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von dem Einflusse verschiedener Persönlichkeiten zwischen den großen Parteien hin und her werfen.

Die Nothwendigkeit der Sache war es gewesen, die den Papst in die Richtung des Kaisers geführt hatte; er hatte gerade Einsicht genug, sich dieser kaiserlichen Allianz zunächst rückhaltlos hinzugeben. Da zeigte sich der Welt einmal wieder das feltene Schauspiel, daß in der Behandlung der europäischen Angelegenheiten ein Papst Eines Sinnes mit dem Kaiser war.

So hatte Karl die nächste Zeit nach jenem Augsburger Reichstag von 1548 wohl benutzt, sich von dem Papstthum Beistand für die Ordnung der deutschen Angelegenheiten zu gewinnen. Der Nachfolger Petri war jest zu dem Willen des Kaisers gebracht, auch die geist= liche Hülfe zur Unterwerfung des deutschen Protestantismus zu leihen. Es gab sich also die Aussicht, daß man auf dem damals errungenen Boden weiter bauen und nach und nach den Katholizismus in Deutschland neu einpflanzen könne.

Die kaiserliche Politik hat in jener Zeit nach dem Augsburger Reichstage den kühnsten Aufschwung genommen, sie hat damals den höchsten Gipfel ihrer Macht erreicht, sie hat die deutsche Nation mit absoluter Gewaltherrschaft bedroht.

Als der Reichstag im Juni 1548 entlassen war, machte der Kaiser, nach beiden Seiten hin Anstalt in Deutschland seine Pläne auszuführen. Die geistlichen Stände hielten auf seine Anweisung Versammlungen, in welchen sie nach dem Muster seines Reformplanes im Einzelnen die kirchlichen Reformen in ihren Gebieten durchzuführen sich bemühten; und auf Seite der Protestanten wurde das Interim in den einzelnen Landen nach und nach eingeführt. Noch auf dem Reichstage nahmen es die meisten protestantischen Fürsten an; und wenn auch unter ihnen Kurfürst Moritz sich die Zustimmung seiner Unterthanen vorbehielt, so schritt gerade er, in sein Kurfürstenthum entlassen, zu nachhaltenden und ausdauernden Verhandlungen mit seinen Theologen vor, die eine kirchliche Formel ergaben, im Grunde durchaus nach den Intentionen und der Lehre des kaiserlichen Interims eingerichtet. Von den Fürsten wagten nur zwei einen offenen Widerspruch, aber sie bedrohte des Kaisers Zorn. Der Markgraf Hans, der sich auf des Kaisers Versprechen vor dem Kriege berief, hatte stets den Ueberzug der kaiserlichen Waffen zu erwarten, und bei dem Pfalzgrafen Wolfgang wurde sofort durch eine Garnison spanischer Soldaten ein recht nachdrücklicher Bekehrungsversuch gemacht. Ueberhaupt war der Kaiser nicht gesinnt dem

Widerspruche gegen sein Interim ruhig zuzusehen. Durch Unterhandlung und durch Drohung brachte er von den oberländischen Städten alle mächtigeren bald zu der Annahme des Interims. Schon im Juli konnte er triumphirend dem Sohne melden, wie er täglich mehr Aussicht gewinne, durch Gottes Hand unterstüßt, dieses Interim durchzusetzen20) Und er selbst war sich der Mittel sehr klar bewußt, die ihm dies Resultat ergeben mußten: in den mächtigeren Städten sollte eine Verfassungsänderung durch kaiserliches Machtgebot eingeführt wer den; alle widerspenstigen oder glaubenstreuen Prediger der protestantischen Kirche sollten abgeseßt, verjagt und verfolgt werden: und allen diesen Maßregeln sollte Nachdruck und Bestand durch spanische Besazungen verschafft werden; es war überhaupt beschlossen, das obere Deutschland mit spanischen Soldaten so zu überschwemmen, daß alle wichtigen Plätze in der Hand des Kaisers sicher seien21).

Es ist nicht unsere Absicht, hier die Geschichte des kaiserlichen Interims im Einzelnen zu verfolgen oder alle Gewaltakte aufzuzählen, durch die der Kaiser seinem Willen Anerkennung verschafft hat. Es steht uns fest, daß sein Machtgebot im ganzen Deutschland damals durchgegriffen und daß an allen Stellen man die Schwere des kaiserlichen Armes gefühlt hat. Aber dies Bild hat auch seine Kehrseite. Es gab wohl kein Territorium im deutschen Reiche, in welchem nicht Unlust und Unwille, Abneigung und Haß gegen diese kaiserliche Regierung von Tag zu Tag gewachsen wäre. In der Tiefe der Nation gährte das Gefühl gegen diese Tyrannei des spanischen Herrschers; und die Bewegung, die man an Einer Stelle gering achten konnte, sie griff bald über alle Theile des Reiches um sich und wurde zu einem bedenklichen Sturme. Das Resultat dieser zwangsweisen Einführung des Interims, dieser siegreichen Politik des Kaisers ist zuletzt nur das Eine und allgemeine Gefühl gewesen, daß keine Partei durch den Kaiser zufrieden gestellt war. Wir berührten es schon, daß die Conzessionen des Interims bei allen strengeren Katholiken nicht Eingang fanden, wir finden Spuren davon, daß man von auswärts diese katholische Opposition gegen das Interim zu nähren suchte 22). Und auch bei den Pro

20) Anhang IV. 22. 23.

21) Anhang IV. 24.

22) Papst Paul hatte den Braunschweiger Herzog dazu ermuntert und den Nuncius Santa Croce zu geheimen Verhandlungen mit Bayern instruirt. Naynald 1549. §. 4 und Pallavicino X. 16. §. 3.

testanten war die Einführung nichts weiter als eine Annahme der äußerlichen Formel, während der Sinn überall sich gegen den Zwang empörte.

Nachdem der Kaiser im Süden von Deutschland die Ausführung seiner Maßregeln selbst überwacht hatte, ging er nach den Niederlanden und überließ Norddeutschland sich selbst. Hier aber in den norddeutschen Städten fand das Interim gar keinen Anklang; ja, eine Reihe derselben lehnte es geradezu ab: in wenigen Monaten entbrannte dort ein Feuer des Aufstandes, das nicht leicht zu löschen war. Magdeburg,,die Kanzlei Gottes" wurde der Hort des Protestantismus, wurde der Mittelpunkt aller norddeutschen Oppositionen.

Allerdings was sich hier in der Stille vorbereitete, trat sobald noch nicht in die Erscheinung. Die Fehden der Kaiserlichen gegen diese „Rebellen“ blieben einstweilen auf jene nördlichen Bezirke beschränkt; aber dem Auge eines schärfer beobachtenden Staatsmannes konnte es schon damals nicht entgehen, daß hier eine jede europäische Combina tien einen Punkt finden werde, an den sie eine gefährlichere Verschwörung gegen den Kaiser anknüpfen konnte 23). 3m Rathe des Kaisers beachtete Im man damals diese lokale Opposition wenig, man lebte der Hoffnung, sie leicht ersticken zu können; man trug sich mit größeren, weiteren Plänen, man hielt dafür, daß der Moment gekommen, in welchem man für die Dauer der Habsburgischen Monarchie arbeiten könne.

Es bezeichnet diesen Kaiser, daß er die Mühen seines Lebens fruchtbar machen wollte über seinen Tod hinaus. Er selbst hatte doch die Ideen seiner Universalmonarchie von den Vätern geerbt. Des Habsburgischen Großvaters Ideen zu verwirklichen hatte er doch alle Kräfte seiner Reiche und seines Lebens verwendet; und so war auch für die dauernde Größe seines Hauses zu arbeiten seinem Sinne eine Forderung, die nicht erst das Gefühl seiner Hinfälligkeit und seines nahenden Alters in ihm erregte, nein, mit der er seit lange schon vertraut war. Die Erziehung des einzigen ihm am Leben erhaltenen Sohnes, des Prinzen Philipp, ist von früh an in diesem Sinne geleitet worden, daß hier der Nachfolger und Erbe des Kaisers gebildet werde, der die Ideen des Vaters fortzusehen habe. Schon früh wurde dieser Prinz in die Staatsgeschäfte eingeführt, schon dem Sechszehnjährigen wurde die Verwaltung des spanischen Reiches anvertraut; schon mit dem heranwachsenden Jüngling unterhielt der Vater eine lebhafte,

23) Marillac bei Ranke VI. 488.

offen alle europäischen Fragen darlegende Correspondenz. Und diese Schule, die der spanische Prinz durchgemacht, hat bei ihm angeschlagen. Wie Philipp die politische Bühne betritt, ist er von denselben weit greifenden Tendenzen des Vaters beseelt gewesen.

Die europäische Macht dieser Habsburger beruhte auf den Kräften der spanischen Krene. Die realen Machtmittel hatte Spanien dem Kaiser geliefert, und nach den 3reen spanischer Geister hatte sich seine Politik entwickelt. Zu der spanischen Macht hatte er sich die entscheidenden Positionen in Italien errungen; und daß dies Italien, mit Spanien vereint, die Grundlage seiner europäischen Bedeutung abgebe, dieser Gesichtspunkt hatte mehr und mehr auch den Rath des Kaisers beherrscht. Es war da kein Zweifel, daß Philipp als der spanische Erbe auch die italienischen Besitzungen überkommen müsse. Wie sich nun die Macht Karl's in den letzten Jahren kräftiger und allseitiger entwickelt hatte, trat bald der Plan hinzu, dem Sohne auch die Niederlande zu übergeben, dieselben Niederlande, deren künftige Bestimmung so lange als eine offene Frage behandelt war. Und in diesem Zusammenhange mußte sehr bald die weitere Frage entstehen, wie es mit der Zukunft Deutschlands gehalten werden solle. Der Titel eines deutschen Kaisers, der so wenig faktische Macht bedeutete, gab ja gerade den Anspruch auf die Leitung der europäischen Christenheit. Da mußte es nahe liegen, dem Sohne mit der faktischen Macht über Europa auch diesen Titel vererben zu wollen. Und noch ein Anderes. So lange Karl in Deutschland sich nur eines geringen Einflußzes bemächtigt hatte, so lange ihn andere Bedürfnisse von Deutschland wegriefen, war es ein Gewinn und ein Vortheil für ihn, in Deutschland einen Vertreter zu haben, der seiner Politik treu und seinen Gebeten zuverlässig ergeben im Namen des Bruders Deutschland verwalte. Aber jetzt hatte auch dies Verhältniß sich geändert: wenn jetzt der Kaiser zum ersten Male eine wirkliche Macht in Deutschland entfaltet, wenn er jetzt die widerstrebenden Elemente mit nachhaltigem Gebote gebändigt, wenn er die kaiserliche Macht auf nicht erwartete Höhe gebracht hatte, so wäre es wahrlich ein Großes gewesen, diese kaiserliche Stellung in neuer geschlossener Machtfülle nicht auf denjenigen zu übertragen, der im ganzen Europa Karl's Rolle fortsetzen sollte. Wenn auch bisher König Ferdinand als der Nachfolger in der deutschen Kaiserwürde angesehen war, so läßt es sich doch leicht begreifen, daß jezt der Kaiser einen anderen Gedanken aufgegriffen hat. Ich glaube, so sehr lag das „spanische Successionsprojekt" innerhalb des natürlichen Ideenganges dieser kai

serlichen Politik, daß es uns Wunder nehmen müßte, wenn Karl niemals einen Versuch gemacht hätte, seinem Sohne, der seine politische Stellung in Europa erben sollte, auch die Vortheile der deutschen Kaiserwürde zu verschaffen.

Wir sahen, daß schon 1548 im Familienrathe der habsburgischen Geschwister alle diese Fragen einmal angeregt wurden. Man hatte sie damals nur vertagt, bis der Prinz selbst zur Stelle sei. Die Reise, die Prinz Philipp im Winter 1548 antrat, hatte in der That keinen anderen Zweck, als ihn den verschiedenen Ländern bekannt zu machen. und in die verschiedenen Aufgaben der kaiserlichen Regierung ihn einzuführen 24). Der Besiz Italiens war ihm schon früher verliehen. Und als er nun durch Italien reiste, warf man die Frage auf, ob er sich nicht dort dem Volke sofort als künftigen Herrscher zeigen sollte. Aber der Kaiser hielt es für gerathener, diese Verleihung von Oberitalien an seinen Sohn noch nicht zur Schau zu stellen 25). Wenn in diesem Akte der Belehnung Philipps mit Mailand der Anfang einer Eatfremdung von Reichsland gemacht war, so konnte diese egoistische Politik manchen Unmuth und Unwillen aufregen. Der Kaiser ordnete also an, daß Philipp nicht, wie Gonzaga es gewünscht, als Herr von Oberitalien erscheine und daß alle weitergreifenden Gedanken eines oberitalienischen Königreiches, dem man auch Piemont annectiren könnte, noch verborgen gehalten würden. Von Italien reiste der Prinz durch Deutschland, von dem neuen Kurfürsten Moriß begrüßt und begleitet. Es

24) Man wußte damals allgemein in Europa diesen Zweck der Reise Philipps (z. B. in Rom und in Venedig. Ribier II. 102. 142.).

25) Karl an Gonzaga (Oktober 1548) und noch detaillirter Granvella an Alba (vom 19. Oktober). Dize su md. que en ninguna manera convernia por agora pasando su altezza por Italia y Lombardia que se hiziesse cosa que divulgasse esta investidura; y ya de muchos dias lo havia su md. asi resoluto, y tanto mas se ha affirmado en esto por lo que el papa y franceses han publicado en Alemania, Italia y cantones de Suyços que la venida del dicho principe era para hazerle rey de la dicha Italia y aun rey de Romonos; y si entrasse el dicho principe desde agora en possession del estado de Milan daria mas ocasion generalmente a todos de creer tal publicacion y para mover y tractar platicas desde luego para estorvar y impedir los santos desseos de su md. y cosas particulares suyas y de su altezza; y con passar assi como de camino sin hazer mudança en lo de agora se tendrian tales divulgaciones por vanas, y despues llegando aca su altezza se mirara madu-ramente lo que mas converna. (Leg. 1199. fol. 126). Ueber die piemontefischen. Annexionsgelüste, vgl. Gosellini 62 ff.

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