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Gewaltakt gegen den treuesten Sohn des Katholizismus gedroht, der doch auf allen Seiten für die Kirche gestritten 27).

In Trident wagte man nicht, die Verantwortung des Bruches auf sich zu nehmen; man befragte den Kaiser selbst, aber die Antwort war dem Sinne dieser Spanier genehm: Karl gebot ihnen, der päpstlichen Einladung nicht zu folgen. Und in Rom scheute man zulezt doch den letzten Schritt, der das Schisma herbeigeführt hätte; hier hieß man jezt diese so gereizten Erörterungen schweigen und blieb ruhig.

Die Lage der Christenheit war eben nicht geeignet den Kaiser direkt in der geistlichen Frage zu verlegen: widerstrebend und ausweichend, durfte doch zuletzt das Papstthum nicht brechen.

Bei allen diesen Verhandlungen über die deutsche Kirchenfrage und über die allgemeine Kirchenreformation hatte es sich im Grunde der Dinge weit weniger um diese öffentlichen Angelegenheiten der Christenheit, als um die italienische Territorialpolitik gehandelt. Es hatte der Kaiser fortwährend Sorge getragen, die Farneses nicht ganz von sich zu entfernen. Mit dem Agenten der Farneses, Giulio Orsino, ließen sich die kaiserlichen Minister, der Kardinal von Trident, Granvella und Soto in ausführliche Erörterungen über die Rechtstitel ein, welche das Reich und welche die Kirche auf Piacenza haben könnten. Es dauerte nicht lange, und man zog auch in diese Erörterung den Rechtszustand von Parma hinein. In der höflichsten Weise von der Welt behandelte man den italienischen Diplomaten, und man erlangte es durch solche Freundlichkeiten, daß der römische Hof auf diese Frage von Parma einging. Lange zögerte die Antwort des Kaisers, und erst auf einer zweiten Reise Orsino's nach den Niederlanden im Sommer 1549 wurde der Sinn der kaiserlichen Politik dem päpstlichen Hofe klarer. 3m Juni eröffnete Alba den Italienern das Resultat der rechtshistorischen Untersuchungen, wie man sie im Rathe des Kaisers verfolgt hatte: alle Ansprüche der Kirche auf Piacenza wurden als grundlos bezeichnet und dabei angedeutet, daß dieselbe Rechtslosigkeit auch auf den Besitz von Parma sich erstrecke. Und daraus zog dann der Kaiser den praktischen Schluß, daß man Piacenza ihm lassen und daß man Parma ihm übergeben solle. Seinem lieben Schwiegersohne Ottavio Farnese freilich bot er ,,nicht als Entschädigung, sondern als Gnadengeschenk", ein anderes Besigthum an, irgend einen Güterkomplex im Königreich Neapel, der

27) Pallavicino XI. 4: dazu giebt die angeführte Relation die kaiserlichen Gesichtspunkte; ähnlich ein Schreiben Karl's an Mendoza vom 5. October 1549.

wenigstens eine jährliche Rente von 40,000 Dukaten abwerfen müsse 28). Es läßt sich denken, welches Erstaunen, welchen Schrecken, welche Entrüstung diese kaiserliche Note vom 12. Juni bei dem Papste und seinen Vertrauten erregte.

Es war wieder einmal klar geworden, daß der Kaiser die italienische Fürstenpolitik dieses Papstes Farnese nicht befördern wollte, und daß er völlig genug zu thun glaubte, wenn er die päpstliche Familie mit Reichthümern ausstatte. Des Kaisers Sinn war offenbar fern davon, durch seine Thätigkeit und seinen Einfluß die italienischen Fürstenthümer noch um Eines zu vermehren: war doch die Tradition der spanischen Politik in Italien vielmehr auf eine Beseitigung der kleinen Herren gerichtet, auf eine Vereinigung der ganzen Halbinsel unter spanische Hoheit. Und sein Vertreter in Italien hatte recht wohl diese Aufgabe seiner Stellung begriffen: weit entfernt, den fürstlichen Ge= lüsten der Farneses das Wort zu reden, drängte Gonzaga unablässig zund nachdrücklich vorwärts auf weitere Annexionen in Italien hin. Es war nicht dies Parma allein, in dessen Besitz er die kaiserlichen Waffen zu bringen wünschte 29), sondern Parma war ihm nur ein Stein zu dem italienischen Bau, ebenso wie Piacenza für ihn nur den Anfang einer Annexionspolitik gebildet hatte.

Gonzaga und Mendoza hatten sich bemüht, Piombino zu erwerben. und Siena durch eine spanische Besatzung zu sichern; sie waren auch eben so eifrig und thätig, jede Gelegenheit in Genua zu benußen, welche zu einer Verfassungsänderung in spanischem Sinne und zur Errichtung einer spanischen Festung führen könnte. Eine passende Gelegenheit zu diesem Vorgehen schien ihnen die Anwesenheit des spanischen Prinzen Philipp in den ersten Monaten 1549 zu bieten. Karl hatte besonders empfohlen mit der spanischen Flotte einen Versuch auf Genua zu machen; und nur an der Abneigung des alten Doria fanden Gonzaga und Alba und Philipp den Anstoß, ihren beabsichtigten Handstreich zu unterlassen. Es wurde die Ausführung des Planes auf kurze Zeit vertagt: von der Nothwendigkeit aber, sich Genuas zu versichern, waren alle kaiserlichen Politiker in Italien durchdrungen 30).

28) Pallavicino XI. 3. Depesche Karl's an Mendoza vom 28. Juni 1549 (Leg. 503. fol. 8.) des Papstes ablehnende Antwort erfolgte am 25. Juli.

29) Gonzaga's Depeschen vom 8. Januar 1548, 21. und 28. April 1548 u. f. w. 30) Gonzaga's Depeschen aus diesen Jahren 1548 und 1549 sind im Archiv von Simancas, leg. 1195, 1196. Vgl. auch bei Döllinger 147 und 162 ff. Am 27. Januar 1549 trägt er bei Philipp darauf an, die genuesischen Pläne einst

Und Gonzaga hatte sich sogar vorgesezt, auch ein Stück päpstlichen Gebietes vom Kirchenstaate loszureißen und auf diese Weise den Papst im eigenen Hause zu strafen. Die Legation von Bologna hatte der Papst unvorsichtiger Weise dem Kardinal Morone, einem der eifrigsten Parteigänger des Kaisers übertragen. Unter seinem Schuße knüpfte Gonzaga mit den Bolognesen an. Als endlich Morone auf die dringenden Vorstellungen der Franzosen aus Bologna abberufen war, entdeckte Morone's Nachfolger ein gefährliches Complott in Bologna 31).

Wie mußten diese Dinge des Papstes Empfindlichkeit reizen! Die Enkel in jugendlicherer Heftigkeit ließen gegen Gonzaga eine Bande von Banditen los, dem Mörder ihres Vaters, denn dafür hielten sie ihn, - durch einen Mordstrahl das Leben zu rauben. Wie Gonzaga dies entdeckte, nahmen die gegenseitigen Anschuldigungen, die erbittertsten Vorwürfe und gereiztesten Drohungen kein Ende 32). In einem solchen Verhältnisse haben während dieser letzten Jahre die Vertreter der kaiserlichen und der päpstlichen Politik gestanden.

Und als in denselben Tagen, in welchen des Kaisers neueste Forderungen in Rom mitgetheilt wurden, ein neuer geschickter Vertreter der französischen Interessen in Rom auftrat, der Kardinal Hippolito von Este, der Bruder des Herzogs von Ferrara, da neigte sich der Papst auf's Neue einer französischen Allianz zu. In der That, wenn er im vergangenen Herbste in seiner Verhandlung mit König Heinrich eingehalten und auf den Kaiser neue Rücksicht genommen, so hatte er doch von allen damals gezeigten Lockspeisen Nichts erhalten: statt neuen Erwerbes machte ihm der Kaiser einen Theil des jetzigen Besites streitig: und da meinte er sich der Hoffnung wieder hinzugeben, vielleicht doch von König Heinrich günstigere Bedingungen zu erzielen. Dieser Kardinal von Ferrara war nun ganz der Mann, die sich bietenden Chancen zu benutzen und politische Combinationen und Projecte zurecht zu legen.

weilen auszusehen, bis Doria gestorben: der allein stehe ihnen im Wege, und Karl gestatte es ja nicht, mit Gewalt gegen Doria's Nathschlag vorzugehen. Karl billigt diesen Aufschub, und ebenso, daß man einstweilen doch dort eine Festung anzulegen versuchen solle. (21. Februar in leg. 503. fol. 106.)

31) Schon am 18. Januar 1548 schreibt Gonzaga, er habe in Bologna Berbindungen angeknüpft. Nach der im Juni 1548 geschehenen Entfernung Morone's fand dort Monte Spuren eines Complottes, an dem sich Morone's Verwandte betheiligt hatten. (Pallavicino XI. 3 §. 1.)

32) Depesche Mendozas vom 27. August 1548. (Döllinger 157) und Gonzagas Mittheilungen vom Februar 1549. (leg. 1196 fol. 32.)

Ein feiner und geistreicher Italiener, der sich dem französischen Interesse ergeben, ist er Jahrzehnte hindurch der Führer der französischen Partei in Rom und in Italien gewesen. Bei den Farneses fand er sofort Anklang für seine Idee: sehr bald hatte er die Liga mit der französischen Politik ins Reine gebracht, alle wesentlichen Punkte erledigt und so einen neuen italienischen Krieg vorbereitet. Es gelang ihm auch, den jungen Kardinal Farnese, der bisher sich immer lieber zu der kaiserlichen Partei gehalten hatte, der französischen Liga günstiger zu stimmen; er brachte ihm das Geschenk einer sehr fetten Pfründe in Frankreich 33). Aber bei allen diesen Schritten war es eine nothwendige Forderung von französischer Seite, daß der Eidam des Kaisers, auf dessen Person und Familie die Verbindung zwischen Kaiser und Papst beruhte, die französisch-päpstlichen Verabredungen nicht hindere: wenn die Franzosen in Parma Fuß zu fassen wünschten und deßhalb das Herzogthum Parma an ihren Vasallen, Horazio Farnese, übertragen wissen wollten, so mußte zunächst Ottavio aus dem Besitze von Parma entfernt werden. Als zu diesem Zwecke der Papst und die französisch-päpstliche Politik ihre Anstalten traf, verseßten sie Ottavio in die Lage, sich gegen den Willen seines Großvaters auflehnen zu müssen. Zu allen den Bedrängnissen und Mißhelligkeiten, in welche in diesem lezten Jahre Papst Paul III. gerathen war, trat zulezt noch diese Differenz in der eigenen Familie hinzu.

Die beiden Brüder Horazio und Ottavio, die in die Familien der beiden europäischen Gegner verheirathet waren, fanden an dieser Stelle, daß ihre Interessen in einen unlöslichen Gegensatz gebracht waren. Ottavio glaubte nicht den letzten Faden, der ihn mit dem Kaiser verband, zerreißen zu dürfen, er gab die Hoffnung noch immer nicht auf, sich mit dem Kaiser auszugleichen, von Karl doch noch ein Fürstenthum zu erlangen. Und da mußte es ihm gewiß darauf ankommen, sich in Parma zu behaupten, in diesem Fürstenthum ein Aequivalent zu haben, das von seiner Seite er Karl zum Tausche bieten konnte. Er trat in Verhandlungen mit seinem Todfeinde Gonzaga 34).

Auf diese Weise wurde die Atmosphäre um den Papst immer

33) Ferrara's Depeschen vom 26. Juli, 14. August. Ligaentwurf und französische Rückäußerung vom 26. October. Ribier II. 222, 231, 234, 244.

34) Schon seit Anfang 1549 waren diese Verhandlungen zwischen Ottavio und Gonzaga im Gange, anfangs durch den Kardinal von Trident vermittelt; besonders lebhaft wurden sie im Spätherbst, als Ottavio sich mit Sturm in Besitz von Parma sehen will, um es dann in kaiserliche Hand zu bringen. (Gonzaga's_Depeschen vom 3. und 25. November 1549 leg. 1196.) vgl. auch Gosellini p. 85 ff.

schwüler, immer Unglück drohender. Der Bruch zwischen den beiden Kirchenversammlungen in Trident und in Bologna wurde immer schärfer: in Rom und in Bologna wurden die Stimmen der Eiferer immer dringender, die ein offenes Auftreten, ein entschiedenes Vorgehen, eine prinzipielle Feindschaft gegen den übermüthigen Kaiser von dem alten Papste forderten. Die Thätigkeit Pauls wurde immer aufgeregter, seine Politik immer unruhiger, sein Verhalten immer rathloser. Er faßte den Entschluß, den Besitz von Parma wenigstens dadurch zu sichern, daß er es unmittelbar der Herrschaft der Kirche wieder unterstellte: Ottavio ward sein Lehen entzogen und ein päpstlicher Gouver neur in Parma eingesetzt. 35).

Aber diese letten Schritte führten nicht zu größerer Klarheit und Ruhe, führten nur zu neuem größerem Zwiste. Ottavio, auf Gonzagos Hülfe bauend, wollte sich dem Befehle des Großvaters nicht fügen, es kam zu unerquicklichen Scenen in Rom: endlich eilte Ottavio sich durch einen kühnen Streich in den Besitz der Stadt Parma zu setzen.

Das waren die legten Ereignisse in dem Leben dieses alten Papstes. Er, der sein ganzes Papat auf die Erhöhung und Versorgung seiner Famlie gestellt hatte, er hat zuletzt offene Auflehnung von den Enkeln erfahren.

In dieser Rathlosigkeit und diesem offenen Bruche mit einem Theile der eigenen Familie hat ihn am 10. November 1549 der Tod erreicht.

In der That, auch dieser Papst Farnese hat doch ein unglückliches Pontificat durchlebt: mit einer großartigeren Thätigkeit beginnend und in seinen Anfängen sich manchen aufrichtigen Beifall verdienend hat auch er zuletzt nicht dem Wohle seiner Kirche gedient, nicht den Bedürfnissen seiner Stellung genügt, nicht die Sache der katholischen Kirche thätig gefördert. Wie sehr wir mit dem Schicksale dieses hochgestellten und für die Seinen lebhaft und unermüdlich thätigen Menschen auch sympathisiren mögen: die Würde der päpstlichen Stellung ist durch ihn sicher nicht erhöht worden: er hat sicher für die Restauration seiner Kirche wenig oder gar nichts geleistet: den Interessen seiner Familienpolitik hat er stets jede Rücksicht auf seine Kirche geopfert.

Es war ein Todesfall, der im ganzen Europa die wichtigsten Folgen nach sich ziehen mußte: wird es dem Nachfolger gelingen, die fest gefahrene Konzilfrage wieder in die richtige Bahn zu bringen, das verschlungene Gewebe kirchlicher und italienischer Interessen wieder richtig zu entwirren?

35) Pallavicino XI. 6 §. 1.

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