Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Es ist eine eigenthümliche und seltsame Mischung verschiedener, widerstrebender, feindlicher Motiven und Interessen, dieses Gewebe der spanisch-kaiserlichen Politik! Eine merkwürdige Erscheinung ist auch der Mann, der die Seele des Ganzen gewesen.

Fassen wir an dieser Stelle die Persönlichkeit und die Tendenzen dieses Kaisers Karl V. auch einmal genauer in's Ange.

Am 24. Februar 1500 wurde dem Erzherzog Philipp, dem Herrn der Niederlande, dem Erben Maximilians I., und seiner Gemahlin, der spanischen Prinzessin Donna Juana ein schwächliches Kind geboren, das den Namen Karl erhielt. Nach dem frühen Tode des Vaters und bei dem unglücklichen Wahnsinn der Mutter wurde seine Erziehung in den Niederlanden von seiner Tante, der Erzherzogin-Statthalterin Margarethe, geleitet. Karl wurde von einem niederländischen Professor (rem nachherigen Papste Hadrian) in wissenschaftlichen Dingen und von dem Hofmeister, dem Herzog von Chièvres, in den ritterlich körperlichen Spielen nach damaliger Sitte unterrichtet. Es ist uns nicht bekannt, ob er irgend eine besondere Vorliebe zu irgend einer Beschäftigung gezeigt habe; nur das steht fest, daß er Chièvres Persönlichkeit lieb gewann und ihm immer mehr Einfluß über sich gestattete. Als er dann nach dem Tode Ferdinands des Katholischen nach Spanien ging, war er, der in niederländischen Sitten Erzogene, den Spaniern eine fremde und eine verhaßte Erscheinung: es hat manches Jahr gedauert, bis er in sympathischere Beziehungen zu der spanischen Nation getreten ist, ein eigentlich herzliches Verhältniß hat sich wohl niemals entwickelt.

Von den Befähigungen des jungen Fürsten hatte man damals nur eine sehr geringe Meinung1): wie er durchaus abhängig war von dem Willen des Herzogs von Chièvres, so konnte er auch in keiner Beziehung zu einer selbständigen Meinung oder zu einem selbständigen Willensacte gelangen.

Er lernte in Spanien nicht die Politik des spanischen Großvaters fortsetzen. Alles, was seine Regierung that, war von den Gesichtspunkten des väterlichen Großvaters; des habsburgischen Max' beherrscht. Die Minister jener burgundisch niederländischen Politik, die

1) So berichten die Venetianer aus Spanien 1517.,,Esso re per la qualita soa non e hom di far molto conto, und auch: Quel re di Spagna e reputa per niente per esser giovene (bei Lanz Mon Habsburg 2. Abtheilg. Einleitg. p. 220.) Vgl. Ranke, Fürsten und Völker. I. p. 131.

im Dienste Maximilians I. mit ihrem Herrn in den Nebelträumen des christlichen Universalreiches geschwelgt hatten, sie haben auch der spanischen Politik König Karls I. von Spanien Richtung und Losung gegeben; und auch als Kaiser Karl V. Mann geworden war, sind alle Fasern seiner Seele von diesen politischen Ideen erfüllt: der politische Ideenkreis Maximilians hat auch Karls Geist umgeben.

Mit den Jahren entwickelten sich die Anfangs verborgenen Anlagen des kaiserlichen Jünglings. Fast ven Jahr zu Jahr ist das fortschreitende Wachsthum zu erkennen, in welchem der unbedeutend und träge erschienene Jüngling sich in den mächtigsten Selbstherrscher seiner Zeit verwandelt hat. Schon im Jahre 1525 hören wir, daß er die Freuden, denen sonst jugendliche Fürsten nachzugehen pflegen, nicht übermäßig beachte, daß er aber an den Geschäften des Rathes Gefallen finde, daß er thätig und fleißig mit seinen Staatsräthen zu arbeiten pflege2). Und wenn wir auch im Verlaufe seines Lebens zuweilen von Liebschaften des Kaisers hören, wenn wir vielleicht auch Spuren von übermäßigen Excessen und Ausschweisungen, auch in den Freuden der Tafel, begegnen, so finden wir doch nicht, daß diese Dinge an irgend einer Stelle den Kaiser beherrscht oder ihn gar einem persönlichen Einflusse von irgend einer Seite unterjocht hätten. Auch an der Jagd, an körperlicher Bewegung, an militärischem Spiele fand Karl mehr und mehr Gefallen. Obwohl schon früh von Krankheiten heimgesucht und im Mannesalter von der Gicht hart geplagt, war er doch immer zu rascher Thätigkeit und Bewegung bereit: in Mitten aller körperlichen Schmerzen und Leiden nie ganz niedergedrückt, erhob er sich bei dem ersten Rufe zu allen Strapazen, die man von ihm fordern konnte.

Seine Theilnahme an den Staatsgeschäften ist immer mehr gewachsen unter der Leitung seiner Minister hat er die Lage Europa's auf allen Seiten studirt und sich selbst immer mehr mit den kaiserlichen Tendenzen erfüllt. Die Bewältigung des rivalisirenden Valois und der große Zug des Abendlandes gegen den Islam, das sind die beiden Unternehmungen, zu denen sich mehr und mehr Karls Wille und Geist gerüstet hat. Noch weilte er eine Zeit lang in Spanien, stille sizend, und in der Thätigkeit Anderer lernend; aber in den Arbeiten seines Rathes, denen er mit Eifer oblag, hat er selbst die Geschäfte

2) Relation Contarinis von 1525 (Alberi, Serie I. Bd. 2.) Vgl. p. 61. Derselbe berichtet, daß auch nach dem Comuneros - Aufstand Karl bei seinem spanischen Bolke noch immer verhaßt sei. p. 44 und 45.

zu treiben gelernt. Als er 1529 Spanien verließ, da, denke ich, war seine Lehrzeit vollendet, da glaubte er selbst eingreifen zu dürfen2a).

Zuerst war er von Chièvres beherrscht gewesen, dann hatte ihn Gattinara vollständig geleitet, jest nach Gattinara's Tode wurde er von Cobos und Granvella berathen. Von einer Herrschaft oder einer unbedingten Leitung Eines Ministers konnte jezt nicht mehr die Rede sein: Karl selbst sah jetzt den Zusammenhang der Dinge, Karl selbst gab die Entscheidung in den vorgelegten Fragen, er hörte nur noch den Rath erfahrener und verständiger Minister. Von seinen beiden Staatssecretären hat ohne Zweifel in der ersten Zeit Cobos den überwiegenden. Einfluß gehabt und, wenn ich so sagen darf, die Stellung des Premierministers eingenommen. Mit den Jahren aber kam Granvella in diese erste Stelle; und nachdem Karl Cobos in Spanien 1543 als den vertrauten Rathgeber des Sohnes zurückgelassen hatte, da war Granvella uneingeschränkt der Erste im Rathe und im Vertrauen des Kaisers. Mit Geschicklichkeit wußte Granvella in die Intentionen seines Kaisers einzugehen und die große Politik wie seine eigne Sache zu führen. Aber es kann keinem Zweifel unterliegen, der Führer und Meister war nicht Granvella, war Karl selbst. Seit er eben in jenem Jahre 1543 den spanischen Boden verlassen, war Karl persönlich Herrscher und Rathgeber in allen wichtigeren Fragen, entschied und vollzog er persönlich die wichtigeren Acte seiner Staatsregierung.

In jenen Jahren des Protestantenkrieges hat allerdings Karl noch manchen Minister mit wichtigen Dingen betraut, zu vertraulichen Missionen noch manchen ergebenen Freund und Diener benutt, aber auf die wesentliche Entscheidung der Dinge hat Niemand von ihnen einen Einfluß geübt; sie alle waren nur Werkzeuge in der Hand des Meisters. Zu den wichtigeren Berathungen pflegte höchstens der Herzog von Alba hinzugezogen, es pflegte höchstens mit dem Beichtvater jenem Pedro de Soto; geredet zu werden. Der Rath_dieses (spanischen Mönches vor Allem dürfte wohl der einzige sein, der neben Granvellá bei dem Kaiser selbst Eingang fand. Alles Andere, zu dem man noch Andere hinzuzog, waren Fragen des Details oder der Ausführung, in denen man sich so oder so entscheiden konnte: Richtung und Tendenz dieser Politik aber wurde allein mit Granvella und Soto besprochen.

2a) Der Unterschied tritt besonders scharf zu Tage bei einem Vergleich der citirten Relation Contarini's mit einer andern desselben Contarini von 1530. (Al= beri Serie II. Bd. 3.)

Wie verschieden ist in dieser Beziehung doch dieser Karl von den zeitgenössischen Regenten! Wie verschieden vor Allem von dem französischen Rivalen! Während Franz, den Vergnügungen nachhängend, stets dem Einflusse eines Ministers unterliegt, ist Karl in politischen Geschäften thätig, selbst die Seele seiner Regierung, selbst der kaiserliche Staatsmann gewesen 3).

Und wenn so die Leitung dieser ganzen Politik seit seinem Mannesalter allein bei dem Kaiser gewesen, so hat auch an der Ausführung. der einzelnen Beschlüsse Karl selbst seinen sehr bestimmten Antheil gehabt.

Allerdings, es lag in der Natur eines Reiches, das aus so vielfachen Bestandtheilen sich zusammenseßte, daß ein jeder der Theile ein gewisses Maaß von Selbständigkeit behaupten mußte. Die lokale Regierung in den Einzelheiten und Besonderheiten der Verwaltung mußte von dem Ganzen unabhängig bleiben; es war nicht möglich, daß aus der Mitte der spanischen Halbinsel oder von einem deutschen Reichstage aus eine straffe Regierung über die Niederlande, über Deutschland, über Italien ausgeübt wurde. Und wir finden in der That, daß die Regierungen jener Lande eine ziemlich hohe Unabhängigkeit behaupteten. König Ferdinand in Deutschland und Königin Marie in den Niederlanden haben nach eigenen Gesichtspunkten in vielen Dingen die Geschicke ihres Landes bestimmt und haben von dem specifischen Interesse des ihnen anvertrauten Gebietes aus auch Vorstellungen gegen die Gesammtpolitik zu erheben gewagt und auf die Entscheidungen der Gesammtregierung einzuwirken versucht. Auch die italienischen Statthalter Karls behaupteten eine ähnliche Stellung. Wie selbständig, fest und geschlossen war nicht Toledo's Regiment in Neapel; und gar Gonzaga's Verwaltung von Mailand konnte mit Recht manchem Zeitgenossen als eine fast willkürliche und unumschränkte erscheinen1): so hatten doch Gonzaga's persönliche Bedeutung und persönlicher Wille, welche bei Karl durch Granvella vertreten wurden, wie wir sahen, jene lezte Wendung in der italienischen Politik des Kaisers veranlaßt.

Einen bedeutenden Antheil hatte Karl selbst an den militärischen Erfolgen seiner Regierung. Nachdem er einmal sich erst in einem Feldzuge. geübt hatte, gewann er Fertigkeit und Befriedigung in der Rolle des

3) Vgl. die interessante Parallele des Venetianers Giustiniano von 1538.. (Alberi Serie I. Bd. 1. p. 203 ff.)

II.

4) So rühmte sich Gonzaga selbst an den Cardinal von Ferrara. Vgl. Ribier p. 220 ff.

Feldherrn. Von den großen Generalen, die im ersten Jahrzehnte seiner Regierung seine Heere zum Siege geführt hatten, war ihm nachher für seine großen Feldzüge auch nicht Einer am Leben geblieben. Ein Glück, daß er selbst diesen Mangel zu ersetzen wußte. Großen Ruf in Europa genossen sowohl Alba als Gonzaga, aber schärfer zublickende Zeitge= nossen haben schon geurtheilt, daß der größte Feldherr, den Karl gehabt, er selbst gewesen sei 5). Von ihm durfte man rühmen, daß er Vortheile und Nachtheile im Felde schnell zu überschen wisse, daß er zu allen schwierigen Dingen Muth beweise, daß er in der Ausführung seiner Pläne keinen Augenblick zage. Er selbst hat den siegreichen Zug nach Tunis geführt, ihm selbst war die Rettung des Heeres vor Algier zu danken, er selbst hat den Einfall ins Herz von Frankreich geleitet, er selbst hat endlich wohl die trefflichen Dispositionen in dem Feldzuge des Herbstes 1546 entworfen. Und Karl konnte es auch keinen Augenblick verbergen, daß er trotz seiner Kränklichkeit und persönlichen Schwäche in diesen Dingen des Krieges lebe und webe. Im Lager war er rührig, munter, aufgeweckt, hier wollte er selbst Alles sehen und selbst Alles leiten, hier verläugnete er den großen Kaiser und that Dienste wie jeder andere General.

Auch in den eigentlichen Geschäften des Politikers, in den Verhandlungen, Conferenzen, Audienzen war Karl bestrebt, seiner Stellung zu genügen. Wie er schon in jenen Jahren der Ruhe in Spanien an den Sizungen und Debatten seiner Räthe gern Theil genommen hatte, so hat er auch später es oft übernommen, selbst eine wichtige politische Sache zu führen. In den persönlichen Begegnungen mit dem Papste erschien er schon 1529 auf das Trefflichste instruirt und zu den bevorstehenden Debatten vorbereitet. Ueberhaupt den Fürstencongressen, den persönlichen Zusammenkünften der politischen Häupter war er nicht abgeneigt; und wie oft liebte er es nicht, wichtige Verhandlungen mit einem fremden Gesandten persönlich abzumachen! Aber ich glaube, trotzdem ist Kaiser Karl ein schlechter Diplomat gewesen. Seine reizbare Natur hat ihn oft zu Aeußerungen hingerissen, die mit der Würde seiner Stellung und dem Ernste der Sache sich nicht vertrugen. Die Scenen, die er den Nuncien in jenem Frühjahr 1547 bereitete, waren gewiß nicht der Art, ihm Ansehen bei diesen Italienern zu verschaffen. Und es scheint, ob als allmälig man am Hofe des Kaisers dies eingesehen

5) Navagiero 1546. Bei Alberi Serie I. Bd. 1. p. 306 ff.

« ZurückWeiter »