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kaiserlichen Politik durch alle militärischen und höfischen Siege vom besten Erfolge gekrönt waren, hat die spanische Staatskunst des Kaisers Karl V. seinen deutschen Fürsten eine Lektion in praktischer Politik ertheilt, deren Inhalt sie durch eigenen Schäden kennen lernten. Zum Heil der deutschen Nation und der deutschen Reformation hat wenigstens Einer von diesen deutschen Fürsten in dieser politischen Schule seines Meisters Etwas gelernt.

10.

Durch diese Ereignisse war die Macht der protestantischen Gegner gebrochen: wie jezt die Häupter des protestantischen Bundes durch Karls Waffen niedergeschlagen waren, durfte er erwarten, daß der Widerstand auch an keiner Stelle in Deutschland mehr von ernstlicher Dauer sein werde. Und in der That, auch dort, wo sich eine Zeitlang noch die Opposition aufrecht erhielt, gelang es Karl und Ferdinand bald alle Schwierigkeiten zu überwinden; es blieben wohl im nördlichen Deutschland noch vereinzelte Elemente übrig, die sich dem kaiserlichen Glücke noch nicht unterwarfen, aber es wollte das Alles doch in diesem Jahre nicht viel bedeuten. Die antikaiserliche Strömung, die vor einem Jahre die nationalen Kräfte mit sich fortzureißen geschienen, hatte nun alle Be= deutung verloren: Kaiser Karl hatte jezt freie Hand und freien Raum gewonnen über Deutschland zu schalten.

Ein Gefühl der Spannung und Erwartung ging durch die Nation, was der Kaiser auf dem für den Herbst nach Augsburg berufenen Reichstage zunächst vornehmen werde. Da mußte es sich zeigen, ob der Schmalkaldener Krieg ein Religionskrieg gewesen, da mußte es klar werden, ob Karls Versicherungen an seine Verbündeten, er werde sie in ihrer Religion nicht belästigen, ob diese schönen Worte allgemeiner Friedfertigkeit die wahre Gesinnung des Kaisers enthielten.

Auf solche Erfolge des Krieges hatte man wahrlich in Rom nicht gerechnet. Weder bei dem Abschluß der kaiserlichen Liga hatten diese italienischen Kirchenpolitiker dies als den Ausgang ihrer Ermahnungen zum Keterkriege in's Auge gefaßt, rühmte sich doch später der Papst, den Kaiser durch diesen Krieg in eine Sache verwickelt zu haben, in

der er nicht so leicht zum Ziele gelangen könne, und bedauerte er es doch mit großer Selbsterkenntniß, daß er durch die Hülfe zum deutschen Kriege sich selbst nur Uebeles zugefügt habe1) noch hatte der Papst geglaubt, daß seine Freude über momentane Erfolge der Keßer sich so bald in's Gegentheil verkehren werde2). Dem siegreichen Kaiser war es gewiß rathsam eine andere Miene zu zeigen.

Wir begreifen es leicht, wie sehr den Kaiser inmitten des sächsischen Feldzuges alle diese Nachrichten aus Italien verletzen mußten. Zu allen den negativen Schritten des Papstes, zu der treulosen Abberufung seines Hülfsheeres, zu der Schmälerung und Verweigerung der Subsidien war jetzt noch eine neue directe Beleidigung des kaiserlichen Ansehens gekommen: wenigstens die kaiserliche Politik wußte die Verlegung des Conziles von Trident nach Bologna nicht anders aufzufassen. Karl besann sich keinen Augenblick, dem Verhalten seiner spanischen Prälaten beizustimmen und in scharfer Weise Zurücknahme des Geschehenen zu fordern 3); und zugleich mit dieser Forderung der schleunigen Rückkehr der Prälaten aus Bologna nach Trident ließ Karl auch eine Andeutung machen, was er noch weiterhin in Bereitschaft halte: wenn der Papst die Bologneser nicht sofort nach Trident zurückschicke, werde Karl die Gültigkeit der Verlegung nicht anerkennend gegen jeden conziliaren Akt in Bologna feierlich und förmlich protestiren und seinerseits jene Prälaten nicht als ein Conzil betrachten. Gleichzeitig wurden auch die Agenten in Trident angewiesen, über diesen Protest zu berathen, ihu mit stattlichen Rechtsgründen und kräftigen Rechtsdeduktionen zu stützen und in gehöriger Form vorzubereiten: einstweilen zwar wünschte Karl das Schisma noch zu vermeiden und auch die wenigen Spanier in Trident noch nicht als ein Gegenconzil zu benutzen.

Papst Paul legte nun auch von seiner Seite dem Kaiser den Wunsch vor, daß jene halsstarrigen Spanier sofort nach Bologna geschickt würden, und daß man dort erst berathen sollte, was jezt vorzunehmen sei, ob eine Rückkehr des Conziles nach Trident oder vielleicht eine Verlegung an einen anderen, beiden Theilen genehmen Ort geschehen könne. Darauf ließ sich Karl natürlich nicht ein): wenn er auch am 14. April

1) So äußerte sich der Papst an den Cardinal von Guise im October 1547. Vgl. Ribier II. p. 75.

2) Ribier I. 637.

3) Anhang V. 13. 4) Anhang V. 14.

dem Nuncius erklärte, er wolle jezt nicht über die Stellung der päpstlichen Gewalt zu dieser Conzilfrage streiten, so hielt er doch fest an dem Prinzipe, daß das Geschehene ungültig sei, daß sofort und ohne jegliches Compromiß die Bologneser nach Trident zurückzugehen hätten: das war seine Basis, und nur von ihr aus wollte er über Weiteres verhandeln. Auch bei dieser Gelegenheit kam es zu persönlichem heftigem Wortwechsel; begreiflich ist es uns, wie Karl immer mehr sich gereizt fühlte. Auch hier schonte er des Papstes Persönlichkeit nicht; auch hier fuhr er auf den Nuncius ein, der ihm punktweise mit kaltem Blute zu widersprechen wagte. Auch hier drohte er dem alten Italiener in Rom in unumwundenster Weise: nicht nur nach Bologna, rief er einmal aus, nein, auch nach Rom werde er seine Prälaten zum Conzile senden, aber er werde sie begleiten, er selbst, der mächtige Kaiser werde das Conzil in Rom abhalten.

Fürwahr, der Papst war in eine peinliche Lage gerathen. Die geistliche Seite der Conzilfrage war an dieser Stelle mit den politischen Machtfragen in solcher Weise verwickelt worden, daß es unendlich schwierig scheinen mußte, das Verworrene und Verfahrene wieder in Ordnung und in die richtige Straße zu bringen. Wenn der Kaiser und der spanische Katholizismus an den Tridentiner Resten des Conzils fest= haltend, jene Prälaten in Bologna wohl für eine achtungswerthe Zusammenkunft von Geistlichen, aber nicht für ein ökumenisches Conzil ansehen wollten, so durften doch der Papst, die Legaten, das Collegium der Cardinäle nicht zugeben, daß ihre Beschlüsse verwerfliche seien, und vor allen Dingen mußten sie sich wehren, daß nicht der Kaiser, der weltliche Herrscher, sich das gebietende und entscheidende Wort auch in den geistlichen Fragen anmaße. Die Würde der geistlichen Stellung zu wahren, auch gegen den katholischsten Kaiser zu wahren, war gewiß ein berechtigter Gesichtspunkt 5). Und auf der anderen Seite mußte doch Alles den Papst davon zurückhalten, den Bruch mit dem Kaiser zu vermeiden, nicht die äußersten Schritte des kaiserlichen Zornes geschehen zu lassen. Auch der politische Rückhalt war dem Papste doch noch nicht sicher. Zwar waren mit König Franz von Frankreich schon Erklärungen gewechselt, die auf eine päpstlich- französische Liga hindeuteten; aber nach König Franz' Tode waren im Reiche Heinrich II. die Verhältnisse doch noch nicht so geordnet, daß man wirk

5) Vgl. des Papstes Erörterungen an Mendoza bei Döllinger S. 60. (Eg muß dort Zeile 4 von unten jedenfalls como V. M. ftatt con V. M. heißen.)

lich ein solches Bündniß hätte schließen können. Im Gegentheil, es kam jezt in die französische Regierung wieder Montmorench, der alte Vorkämpfer für eine kaiserlich-französische Verbindung, der in jener kurzen Epoche nach dem Nizzaer Stillstand Franz schon einmal für seine Auffassung gewonnen hatte und der bei dem erneuerten Bruche in Ungnade vom Hofe entfernt war. Es schien jetzt, als ob die französische Politik zu diesen friedlichen Tendenzen zurückkommen könne: wenigstens dauerte es Monate lang, chetdie Reibungen der neuen Staatsgewalt mit dem Papstthume beseitigt waren, und ehe der Guisen Eroberungspolitik die Regierung Heinrichs II. beherrschte. In jenem Augenblicke also, als die Entscheidung zwischen Trident und Bologna, zwischen den kaiserlichen und dem päpstlichen Conzile zu treffen war, mußte der Papst der französischen Hülfe entbehren und eine Versöhnung mit dem kaiserlichen Standpunkte versuchen.

So kam es, daß nach den Scenen in Trident, als man allenthalben einen ernstlichen Zusammenstoß von Kaiser und Papst erwartete und befürchtete, die päpstliche Politik in ihrem antikaiserlichen Eifer nachlassend in milderer Stimmung einzulenfen sich entschloß.

Der Papst schickte als Legaten an den Katser den Cardinal Sfondrato®), einen Mailänder Juristen, der in kaiserlichen Diensten sich des Kaisers Zufriedenheit erworben, und der auch in Rom zu den ergebensten Anhängern der kaiserlichen Politik gezählt werden durfte. Es hatte dieser Legat zuerst die Instruktion gehabt, Karl zur Aufnahme einer englischen Politik zu bewegen, ihm das Seelenheil des englischen Reichs anzuempfehlen, und ihn zu entschiedenen Schritten bei der jungen Regierung Eduards VI. zu veranlassen. Es war ihm dann auch der Auftrag ertheilt, in der conziliaren Controverse Papst und Kaiser zu versöhnen. Dieser Sfondrato traf nun auf der Reise nach Deutschland in Viterbo mit dem neuen Gesandten des Kaisers am päpstlichen Hofe, dem mächtigen Spanier Diego de Mendoza zusammen. Und hier suchten die beiden Diplomaten Aufklärung über die Anschauung des Gegners zu gewinnen und die Möglichkeit einer Vermittlung, eines Ausweges, einer Vereinigung in einer neuen Lösung herbeizuführen. Das Erste dazu und das haben die beiden schon in Viterbo ausgemacht — war, die Dinge einstweilen in ihrer jeßigen Lage zu erhalten und zu verhüten, daß nicht durch Akte der Versammlung in Bologna der Zwist weiter reiße).

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6) Pallavicino X. 1.

7) Vgl. Depesche Mendoza's vom 3. Mai. Döllinger p. 53 ff.

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