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wurde Alles darauf angelegt, daß der Prinz in Deutschland sich Sympathien erwerbe 26). Aber dieser Spanier bot auch nicht eine einzige Seite, an der ein Deutscher hätte Gefallen finden können: weder die persönliche Erscheinung noch das Verhalten des Prinzen trugen etwas dazu bei, jene Absichten zu fördern. In den Niederlanden endlich empfing Karl selbst seinen Schn und suchte auch hier ihn auf alle Weise beliebt zu machen. Aber obgleich es gelang, von den Ständen durch den Druck der Kaisergewalt den Huldigungseid für den Prinzen zu erzwingen, so erwarb er auch hier sich in keiner Weise die Liebe und Zuneigung der Unterthanen: allenthalben blieb der Spanier diesen Nordländern ein Fremder27).

Auch die deutsche Frage trat, sich weiter entwickelnd, in ein neues Stadium ein. Wenn es in Europa ein offenbares Geheimniß war, was der Kaiser beabsichtigte, so trafen die Gerüchte des Bevorstehenden bald auch Ferdinands Chr. Da er in Augsburg mit dem Bruder sich geeinigt, einstweilen diese Frage ruhen zu lassen, und dafür versprochen, daß auch sein Sohn, der Erzherzog Maximilian keine Schritte zu seinen eigenen Gunsten versuchen werde, so fand er sich durch das, was er hörte, empfindlich verlegt. Man trug ihm zu, daß er die Kaiserwürde an Philipp cedirt habe, daß demnächst die Wahl Philipps geschehen solle, daß der Brandenburger Kurfürst schon Geld aufge= nommen habe auf die Summe, die er als Preis für seine Stimme erwarte28). Ferdinand glaubte bei der vertrauten Schwester, der Regentin Maria, sich darüber Auskunft zu verschaffen, und Maria war in der Lage, ihn gewissermaßen zu beruhigen 29): es handele sich überhaupt nicht um seine Beseitigung, sondern um die Wahl seines Nachfolgers, aber einstweilen, bat sie, solle er Alles ruhen lassen, bis der Kaiser zu einem definitiven Entschlusse gekommen und ihm darüber Eröffnungen gemacht habe. In der That man schob es noch einmal hinaus, aber es mehrten sich die Anzeichen, daß Karl durchdringen wolle und werde. Unter den deutschen Fürsten drängten nicht undeutlich Einzelne darauf hin, daß Brandenburg und Sachsen dem Kaiser zu Willen sein sollten, dadurch die Befreiung des Landgrafen Philipp zu erkaufen. Und Morit war so geschickt, dem Kaiser seine Stimme in gewisser Weise verfügbar

26) Philipp verwendete sich damals zu Gunsten des Herzoges von Würtemberg, des Pfalzgrafen Ottheinrich, des Landgrafen von Hessen. (Simancas.)

27) Ribier II. 216–219.

28) Ferdinand an Marie. 29. März 1549.
29) Marie an Ferdinand. Bucholz IX. 728.
Maurenbrecher, Karl V.

Bucholz IX, 727.

Ferdinands Antwort. ebd. 729.

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zu zeigen 30). Auf der andern Seite hielt Ferdinand es für nöthig, wiederholt an den kaiserlichen Hof die Versicherung einzusenden, daß weder er, noch Mar in der Sache Schritte gethan31); — wir gehen gewiß nicht fehl, wenn wir schließen, daß in der Stille die Beiden recht thätig gewesen sind, die Kurfürsten auf ihre Seitte zu bringen und gegen des Kaisers Wünsche zu stimmen.

Es war die Absicht des Kaisers, auf dem Reichstage, den er für den Sommer 1550 nach Augsburg berufen, auch diese Frage ins Reine zu bringen. Dieser Reichstag sollte überhaupt Alles, was vor zwei Jahren unvollendet geblieben, nach des Kaisers Willen in Deutschland ordnenJenen Widerstand der norddeutschen Rebellen" sollte die Autorität des Reiches und die Reichsgewalt aus dem Wege schaffen; aufs Neue sollte das deutsche Reich eine Erklärung abgeben, daß alle Religionsparteien sich dem Conzile unterwürfen, dem Conzile, dessen zweite Versammluug in Trident hier auf dem Reichstage den Ständen officiell angekündigt wurde. Diese beiden Punkte fanden allerdings keine ernstliche Opposition, man erledigte sie zuletzt ganz nach den Wünschen des Kaisers. Und so war auch dem letzten Ziele die Bahn geöffnet: jezt sollte auch der Successionsplan zur Verhandlung gebracht und in einem Zuge bei dem römischen Könige und den deutschen Kurfürsten durchgesetzt werden. Da es sich aber dem Kaiser herausgestellt hatte, daß König Ferdinand in immer wiederholten Gegenvorstellungen von einem jeden Versuche abrieth, so mußte er gewiß zuerst darauf denken, diese Opposition des Bruders zu beseitigen, ehe man mit den Kurfürsten reden konnte. Kurz vor dem Reichstage hatte auch Königin Maria im Namen des Kaisers zum ersten Male Ferdinand unzweideutige Eröffnungen gemacht 32). Sie, die bisher ihn immer beruhigt und beschwichtigt, sagte ihm jezt geradezu, daß es der feste Wille Karl's sei, nach seinem und Ferdinands Tode Philipp zum deutschen Kaiser zu machen; der Erzherzog Max werde vor dem Vetter zurückstehen müssen: sie betonte es nachdrücklich, daß es Pflicht und Schuldigkeit für Ferdinand und für Max sei, diesem Willensausspruche des Kaisers zu gehorchen, und daß Mar vor Allem sich einer jeden Intrigue, einer jeden Bewerbung bei den Kurfürsten zu enthalten habe. Ferdinand zeigte sich durch diese Mittheilungen seiner Schwester

30) Antrag der hessischen Prinzen. Ranke VI. 479. und des Kurfürsten Moriß Schreiben an Karl vom 17. März 1549 bei Langenn II. 314.

31) Vgl. die einzelnen Schreiben Ferdinands, bei Bucholz VI. 459 ff. und Marillac 29. September 1549 bei Menden II. 1401.

32) Marie an Ferdinand 1. Mai 1550, Bucholz IX. 495 ff.

unangenehm berührt; er erinnerte daran, daß doch Karl selbst vor zwei Jahren Bedenken in der Sache gehabt habe, er glaubte, daß diese Bedenken auch jetzt noch Plaz griffen; er meinte dem Bruder von diesen Ideen endgültig abrathen zu sollen: zu allem Anderen, was man von ihm als dem fünftigen Kaiser wünschen könne, werde man ihn gern bereit finden, nur dieses Eine solle man nicht von ihm verlangen 33).

• Als die Brüder in Augsburg sich trafen, konnte es Niemanden verborgen bleiben, daß Etwas zwischen sie getreten. Sie verfuhren nicht mehr mit dem alten offenen Vertrauen zu einander, fie beobachteten sich ängstlich und vorsichtig, Jeder wollte, daß der Andere von dieser peinlichen Sache anfange. Die Lage Ferdinands war gewiß die günstigere. Der spanische Philipp hatte wenig Gefallen in diesen Nationen erregt; man erzählte es sich überall, wie wenig er bei dem Volke beliebt sei; - und wenn auch die kaiserlichen Minister diese mißgünstigen Gerüchte auf den Neid der Gegner vor solcher Hoheit und Größe zurückgeführt haben34), so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß allen den Aeußerungen der Abneigung eine wahre Stimmung zu Grunde lag. Darin aber fand Ferdinand einen günstigen Boden für seine Zwecke. Obwohl die Schwester ihn gebeten, von jenen Eröffnungen über Karl's Pläne durchaus keinen Gebrauch zu machen, der Kaiser wollte mit seinem Antrage nicht eher an die Kurfürsten herantreten, ehe nicht unter den Habsburgern selbst völlige Uebereinstimmung erzielt sei; — so war er doch in Augsburg sofort thätig, allen einflußreichen Personen Marias Schreiben mitzutheilen und selbst alle Welt mit dem Habsburgischen Geheimnisse bekannt zu machen 35). Es gelang ihm vortrefflich, die Kurfürsten zu bearbeiten und sie zu einem Widerstande aufzuheßen. Noch ehe der Antrag gestellt war, war es entschieden, daß er nicht leicht angenommen. werden würde. Alle fremden Gesandten sind in ihren Mittheilungen einig, daß der Plan der ,,Coadjutorie", wie man ihn bezeichnete, bei der deutschen Nation, bei allen Parteien, bei den Kurfürsten eine Ableh nung erfahren werde 36).

Ehe Karl selbst mit dem Bruder über die Sache sprach, hatte er

33) Ferdinands Antwort vom 14. Mai, Bucholz VI. 464, vgl. vom 15. und 19. Juli, ebd. IX. 731 f.

34) So z. B. Granvella an Renard. 28. Mai 1549 in Pap. d'ét III. 373. 35) Marillac 29. Juli 1550. (Ribier II. 282).

36) So der savoyische (Depeschen Stroppiana's 188. 190.) der päpstliche, (Pighino) der französische (z. B. vom 28. August) und der englische Ge= sandte

durch Granvella ihn ausholen lassen. Der alte Granvella meinte," ihn mit der Aussicht auf den Erwerb von Würtemberg zu ködern, aber Ferdinand wich behutsam jeglicher Berührung aus, und der alte Staatsmann, der so lange Jahre hindurch die beiden Brüder einträchtig erhalten, und der jezt an dem Ziele seiner langen Thätigkeit angelangt zu sein hoffte, hatte in diesen letzten Wochen seines Lebens den Kummer, das Gewitter zwischen den Brüdern aufsteigen zu sehen, das alle seine Erfolge wieder zerstörte. Plößlich kam Ferdinand mit dem Antrage heraus, seinen Sohn Max aus Spanien herbeizurufen. Der Erzherzog mit seiner Gemahlin führte dort im Namen des Kaisers die Regierung; und für des Kaisers Ideen war es gewiß vortheilhaft, daß der den Deutschen so sympathische Prinz nicht persönlich in die Verhandlungen eingreife. Jener unerwartet ausgesprochene Wunsch Ferdinands setzte den kaiserlichen Staatsrath in eine große Verlegenheit. Bei den Conferenzen der kaiserlichen Minister fühlte man es bald heraus, daß Max gerade wegen der deutschen Successionsfrage zurückgewünscht wurde, und daß Ferdinand nichts lieber sei, als wenn der Prinz Philipp den spanischen Posten übernehme und wenn Max an Stelle Philipps in den Familienrath eintrete. Man wußte sich nicht besser zu helfen, als daß man die Königin Maria aus den Niederlanden herbeirief, ihren Einfluß auf Ferdinand geltend zu machen37). Im September kam auch Maria nach Augsburg. Von den Verhandlungen, die hier im Schooße der kaiserlichen Familie Statt hatten, haben wir keine Kunde. So ge= heim wurden sie betrieben, daß die fremden Gesandten, selbst der päpstliche Nuntius Nichts davon erfuhren. Man hörte wohl zuweilen aus den geheimen Conferenzen einzelne Notizen ins diplomatische Publikum dringen: als ob Karl dem Bruder auch seinerseits Vortheile angeboten habe, wie die Ehe Philipps mit einer Tochter Ferdinands oder die sofortige Abtretung von Würtemberg oder eine nachhaltige Unterstüßung in Ungarn, und ähnliche Dinge38). Aber es sind das eben nur ungewisse Gerüchte: nur das Eine Ergebniß ist unzweifelhaft: man kam zu keiner Festsetzung, man vertagte noch einmal die Beschlußfassung, man rief, wie Ferdinand es gewünscht, den Erzherzog Max aus Spanien herbei. Und nun wurden erst recht Gerüchte und Muthmaßungen laut über die Pläne des Kaisers und die muthmaßlichen Folgen seiner Ordnung. Man redete von allerlei Entschädigungen an die Ferdinandische

37) Der Bischof von Arras an Maria. 25. Auguft, Rante VI. 481 ff. 38) Depeschen Pighino's vom 5. und 18. September 1550.

Linie. Am französischen Hofe hieß es: Oberitalien solle dem Erzherzoge Max verliehen werden; man war dort eifrig bemüht, sich klar zu machen und dem faiserlichen Gesandten es auseinander zu setzen, welche Nachtheile die habsburgische Herrschaft davon haben werde39). Aber im Rathe des Kaisers war von diesen Dingen gewiß nicht die Rede. Karl selbst glaubte von dem Erzherzoge Max, seinem Schwiegersohne, Nachgiebigkeit zu erfahren; er meinte auch in einzelnen Zeichen es schon zu sehen, daß Max sich zu fügen gesinnt sei. Freilich die Nachrichten, die man in Rom hatte, lauteten anders. Der Erzherzog Max habe seinen festen Willen erklärt, so wußte es der Papst bestimmt 4o), in die Wahl des Vetters niemals zu willigen. Und es war gewiß ein bedenkliches Zeichen, daß in Trident sich ein sächsischer Agent bei Max einfand, der vom tiefsten Geheimniß umgeben den Erzherzog und den Kurfürsten Morit in der deutschen Frage zu gemeinsamer Politik verband11).

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Jene wichtige Frage, die den Schlußstein der kaiserlichen Einrichtungen bildete, blieb also bis zur Ankunft Maximilians ausgeseßt. Man brachte inzwischen auf dem Reichstage die religiöse Frage zum Schlusse: alle deutschen Stände unterwarfen sich dem Conzile und nahmen es auf sich, demnächst in Trident zu erscheinen. Wenn dabei auch die Protestanten einige Vorbehalte machten, so war doch das Wesentliche außer Frage gestellt, daß sie in Trident auftreten und dort ihre religiösen Ansichten vortragen würden. Und auch gegen Magdeburg und die norddeutsche Opposition war jetzt, so schien es wenigstens, der Wille des Kaisers gesichert. Kurfürst Morig, der in zweideutiger Weise sich vom Reichstage fern hielt und durch keine kaiserliche Botschaft zum Erscheinen bewogen werden konnte, ließ sich gerne bereit finden, selbst das Heer gegen diese protestantischen Reste anzuführen: dadurch gab er ja dem Kaiser einen neuen Beweis seiner völligen Ergebenheit, dadurch schürte er ja den popularen Haß gegen sich zu immer größerer Flamme an, dadurch band er sich ja fest an die antiprotestantische Partei. Aber man hat sich gerade an dieser Stelle in diesem Moritz verrechnet. Gerade in diesem Kriege, in dem er sich auf immer von der protestantischen Sache scheiden sollte, hat er das Mittel gefunden, sich zum Haupte eines antikaiserlichen Bundes aufzuschwingen.

39) Renard berichtet darüber am 18. Dezember 1550. (Arch. de l'empire; papiers de Simancas.)

40) Ribier II. 279.

41) Sendung des Karlowit an Maximilian. 3. Dezember 1550. Langenn II. 319.

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