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In denselben Tagen kam auch der lange zurückgehaltene Unmuth des Kaisers gegen seinen Bruder zum Ausbruch.

In den ungarischen Angelegenheiten hatte der Gegensaß habsburgischer, ungarischer und türkischer Interessen einmal wieder zu einem türkischen Kriege geführt: es stand damals wieder einmal so, daß man in jedem Augenblicke einen gewaltigen Einbruch türkischer Heeresmassen befürchten mußte. Und da lag es König Ferdinand nahe, sich auch dieses Mal an das deutsche Reich zu wenden, von ihm sich eine neue Türkenhülfe zu erbitten. Am 22. November sprach der König diesen seinen Wunsch dem Kaiser aus, die Einwilligung des Kaisers als selbst= verständlich voraussehend; er dachte jezt noch vor dem Auseinandergehen der Stände sich diese Türkenhülfe bewilligen zu lassen. Aber Karl erhob ganz unerwartete Einsprache. Durch den direkten Widerspruch und die indirekten Machinationen Ferdinands aufs Höchste gereizt ließ Karl bei dieser nur Ferdinands Interessen berücksichtigenden Forderung feinem Unmuthe Lauf. Es kam zwischen den Brüdern zu einer sehr heftigen persönlichen Scene, aus der Ferdinand sich mit der Bemerkung zurückzog, er werde weiterhin die Sache überlegen. Einige Wochen nachher, am 14. Dezember, brachte er dem Bruder eine schriftliche Auseinandersetzung aller Gründe, die jene Reichshülfe gegen den Türken nothwendig machten, und auch gegen die Vorwürfe des Egoismus, der Undankbarkeit, des Widerstrebens glaubte er sich bei dieser Gelegenheit schriftlich vertheidigen zu sollen: in Allem, was möglich sei, werde der Kaiser ihn ergeben und willig finden. Als nun Max in Augsburg am 17. Dezember erschien, brachte der Kaiser zuerst persönlich die wichtige Frage, um derentwillen man ihn hatte kommen lassen, in Anregung. Aber Max verhielt sich gegen jeden Versuch zugeknöpft und ablehnend, er wich geschickt aus, er wußte bei solcher Gelegenheit immer von anderen Dingen zu sprechen. Es wurde dem Kaiser aus gelegentlichen Aeußerungen klar, daß Max für sich auf drei Stimmen rechnete und sichh selbst die vierte zu geben entschlossen war. Auch die Versuche, die Karl durch den jüngeren Granvella (der nach und nach in die Stellung des Vaters eingerückt war) auf Ferdinand und Max machen ließ, führten zu Nichts. Karl sah ein, daß er wieder der Hülfe der Schwester be= dürfe, er rief jetzt aufs Neue Maria aus den Niederlanden herbei. 12)

Der Kaiser, der in derselben Zeit von seinen alten Krankheiten schwer zu leiden hatte, - er war so elend und an Kräften so herunter

42) Ferdinand an Karl, und Karl an Maria bei Lanz III. 11 ff.

gebracht, daß man allgemein seinen Tod schon in den nächsten Monaten erwartete, ist selten in eine solche Stimmung von Unmuth und Unlust versezt gewesen, wie sie ihn damals über des Bruders Verfahren erfaßte. Als er die Schwester herbeirief, schrieb er ihr, daß sie kommnen müsse, ihm zu helfen und den Bruderzwist beizulegen, er selbst könne es nicht länger ertragen, es werde ihn dieser Aerger noch umbringen, seine Geduld mit dem Bruder sei zu Ende: er wollte es zeigen, wer Kaiser sei, ob Karl, ob Ferdinand.

Die Königin Maria erschien schon im Anfange des neuen Jahres; und so waren alle Habsburger vereinigt, den Beschluß zu fassen, den zu verschieben jetzt nicht mehr möglich war. In den Verhandlungen, über deren Fortgang wir natürlich keine authentischen Aufzeichnungen besitzen, zeigte sich vor Allem Max zäh und ausdauernd 43). Aber daß der Zwist in der Familie zu fortgeseßten Verstimmungen führte, zeigte sich auch im äußeren Auftreten. Die Belehnungsfeierlichkeiten, die man für Philipp beabsichtigt hatte, konnten nicht in der gewünschten Weise Statt finden. Und zuletzt wurde diese Feier ohne Betheiligung der doch so nahe gegenwärtigen Verwandten vorgenommen.

In den Berathungen wurden von kaiserlicher Seite ausführlich alle Umstände dargelegt, sowohl die für Max als die für Philipp sprachen. Wir besitzen heute noch das eingehende Memoire, auf Grund dessen man verhandelt hat 44). Natürlich der Schluß, den man aus Allem zog, war die Nothwendigkeit einer Vererbung der Kaiserkrone auf die Person des spanischen Königs. Und nach dem Schlusse des Reichstages setzten Karl und Philipp wirklich ihre Meinung gegen die Verwandten durch. Ferdinand und Max verpflichteten sich am 9. März für die Intentionen der kaiserlichen Politik zu arbeiten, Karl und Ferdinand vereinigten sich, sofort durch gemeinsame Verhandlung die Zustimmung der deutschen Kurfürsten zu ihrem Plane zu erwirken 45).

Es ist ein Doppeltes, zu dem sich die habsburgische Familie in Augsburg verbunden hat. Einmal, wie es zum Axiom der spanischkaiserlichen Politik geworden, auf jene Verbindung der spanischen Krone mit den italienischen Besitzungen die europäische Machtstellung zu gründen, so faßte man auch diese Seite zunächst bestimmter ins Auge:

43) Außer den französischen und englischen Mittheilungen ist wohl am sichersten noch das was Karlowitz schreibt (er nennt einmal seine Quelle, ein „Königischer") Langenn II. 320 f.

44) Lanz, Staatspapiere 450 ff.

45) Anhang VII. 1. 2. 3.

sofort nach dem Tode des Kaisers sollte Ferdinand als Kaiser dem spanischen König, der zu seinem Nachfolger gewählt wäre, die Regierung über Italien abtreten: Philipp sollte nach des Vaters Tode Reichsvikar von Italien werden. Und dann, wenn Philipp dereinst nach Ferdinands Tode römischer Kaiser geworden sei, so war er verpflichtet, sofort seinen Better Max zum römischen Könige erwählen zu lassen; und zwischen diesem Kaiser Philipp und dem Könige Max sollte dann ein ähnliches Verhältniß eintreten, wie es bis jezt zwischen Karl und Ferdinand bestanden: die eigentliche Verwaltung von Deutschland sollte ganz in die Hand des deutschen Habsburgers gelegt werden, Philipp blieben die Vortheile der Kaiserwürde für die europäische Stellung vorbehalten.

Wir sehen, auf eine Reihe von Jahren, auf mehrere Regierungen hin hatte die kaiserliche Politik der Habsburger ihre Bande um die deutsche Nation gelegt. Und in der That, nicht nur die Befriedigung eines persönlichen Ehrgeizes hat damit der Kaiser verfolgt, sondern der Gedanke seiner ganzen Politik hat ihn auch hierbei geleitet. Wie er damals die lutherische Keßerei, den Protestantismus in die Einheit der Kirche zurückgeführt zu haben glaubte, und wie er damals auf der Höhe feiner Macht in Eintracht mit dem Papste die Reform der abendländischen Kirche durch das Conzil durchzusetzen sich anschickte, so traf er auch diese Einrichtungen und Maßregeln, damit die deutsche Nation in der Bahn seiner allgemeinen Politik festgehalten werde. In den Verpflichtungen Ferdinands und Philipps war es klar ausgesprochen, daß auch zu der Erreichung jener allgemeinen Ideen des spanischen Kaisers dieser Familienpakt dienen sollte.

In der That, der Weg, der zur Einheit der Christenheit, zu dem habsburgischen Universalreiche führte, war mit bewußter Entschiedenheit betreten. Der Widerstand, der sich einen Augenblick aus der Mitte der interessirten Herrscher erhoben, war jezt überwunden: die habsburgische Familie hatte sich ihrem Chef unterworfen und hatte, unter der Leitung des Kaisers, die allgemeine Kirchenfrage des Abendlandes zu ordnen und Deutschland zu knechten unternommen. Und wenn auch der kränkelnde Kaiser selbst bald sterben sollte, so waren doch jezt die Vorkehrungen sicher getroffen, daß der Sohn, der zum Nachfolger erzogen und in die Idee des Vaters eingeführt war, dieselbe kaiserliche Politik fortsetzen konnte.

Am 25. Mai nahm Prinz Philipp von dem Vater Abschied, durch Italien nach Spanien zu gehen und dort für dieselben Zwecke zu ar=

beiten. Als der Kaiser den Sohn ein Stück Weges vor die Stadt begleitete, ritten sie an dem gefangenen Herzog Johann Friedrich vorbei. Demüthig, bloßen Hauptes, sich tief verneigend, trat der Sachsenherzog. zur Seite, Prinz Philipp lüftete seinen Hut, der Kaiser aber dankte nur mit einer gnädigen Handbewegung 46): fürwahr ein Schauspiel, dasder deutschen Nation in recht greller Weise die Wohlthaten dieser spanischen Regierung über Deutschland zu zeigen im Stande war.

46) Nach der Erzählung des englischen Gesandten. (Calendar of Statepapers of the reign of Edward VI. p. 113.)

16.

Auf diesem Augsburger Reichstag von 1550 hat die kaiserliche Macht Karls V. ihre höchste Höhe erreicht. Wenn vor einem halben Jahrhunderte sich eine lebendige Bewegung der Nation bemächtigt hatte, die nationalen Kräfte Deutschlands in eine neue Verfassung zu bringen, so schien hier auch die Kaisergewalt einen Weg betreten zu haben, der zu einer solchen Neugestaltung Deutschlands hinführen konnte.

Unter allen den Herrlichkeiten und Fürstlichkeiten, die den Boden der Nation überwuchert und ihre Lebenskräfte bedrängt hatten, hat sich endlich einmal ein mächtiger Wille geltend gemacht, unter allen den Ständen von Deutschland ist hier endlich einmal ein Monarch aufgetreten, der befähigt und gesonnen war, den Willen der Anderen zu beugen und eine moderne Monarchie, eine einheitliche Staatsgewalt anzubahnen.

Aber dürfen wir in diesem spanischen Karl wirklich den nationalen Fürsten sehen, dessen monarchisches Auftreten der deutschen Nation das erwartete Heil gebracht hat? Die Geschichte Deutschlands hat mit vernichtender Kritik diese Frage beantwortet.

Auf den beiden Reichstagen von Augsburg hat Kaiser Karl, nachdem die ersten Versuche in dieser Richtung gescheitert, nicht eine neue Verfassung von Deutschland durchgesetzt. Die alten Formen der Reichsordnung blieben erhalten, auch die neue Monarchie arbeitete mit den alten Mitteln der Landfriedensordnung, des Kammergerichtes, der Matrikelumlagen weiter. Aber es hat Karl doch, für eine Zeitlang

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