberg wegen ihres Anschlusses an die Schmalkaldener den Prozeß gemacht und dem Könige Ferdinand Aussicht auf dieses schwäbische Herzogthum eröffnet; und auch hier unterlag es keinem Zweifel, daß nur der Wille des Kaisers den Richterspruch bezeichnen werde: die Willkür des Kaisers hielt lange Zeit den Würtemberger in Besorgniß und den habsburgischen Bruder in begehrlicher Erwartung. Aber Alles das überbot doch das Verfahren gegen die Schmalkaldener Häupter. Das sächsische Land, so viel man davon den Söhnen Johann Friedrichs noch gelassen hatte, wurde von der spanischen Regierung des Kaisers in jeder Beziehung ausgeplündert und geknechtet. Und gar erst der Landgraf von Hessen, der sich dech unbesiegt dem Kaiser ergeben hatte, welche Behandlung mußte er über sich ergehen lassen? Alle Bitten und alle Verwendungen deutscher Fürsten und Stände

1) Der Kardinal Otto von Augsburg erzählt dies Faktum (Pap. d'état IV. 417) wie er überhaupt diese Uebergriffe kaiserlicher Willkür sehr scharf tadelt.

erreichten weder die Freilassung des Gefangenen, noch brachten sie Karl dazu, einen Endtermin der Gefangenschaft festzusetzen. Was waren diese deutschen Fürsten alle in den Augen des Kaisers anderes als willenlose Werkzeuge für seine politischen Zwecke, als untergeordnete Diener seines Willens? Der Kaiser hat einen Ton angeschlagen, der auf die Selbständigkeit, auf die Rechte, auf die Wünsche der Fürsten. keine Rücksicht zn nehmen geneigt war. Die kaiserliche Regierung Karl's verfolgte ja andere, höhere Plane als eine Regierung Deutschlands, nach den Wünschen oder in Uebereinstimmung mit den deutschen Landesfürsten eingerichtet.

Hat vielleicht Karl auf die Bedürfnisse und Wünsche der deutschen Nation als eines Ganzen geachtet? Hat er vielleicht die territorialen Regierungen verlegt, um ein nationales Reich über alle Einzelstaaten aufzurichten?

Nein, die Idee des spanischen Karl war, die deutschen Ländermassen in das europäische System einzufügen, das seine universalen Tendenzen vorbereiten sollte. So verband er die stammverwandten Niederlande mit dem Reiche, in einer solchen Weise, die diesen seinen Erblanden allen, dem Reiche keinen Nugen zuwandte: der Augsburger Vertrag verfolgte nur den Zweck, den Schuß Deutschlands für jene Niederlande zu sichern; ein jeder Angriff auf die habsburgische Herrschaft in den Niederlanden mußte einen deutschen Reichskrieg nach sich ziehen.

Und auch mit Italien kam das Reich in eine engere BeziehungAber auch hier sollten die deutschen Kräfte nur zum Schuße habsburgischer Herrschaft auf italienischem Boden benutzt werden. Wie der Habsburger in jenen Jahren immer deutlicher und immer rücksichtsloser auf die völlige Unterwerfung aller italienischen Staaten hinarbeitete, konnte ihm der Schuß dieser seiner italienischen Besitzungen durch das deutsche Reich nur erwünscht sein.

Oder wäre etwa jene Verbindung, in die Karl die spanische Krone mit Deutschland bringen wollte, ein Gewinn für die Nation gewesen? Zwei völlig fremde und einander in jeder Beziehung antipathische Nationen unter dieselbe Herrschaft zu bringen, war ein Projekt, das gewiß nicht auf das Heil jener Nationen gerichtet, das auch gewiß nicht gerade von hoher staatsmännischer Eingebung zeugte.

Wir sehen, die Politik des siegreichen Kaisers hat bei dieser Regierung über Deutschland nur ihre eigenen Absichten verfolgt. Sie hat nur den Tendenzen ihres Universalreiches gehuldigt, und die nationalen Elemente

ihrer verschiedenen Staaten zu jenem Luftschlosse europäischer Kaisergewalt aufzubrauchen gewußt. Der Sieg über die protestantische Opposition hat ihr nur dazu gedient, auch die deutschen Kräfte für jene europäischen Combinationen zu verwenden.

Mit der deutschen Nation ist Karl's Politik ganz besonders in der religiösen Frage zusammengestoßen. Alle Akte seiner Willkür, alle Maaßregeln seiner habsburgischen Interessenpolitik haben nicht in solchem Maaße die Nation erregt, wie sein kaiserliches Religionsedikt sie verlegt hat.

Es war ein Triumph der diplomatischen Geschicklichkeit dieser spanischen Staatsmänner, daß sie eine Formel zu Stande gebracht, die in gewissem Sinne Elemente beider Religionsparteien aufgenommen hat. Aber diese Erfolge des Diplomatisirens in religiösen Dingen waren wahrlich nicht angethan, tiefere Bedürfnisse zu befriedigen. Ein jeder Bekenner der katholischen Kirche hatte doch so Manches an diesem Edikte auszusetzen: der strengeren Meinung mußte es nicht allein undeutlich, unbestimmt, zweideutig erscheinen; vor Allem konnte es nicht allgemeine Billigung finden, weil es ja nicht von dem rechtmäßigen Organe der Kirche ausgegangen war. Diese Seite, die für manchen Protestanten eine Empfehlung des Interims war 2), mußte dem Katholiken als ein Eingriff kaiserlicher Machthoheit in die Rechte der Kirche erscheinen. Und dann hatte das Interim durch kaiserliches Gebot den Lutheranern in äußerlichen Dingen Concessionen gemacht, Concessionen, die weit genug gingen, ernste Katholiken zurückzuschrecken, und die nicht ausreichten, den Protestanten die kaiserliche Staatsreligion als die ihre erscheinen zu lassen. Trotz aller dieser Einwände und Hindernisse hatte aber Karl's Festigkeit und Machtentwickelung den Protestanten dies Interim auferlegt: freilich mit Zwang, aber doch allgemein war das Interim in pretestantischen Landen eingeführt: protestantische Fürsten und protestantische Theologen hatten dem Drucke der kaiserlichen Regierung nachgegeben. Aber das Volk selbst hat an keiner Stelle Begeisterung oder Befriedigung, nein allenthalben nur Unlust und Unmuth gezeigt. Man hat sich den Formen dieser angeordneten Religion anbequemt, aber man hat nirgendwo im Inneren diese Lehre angenommen. Auch unter der Religionsübung des Interims hat der protestantische Geist in der Majorität der Nation fortgelebt.

2) So machte diesen antipäpstlichen Ursprung des Interims Joachim von Brandenburg bei Moritz geltend. (17. November 1548 bei Langenn I. 404.)

Allerdings noch einen weiteren Schritt in ihrer Religionspolitik hatte die kaiserliche Regierung gewonnen. Auch auf dem zweiten Reichstage von Augsburg waren die religiösen Maßregeln des Kaisers vom Erfolge gekrönt. Wenn vor zwei Jahren Deutschland sich einem allgemeinen Conzile zu unterwerfen bereit gewesen war, so hatten jezt die Protestanten erklären müssen, daß sie jenes Conzil in Trident besuchen wollten. Auch hier war man also von der unbestimmteren Form. zu der bestimmten Unterwerfung unter ein Conzil vorgeschritten, dessen Charakter schon damals aller Welt bekannt war. Die mächtigeren der protestantischen Stände hatten wohl geglaubt, besondere Vorbehalte hinzuzufügen, sich besondere Bedingungen für die conziliare Verhandlung auszumachen; aber der Kaiser that schon darin genug, wenn er seinen Deutschen freies und sicheres Geleit verhieß und ihnen die Zusicherung ertheilte, daß in Trident die katholischen Prälaten den protestantischen Vorträgen ruhiges Gehör schenken würden; - wir wissen schon, von welchem Geiste wahrer Nachgiebigkeit dieser Spanier dabei beseelt war3)!

Aber als jezt diese Zusicherungen des Kaisers an die Protestanten im Reiche bekannt wurden, da hat sich der Protestantismus in underänderter Lebendigkeit gerührt und zum Streite gegen die katholische Lehre gerüstet. Alle die protestantischen Confessionen und Gutachten und Bedenken, die man damals für die protestantischen Deputationen zum Tridentinum vorbereitete, sie alle zeigen auch nicht die geringste Spur irgend eines Einflusses, den die Lehre des Interims auf die Meinungen der Protestanten ausgeübt haben könnte. Es war der alte Protestantismus, wie er vor den Maßregeln Karl's gelebt hatte, der hier aufs Neue seine Schwingen regte: das Interim hat an der Religion der Deutschen nichts geändert, die kaiserliche Religionsverordnung, der oftroyirte Glaube ist an dem Geiste der Nation spurlos. vorüber gegangen.

Wir sehen, auch unter der ruhigen Oberfläche dieser deutschen Nation wogte und kochte der nationale Geist in unruhiger Gährung; es bedurfte nur eines Anstoßes, und ein gewaltiges Unwetter mußte sich in vernichtenden Schlägen gegen die Kaiserregierung der beiden Augsburger Reichstage entladen. Die Elemente der Opposition, die auch unter dieser Gewaltregierung fortdauerten, haben sich erst lang= sam geregt, dann sich immer weiter verbreitet und immer besser zu

3) Anhang VIII. 1. Vgl. oben S. 230.

sammengefügt, sie haben zuletzt in einem Bündniß deutscher Stände den Ausbruch einer antikaiserlichen Rebellion herbeigeführt. *)

Schon im Oktober 1548 hatten sich einzelne Fürsten zu diesem Widerstande gegen den Kaiser zusammengefunden. Markgraf Hans von Brandenburg-Küstrin, ein rühriger und offenherziger protestantischer Fürst, hatte des Kaisers Absichten in der Behandlung der Deutschen durchschaut. Da er einst gegen die Schmalkaldener dem Kaiser gedient hatte, auf des Kaisers Versprechungen religiöser Toleranz gegen seine Verbündeten bauend, so hatte ihn der drohende Befehl des Kaisers, das Interim anzunehmen, auf das Tiefste verlegt. Und da hatte er sich mit den jungen Landgrafen von Hessen, den Söhnen des überlisteten Kämpfers der protestantische Sache, bald darüber verstanden, wie man dem Interim und dem kaiserlichen Zwange entgegen arbeiten könne. Auf die norddeutschen Städte, auf den Stammesvertreter, den Herzog. Albrecht von Preußen, war besonders sein Auge gerichtet. Dieser Brandenburgische Markgraf war unablässig thätig, alle norddeutschen Stände zu einem Schutzbündniß gegen die kaiserliche Religionspolitik zu vereinigen; aber man sah es ein, daß man erst einen festen Punkt gewinnen müsse, an den die norddeutsche Opposition sich anlehnen könne. Man hat da einmal an eine Allianz mit England gedacht, das unter Somersets Leitung sich ganz der Reformation in die Arme geworfen.. Aber der Lordprotector war in die französischen Händel verwickelt, einer kaiserlichen Allianz bedürftig; und überhaupt waren die Zustände in dem Inselreiche zu schwankender Natur, als daß man feste Allianzen hätte wagen können. Man hat dann auch von einer französischen Unterstüßung geredet. Aber zunächst war König Heinrich noch nicht zum Schlage gegen den Kaiser bereit, auch der neue Bruch zwischen Karl und Heinrich bedurfte erst längerer Vorbereitung. Man hat dann auch nach weiteren Allianzen in Deutschland sich umgesehen, und schon damals den Beistand des neuen Kurfürsten Moriß ge= sucht. Es fanden schon damals einzelne Unterhandlungen mit Moriz Statt. Aber Moritz selbst schwankte noch; und das Mißtrauen der Protestanten gegen den Sieger über Johann Friedrich war noch zu lebendig und zu erregt, als daß man sich hätte einigen können. Es blieb den protestantischen Elementen im nördlichen Deutschland zunächst Nichts

4) Für das Folgende beziehe ich mich außer den älteren Werken von Langenn und von Rommel ganz besonders auf die vortreffliche Darstellung von J. Voigt, Der Fürstenbund gegen Kaiser Karl V., in Raumers historischem Taschenbuch.

« ZurückWeiter »