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13.

Das as waren die Früchte, die auf dem Reichstage von Augsburg aus jener Liga von Kaiser und Papst erwachsen sind; aber es ist keine Frage, daß sie den Urhebern der Liga durchaus nicht zu Gefallen erblüht waren. Die päpstlichen Politiker hatten sicher nicht die Resultate gewollt, die ihre Politik hier erarbeitet oder doch befördert hatte. Ja, sobald der Bund seine ausgesprochenen Ziele zu erreichen die Aussicht gewonnen, haben sie, vor dem Erfolge scheu geworden, sich diesem Bunde wieder zu entziehen gesucht. Das Mißtrauen gegen den Verbündeten, das Mißbehagen über sein Glück, die Differenzen über die Benutzung des Sieges: Alles das hatte bald die freundlichen Gefühle zu einander überwuchert und erstickt.

Schon bei den ersten Erfolgen des Kaisers im Winter 1546 war inmitten der kaiserlich-päpstlichen Liga bei dem Papste die Idee erwacht, sich gegen diesen Kaiser in einer Allianz mit Frankreich Schuß zu verschaffen. Und wenn auch damals sich noch mannichfache Hindernisse dem Abschlusse eines solchen Bundes entgegengestellt hatten, so war der Ueberfall von Piacenza und die Ermordung des päpstlichen Sohnes sicher ein Ereigniß, das mit neuem Nachdruck auf diese ausgesetzte Idee hinweisen mußte: der Kardinal Guise, der in jenem Augenblick in Rom erschien, that das Seine dazu, aus dem Rachedurste und dem beleidigten Gefühle des Papstes für die französische Freundschaft Kapital zu machen. Im Winter 1547 auf 1548 schien endlich in allen diesen politischen Verwickelungen und in allen jenen conziliaren Provocationen, die man sich zwischen Kaiser und Papst gegenseitig zuwarf, genug Zündstoff angesammelt zu sein, aus dem ein neuer großer Krieg in Italien entbrennen mußte.

Aber wie sehr auch Gelegenheit und Neigung in Rom auf den Abschluß der französischen Liga hinzudrängen schien, so konnte es in diesem Augenblicke doch nicht dazu kommen. Die Stellung der Mächte war nicht eine so einfache, daß die Herrscher im Stande gewesen wären, dem Drang ihres Gefühles Lauf zu lassen, es gab Bedenken und Erwägungen, es gab Verhältnisse und Rücksichten genug, die noch an die bisherige Stellung fesselten.

Zunächst war man auf französischer Seite nicht so rasch zum Kriege, als es Anfangs geschienen. Freilich die Verhandlungen, die man im Herbste 1547 mit dem Kaiser über Befestigung eines dauernden Friedens geführt, waren fehl gegangen; 1) und auch die wiederholten Versuche einer Vergleichung, die im März 1548 französische Staatsmänner bei der Königin Maria in den Niederlanden angeknüpft, hatten kein Resultat ergeben 2): es mußte hier auf beiden Seiten klar werden, daß das Endergebniß aus allen Sendungen und Conferenzen beider Parteien doch wieder einmal zu den Waffen führen werde3). Aber wenn dem auch so sein mochte, so war einstweilen doch den Franzosen die Gelegenheit zum kaiserlichen Kriege wieder entschlüpft: durch ihre schottische Allianz hatten sie sich in einen englischen Krieg verwickeln lassen, und da mußten sie froh sein, daß der Kaiser von seiner Seite nicht den Angriff begann 4).

Auf diese Weise ist es leicht erklärlich für uns, daß die Verhandlungen zwischen Paris und Rom nicht zu dem erwarteten Schlusse führten. Auch mit dieser Seite wollte der Papst sich nicht allzu tief einlassen, und König Heinrich bestand fest auf der sofortigen Uebergabe von Parma in die Hand seines Vasallen Horazio Farnese, als der nothwendigen Bedingung, die einer activen Liga und einem gewaltsamen Versuche, Piacenza wiederzunehmen, vorhergehen müsse3). Nachdem man noch eine Zeitlang über die Bedingungen hin und her gestritten,

1) Ueber die Sendung Brissacs im August und September 1547 vgl. eine Correspondenz zwischen Karl und dem Herzoge von Savoyen, in archives de l'empire (Papiers de Simancas) und Etroppiana's Depeschen 143 ff.

2) Vgl. den Bericht Maria's an Karl über ihre Zusammenkunft mit dem Herzog von Guise 3. April 1548 (ebenfalls in jener Pariser Sammlung).

3) Vgl. z. B. die Mittheilungen Stroppiana's 152 und d'Urfe's Aeußerungen bei Ribier II. 105.

4) Vgl Froude History of England (Leipz. Ausgabe) V. 47 ff.

5) Depesche Heinrich's an seine römischen Gesandte vom 14. April 1548 Ribier II. 149.

und nachdem der alte Papst Monate lang zwischen den beiden Parteien unentschieden hin und her geschwankt, wurde es im August 1548 flar, daß die französische Politik sich mit diesen Farneses über die so sehr gewünschte Offensive gegen den Kaiser schließlich nicht hatte einigen können 6).

So fand der Papst nicht den politischen Rückhalt, dessen er zur schroffen Verneinung der kaiserlichen Forderung bedurft hätte.

Und da nun auch der Kaiser trotz allem Vorgefallenen stets die Hand bot zu Verhandlung und zu Vergleich, so ging das alte diplomatische Spiel mit erneuerter Lebhaftigkeit wieder an: die schrofferen Töne wurden gemildert, die beiden Theile versuchten wieder zur Harmonie zu gelangen. Was diesen Verhandlungen zwischen Kaiser und Papst auch jezt ihren eigenthümlichen Charakter verleiht, ist die so seltsame Vermischung der kirchlichen Geschäfte mit den persönlichen Tendenzen. Die beiden Parteien mochten wohl in tugendhafter Entrüstung es sich gegenseitig erklären und in ihren Erklärungen sich überbieten, daß die Privatangelegenheiten der Farneses nicht mit den Geschäften der Kirche und des Heiligen Geistes zusammengeworfen werden sollten 1): es wurde trotzdem der Gang der allgemeinen Dinge abhängig gemacht von der Vereinbarung über den streitigen Besitz in Oberitalien. Es würde ermüdend sein, alle die einzelnen Sendungen zu besprechen, die unablässig zwischen Kaiser und Papst über diese brennende Frage hin und her gingen. Unausgesetzt forderten die Farneses eine Erle= digung des Streites über Piacenza, sei es nun eine Restitution dieses Plates selbst oder und es scheint, daß Ottavio selbst dieses Leßtere vorzeg eine angemessene Entschädigung durch Sienu oder eine andere italienische Stadt. Und des Kaisers Antwort auf diese Forderung blieb auch stets dieselbe, mit allgemeinen, freundlichen, zu Nichts verpflichtenden Redensarten die Römer an ihre Pflicht in der Leitung der Kirche mahnend und für ihre Pflichterfüllung auf geistlichem Gebiete ihnen fürstlichen Lohn verheißend 8). In dieser Lage verharrte die

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6) Vgl. über Aubespine's Sendung den Briefwechsel zwischen Heinrich und Montmorenci Ribier II. 154 ff. und die Depesche Mendoza's vom 27. August. Döllinger 155 ff.

7) 3. B. Mendoza am 2. Februar 1548 (Döllinger 135, 139), vgl. auch bei Pallavicino XI. 1 §. 8. und Döllinger 156. Anhang V. 20. 21.

8) Dreimal geschah eine solche Verhandlung durch die päpstlichen Agenten: im Februar durch Ardinghello, im Mai durch Santa Croce, im Juli durch

Frage lange Zeit: weder in Rom, noch im Rathe des Kaisers wich man einen Moment von der eingenommenen Stellung ab. Aber eben mit dieser Aussicht auf Belohnung hielt der Kaiser die päpstliche Politik in gewisser Weise an sich fest. Da er die Farnesischen Forderungen nicht kurzweg verweigerte, so fanden sich endlich die Römer bewogen, ihm in der deutschen Kirchenfrage ein Wenig nachzugeben.

Lange hatte der Papst sich gesträubt, lange hatte er geschwankt, jede günstige Nachricht aus Frankreich hatte er freudig aufgegriffen, sich dadurch in seinem Widerstande gegen den Kaiser bestärken zu lassen 9). Als aber endlich alles Bitten und Drängen keinen Erfolg brachte, und als das Scheitern der französischen Liga klar geworden war, da ging er auf die kaiserlichen Anträge ein, da bestätigte er die von seinem Nuntius in Augsburg inzwischen getroffene Vereinbarung.

Während im Frühjahre 1548 die Verhandlungen noch zwischen Kaiser und Papst schwebten, von Seiten der kirchlichen Gewalt den Protestanten jene oft erwähnten Concessionen zu machen, hatte sich der Kaiser, wie wir sahen, entschlossen, auf eigene Hand schon das Edikt zu erlassen, das diese Concessionen aussprach. Denn da er vorher schon der allgemeinen Zusicherung des Papstes sicher geworden und nur über das Einzelne jener Zugeständnisse mit ihm in Weiterungen gerathen war, so glaubte er, weder durch das Interim noch durch seine Reformationsformel bei dem Papste ernstlichen Anstoß zu erregen, er hoffte vielmehr den gethanen Schritt in Rom gebilligt zu sehen und nachträglich auch das Einzelne seiner Maßregeln vom Papste genehmigt zu erhalten. In der That, der Einfluß des Kaisers in Rom, unterstüßt von jenen stets gezeigten Aussichten auf Belohnungen an die Farneses, sezte es durch, daß ihm im Juni ein Prälat nach Deutschland gesen det wurde, welcher den Auftrag hatte, sich mit dem Kaiser über diese Concessionen an die zurücktretenden Protestanten auseinanderzusehen. Ueber das Allgemeine war man schon einig, daß päpstliche Kommissarien Auftrag und Vollmacht haben sollten, in einzelnen Fällen den reuig

den Bischof Bertano von Fano: sie alle werden mit allgemeinen Redensarten abgespeist. (Pallavicino X. 16 und 17). Sehr augenscheinlich ist diese Verbindung der beiden Fragen vorgestellt in dem Conzilberichte, im Anhang VI.

9) du Bellay 31. Mai 1548 versichert, sobald aus Frankreich eine günstige Entscheidung einlaufen werte, wolle der Papst die vom Kaiser geforderten Legaten verweigern, (Ribier II. 134.) und noch im Juli dringt Farnese sehr eifrig auf eine günstige Zusage Heinrichs. (Ribier II. 146.)

sich mit der Kirche wieder vereinigenden Deutschen einzelne Punkte von der Strenge der Kirchenordnung zu erlassen; der Kaiser hatte ein Formular eingeschickt, in welchem er den Inhalt dieser Vollmachten für des Papstes Delegirte angab: es war wesentlich, daß die sich Unterwerfenden ihre Keßerei nicht mit förmlichem Eide abzuschwören oder für die begangene Sünde der Keßerei eine besondere Buße zu thun hätten, ja die allgemeine Verzeihung sollte sich auch auf kezerische Priester und auch auf verheirathete Priester erstrecken; sogar das wünschte der Kaiser von der Kirchendisciplin nachgelassen zu sehen, daß man denjenigen Geistlichen, welche ohne ihre Frau nicht leben wollten, einen speziellen Dispens zu diesem ehelichen Leben ertheile; und außerdem sollte allen denen, welche nicht an Einer Gestalt des Abendmahles sich genügen ließen, auch der Laienkelch ausnahmsweise erlaubt sein. Und im Allgemeinen sollten diese apostolischen Legaten die Befugniß baben, die Fastengebote der Kirche zu ermäßigen oder zu erlassen, Disciplin und Leben der gesammten Geistlichkeit neu zu ordnen, auch in Betreff der geistlichen Güter irgend einen Ausweg ausfindig zu machen 1o). Das war die Grundlage, auf welcher der Bischof von Fano, eine am kaiserlichen Hofe beliebte Persönlichkeit, in Augsburg mit den kaiserlichen Ministern, mit Granvella und Soto unterhandelte.

Es kam wirklich zu einer Vereinbarung. Der Nuntius nahm es auf sich, von dem Papste jene Vollmachten zur Reduction der deutschen Protestanten, von deren Nothwendigkeit er sich selbst überzeugte, auszuwirken. Die kaiserliche Politik ihrerseits gab nach, daß man nicht in dem Streite der beiden Conzilversammlungen fortfahre, daß man den Augen der Welt jenes unerquickliche Schauspiel entziehe, daß man also jede conziliare Handlung, sowohl in Bologna als in Trident, für die nächsten sechs Monate suspendire 11). Und noch ein Weiteres wurde

10) Raynaldus 1548 §. 45.

11) Jm A. v. Sim. findet sich die offizielle Mittheilung, die Mendoza in Nom von diesen Verabredungen zwischen Fano und dem Kaiser machte, und welche die Forderungen an den Papst präcisirte; sie ist überschrieben: Lo que se pidio a su S. de parte de su magestad sobre las faculdades (Capitulaciones con pontifices. leg. 1 fol. 131). Darin sind die Dinge so refümirt: que V. S. para hazer lo que deve a su dignidad considerando el daño que trae consigo la dilacion en el estado de las cosas presentes mandara luego que vayan las faculdades sin que mas se detengan en esta manera: Dispensacion general para que puedan comulgar sub utraque specie en las partes y donde se ha usado hastaqui todos los que quieran recibir el interim y reduzirse a el;

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