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allen Plänen einer Abtretung von Mailand widersetzt hatte, so hatte er schon wiederholt sich mit dem Gedanken getragen, durch einen Handstreich die beiden streitigen Pläße der päpstlichen Familie zu entreißen.) Als er nun auf italienischem Boden erschien, dauerte es gar nicht lange, und er war mit Pier Luigi in endlose Händel verwickelt. Wenn da auch stets gesagt werden konnte und gesagt wurde, daß der Kaiser mit diesen einzelnen Schritten seines Statthalters nichts zu thun habe, so reizten diese Anfechtungen seiner Gewalt und die fortgehende Nichtanerkennung seines Rechtstitels den Herzog von Parma in empfindlicher Weise. Und Gonzaga's Meinung war es überhaupt, nicht nur die bestehenden Rechte des Kaisers ungeschwächt zu erhalten, sondern auch an allen Stellen in Italien die spanische Macht weiter auszudehnen und für alle Zeit zu befestigen. So wurde es bald klar, daß Gonzaga's Ernennung den Hoffnungen der Farneses allen Boden genommen hattes).

Das sind die Verhältnisse, die nach und nach den kaiserlich-päpstlichen Bund lockerten. Ebenso wie Karl's Eingehen auf die Farnesischen Pläne den Papst dem kaiserlichen Bunde geneigt gemacht hatte, so konnte jezt die Einsicht, daß der Kaiser schließlich doch nicht diesen Wünschen willfahren wollte, nur zur Auflösung des Bündnisses führen.

Aber es ist eigenthümlich, wie sich in diesen Dingen das Allgemeine mit dem Speziellen durchkreuzt. Nicht allein persönliche Motive, und nicht allein allgemeine Fragen sind es gewesen, welche in der Politik jener Zeiten die großen entscheidenden Wendungen hervorgerufen haben, nein, das Persönliche verbindet sich stets mit dem Allgemeinen, und erst durch diese Verbindung erhält das Eine wie das Andere seine Bedeutung und seinen Einfluß auf die Entschließungen jener Menschen.

Auch in den allgemeinen Fragen trat in jenen Tagen die Verschiedenheit der päpstlichen und kaiserlichen Politik zu Tage. Es war auf dem Conzile selbst, daß dieser Zusammenstoß erfolgte.

Wir sahen, der Kaiser wollte vorläufig nicht eine Entscheidung der zwischen Katholiken und Protestanten streitigen Dogmen, sondern er wünschte, diese theologische Verhandlung bis zur Unterwerfung der Deut

7) Vgl. Vita dell' illustrissimo et generosissimo S. D. Ferrando Gonzaga. Descritta per Guiliano Gosellini (den Geheimschreiber Gonzaga's) p. 14 und 18. Auch gegen eine Abtretung von Mailand in dem Frieden von Crespy sprach fich Gonzaga entschieden aus (Gardiner vom 31. Oktober 1544 State Papers X. p. 154.)

8) Ueber Gonzaga's Absichten hat mir sein vertrauter eigenhändiger Briefwechsel mit dem Kaiser vorgelegen (Archiv v. Sim.)

schen hinhaltend, vorerst die in allen Ländern geforderte Reformation der Kirche, d. h. der Geistlichkeit durchgesezt zu sehen. Aber wie sehr er wiederholt auch darauf gedrungen, es wurde von Seiten der Legaten seinen Anträgen nicht nachgegeben. Nachdem die Lehre von der Erbsünde glücklich zu Stande gekommen, ging man mit aller Macht an die Erörterung des tiefsten Differenzpunktes. Am 21. Juni schon leitete in längerer Rede Cervino die Berathungen über das Justificationsdogma ein, die versammelten Väter auf die Wichtigkeit und auch auf die Schwierigkeit dieser in der Kirche bis dahin so wenig erörterten Lehre nachdrücklich hinweisend9).

Während nun unter den Theologen und den theologisch gebildeten Prälaten alle einschlagenden Fragen ausführlich und umständlich debattirt, die lutherischen und die lutheranisirenden Behauptungen verworfen, das katholische Dogma fest aufgestellt wurde, entspann sich zwischen den Leitern der Versammlung der allerheftigste Hader. Ebenso der Durchzug des päpstlichen Hülfsheeres nach Deutschland, als die drohenden Bewegungen des protestantischen Heeres nach Tirol hin erregten in der Versammlung den Ruf, daß das Conzil in Gefahr, nicht mehr sicher, nicht mehr frei von äußeren Einflüssen sei. Das gab allerdings einen guten Vorwand ab, wieder von Verlegung oder Verschiebung des Conziles zu reden. Wir haben schon früher berührt, daß schon im Sommer 1545, noch vor der Eröffnung, der Cardinal Cervino eine solche Vertagung angeregt hatte, und daß damals nur des Kaisers ausdrückliches Verbot dies verhindert hatte. Wie nun im Frühlinge 1546 der Kaiser immer ungestümer auf Aussetzung der dogmatischen Arbeiten drang, kam der Legat auf diese Vertagung zurück. Aber wenn jetzt auch das Kriegsgeschrei, das sich um Trident erhob, diese Vorschläge des Legaten unterstützen mußte, so war man in Rom doch einstweilen noch nicht damit einverstanden. Ganz besonders der Cardinal Farnese, der auf seiner Reise nach Deutschland mit den Legaten sich besprach, und dem es in der That - wenn nicht alle Zeichen uns trügen auf den Fortgang der Liga und des großen Unternehmens ankam, tabelte diese Pläne und diese Befürchtungen am Conzil.

Bei einer kurzen Abwesenheit Cervino's von Trident, entstand inmitten der geistlichen Väter eine fürchterliche Scene persönlicher Leidenschaftlichkeit. Der spanische Cardinal Pacheco, der mit den kaiserlichen

9) Pallavicino VIII. 2. §. 2.

Intentionen vertraut sein wollte, gerieth in Wortwechsel mit dem präsidirenden Legaten, dem (Cardinal Monte, in einen Wortwechsel, in den bald auch der Cardinal von Trident verwickelt wurde, und der die ungeheuerlichsten Dimensionen annahm. In diesem Umstand fanden die Legaten wiederum einen dringenden Grund das Concil zu verlegen1o). Aber der Kaiser konnte durchaus nicht von der Nothwendigkeit eines solchen Schrittes überzeugt werden. In seiner heftigsten Weise ließ er dem Cardinal Cervino, den er für den Urheber solcher Gedanken hielt, seine Ungnade, seinen Unwillen, seinen Zorn aussprechen 11). Und während auf der einen Seite der Papst seinen Legaten schon am 3. August im Geheimen die Vollmacht ertheilte, nöthigen Falles die Verlegung vorzunehmen, blieb er öffentlich noch bei der Meinung, in Trident auszuharren und die dogmatischen Arbeiten fortzusegen.

Der Gegensatz aber, in welchem sich die Anschauung der Legaten zu dem Willen des Kaisers befand, war bald nicht mehr zu verhüllen, und die Fortschritte, die der Feldzug in Deutschland eben damals machte, mußten den Kaiser in seiner Auffassung immer mehr bestärken; immermehr glaubte er eine Unterwerfung der Deutschen erwarten zu dürfen, und da lag es nahe, daß er die unterworfenen Protestanten in ein Conzil zu führen wünschte, das die großen dogmatischen Entschei dungen noch nicht getroffen habe.

Der kaiserliche Gesandte am Concil hatte da in der That eine schwierige Stellung. Alle seine Ueberredung bot Mendoza auf, das Justificationsdogma hinzuhalten, bis Deutschland völlig unterworfen sei. Er richtete sogar Vorwürfe und Vorstellungen an die Legaten, die sehr nahe sich mit den üblichen Erörterungen protestantischer Theologen gegen das Tridentinum berühren, ja er meinte einmal, daß die protestantischen Anekdoten über das Zustandekommen dieses Dogma's noch weit hinter der Wahrheit zurückgeblieben seien 12). Als aber Alles nichts fruchtete

10) Schreiben Cervino's vom 3. und 10. August bei Pallavicino VIII. 8. und bei Mendham p. 85.

11) Vgl. zu dem früher Bekannten noch im Anhang V. 4.

12) Am 5. Oktober schreibt Mendoza an den Kaiser über seine lezte Besprechung mit dem Legaten: Yo les hable antes de mi partida, dandoles las razones que parecian convenientes para que el articulo de la justificacion se devia determinar mas madura y pesadamente poniendoles delante los inconvenientes que se siguian de acelerarlo, y lo que los desviados podrian dezir ansi en este articulo como en todos los demas que se havian determinado, y en la poca libertad que se havia dexado al concilio para deliberar, y acor

und Cervino immer wieder auf seine Idee einer Verlegung, Vertagung oder Auflösung des Conziles zurückkam, schien es auch Mendoza der beste Ausweg zu sein, daß man für eine Zeitlang die weiteren Verhandlungen ganz einstelle 13).

Die Schwierigkeiten der Lage wuchsen. Das Dogma von der Rechtfertigung war zur Veröffentlichung reif, und was die Reformen betraf, so war man auch darüber einig, die Residenzpflicht der Bischöfe in der nächsten Session auszusprechen. In solcher Lage drang nun der Kaiser auf Nichtveröffentlichung des fertigen Dogma und dennoch auf Fortsetzung der Conzilarbeiten. Aus diesem Dilemma einen Ausweg zu suchen, kam im November 1546 der Cardinal Farnese selbst auf der Rückreise aus Deutschland nach Trident. In gemeinschaftlicher Be= rathung zwischen den Legaten und Farnese und Mendoza wurde ein Compromiß geschlossen, nach welchem das Conzil für sechs Monate vertagt werden und natürlich auch der Beschluß über das Justificationsdogma noch nicht veröffentlicht werden sollte 14). Aber diese Uebereinkunft stieß eben so sehr in Rom auf Widerspruch, als sie beim Kaiser keine Zustimmung fand. Wie der Kaiser damals auf raschen Fortgang seines deutschen Krieges hoffte, so wollte er das Conzil anhalten, seinem Willen zu folgen: er verwarf die Uebereinkunft, die sein Gesandter ein

dandoles que no hiziessen cosa por donde estos probable y evidentemente pudiessen poner falta alguna en la orden y determinacion del concilio, porque en este caso seria facil cosa de creer a desviados ya que el spirito sancto havia tenido poca parte en lo hecho. Respondiome Santa Cruz (d. h. Cervino) muy secamente que havia quatro meses que se deliberava sobre esto y que se hallavan presentes los mejores letrados de la christiandad y ansimesmo el papa havia consultado otros en Roma, y juntamente dava gran priesa que se concluyesse y no se podia entretener mas. Auf Carl's An= weisung die Publication dieses Artikels auszusetzen, antwortet Mendoza am 16. Dezember. V. M. tiene razon que seria bueno y aun necesario diferir la publicacion del articulo de la justificacion, porque siendo punto tan importante en la manera del tratarlo ha havido muchas cosas que se pudieran poner en estampa de las que los desviados han puesto, y pienso que no faltaran otras. (Sim. leg. 1318. f. 126 u. f. 132.)

13) Notiz bei Pallavicino VIII. Cap. 15. §. 12. aus der Depesche der Legaten vom 31. Oktober.

14) Depesche Farnese's vom 16. November bei Mendham p. 94 u. 95, zu welcher ich den ausführlichen und alle einzelnen Momente der Berathung_darlegenden Bericht vergleichen konnte, den Mendoza am 18. November dem Kaiser erstat= tete. Sim. leg. 1192. fol. 2.

gegangen war; denn er hielt für das Gelingen seines deutschen Unternehmens das Zusammenbleiben des Conziles für unentbehrlich 15). Jezt glaubten die Legaten sich von allen Rücksichten entbunden und beschlossen, auch gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Kaisers, die feierliche Proklamation der katholischen Lehre von der Rechtfertigung für die nächste Session am 13. Januar.

Was eigentlich des Kaisers Absicht bei dieser ganzen Conzilsache gewesen, durch die Reformen in der Kirche von katholischer Seite der Ausgleichung der Glaubensspaltung vorzuarbeiten und gleichzeitig der Welt zu zeigen, daß er, der Kaiser, dort eine allgemeine Versammlung von allen Geistlichen versammelt und für die Unterwerfung der Abgefallenen bereit halte, davon war in den bisherigen Verhandlungen noch wenig erzielt, ja trotz der Liga zwischen Kaiser und Papst trat der Zwiespalt der Richtungen am Conzile nur immer schärfer heraus und zeigten sich immer deutlicher die drohenden Vorboten eines neuen Bruches.

Es war hinzugekommen, daß schon von Anfang an der Kaiser dem Papst Nichterfüllung der Capitulation vorwerfen zu können glaubte. Zwar das Heer italienischer Hülfstruppen unter Ottavio's Führung war erschienen, aber die stipulirte Auszahlung von 200,000 Dukaten in baarem Gelde war nicht zeitig erfolgt. Schwierigkeiten des Wechselverkehres und der Auszahlung hatten sich ergeben; und Karl nahm Anlaß davon, schon wenige Wochen nach Eröffnung des gemeinsamen Feldzuges auf sehr energische Weise die richtige Zahlung der versprochenen Subsidien zu reklamiren. Welch' eine Schmach schien es, daß schon in den Anfängen des Krieges der Papst ihn im Stiche lasse! Dringlich forderte er, daß der Papst seinen Willen zum Kezerkriege durch ungefäumte Auszahlung der Subsidien beweise, und zugleich drang er auf die Bewilligung geistlicher Steuern von der niederländischen und der deutschen Kirche16). Hier half des Cardinal Farnese Auftreten, die Schwierigkeiten zu beseitigen; und wie man am Hofe des Kaisers es gewünscht, wie vor Allem die eifrig katholischen Cardinäle von Augsburg und Trident es beantragt hatten, es erschien Farnese selbst in Deutschland; Er, der zuerst mit dem Kaiser die Verabredungen zum Kriege getroffen, wollte nun auch die Ausführung der Capitulation überwachen. Von des Großvaters Intentionen genau unterrichtet, wie

15) Karl an Mendoza vom 5. Dezember 1546. Sim. leg. 642. fol. 137. 16) Karl an Juan de Vega 31. Juli 1546 im Anhang V. 4. Vgl. auch Vega's Depesche vom 17. Juli, vom 5. und 20. August. (Arch. v. Sim.)

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