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er um Hülfe und Schuß des eigenen Gebietes, und nur durch die Versicherung, die er ihnen geben durfte, daß sie in ihrer Religion nicht bedrängt werden sollten, erlangte er die gewünschten Leistungen. Während er den Schmalkaldener Bundesgenossen gegenüber eine Zeit lang noch den Schein der Neutralität zu wahren und mit allerlei Vermittelungsvorschlägen sie zu beschäftigen wußte, gelangte er mit König Ferdinand über das Benehmen gegen Sachsen ins Reine: sie beide verabredeten einen Einfall in die durch des Kaisers Acht herrenlos erklärten Lande des Kurfürsten. Am 27. Oktober unterzeichnete Karl nach dem von seinem Bruder geschlossenen Vertrage die Urkunde, welche die sächsische Kur von Johann Friedrich auf Morig übertrug: das war der Preis, für welchen Moritz seinen Uebertritt zu der Sache des Kaisers vollzogen; bis zu solcher Höhe hatte seine Geschicklichkeit die kaiserliche Belohnung gesteigert 27). Und da fand auch der Einfall der Heere von Moritz und Ferdinand Statt, welcher die ganze Lage mit einem Schlage verwandelte.

Das Schicksal des Krieges war dadurch im Anfang November 1546 schon entschieden. Die Heere der Protestanten verließen eiligst ihre Stellung dem Kaiser gegenüber, von dem eigenen Lande zu retten, was noch zu retten war. Und der Kaiser behielt freie Hand, den Süden von Deutschland sich vollständig zu unterwerfen.

27) Der Darstellung Langenn's I. p. 236 ff. kann ich hier nicht beipflichten, welche annimmt, daß Moritz noch fortwährend in aufrichtiger Weise einen Frieden habe vermitteln wollen. Ich meine, es galt ihm nur, sich seinen Lohn erst zu sichern, ehe er losschlage.

8.

Wenn diese glückliche Wendung, die schon nach fünfmonatlichem Kriege die kaiserliche Sache gewonnen, längeren Bestand haben, wenn das Ziel der kaiserlichen Politik, das seit mehr als zwanzig Jahren festgehaltene Ziel jetzt wirklich erreicht werden sollte, so war das Eine unumgänglich nothwendig, daß die Verhältnisse, welche diese Unternehmang von 1546 vorbereitet und ermöglicht hatten, ungeändert fortbeständen. Wie die Liga von Kaiser und Papst zu dem deutschen Kriege hingeführt hatte, so konnte allein die dauernde Einheit von Kaiser und Papst die Erfolge der Liga sichern.

Für den Kaiser war dies nicht nur wünschenswerth, sondern dringend nothwendig: die Lage seiner Finanzen erlaubte ihm nicht, aus eigenen Mitteln einen längern Krieg zu führen, und nur die Steuern und Zuschüsse, welche die spanische Kirche ihm aufbrachte, hatten ihm die Mittel verschafft, in Deutschland die geworbenen Truppenmassen zu bezahlen und bei den Fahnen zu halten1). Jene geistlichen Einkünfte aus Spanien aber bedurften immer der päpstlichen Gutheißung; ohne eine päpstliche Bulle war es nicht thunlich, solche Steuern von der spanischen Geistlichkeit zu verlangen. Auch abgesehen von der nothwendigen Mitwirkung und Betheiligung des Papstes bei allen kirchlichen Schritten, die Keter in die Kirche zurückzuführen, auch abgesehen von dieser rein geistlichen Seite war es also für den Kaiser ein Gebot der Nothwen=

1) In dem Schreiben vom 24. April 1546 legt Karl die Verwendung der in Spanien erlangten Geldmittel für den Krieg dar. Bei Döllinger Beiträge I. p. 43.

digkeit, den Papst in einem Kriege, wie Karl ihn beabsichtigte, zum Bundesgenossen zu haben.

Und auch dem geistlichen Haupte der Christenheit mußte doch ein Kaiser ein willkommener Freund und Bundesgenosse sein, ein Kaiser, der seinen Arm zur Erhaltung der Kircheneinheit, zur Förderung und Erhöhung der katholischen Sache leihen wollte. Alle Pflichten seiner geistlichen Stellung schienen demnach den Papst an das Bündniß mit diesem Kaiser zu weisen.

In der That, aus diesem Gefühl der Nothwendigkeit heraus war auch der Bund im Jahre 1545 auf beiden Seiten, so durfte man we nigstens hoffen, geschlossen.

Aber es hat nicht lange gewährt, und schon machten sich Neigungen zur Auflösung desselben bemerkbar. Die hohen Verbündeten gaben troß ihres Bundes Mißtrauen und Argwohn gegeneinander feinen Augenblick auf2): in die kaum begonnene Eintracht der Herrscher warfen bald die besonderen Interessen beider Theile ihre Schatten.

Was war das Interesse und das Gefühl des Papstes, das ihn in dem herzlichen Anschluß an die durchaus katholische Politik des spanischen Kaisers irre machte?

Es ist im Grunde ein altes Uebel, an dem auch damals das Papstthum gekrankt hat: der Stellvertreter Petri, das Haupt der Einen und allgemeinen Kirche, war zugleich italienischer Landesherr und war als solcher in die Interessenpolitik der italienischen Landesfürsten hineingezogen worden.

Söhne des auf allen Gebieten zu neuem Leben erwachenden Italiens, warm fühlende Patrioten des italischen Bodens, haben die Päpste aus jener Zeit das Interesse ihres eigenen Hauses und ihrer Familie stets mit dem allgemeinen Wohle Italiens in Verbindung gebracht; und wie damals um den Besitz des italischen Landes sich die beiden Großmächte des modernen Europas, Frankreich und Spanien, stritten, hat es allen diesen Päpsten als Ziel vor der Seele geschwebt, die beiden streitenden Bewerber, den Einen durch den Andern, aus Italien zu entfernen. Es ist verzeihlich und menschlich, daß sie in diesem Kampfe alle Kräfte ihrer Stellung angespannt und dazu auch die Vortheile ihres geistlichen Amtes benutzt haben. Aber es ist leicht zu erklären,

2) Karl an Philipp vom 30. Januar 1546 traut dem Papste nicht, und in Rom gewinnt Vega bald die Ansicht, daß auch der Papst nicht an des Kaisers ernstliche Kriegsabsichten glaubte.

Maurenbrecher, Karl V.

daß die allgemeine Sache des geistlichen Oberhirten aus den Rücksichten und Bedingungen jener italienischen Hauspolitik keinen Vortheil gezogen hat. Oder wäre etwa das Verhalten Papst Clemens VII., der in wohlgemeinter Absicht zum Nußen Italiens ein mediceisches Herzogthum aufzurichten unablässig bemüht war, ein solches gewesen, das den kirchlichen Interessen gegen den Fortschritt der deutschen Reformation entsprochen hätte? Und bei Papst Paul III., der nicht an überkommenen Besitz der Familie anzuknüpfen, sondern erst seiner Familie das Fürstenthum neu zu gründen hatte, mußte sich dieser Einfluß der weltlichen Politik noch weit fühlbarer machen.

Es läßt sich gewiß nicht verkennen, daß die spanische Alleinherrschaft in und über Italien allen italienischen Patrioten nicht gerade als ein Vortheil für die italienische Entwickelung erscheinen konnte; und da lag es nahe, die spanischen Waffen, welche Sicilien und Neapel behaup teten, nicht auch im Herzogthum Mailand festwachsen zu lassen. Denn Neapel und Mailand in der Einen spanischen Faust war der Untergang der italienischen Selbstständigkeit; auf eine Freiheit Mailands von spa= nischer Herrschaft, ja auf Mailands Uebertragung in italienische Hände ist stets Paul's III. Sinn gerichtet gewesen. Und eben diese Mailändische Frage hat den Punkt abgegeben, in welchem des italienischen Papstes und des spanischen Kaisers Interessen aufeinandergestoßen.

Die Verbindung, in welche Kaiser und Papst zu dem deutschen Kriege getreten, hat von Anbeginn an den Keim der Auflösung in sich getragen.

Auch des Kaisers Politik auf italienischem Boden ist immer schärfer und bestimmter geworden. Wenn er früher es zugegeben, daß ein italienischer Vasall unter seiner Hoheit das Herzogthum Mailand besize, wenn er dann in dem Schwanken der allgemeinen Verhältnisse sogar einen französischen Prinzen unter gewissen Bedingungen dort zuzulassen bereit gewesen, so war es ihm doch nach und nach klar geworden, daß dauernde Verhältnisse nur möglich seien, wenn er selbst Mailand in eigener Hand behalte: nach allen den Combinationen politischer Entwürfe, wie sie im kaiserlichen Rathe hin und her erwogen waren, verlieh er zulet, im Oktober 1540, seinem spanischen Thronerben das italienische Herzogthum3). Und von diesem Entschlusse brachten ihn auch alle Anträge der Farneses nicht zurück. Die päpstliche Verlei

3) Karl's Codicill vom 28. Oktober 1540. P. d'ét. II. p. 599.

hung von Parma und Piacenza, über die Karl bei allen Erörterungen in den Ligaverhandlungen sich nicht hatte endgültig aussprechen wollen, regte die alte Streitfrage wieder an, ob jene Orte vom apostolischen Stuhle oder vom Herzogthum Mailand abhängig seien. Erst im Frühling 1546 konnte Granvella dem Agenten Pier Luigi's als das Ergebniß einer actenmäßigen Untersuchung mittheilen, die Rechte Mailands (und des Kaiserthums) auf jene Städte halte man für wohl begründete, und ohne kaiserliche Investitur sei demnach Pier Luigi nicht befugt, sich Herzog von Parma und Piacenza zu nennen). Man beabsichtigte damit nicht, Pier Luigi entgegenzutreten, sondern man wollte ihn dadurch nur fester in die kaiserliche Liga hineinbringen. Alles hing eben ab von der Einen Frage, ob die Farneses fest und aufrichtig des Kaisers allgemeine Politik unterstüßen wollten. Es tritt uns doch Karl's Absicht in allen Schritten auf dieser Seite deutlich zu Tage: zugleich durch Furcht und durch Hoffnung wollte er des Papstes Familie an sich fetten.

Ein weiterer Schritt geschah erst in denselben Tagen, in denen auch die militärischen Dispositionen in Deutschland sich klärten. Als der kaiserliche Statthalter von Mailand, der Marchese de Guasto ge= storben war (im März), fanden sich Bewerber um diesen einflußreichen Posten in Menge. In Rom hegte man die Hoffnung, wenn nicht Pier Luigi selbst, so doch Ottavio als höchsten Stellvertreter des Kaisers in Italien zu sehen3); und am Hofe des Kaisers schwankte eine Zeitlang die Entscheidung zwischen Alba und Ferrante Gonzaga: Jener, der auf spanischem Boden wohlerprobte General des Kaisers, dessen hervorragende Feldherrenbegabung der Kaiser ebenso sehr erkannt, als seinen unruhigen Ehrgeiz durchschaut hatte; dieser, der italienische Fürstensohn, der frühe sich an Karl angeschlossen, auf italienischem Boden seine Proben abgelegt und den Kaiser selbst nach Afrika begleitet hatte, der dann der oberste Feldherr des Kaisers im letzten französischen Kriege gewesen war. Die Wahl Karl's fiel zulezt für den italienischen Posten auf Gonzaga und für die Führung des deutschen Krieges auf Alba®).

Gonzaga, der neue Statthalter von Mailand, war aber ein alter Feind der Familie Farnese. Wenn er im kaiserlichen Rathe sich stets

4) Depesche Buoncambi's vom 30. April 1546 bei Affò p. 109 u. 110.

5) Depesche Juan de Vega's vom 8. April 1546. Arch. v. Sim.

6) Granvella an Cobos vom 24. April 1546. Arch. v. Sim.

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