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habe 6): in den späteren Jahren überließ Karl mehr und mehr die Verhandlungen seinen Ministern, selbst nur in den außergewöhnlichsten Fällen auftretend.

In dem persönlichen Charakter zeigte der Kaiser diese Reizbarkeit bei jedem Anlaß. Die Heftigkeit seiner Natur konnte sich zu furchtbarer Höhe steigern. Leidenschaftlich schimpfend und tobend fuhr er oft seinen Gegner an; und dabei war er eigensinnig und hielt zäh an dem einmal ergriffenen Gedanken fest. Eine empfangene Beleidigung vermochte er nicht zu vergessen, seine Rachesucht war von nachhaltiger Dauer). Und im Grunde war er doch ein durchaus ernster Charakter, dem Tiefe des Gefühles und Tiefe des Gedankens nicht abzusprechen ist. Bei aller Leidenschaftlichkeit, die in späteren Jahren allerdings durch seine Kränklichkeit noch gesteigert wurde, war doch der Geist dieses Fürsten stets auf ernste Aufgaben gerichtet.

Er hatte sich ganz von dem Gefühl erfüllt, daß er ein Kaiser sei, wie jene großen Kaiser des Mittelalters. Ihm gebührte, wie er wähnte, nicht nur der erste Rang in der Christenheit, sondern geradezu die Herrschaft und Hoheit über alle anderen Länder Europa's. Die anderen Könige erschienen ihm da nicht als gleich berechtigte, nein, er fühlte sich als ihren vorgesetzten Herrn 8). Natürlich die deutschen Fürsten konnte er nur wie spanische Granden behandeln, die eigenthümlich geartete Natur seiner deutschen Herrschaft wollte ihm niemals in den Sinn.

Und doch ist dieser Herrscher des Abendlandes bei allen den politischen Tendenzen und Zielen, die er auf allen Seiten zur Machterweiterung über die anderen Länder Europa's verfolgte, im Grunde der Seele auch von der Religiösität seines Spaniens ergriffen gewesen.

6) Schon bei jenem zornigen Ausbruche in Rom im Jahre 1536 unterbrach der Kaiser einmal heftig den Papst in seiner Rede. Er hat überhaupt dort Dinge vorgebracht, die seine beiden Minister, Granvella und Cobos, nachher zu entschuldigen suchten. (Vgl. die französische Depesche bei Charrière I. 295–309.) Granvella glaubte den päpstlichen Nuncius 1541 darum ausdrücklich ersuchen zu müssen, daß er bei persönlichen Besprechungen mit dem Kaiser dessen Heftigkeit entschuldigen und vor Allem in seinen Berichten nach Rom die vom Kaiser ge= brauchten Ausdrücke etwas mildern solle. (Morone, 14. Juni 1541, bei Laemmers. p. 375.) Es scheint fast, als ob Karl selbst es später gefühlt habe, wie viel er sich durch seine Schimpfreden in den Augen der Andern vergeben habe. (Vgl. Anhang 109*.)

7) Contarini 62.

8) 1540 verbat es sich Karl, daß König Heinrich von England zu ihm als einem Gleichen rede. Ribier I. p. 499.

Es ist in ihm eine seltsame Mischung weltlicher und religiöser Ideen. Der kennt den Kaiser schlecht, der in ihm nur den Eroberer und Gewaltherrscher sehen will, und auch der hat die Eigenthümlichkeit seiner Natur nicht begriffen, der in ihm nur den religiösen Eiferer zu finden glaubt. Als sich dieser Kaiser zu dem lezten großen Schlage gegen Frankreich aufraffte, gönnte er dem Sohne einen Blick in seine Seele. Und diese Schreiben des Kaisers an den Sohn sind alle von einem gewissen schwermüthigen Gefühle angehaucht, einem gewissen Gefühle ernster Resignation, das durch alle politischen Anweisungen und durch alle politischen Kunststücke doch durchbricht! Er, der des Franzosen Rivalität niederzuhalten und niederzukämpfen hat, er sieht, daß gleichzeitig auf seine Schultern allein die Erhaltung der wahren Kirche gelegt ist. Durch alle die Windungen und Krümmungen seiner Politik, zu Papst und zu Protestanten, bleibt ihm das Ziel unverrückt vor Augen, die Kirche in alter Herrlichkeit herzustellen und in unbefleckter Reinheit aus den Händen des Protestantismus zu retten. Ich glaube, es ist ein durchaus unnützer Streit, darüber debattiren zu wollen, ob in diesen spanischen Königen Karl V. wie Philipp II. das kirchliche Gefühl ihres Katholizismus oder die politische Tendenz ihrer europäischen Stellung das erste und treibende Grundmotiv abgegeben hat; bei ihnen war Beides innig in einander verwachsen: ihre Politik und ihre Religion ruhen auf demselben Grunde der Seele.

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Karls Frömmigkeit hat da oft die Farbe des spanischen Fanatismus angenommen: den religiösen Uebungen seiner Kirche in devotester Weise zugethan, war er von dem glühendsten Hasse gegen jede Abweichung, jede Neuerung beseelt: wo er die Macht besaß, ist er mit den schärfsten Keßeredikten, mit Inquisition und Todesstrafe gegen die Kezer eingeschritten; noch am Abende seines Lebens hat sich die fast erlöschende Gluth seiner Seele neu belebt, als er Spuren der Keßerei in seiner Nähe entdeckt hatte. Und keinen Krieg hat Karl mit einer solchen persönlichen Wuth und Leidenschaft geführt, wie jenen Protestantenkrieg gegen Sachsen und Hessen. Er selbst, gichtkrank und bleich wie der Tod, hat sich bei Mühlberg in den Kampf gestürzt, von Gott es erflehend, daß er seine Beleidiger selbst strafen wolle: er hat zulegt den Sieg mit dem Worte gefeiert:,,Gott hat gesiegt."

In der That, die Vernichtung der deutschen Kezer war von Jahr zu Jahr mehr und mehr das Losungswort seiner Politik geworden. Wenn im Anfang dieser kaiserlichen Regierung die politischen Gesichtspunkte vorgewaltet, wenn er, in Spanien weilend, vielleicht die Bedeu

tung der deutschen Vorgänge unterschäßt hatte, so beherrschte nachher diese deutsche Aufgabe alle anderen Beziehungen der kaiserlichen Staatskunst. Schon 1538 hatte er im Kriege gegen Franz inne gehalten, um einen Versuch der Beibringung der deutschen Protestanten zu machen; und 1544 hat ohne allen Zweifel nur die Absicht eines deutschen Krieges ihn zu dem überraschenden Frieden von Cresph bewogen. Wie die kirchliche Neuerung sich auf allen Seiten ausgedehnt und sogar die heimischen Lande des Kaisers ergriffen hat, ist Karl mit Keßeredikten und Religionsmandaten auf die schärffte Weise allenthalben eingeschritten.

Aber wie seltsam muß uns doch dieses geistlich-politische Verhalten des spanischen Kaisers erscheinen, wenn wir Zweck und Mittel seiner Thätigkeit vergleichen.

Mit seinen politischen Tendenzen einer kaiserlichen Weltstellung hat Karl auf's Engste diese Erneuerung und Befestigung der mittelalterlichen Kirche an allen Stellen verbunden. Das leidet keinen Zweifel, caß in jenen Jahren dies wirklich das bewußte Ziel seiner Thätigkeit geworden. Aber wir beobachteten auch, in welcher Weise er dieses sein Ziel zu erreichen bemüht war: es waren doch nicht allein religiöse und kirchliche Mittel, nein, es waren auch die Waffen und Künste der Politik, die er für die religiösen Zwecke in Bewegung gesetzt hat.

Die kaiserliche Staatskunst hat die deutsche Protestantenfrage behandelt wie jede andere politische Machtfrage.

Einmal hat sie durch listige und schlaue Anstalten alle Hindernisse aus ihrem Wege zu schaffen gesucht, hat sie selbst protestantische Gegner zu überlisten, zu betrügen gewußt: von den Protestanten Hülfe für politische Dinge zu erlangen, gab sie doppelsinnige Verheißungen eines Conzils, und von dem protestantischen Bunde einzelne Kräfte zu lösen, gab sie zweideutige Zusicherungen einer religiösen Toleranz; und in beiden Fällen war sie sich der Doppelsinnigkeit ihrer Aeußerungen wohl bewußt: ja sie rechnete darauf, den Gegner in einer solchen Formel zu überlisten, und die abgefallenen Protestanten in die Kirche zurückzuführen versuchte sie durch einen derartigen Betrug. 3ch meine, wenig entsprach dieses politische System der Heiligkeit des religiösen Zweckes, den die Seele dieses Kaisers doch unabläßig verfolgt hat.

Ein ander Mal, als alle diplomatische Ueberlistung nichts gefruchtet, erhob sich die kaiserliche Macht zu einem bewaffneten Angriff auf die Protestanten; durch Heeresgewalt sollte jetzt die Reinheit und Einheit der Kirche gesichert werden. Und auch das ist ein Heilsweg, an dessen Nußen uns einiger Zweifel gestattet sein wird.

Und diesem Verhältnisse haben auch die Resultate dieser ganzen Regierung entsprochen.

Wie sehr auch Karl von dem Geiste dieser spanisch - katholischen Politik erfüllt sein und wie sehr auch seine Begeisterung sich zu dem Gedanken erheben mochte, die mittelalterliche Weltherrschaft in Kirche und in Staat herzustellen; wie sehr er auch zu diesen Zielen in selten erreichter Virtuosität alle Mittel seiner Staatskunst aufbieten mochte: es war doch unmöglich, ein solches Ziel mit solchen Mitteln auf solche Weise zu erreichen, und an der Unmöglichkeit seines Grundgedankens haben alle Erfolge, die Karl im Einzelnen errungen, auch nichts zu ändern vermocht.

12.

Um ersten September 1547 eröffnete Karl den Reichstag in Augsburg. Seit jenem Wormser Tage von 1521, an welchem den neugewählten Kaiser die Begeisterung der Deutschen freudig empfangen und ihm die Möglichkeit gegeben hatte, des deutschen Reiches Verfassung mit dem Beifall der Nation neu zu gestalten, seit jenem Wormser Tage, an welchem der Kaiser seinen Weg von dem des Reiches getrennt hatte, war nicht wieder eine solche Versammlung zu Stande gekommen, auf der der Kaiser eine so überwiegende Macht befessen, wie er sie jezt in Augsburg entfalten konnte.

Nachdem er die Macht seiner Gegner in zwei Feldzügen zu Paaren getrieben, nachdem er auch die sich freiwillig Ergebenden zu einem Gehorsam verpflichtet hatte, zu einer Unterwerfung unter seine neu zu errichtende Ordnung, gab es kaum irgend einen Widerstand im Reiche, der ihn ernstlich an der Neuordnung aller Verhältnisse hätte hindern können. So gewaltig war seit einem Jahre des Kaisers Stellung geworden. Mit allen katholischen Ständen war er verbündet, einen Theil der protestantischen Stände hatte er durch Separat-Verträge sich verpflichtet und die Anderen dieser Protestanten hatte er mit offener Gewaltthat sich unterworfen: da mußte sich ihm die beste Aussicht bieten, die religiöse Frage in Deutschland nach seinem Willen zu ordnen.

Dem Reichstage hatte der Kaiser die doppelte Aufgabe gesetzt, ebensowohl diese religiöse Ordnung für Deutschland zu erlassen als auch für die politische Neugestaltung des Reiches ein neues und sicheres Fundament zu legen. Wir betrachten zunächst das Eine und dann das Andere.

In der Proposition ließ der Kaiser den Ständen vortragen, daß die religiöse Spaltung, die Alles Uebels Wurzel und Hauptursache ge=

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