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14.

Line der schwierigsten Aufgaben dieser politisch-kirchlichen Staatskunst, die wir zu schildern unternommen, ist immer eine Papstwahl gewesen. Auch abgesehen von den Bedenken, die so leicht eines katholischen Fürsten Sinn erfüllen konnten, auch abgesehen von allen Zweifeln und Einwürfen, die sich gegen eine Betheiligung und Einmischung weltlicher Künste in die Geschäfte des heiligen Geistes erheben ließen, auch abgesehen von dieser allgemeinen Schwierigkeit und Bedenklichkeit der Sache selbst war es immer ein Problem, das zu lösen die höchste Geschicklichkeit erforderte 1). Man mußte die Wahlintriguen der Kardinäle leiten, ohne selbst handelnd in dem Wahlakte aufzutreten; man mußte einen Papst zu machen suchen, der doch aus einer freien Wahl hervorgegangen als das Produkt höherer Eingebung erscheinen sollte; und, was die größte Schwierigkeit bot, man mußte sich doch des zu wählenden Papstes in einer solchen Weise versichern, daß man den gewählten nachher fest in der Hand halten konnte.

1) Aus dem 16. Jahrhundert besitzen wir einzelne Schriften, welche förmliche Anweisungen geben, wie ein Conclave zu behandeln sei. Eine derselben — il conclavista di messer Felice Gualterio - erhebt den Einwurf, daß ja alle menschlichen Regeln überflüssig seien, weil der Heilige Geist im Conclave arbeite; aber sie beantwortet sofort diesen Einwurf durch die Bemerkung, daß in der Geschicklichkeit der Handelnden (prudentia civile) der Heilige Geist das Werkzeug seiner Thätigkeit finde: fie führt aus der Bibel das Beispiel der Esther zum Beweise an. Der Verfasser giebt aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen eine Reihe praktischer Lehren, und bezieht sich dabei oft auf dieses Conclave Julius III.

Es hatten sich um jene Zeit die Verhältnisse im Collegium der Kardinäle so gestaltet, daß eine große Zahl der Kardinäle durchaus dem Interesse Frankreich's ergeben, und daß diesen eine kaiserlich-spanische Partei scharf entgegen getreten war: die politische Spaltung der Christenheit, der große Gegensatz der Habsburger und der Valois hatte auch hier durchgegriffen. Aber neben und zwischen den französischen und kaiserlichen Kardinälen gab es auch eine Anzahl unabhängiger Männer. Es waren dies damals ebensowohl die Kreaturen der Farneses, als jene bedeutenden Geistlichen, die den Sinn einer strengeren Religiösität in der italienischen Kirche wieder wach gerufen hatten. Und wie die Dinge damals lagen, mußte die Entscheidung bei einer Papstwahl für die Seite ausfallen, zu welcher sich jene Italiener gesellten. Nach einer ungefähren Berechnung Mendoza's durfte der Kaiser auf siebenzehn Stimmen rechnen, während die französische Partei ganz sicher über drei und zwanzig Stimmen gebot und aller Wahrscheinlichkeit nach diese ihre Zahl im entscheidenden Falle bis zu neun und zwanzig steigern. fonnte. 2).

Der Tod des Papstes war nicht überraschend gekommen. Paul's hohes Alter hatte allen Parteien die Möglichkeit verschafft, von ferne her sich auf das Conclave vorzubereiten. Und so hatte auch Mendoza schon im Frühling 1547, als er zuerst seinen Posten in Rom antrat, seine Maßregeln für ein Conclave zurecht zu legen gesucht. Nachdem er bei sich selbst die Lage der Parteien und den Charakter der einzelnen Persönlichkeiten überdacht, war er zu dem Schlusse gelangt, daß die Wahl nicht allein in der Macht der kaiserlichen Partei stehen werde, sondern daß man eine Allianz mit den rom Kaiser unabhängigen Italienern eingehen müsse. Weiterhin fand er unter den kaiserlichen Kardinälen kein einziges taugliches Subject, das ebensowohl geeignet sei, einen kaiserlichen Papst abzugeben, als Aussicht habe, von den Italienern gewählt zu werden; aber er meinte, ein dem Anscheine nach neutraler Kardinal, der Florentiner Salviati, werde sehr leicht Italiener und Franzosen und auch einen Theil der Kaiserlichen für sich aufbieten können, Wahl, die dem politischen Interesse der kaiserlichen Macht höchst unbequem geworden wäre. Mendoza schloß sein Gutachten damit, daß er eine Erhebung entweder dieses Salviati oder des Engländer Pole oder eines jener frommen Gelehrten, wie Cortese, Sadoleto oder Badia, oder wohl gar Cervino's prophezeite. Im Juli desselben Jahres schritt

2) Guise giebt ein Verzeichniß seiner Partei. Ribier 2, 261.

dann Mendoza zu einer Besprechung mit Farnese über die Eventualitäten des nächsten Conclave; und Mendoza schmeichelte sich mit der Hoffnung hierdurch die Allianz der kaiserlichen und Farnesischen Partei gesichert zu haben. Farnese bezeichnete als seinen Gesichtspunkt die Eine Forderung, nur Jemanden aus seinen Kreaturen zu erheben; er nannte dafür eine ganze Reihe von Namen: endlich wurden die beiden Diplomaten einig, entweder Pole oder Sfondrato zu dem Kandidaten ihrer Verbindung zu machen 3). Als sich die politischen Verhältnisse wieder getrübt hatten, war es einmal eine Idee des alten Papstes, durch eine massenhafte Ernennung, durch einen Kardinalsschub die Wahl seines Nachfolgers vollständig in die Hand Farnese's zu bringen. Wir finden aber nicht, daß dieser Einfall ausgeführt worden sei 3a).

Mit dem politischen Parteiwechsel des Papstes wechselten auch diese Pläne für das nächste Conclave. In der Zeit der französischen Freundschaft besprach Farnese auch mit den Vertretern Frankreichs, mit Guise und Ferrara die Papstwahl: er hat mit ihnen ähnliche Verabredungen getroffen, deren Kern stets die Erhebung einer Farnesischen Kreatur zum Nachfolger des alten Papstes bildete.

In jenen Jahren hatten sich aber auch engere persönliche Beziehungen zwischen den Häuptern der kaiserlichen Politik in Italien entwickelt; es hatte sich ein Freundschaftsbund zwischen Gonzaga und Mendoza gebildet. Und diese Männer, die mit einer gewissen Selbständigkeit die kaiserlichen Anschauungen in Italien vertraten, gewannen durch den Bruder Gonzaga's, den Kardinal Herkole von Mantua, einen selb= ständigen Einfluß auf römischem Boden. Es entspann sich da eine der persönlichen Intriguen, wie sie unter diesen italienischen Fürstenhäusern so häufig gewesen sind: Mantua einigte sich vortrefflich nu jenem Salviati, und die ganze kaiserlich-mantuanische Partei wurde nach und nach vorbereitet, dereinst diesen Salviati zu wählen: der Onkel der regierenden Königin von Frankreich, das florentinische Parteihaupt, das wiederholte Anschläge gemacht, in Florenz der kaiserlichen Mediceer Herrschaft zu stürzen, dieser Kardinal Salviati hatte auf diese Weise sogar im kaiserlichen Lager Freunde und Anhänger angeworben. Wir finden, durch eine sehr geschickt gemachte Conbination italienischer Ver

3) Mendoza. 14. Juli 1547. Döllinger 91 ff. 3a) Mendoza. 5. October 1547. Döllinger 130. Paul III. nur noch einmal einen Franzosen, und im April 1549

Nachher hat aber noch vier Italiener

promovirt (Verallo, Medicis, Ferrerio, Maffeo), die allerdings von den Farneses abhängig waren.

bindungen glaubte Salviati des Pontificates sicher zu sein*). Man hatte nicht berechnet, daß in demselben Italien kaiserliche Staatsmänner lebten, die mit offenen Augen alle jene Intriguen verfolgten, und die nur den richtigen Moment erspähten, durch ein kaiserliches Machtwort alle angesponnenen Fäden zerreißen zu lassen.

Wir sahen, eben in den letzten Lebensmonaten Pauls III. nahmen. Ottavio Farnese und mit ihm der Kardinal wieder ihre Zuflucht zu dem kaiserlichen Schuße. Und damit trat auch jene vor zwei Jahren getroffene Verbindung wieder in Kraft, daß die Partei Farnese mit den Kaiserlichen alliirt auftrete. Farnese's Absicht bei der Papstwahl war vielleicht die einfachste von allen Parteien: in jedem Falle, sei es nun mit kaiserlicher oder mit französischer Unterstützung, sollte eine Farnesische Kreatur auf den Stuhl Petri erhoben werden, ein Kardinal, der ganz unbedingt den Schutz der Familie Farnese übernehme und zunächst Ottavio's Herrschaft in Parma wieder herzustellen und seine Ansprüche auf Piacenza zu verfolgen sich verpflichte. Er bezeichnete es als seine Aufgabe in diesem Conclave, entweder Pole oder Cervino, entweder Sfondrato oder Monte wählen zu lassen. Wir wissen, daß Pole und Sfondrato auch von dem Kaiser in Aussicht genommen waren, wir wissen ferner, daß Cervino und Monte auch von dem französischen Könige genannt wurden; wir sehen also, daß Farnese Aussichten hatte, einen dieser vier Kardinäle, die er ja alle zu seinen Kreaturen rechnete, sei es durch den Kaiser oder durch Frankreich, zu erheben 5).

Des Kaisers Instruktionen lauteten dahin, daß man, wenn es möglich sei, den spanischen Kardinal von Burgos, den Dominikaner Juan de Toledo, einen Onkel des immer allmächtiger auftretenden

4) Vgl. Ribier 2, 262. Die Verbindung Salviatis mit den Kaiserlichen erhellt aus einem Schreiben Mendozas vom 6. Mai 1549 (leg. 875 fol. 77) und den weiter unten citirten Akten.

5) Als Quellen für die Geschichte dieses Conclave habe ich außer den französischen Aktenstücken (Instruktionen und Depeschen) bei Ribier II. 252-272 von ungedrucktem Materiale benutzt 1. einen lateinisch geschriebenen Bericht Conclave et Creatio Julii tertii Papae, der von einem Italiener auszugehen scheint, und von dem sich eine Copie in der Sammlung römischer Materialien befindet, die auf Philipp' II. Anordnungen veranstaltet worden und jetzt in Simancas aufbewahrt wird (Libros de Berzosa); 2. die Anweisungen, die Karl an Mendoza ertheilte (Leg. 875 und 876) und außerdem noch vereinzelte Notizen in der spanischen Correspondenz (Einzelnes davon in Renard's Depeschen aus Paris, die jest. bekanntlich in den archives de l'empire liegen). Der vollständigen Depeschenreihe Mendoza's war ich leider nicht so glücklich habhaft zu werden.

Herzogs von Alba, als kaiserlichen Kandidaten aufstelle und, wenn eine spanische Wahl durchaus nicht durchzusetzen sei, dann Carpi oder Pole oder Morone oder Sfondrato wähle, immer in der Allianz mit Farnese verharrend; ohne Weiteres aber sollte die kaiserliche Fraktion alle Franzosen und alle franzosenfreundlichen Kardinäle ausschließen 6). Es war also die Uebereinkunft der kaiserlichen Politik mit dem Kardinal Farnese eine leichte: man hatte sich nur zur Wahl Pole's oder Sfondrato's zu verbinden.

Reginald Pole war jener englische Flüchtling aus königlichem Blute, der, vor Heinrichs VIII. Schisma fliehend, seitdem in Rom und Italien gelebt hatte, und der kein Ziel sehnlicher zu erreichen bestrebt war, als den Katholizismus in England zu restauriren und selbst dieser katholische Apostel für seine Heimath zu werden. Er hatte sich in Italien mit der Richtung jener humanistisch-religiösen Kirchenfürsten befreundet, die an einer Erneuerung der Kirche von Innen heraus arbeiteten; er war ein Freund Contarini's geworden und theilte Conta= rini's Anschauungen über das Justificationsdogma. Auch er hatte einmal protestantischer Denkweise sich so genähert, daß vielleicht bei den strengeren Katholiken Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit seines Papates entstehen konnten. Aber sein Eifer für die Reform der Kirche, seine feine und milde Persönlichkeit überwogen dech diese Eindrücke und ließen ihn einer Unterstützung durch die kaiserliche Partei würdig erscheinen; und daß er kränklich war und nur wenige Jahre ferneren Lebens versprach, konnte ihm bei den Kardinälen auch nur zur Empfehlung gereichen. Zuletzt hatte er sich nun auch mit Kardinal Farnese vollständig geeinigt: er hatte diesem ehrgeizigen Kardinalnepoten versprochen, in der politischen Leitung seines Pontifikates sich allein seines Rathes zu bedienen. So bezeichnete denn auch die allgemeine Meinung in Rom Pole als den Nachfolger des verstorbenen Papstes; man meinte, ebenso wie es 1534 geschehen, auch jetzt in zwei Tagen mit der Mühe des Conclave fertig zu werden 7).

Nach manchen Weitläufigkeiten wurde am 29. November das Conclave geschlossen. In den ersten Tagen schien die Wahl Pele's keinem Zweifel zu unterliegen: es waren 28 Stimmen zur Gültigkeit der Wahl

6) Karl an Mendoza vom 20. November 1549. Namentlich wurden außer den Franzosen 5 Italiener excludirt (Salviati, Cervino, Ridolfi, Capodiferro, Verallo).

7) Vgl. Mendoza's Charakteristik in jenem Gutachten vom 14. Juli 1547 Döllinger 93 und Ribier II. 255.

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