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Protestanten, sie zur Annahme des Interims zu bewegen, den Gedanken erregt oder doch den in ihnen entstandenen Gedanken nicht genommen hat, daß das Interim eine gleichförmige, von Katholiken wie Protestanten zu befolgende Ordnung sein solle 17). Als den katholischen Ständen der Entwurf vorgelegt wurde, erklärten sie, und dabei vielleicht auch einem von Rom aus gegebenen Impulse gehorchend, der Inhalt des Buches sei gut katholisch, sie fanden nur in jenen nachgegebenen Punkten einige Bedenken, empfahlen aber zulett, es bis zu der Entscheidung des Conziles so zu halten, daß in jenen Dingen das Interim nur für die Protestanten Gültigkeit habe, daß Keiner der jest katholischen Stände solchen Abweichungen nachgeben dürfe 18). Auf diese Erklärungen seiner katholischen Stände glaubte auch der Kaiser nicht schweigen zu sollen. Durch den Doctor Seld ließ er ihnen in scharfem Tone antworten, seine gut katholische Absicht nachdrücklich betonend und auf den einst weiligen Charakter des ganzen Ediktes wiederholt hinweisend 19). Es kann kein Zweifel bestehen, daß den Katholiken gegenüber eine solche Anordnung des Kaisers über die Religion, die auch nur in wenigen Punkten von dem allgemeinen Herkommen abwich, nicht verbindlich zu werden bestimmt war.

Am 15. Mai 1548 wurde den Ständen das Interim vorgelesen und nach einigen unvorbereiteten Worten des Kurfürsten von Mainz, der im Namen aller Stände zu sprechen sich anmaßte, zum Gesetz erhoben. Sofort setzte sich dann des Kaisers Politik in Bewegung, in den einzelnen Theilen von Deutschland diese seine Anordnung auszuführen. Und wenn ihm das an den meisten Stellen bald und ohne ernstliche Schwierigkeit gelungen ist, so durfte er in der That sich rühmen, den ersten, größten und schwierigsten Schritt zur Unterwerfung des deutschen Protestantismus vollbracht zu haben.

Es war das allerdings nicht eine einfache Reduktion auf den alten

17) Brandenburgische Instruction von 1550 bei Ranke V. 40. Vgl. Droysen II. 2. p. 319.

18) Die Erklärung der geistlichen Kurfürsten und der Fürsten bei Saft rowen 2. p. 320 ff. und 327 ff.

19) Bucholt 6. p. 235. Vgl. über die Verbindung dieser Katholiken mit Rom den Nachweis bei Rante V. 38 f. Raynaldus §. 58. An Philipp meldet Karl am 25. April: lo del interim que al presente se trata va en buenos terminos, porque los eclesiasticos que tenian algunas dificuldades lo han remitido en nuestras manos y se tiene esperança que se acabara de assentar y guiar de manera que Nuestro Señor sea muy servido (leg. 644. fol. 236.)

Katholizismus, aber unter den Verhältnissen der damaligen Lage war doch das Mögliche erreicht, was mit protestantischen Verbündeten zur Unterwerfung des protestantischen Glaubens geschehen konnte. Die Staatskunst des Kaisers schien in ihrer politischen Behandlung der religiösen Frage damals einen Sieg erfochten zu haben. Aber weit schwieriger war gewiß die Aufgabe, den Sieg zu befestigen, die Protestanten bei jenem Interim festzuhalten, ihnen einen erneuerten Abfall unmöglich zu machen.

Es war nothwendig, in Rom dieses Interim von dem Haupte der Kirche billigen zu lassen. Als der Kaiser es dem Legaten Sfondrato mitgetheilt hatte, ließ der Papst es dem Urtheile auch jener Bologneser Prälatenversammlung vorlegen2o). In Rom, wie in Bologna äußerten sich die Stimmen der Geistlichkeit in ziemlich übereinstimmendem Spruche. An den Lehren des Dogma's hatte man im Grunde Nichts und nur an den Ausdrücken hie und da eine Unklarheit oder Zweideutigkeit auszusehen, aber jene Bewilligungen der Priesterehe, des Laienkelches, der Fastenerleichterung war man durchaus nicht gesinnt, so ohne weiteres von einem weltlichen Kaiser sich octroyiren zu lassen. Man ließ sich auf breite und weitschweifige Gegenerörterungen gegen diese Punkte ein und kam zu dem Schlusse, daß diese Theile des Interim mit einer Keßerei sehr auffallende Aehnlichkeit hätten.

So war die Meinung der theologisch-gesinnten Geistlichkeit. Die Entscheidungen des Papstes aber waren noch von anderen Rücksichten beeinflußt. Der Hader der Farneses mit dem Kaiser über Piacenza war noch nicht geschlichtet, war noch nicht aus jenen endlosen, sich in ewigem Einerlei bewegenden Deductionen und Gegendeductionen herausgekommen. Dieselben Agenten, welche die geistliche Frage behandelten, hatten auch stets den Auftrag, den Farneses Piacenza oder einen Ersatz für Piacenza zu erwirken. Der Kaiser aber gab noch keine endgültige Entscheidung und hielt noch immer die Frage in derselben Ungewißheit. Die französischen Anerbietungen wollten in ihren Einzelnheiten ebenfalls noch nicht recht klar und sicher werden. So schwebte der päpstliche Wille noch im Ungewissen, ob und wie weit er in der geistlichen Frage den Willen des Kaisers erfüllen solle 21). Wenn er einen Schritt in der vom Kaiser gewollten Richtung gethan, waren sofort die fran

20) Naynaldus §. 51. 54.

21) Du Bellay vom 16. April bei Ribier II. 130 ff. Mendoza vom 9. April und 7. Mai. Döllinger 144 ff.

zösischen Cardinäle und die französischen Agenten bei der Hand, ihn vor allzugroßer Nachgiebigkeit an den Kaiser zu warnen: und so kam es, daß er, obwohl mit dem Kaiser über diese Fragen in Verhandlung begriffen, doch unter der Hand die Katholiken in Deutschland gegen das Interim aufhezen ließ.

Diese verschiedenen Einflüsse am päpstlichen Hofe wie die Meinung jener starren Geistlichen bewegen endlich auch den Papst, treg ter Zusagen, die er dem Kaiser in Betreff jener Legaten gegeben, zuletzt doch mit der Absendung derselben zu zögern und dann einen einfachen Nuntius nach Deutschland zu entsenden, der selbst keine Resolution mitnahm, der aber mit der Anzeige betraut war, man werde eine solche Resolution demnächst in Rom fassen 22). Als dieser Nuncius Santa Croce in Augsburg anlangte, erhielt er erst Audienz nach geschehener Publikation des Interim. Allen den Verhandlungen, die zwischen Kaiser und Papst über die zu machenden Concessionen schwebten, hatte der Kaiser selbständig ein Ende gemacht. Wie er vom Papste allgemein die Zusage solcher Concessionen erhalten hatte, eine Zusage, die weiter zu bestimmen und zu erläutern man eben noch verhandelte, da ist er zu jener Handlung vorgegangen, die schon den Schein der erlangten Mitwirkung des Papstes an sich trug.

Aber auch nach dem in Deutschland erzielten Abschluß blieb der Kaiser bei der Meinung, sich von Rom aus das Geschehene bestätigen zu lassen. Wenn er am Reichstage auch ein Religionsedikt erlassen, so wollte er doch für diejenigen Punkte, welche praktische Folgen für die deutsche Kirche haben mußten, Gutheißung des Papstes und päpstliche Befehle zur Ausführung beibringen. Es sollten ebensowohl die Bischöfe von Deutschland ermächtigt werden, verheirathete Priester anzustellen, als den ihrer Obhut anvertrauten Gemeinden das Abendmahl unter beiderlei Gestalt auszutheilen. Zur Einrichtung dieser Dinge verlangte der Kaiser in Rem Vollmacht und Auftrag an die deutsche Geistlichkeit.

Und noch ein weiterer Punkt, den das Interim nicht berührte, kam hier zur Sprache. Nachdem der Kaiser bei dem Beginne des Reichstages auch von einer gesetzlichen Regelung der so vielfach verwickelten und so äußerst schwierigen Frage der geistlichen Güter geredet und nachdem die deutschen Stände ihrerseits diesen Punkt wiederholt zur Sprache gebracht hatten, verlangte Karl jezt auch vom Papste, daß er

22) Instruktion für Santa Croce bei Lämmers 393. (28. April 1548): auffallend ist es, daß der Herausgeber sie in das Jahr 1512 verwiesen hat.

einige Prälaten designire und bevollmächtige, mit ihm gemeinschaftlich einen Vergleich über die Verwendung des geistlichen Gutes zu treffen 23).

Wir sehen, die Politik Karl's ist auch nach der Publikation jenes Religionsediktes bemüht gewesen, alle einzelnen. Maßregeln, die man zur Ordnung der deutschen Kirchenfrage für nothwendig halten konnte, in Uebereinstimmung mit der geistlichen Auctorität der Kirche endgültig zu ordnen er war nur dem sich hinschleppenden Uebereinkommen mit der Kurie selbständig zuvorgekommen, durch die Noth der Zeitverhältnisse, wie er glaubte, vollständig gerechtfertigt. Und auch die weitere Maßregel, die er ins Leben rief, meinte er im Drange der Noth von Deutschland begründen zu können: den katholischen Ständen von DeutschLand theilte er den Entwurf einer ,,Reformation" der Geistlichkeit mit, wie er sie für dringend geboten hielt. Ohne hierin durch kaiserlichen Machtspruch der Kirche befehlen zu wollen, wünschte er doch die allge= meine Reform der gesammten Kirche durch diese deutschen Besserungsversuche vorzubereiten und zu beeilen. Als ächt katholischer Kaiser glaubte er sich zu Rath und Zuspruch berechtigt 23a).

Hand in Hand mit diesen Verhandlungen des Reichstages über die Religionsfrage gingen die Debatten über eine Neugestaltung der politischen Ordnung von Deutschland. Auch an sie Hand anzulegen, war dem Kaiser Macht und Möglichkeit gegeben. Wie nur in den los gefügten Machtverhältnissen des Reiches die religiöse Bewegung den Anlaß gefunden, sich in jener Weise zu entwickeln, wie nur der Mangel obrigkeitlicher Gewalt im Reiche die Festsetzung religiöser Ordnungen gegen Willen und Streben des Kaisers möglich gemacht hatte, so durfte er sich der Hoffnung hingeben, mit der religiösen Annäherung zugleich eine neue Kräftigung seiner Monarchie durchzusehen. Ein politischer Kopf, der die deutschen Zustände genau untersuchend beurtheilte, mußte es bald einsehen, daß die religiöse Frage von der politischen nicht getrennt werden konnte. Aus den Prämissen der faktischen Zustände in Deutschland, wie sie im Beginne dieser Regierung ge= worden waren, konnte sich nur dieser Eine und einfache Schluß ergeben:

23) Formular der vom Kaiser für die Legaten gewünschten Vollmacht bei Raynaldus. §. 45. Vgl. Mendoza bei Döllinger 151 f.

23a) Reformationsentwurf des Kaisers bei Le Plat III. 73 ff. In dem Formular, das Karl in Rom vorlegte, handelte der 9. Punkt auch von der facultas pro reformando mores cleri.

ein jeder Fortschritt der Reformation in Deutschland war ein Sieg des Partikularismus über die Monarchie, ein jeder Sieg dieser habsburgischen Monarchie über die trennenden Fürstengewalten war ein Verlust für die Reformation.

Als im Sommer des Jahres 1546 Kaiser Karl die Unhaltbarkeit der Zustände in Deutschland erkannte, hatte er in Regensburg, ehe er zum Kriege aufbrach, mit König Ferdinand über eine Reichsreform sich beredet. Die Einsicht mußte ihnen da leicht werden, daß von einer eigentlichen Gewalt des Kaisers als Haupt des Reiches jezt nicht mehr geredet werden könnte: in einem Momente, in dem sich der mächtigsten Fürsten zwei mit den Waffen gegen die Obrigkeit erhoben und den Kaiser in einen gefährlichen Krieg verwickelten, in diesem Momente war wahrlich die obrigkeitliche Auctorität des Kaisers ein Nichts. So gingen die habsburgischen Brüder denn auch von der Erwägung aus, daß erst neue Grundlagen zu schaffen seien, auf die man die Macht des Kaisers im Reiche neu stüßen müsse.

Wir sind leider nicht im Stande, den Organisationsplan des Kaisers als ein Ganzes, in allen seinen Einzelheiten geordnet, vorzulegen. Die actenmäßige Kenntniß dieser Dinge reicht noch nicht vollständig aus. Aber ich glaube, über alle wesentlichen Richtungen und Absichten der kaiserlichen Verfassungspläne darf uns kein Zweifel bleiben. Fassen wir kurz das Wesentliche zusammen.

Zunächst kam es darauf an, in die Hand des Kaisers eine faktische Macht zu legen. Ausreichendes Geld war das Erste, das beschafft werden mußte. Nun sahen wir schon, wie der Kaiser damals bemüht war, von den sich unterwerfenden Ständen sich starke Contributionen. zu verschaffen; und das reichte für den Moment hin. Und auch für die Zukunft solche Mittel in Bereitschaft zu sehen, brachte man die Einrichtung einer ordentlichen Reichsrente" zur Unterhaltung des Kammergerichtes und zur Exekution seiner Urtheile in Anregung 24). Man hat es dabei nicht ausgesprochen, aus welchen Mitteln diese Rente beschafft werden sollte. Aber wenn auch auf einzelnen Versammlungen und nachher auf dem Augsburger Reichstage der Kaiser mit einzelnen Ständen diese Frage einer Geldbeisteuer verhandeln ließ, so gab es doch im Reiche selbst noch eine bereitliegende Gütermasse, die zu dem gemeinen Besten vielleicht angegriffen werden durfte; es sind die unzähligen

24) Ferdinand vom 23. November 1546 bei Bucholt IX. p. 399. Vgl. Karls Instruction vom 18. Januar 1548 in P. d'Etat. 3. p. 275.

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