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Franzosen die Aussicht auf den Erwerb der Niederlande gegeben 36). Aber gleichzeitig mit diesen französischen Allianzplänen wurde auch die Idee vom Kaiser festgehalten, die Prinzessin Maria mit einem ihrer Vetter zu vermählen. Ihre Ansprüche durften nicht in ein fremdes Herrscherhaus gebracht werden 37). Und auch für diesen Fall war von einer Mitgabe der Niederlande an Maria die Rede. Alle diese Dinge reiften jetzt in Augsburg ihrer Entscheidung entgegen. In einer persön= lichen Besprechung mit König Ferdinand und mit Königin Maria, der Regentin der Niederlande, entschied Karl jetzt, daß ohne weiteren Verzug Ferdinands ältester Sohn, Erzherzog Maximilian, die Prinzessin Maria eheliche 38) und weiterhin, daß die Niederlande nicht diesem Paare gegeben werden sollten, — nicht einmal die Statthalterschaft in den Niederlanden glaubte Karl ihnen anvertrauen zu dürfen, sondern daß Prinz Philipp von Spanien auch hier der Erbe seines Vaters werde 39). Ihn diesen Ländern vorzustellen und ihm huldigen zu lassen, ordnete Karl an, daß Philipp selbst von Spanien herüberkomme.

Und noch eine andere weit wichtigere Frage wurde in der Familie der Habsburger angeregt, die man damals noch nicht zu entscheiden wagte, an der in der That zuerst die Eintracht der habsburgischen Brüder zerschellen sollte.

Als die Frage der definitiven Gestaltung von Deutschland bei dem Ausbruche des Schmalkaldener Krieges zuerst aufgeworfen wurde, brachte Ferdinand bei dem Bruder auch das einmal in Anregung, wie gefährlich es für die Habsburger werden könne, wenn man die kaiserliche Macht allzusehr steigere: da Deutschland eine Wahlmonarchie war, konnte jeder folgende Kaiser die von Karl gesammelte kaiserliche Macht auch gegen die Habsburger benutzen. Allerdings es stand fest, daß nach Karl's Abgang Ferdinand Kaiser sein werde, aber die politischen Pläne mußten doch weit über den Tod der beiden Brüder hinausreichen. Ferdinand meinte, man solle sich von den Kurfürsten eine förmliche Verschreibung

36) Karl's Codicill vom 28. Oktober 1540. P. d'Etat II. p. 599. Karls Erklä= rung an Franz vom 24. März 1540. und vom Februar '1545. ib II. 562 und III 87.

37) Relation Justiniano's aus Frankreich von 1535 (Alberi Serie I. Bd. 1. S. 183). Schon im Testamente von 1535 hat Karl angeordnet, daß die Niederlande seinem zweiten Sohne oder in Ermangelung eines solchen, seiner ältesten Tochter mitgegeben würden und daß sie einen Sohn Ferdinands heirathe. Vgl. Codicial vom 5. November 1539 P. d'Etat II. 542.

38) Karl 25. Dezember 1547, Anhang IV, 20.

39) Karl, 18. Januar 1548. P. d'Etat III. S. 314–317.

geben lassen, daß für die nächsten Regierungen immer ein Kaiser aus dem Hause Habsburg, sei es nun aus Karl's oder aus Ferdinand's Nachkommen, gewählt werde 4o). Er führte es nicht näher aus, wie er sich dieses Verhältniß dachte; aber das Beispiel, das diese Regierung der beiden Brüder den Deutschen bot, konnte vielleicht nachgeahmt werden: vielleicht konnte eine ähnliche Doppelregierung schon jetzt vorbereitet oder vielleicht auch ein Seniorat in dem Hause der Habsburger eingerichtet werden 41). Wir wissen, daß in Augsburg auch diese Successionsfrage von Deutschland unter den Brüdern besprochen worden ist, und es gewinnt für uns den Anschein, als ob damals Karl noch nicht über die Erhebung seines Sohnes, des Prinzen Philipp, zum Kaiser entschlossen gewesen sei 42). Karl glaubte damals, Philipps europäische Stellung auch durch eine andere Combination zu sichern : er ging auf die spanische Tradition einer näheren Verbindung zwischen Spanien und Italien zurück und wünschte, daß Philipp als Reichsvicar über Italien, als Vertreter und Inhaber der Kaisergewalt in Italien, als oberster Herr über alle italienischen Vasallenstaaten in der europäischen Politik auftreten könne, und es scheint, daß er dabei den Titel des Kaisers von Deutschland dem Erzherzoge May bewahren wollte, den ohnehin die Deutschen als Kaiser sich wünschten.

Diese Idee fand bei Philipp wenig Anklang: vielleicht unter dem Einflusse des Herzogs von Alba, vielleicht auch aus eigenem Antriebe machte er auf die bedenklichen Folgen einer sofortigen Erhebung des Schwagers zum römischen Könige aufmerksam und bat, wenigstens die Beschlußfassung über diese, alle habsburgischen Interessen so nah berührende Frage bis zu seiner Ankunft am kaiserlichen Hofe aufzuschieben. Und in der That, Karl gab hierin dem Sohne nach. Karl und Ferdinand einigten sich einstweilen dahin, daß der Nachfolger

40) Ferdinand in dem citirten Schreiben vom 23. November 1546 Bucholz IX. S. 400.

41) Jener Vorschlag zur Reichsorganisation, den Rante VI, S. 392 ff. mitgetheilt hat, empfiehlt ebenfalls die sofortige Wahl eines Nachfolgers für Ferdinand S. 396. Im Reiche redete man im Mai 1547 von einer solchen Einrichtung, daß immer der älteste von allen habsburgischen Prinzen Kaiser sein solle. Ribier II. S. 17.

42) Aus den Erörterungen in der Instruktion vom 18. Januar geht es deutlich hervor, daß Karl sich seinen Sohn nicht als deutschen Kaiser denkt. Vgl. besonders S. 275 und S. 277.

für Ferdinand erst nach genauerer und allseitiger Erörterung ausgewählt werden solle 43).

So ist diese Frage einstweilen schwebend geblieben. Aber in der Ferne hatte sich schon die kleine Wolke angezeigt, welche nach und nach anwachsend den furchtbarsten Sturm gegen Habsburgs Herrschaft in Deutschland entladen sollte. Wenn die Brüder in Frieden gelebt und in Eintracht die habsburgische Monarchie regiert hatten, so sind die Tendenzen ihrer Söhne, der beiden Vettern und Schwäger, zuerst auseinander gegangen und bald in scharfem Zuge aneinandergerathen.

Und es gab noch einen anderen Punkt, in welchem Ferdinands Interessen nicht die gewünschte Förderung beim Kaiser fanden. Auch Ferdinands Stellung in Deutschland war auf seinen habsburgischen Landbesitz gestützt: mit den österreichischen Erblanden hatte er da lange Zeit auch das Herzogthum Würtemberg verbunden und damit einen festen Halt in Süddeutschland gehabt. Nachdem er aber das Land seinem Herzoge wieder hatte zurückgeben müssen, hatte sich ihm in dem Anschlusse Würtembergs an die Schmalkaldener eine Möglichkeit eröffnet, wieder in den Besitz dieses Landes zu kommen. Unmuthig hatte er gesehen, wie Karl doch wieder mit dem Würtemberger sich vertragen. Statt einer direkten Uebergabe von Würtemberg in Folge des Feldzuges vom Dezember 1546 mußte Ferdinand den Rechtsweg betreten, um den eidbrüchigen Vasallen, den Herzog Ulrich, aus dem Besize seines Landes zu verdrängen. Es wurde dieser Prozeß auf dem Reichstage in Augsburg eröffnet, die Sache kam in solche Hände und nahm bald solche Wendung, daß die Freunde der würtembergischen Herzoge einen Verlust des Landes besorgten; aber der Spruch wurde dech hingehalten: es hieß wohl auch, daß der junge Herzog Christoph in dem Kaiser selbst einen freundlichen Herrn gefunden habe: Alles blieb unentschieden für Ferdinand 44). Alle die Gerüchte im Reiche von Errichtung eines Herzog= thumes Schwaben zu Gunsten Maximilians oder einer territorialen Abrundung des österreichischen Besizes als Preis für seine Zustimmung zu dem spanischen Successionsprojekte, alle diese Gerüchte verhalfen

43) Ueber den Briefwechsel zwischen dem jüngeren Granvella und dem Herzog von Alba berichtet dieser Granvella an Königin Maria 7. Mai 1548 bei Juste Vie de Marie de Hongrie . 90 und 91. Wir bedauern, daß dieses so wichtige Echreiben noch nicht im Wortlaut publicirt ist. Ferdinand selbst kommt später im Juli 1550 andeutungsweise auf diese Vorgänge von 1548 zurück. Bucholz IX. 732. 44) Bucholt V. 546. Lanz II. 524. Heyd III. 497 ff.

ihm thatsächlich nicht zum Besize Würtembergs und konnten ihm weder neue Freunde noch neue Macht in Deutschland einbringen 45).

Wir sehen, es blieb auch nach diesem Reichstage noch Unentschiedenes genug in den Verhältnissen von Deutschland. Auch dieser vom Kaiser beherrschte Reichstag in Augsburg hat noch nicht alle Fragen im Sinne des Kaisers erledigt, er hat die kaiserliche Monarchie über Deutschland noch nicht vollständig befestigt. Auch in Augsburg sind von dem Programme des Kaisers wesentliche Punkte noch nicht zur Ausführung gelangt: jene Idee, das deutsche Reich aus seiner alten Verfassung in die Form eines Bundes umzuändern, ist sofort bei dem Versuche der Verwirklichung gescheitert.

Aber was wollte Alles bedeuten gegen die Erfolge des Kaisers auf diesem selben Reichstage! Reichsgericht und Reichssteuern waren nach Karl's Willen geordnet, die Niederlande waren zu Einer Masse gesammelt, von allem Einflusse des Reiches losgelöst und waren dennoch von dem Schuße des Reiches umgeben worden. In allen Richtungen hatte der Kaiser in den Boden Wurzeln eingesenkt, die dort anschlagen und, von den Jahren begünstigt, zu erfreulichem Wachsthum aufschießen konnten. Es waren, mit einem Worte, alle Fragen der deutschen Politik nicht gelöst, aber in eine Richtung gebracht, die zu einer Lösung im Sinne des Kaisers hinführte.

Vor Allem in der religiösen Frage war ihm ein Großes geglückt: der Widerstand der deutschen Nation gegen die allgemeine Kirche war beseitigt, Deutschland war bereit, das Wort der Kirche zu hören, anzunehmen, zu befolgen; und bis dahin, daß die Kirche der ganzen Christenheit dieses letzte Wort der Entscheidung sprechen werde, bis dahin war eine Form aufgestellt, die alle Parteien annehmen konnten und angenommen hatten; in geschickter Berechnung der Verhältnisse waren den Protestanten faktische Concessionen gemacht, bei denen sie im Schooße der allgemeinen Kirche leben wollten. So war die religiöse Einigung der Nation durch den Willen des Kaisers angebahnt.

Es ergab sich für die kaiserliche Politik die Aufgabe, das Begonnene weiter zu führen; - und in doppelter Richtung mußte sie bemüht sein, das Errungene zu sichern und auszubauen.

In Deutschland mußte sie das Interim an allen Enden wirklich zur Geltung bringen, die Einführung und Ausführung desselben in

45) Nachrichten aus Deutschland vom 15. Mai 1547 Ribier II. 17. Marillac vom 29. Juli 1550 Ribier II. 283.

Deutschland bewachen, die Bande der Einheit, die sie gefertigt, enger unlöslicher zusammenziehen.

Und in ihrer Stellung zur allgemeinen Kirche erwuchs der kaiserlichen Politik das schwierige Problem, über jene Concessionen mit dem Papste sich zu benehmen und überhaupt die Einheit von Kaiser und Papst in allen großen Fragen aufrecht zu halten.

Wir verfolgen zunächst diese zweite Seite der kaiserlichen Politik.

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