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wie sehr sie sich auch steigern mochten, schenkten weder die kaiserlichen Diplomaten in Italien, noch die kaiserlichen Minister im deutschen Feld= lager Glauben: sie waren der schlechten Dienste, die der Papst der gemeinsamen Sache erwiesen, eingedenk und fannen darauf, gleichzeitig mit der Restitution des Conziles in die frühere Lage, auch den Papst empfindlich zu strafen.

Zunächst mußte eine Entscheidung in Deutschland gesucht werden.

Nachdem in Süddeutschland die Unterwerfung der Städte vollzogen war, brach das kaiserliche Heer nach dem Norden auf, die Truppen der Protestanten in ihren eigenen Gebieten aufzusuchen.

Das Heer des Schmalkaldener Bundes hatte sich im November des vergangenen Jahres in beschleunigtem Marsche in die Gebiete Sachsens und Hessens zurückgezogen. Ohne Mühe hatte es des neuen Kurfürsten Moriß Waffen aus Sachsen vertrieben und sogar seine Lande erobert. Johann Friedrichs Heer hatte überhaupt in dem März 1547 einen Vortheil nach dem anderen errungen und eine glückliche Stellung behauptet. Auch im Königreich Böhmen war ein Aufstand gegen König Ferdinand ausgebrochen, der dem sächsischen Kriege die Hand reichte. Es war in den Tagen dieses protestantischen Glückes, daß König Franz der deutschen Opposition Gelder und Soldaten zu senden versprach, und daß in Rom sich des Papstes Herz mit froher Zuversicht auf eine Niederlage des Kaisers rüstete 33). Und in der That, die Gefahr einer Niederlage war für den Kaiser nicht unwahrscheinlich. Aber Karl selbst wankte keinen Augenblick. Auch wenn der Türkenkrieg Deutschland überziehen sollte, auch wenn der Franzose in's Reich hereinbrechen wollte, Karls Entschluß war unerschütterlich fest, die Protestanten im eigenen Lande aufzusuchen.

Nachdem er von den süddeutschen Städten Geldcontributionen erpreßt, nachdem er die großen unentschieden gebliebenen Territorien zu einer Erklärung ihrer Lage veranlaßt, zog er im März seinem Bruder und dem Herzog Moritz zu Hülfe34).

Wenngleich krank, war Karl selbst doch zum Schlagen muthig. Er selbst drang auf diesen Zug, es war ihm ein persönliches Bedürfniß, die hartnäckigen Rebellen persönlich zu züchtigen: es war sein Wunsch, je eher je lieber die entscheidende Schlacht zu wagen. Alle

33) Vgl. Ribier I. 637 und 639.

34) Karl's Schreiben vom 20. März an Ferdinand bei Lanz II. p. 552 und an Philipp im Anhang IV. 16.

Versuche einer Ausgleichung, die ihm heute Hessen und morgen Sachsen entgegengebracht, oder die ihm der Herzog von Cleve und der König von Dänemark vorgelegt hatten, alle wies Karl ab oder stellte so hoch getriebene Forderungen, daß es dem Gegner unmöglich war, auf solche Bedingungen sich zu ergeben 35).

Es erfolgte der Zusammenstoß der feindlichen Heere auf sächsischem Boden. Am 24. April erfocht Karl bei Mühlberg den glänzendsten Sieg über Johann Friedrich. Wie die Spanier im Heere Karls alle von dem Eifer und der Wuth gegen die Kezer glühten, so war Karl selbst, krank und gebrechlich, doch von Leidenschaft und Siegeszuversicht erfüllt gewesen. Es war der Kämpfer des spanischen Katholicismus, der hier, von religiösem Fanatismus erfüllt, den deutschen Protestanten niederschlug, wie er auf spanischem Boden den Jünger Mohamed's be= fehdet hatte. Am Abende des 24. April hatte Karl das Heer des Gegners aufgerieben und ihn selbst, den deutschen Kurfürsten, als seinen Gefangenen vor sich.

So hat das Glück der Waffen durchaus für den Kaiser entschieden. Der Widerstand des großen protestantischen Bundes war vollständig. vernichtet, die Unterwerfung des deutschen Reichs unter das Gebot des Kaisers war hier, wie es schien, unwiderruflich entschieden. Es schien ein Leichtes, aus dem Sieg der Waffen die Folgen für die politische Lage zu ziehen.

Die nächste Maßregel, die sich bot, war, die Vernichtung des Gegners bis zur Unterwerfung aller Lande des protestantischen Bundes zu verfolgen. Es wurde die Frage aufgeworfen und ernstlich erörtert, ob Johann Friedrich Land und Leben verwirkt habe, und eb man bis zur Todesstrafe gegen ihn, den Rebellen und Kezer, schreiten solle. Es durfte das doch als ein abschreckendes Beispiel für alle rebellischen Ketzer aufgestellt und zur Beilegung der religiösen Differenzen benutt werden. Den Gesichtspunkten des spanischen Beichtvaters hätte es vollkommen entsprochen, Johann Friedrich den Kopf abzuhauen; aber die Politiker, der jüngere Granvella und der Herzog von Alba, überlegten, welch' besseren Nutzen man von einer Begnadigung Johann Friedrichs ziehen. könnte; wenn das sächsische Land als Preis für das Leben seines Landesherrn alle festen Pläge in kaiserliche Hand liefern wollte, wenn Johann Friedrich zum Verzicht auf die Kurwürde gebracht wurde, so konnte dem Kaiser auch die Gefangenschaft dieses sächsischen Fürsten

35) Karl 10. April im Anhang IV. 17.

genügen. Auf solche Bedingungen hin ward auch am 19. Mai die Wittenberger Capitulation abgeschlossen, welche so die erste Frucht des Mühlberger Sieges zur Reife brachte36). Morig ward im Kurfürstenthum als der neue Landesherr anerkannt, und Johann Friedrich, der frühere Kurfürst, jezt Herzog von Sachsen, mußte dem kaiserlichen Lager als Gefangener folgen.

Es galt auch den zweiten Führer des protestantischen Bundes in die Macht des Kaisers zu bringen. Schon in dem vergangenen Winter hatten mehrfache Versuche Statt gefunden, den Landgrafen Philipp in den Gehorsam des Kaisers zurückzuführen und ihn, den Schwiegervater des Kurfürsten Morit, durch gütlichere Mittel als durch Waffengewalt mit dem Kaiser zu versöhnen. Aber bis hierhin war aller Versuch einer Vermittlung an der Hartnäckigkeit beider Theile gescheitert: was Philipp bot, genügte dem Kaiser nicht, und eine unbedingte Unterwerfung, wie Karl sie forderte, hätte des Landgrafen Stellung völlig vernichtet. Erst der Sieg bei Mühlberg und die Besetzung des sächsischen Landes brachten den Landgrafen auf gefügigere Gedanken. Als jezt Kurfürst Joachim von Brandenburg und mit ganz besonderem Eifer Kurfürst Moritz die Versöhnung des Landgrafen mit seinem Kaiser betrieben, den Ausbruch des kaiserlichen Unwetters von Hessen abzuwenden, da gelang es ihren Bemühungen, einen Vergleich zu erzielen. Und es war ein Triumph der kaiserlichen Staatskunst, ein gewagter und gelungener Staatsstreich, wie Karl hier die Unterwerfung des Landgrafen Philipp unter seinen Willen zu Stande gebracht hat.

Während Karl, auf alle Fälle sich rüstend, auch die Möglichkeit eines hartnäckigen Widerstandes in Hessen in's Auge faßte, während er auch zu einem etwa nöthig werdenden kriegerischen Zuge sich erhob, legten ihm die vermittelnden Fürsten des Landgrafen Vorschläge vor37). Karl wies sie entrüstet zurück; und erst die Artikel, die dann Moriz und Joachim aus eigenem Willen dem Kaiser vortrugen, fanden in seinem Rathe Billigung 38). Sie setzten fest, daß alle hessischen Festungen, mit Ausnahme etwa Eines Plazes, dem Kaiser übergeben.

36) Vgl. des Bischof von Arras Schreiben vom 20. und des Sekretair Bave vom 21. Mai bei Ranke VI. p. 414-417. (Sollte auf Seite 417. 3. 17 v. o. statt de Mendes nicht d'amendes zu lesen sein?)

37) Karl vom 1. Juni 1547 bei Lanz II. p. 572 ff.

38) Diese Artikel vom 2. Juni, die zwischen Moriß und Joachim und dem Kaiser verabredet wurden, sind die Grundlage des ganzen Verfahrens. Bucholt IX. p. 423.

werden sollten, und machten ferner aus, daß Landgraf Philipp sich selbst zu Gnad und Ungnad" in die Hand des Kaisers begebe. Den beiden Vermittlern gab Karl dabei die Versicherung, daß diese allgemein gehaltene Unterwerfungsformel, die der Landgraf eingehen müsse, „,,nicht zu körperlicher Strafe oder beständigem Gefängniß“ führen sollte. Darauf setzten dann auch diese Fürsten ihre Versuche bei Landgraf Philipp fort und schlossen die Abkunft auf jene Bedingungen: sie waren der Meinung, daß keine Gefahr für Philipp aus dieser seiner Unterwerfung entstehen könne; sie beredeten ihn zur persönlichen Erscheinung bei dem Kaiser, zur persönlichen Demüthigung vor dem Herrscher; sie hofften gnädige Verzeihung alles Geschehenen ihm ausgewirkt zu haben.

Als so des Landgrafen Ankunft im kaiserlichen Lager bevorstand, erwog der Kaiser es reiflich, wie sehr er seine allgemeinen Pläne für Deutschland durch eine Gefangensetzung dieses unruhigen Opponenten fördern könne. Freilich, zu einem immerwährenden Gefängniß hatte er selbst sich die Berechtigung genommen, aber zu einem zeitweiligen war ihm doch auch in den Bedingungen, die er mit den Vermittlern am 2. Juni eingegangen, noch das Recht geblieben: und so entschloß er sich wirklich, bis zu der definitiven Ordnung der deutschen Verhältnisse die Gefangennahme und Bewachung des Landgrafen zu verfügen39). Und so geschah es. Der Kaiser nahm die Demüthigung des Landgrafen am 19. Juni entgegen und ließ ihn am Abende des= selben Tages durch seine Soldaten ins Gefängniß werfen. Da fuhren die beiden Vermittler mit heftigen Vorwürfen auf, daß der Kaiser sein Wort gebrochen, den Landgrafen nicht gefangen zu halten; aber bei einer näheren Erörterung der Sachlage mußten sie selbst es anerkennen, daß sie den Kaiser nur dazu verpflichtet hatten, den Landgrafen nicht für immer gefangen zu halten; und wenn sie ihrerseits die genaue Fassung dieser Klausel übersehen und dem Landgrafen versprochen hatten, es solle überhaupt seine Freiheit ihm nicht beschränkt werden, so war das eine Unachtsamkeit, eine Ungenauigkeit, ein Versehen von ihrer Seite, für das sie doch den Kaiser nicht verantwortlich machen durften. Ja, der Kaiser, durch den Vorwurf des Wortbruches empfindlich berührt, bestand darauf, daß sie ausdrücklich seine Berechtigung zu diesem Verfahren anerkennen sollten. Er durfte es ihnen auch vorhalten, daß schon bei der großen Scene der Abbitte er durch Verweigerung des

39) Karl an Ferdinand vom 15. Juni bei Bucholz IX. p. 427 und Ferdinand's Antwort vom 17. Juni, welche nicht zu dieser Gefangensetzung räth p. 428.

Handschlages an den Landgrafen keinen Augenblick seine Gesinnung verhehlt habe. Es blieb ihnen nichts übrig, als sich an des Kaisers Gnade wendend,' von ihm nur die Feststellung eines Zeitpunktes zu erflehen, bis zu welchem er den Landgrafen festhalten wollte. Aber Karl gab auch hierauf keine bestimmte Antwort, sondern erklärte, je nach dem Verlauf der deutschen Dinge und je nach dem ferneren Betragen dieser Fürsten sich entscheiden zu wollen 40).

So fand dies Ereigniß Statt, das vielleicht am meisten dazu beigetragen hat, bei der deutschen Nation diesen spanischen Kaiser Karl verhaßt zu machen. Daß er einen deutschen Fürsten, der sich in gutem Glauben, mit vertrauensvoller Zuversicht seiner Gnade überliefert und in einer Weise überliefert, die nach der Meinung der Mittelspersonen ihm keine schlimmen Folgen bringen konnte, dennoch festgehalten und mit seiner hinhaltenden Weise lange Jahre festgehalten hat, das ist auch in jenen Tagen dem deutschen Volke als verschlagene und verwerfliche Hinterlist und den deutschen Fürsten als rücksichtslose und erbarmungslose Bedrohung ihrer Stellung erschienen. Aber ich meine doch, wenn der Landgraf Philipp, der den Vertrag anders als der Kaiser verstanden, ein Recht zur Klage und Beschwerde über die Weise gehabt hat, mit der man ihm mitspielte, so hätte er weit richtiger seinen Vorwurf gegen die Unterhändler richten können, gegen die Fürsten, die mit dem Kaiser die Punktation vom 2. Juni getroffen und dennoch ihm ganz unbeschränkte Straflosigkeit in ihrem eigenen und auch im Namen des Kaisers zuzusagen gewagt haben. Freilich ist es auch bei diesen Fürsten nicht böser Wille gewesen, durch den sie den Landgrafen in die Schlinge des Kaisers geführt, — haben sie doch alle Anstrengungen aufgeboten, ihn aus der Hand des Kaisers wieder frei zu machen - aber der Mangel an Geschicklichkeit in politischen Dingen hat sich dieser Staatskunst des Kaisers gegenüber empfindlich gerächt. Und wenn sie selbst es anerkennen mußten, daß sie keinen Grund zur Klage gegen den Kaiser hatten, so hieß das doch dem Triumph des Kaisers die Krone aufseßen.

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In diesem Zuni des Jahres 1547, als die hohen Hoffnungen der

40) Karl an Ferdinand vom 23. Juni bei Bucholt IX. 429 ff. Der Bischof von Arras vom 20. und 21. Juni bei Lanz II. 585-588. Eine offizielle Relation über den Vorgang ward verfaßt. Lanz II. p. 589–595. Nach diesen Dokumenten bleibt in der That kein Zweifel mehr übrig, wenigstens nicht über die formelle Berechtigung des Kaisers.

Maurenbrecher, Karl V.

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