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Vergeblich war der Schritt: es blieb dem spanischen Eiferer, der einer dogmatischen Neuerung entgegen war und des Papstes Hoheit unangefochten erhalten wollte, nichts übrig, als den neuernden Mönch unschädlich zu machen. Als damals auch die Politik des Papstes offener und rückhaltloser sich dem kaiserlichen Bunde anzuschließen Miene machte, als des Papstes Vertreter in Worms alle Mittel seiner Thätigkeit in Bewegung setzte, da gelangten Karl und Leo bald zu einer Uebereinkunft in allen europäischen Fragen, einer Uebereinkunft, als deren erstes Opfer Luther fallen, als deren erste Frucht das Wormser Edikt reifen sollte. Damit hat Karl seine Stellung zu der religiösen Bewegung ergriffen: es ist damit ausgesprochen, daß der Kaiser festhalten will an dem System der Kirche, wie es bis dahin gegolten, daß er die Neuerung der Deutschen nicht anerkennt, daß er die neue Lehre und die neuen Lehrer ächten und strafen wird. Und dieser kaiserliche Wille wurde in Worms als Reichsgesetz verkündet: zu dem geistlichen Bannfluch kam in Worms die Acht von Kaiser und Reich hinzu.

Immerhin mag man es bedauern und es als ein nationales Unglück für Deutschlands Entwickelung beklagen, daß der Kaiser so schroff die Reformbewegung von sich abgewiesen, daß er sie nicht zu führen, nicht auf mäßiger Bahn zu halten, nicht im Einvernehmen mit den kirchlichen Autoritäten zu lenken verstanden; aber ich meine, ein Fürst wie Kaiser Karl, der die verschiedengeartetsten Elemente unter Einer Herrschaft zusammenhielt, dessen wesentliche Stärke nicht in dem vielgespaltenen Deutschland, nicht in den auf ihre Freiheiten eifersüchtigen Niederlanden beruhte, sondern der bei seinen allgemeinen Plänen vornehmlich auf Spaniens Kräfte und Schäße rechnen mußte ein solcher Fürst konnte nicht der deutschen Nation Wohlergehen zu dem alleinigen Leitstern seines Handelns machen. Nimmermehr aber hätte der Spanier eine solche Neuerung gebilligt oder geduldet, auf die in Deutschland Alles mit Ungestüm hindrängte; und der Sohn der spanischen Juana, der Enkel der katholischen Könige hat in seinem eigenen Innern die Verwandtschaft mit spanischer Anschauung und Denkweise niemals verkannt oder verläugnet: die Religion des deutschen Kaisers Karl ist immer eine von spanischen Vorstellungen und Ideen gesättigte, von spanischen Gefühlen und Impulsen belebte gewesen: wie seine Gewissensräthe und geistlichen Leiter stets Spanier waren, so ist der Kaiser selbst zulezt in einem spanischen Kloster von dieser Welt geschieden.

Und im Jahre 1521 lag auch für den spanischen König von Deutschland durchaus kein Grund vor, eine Tiefe und Weite der Re

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Lines Staatsmannes, der wahrhaft das dauernde Wohl seines

Volkes begründen, erweitern, befestigen will, des wahren Staatsmannes schwierigste Aufgabe ist es, alle Seiten des Volkslebens in richtigem Ebenmaaße zu entwickeln und auszubilden. Und ein lebensvolles und lebensfräftiges Volk strebt nicht allein nach gesundem Gedeihen seiner inneren Zustände, sondern es will auch im großen Zusammenleben der Völker seine Kraft und seine Tüchtigkeit in wirkungsvoller Thätigkeit bewähren. Auch das ist daher eine berechtigte Forderung, die eine Nation an ihre Staatsmänner stellen darf, daß sie nicht nur den inneren Organismus des Staatslebens richtig beobachten und weise lenken, nein, daß sie auch der Kraft und der Macht der Nation nach Außen Raum schaffen, daß sie ihrer Stimme im Rathe der Völker Bedeutung und Einfluß sicheren.

Aber nicht jene kolossalen Figuren der Weltgeschichte, deren blendende Größe das Auge der Mitwelt und Nachwelt zu bezaubern pflegt, nicht jene heroischen Eroberer und allgewaltigen Weltbeherrscher, die üblicher Weise mit dem Beiworte der,,Großen" beehrt werden, nicht sie sind solche wahrhaft großen Staatsmänner gewesen: sie haben vielleicht die großartigsten und berauschendsten Pläne in ihrem Geiste ge= nährt, sie haben vielleicht mit kühner Begeisterung und weithin treffender Berechnung ihre gewaltigen Entwürfe zu verwirklichen gesucht, sie haben vielleicht durch ihr Streben und Thun der geschichtlichen Entwicklung ihrer Zeit die Bahn angewiesen; aber für die eigene Nation ist die Erscheinung eines solchen Mannes jedesmal zur Quelle von Unheil und Schaden geworden.

Nicht eine ungemessene Weltherrschaft seines Volkes, wohl aber die gerade dieser bestimmten Nation zusagende Ausdehnung und Herrschaft und das gerade dieser bestimmten Nation gebührende Maaß po

Maurenbrecher, Karl V.

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Litischen Einflusses nach Außen ist das Ideal, das ein wahrer Staatsmann durch seine Politik seiner Nation zu verschaffen und zu erhalten sucht: er muß erkennen, wo Machtentfaltung nach Außen und wo Beschränkung auf die eigenen Grenzen, wo Eroberung und wo Entsagung am Plate ist; er muß ebenso Mäßigung wie Kraft besigen, in beiden Fällen seiner Einsicht Folge zu geben; kurz er muß vollständig im Stande sein, innere und äußere Politik seiner Nation in gesunder Harmonie zu erhalten.

Und wie selten ist diese staatsmännische Größe in den Lenkern und Führern der Staaten gewesen! und wie wenige der großen Regenten. find solchem Bilde eines Staatsmannes ähnlich gewesen!

Wenn einmal eine Nation zum Gefühle ihrer Kräfte gelangt ist, und wenn dann ein begabter und thätiger Kopf die Leitung dieser Nation in seine Hand gebracht hat, so eilt man so gerne in stürmischem Laufe den Träumen eines ungezügelten Ehrgeizes, den Lockungen einer nicht zu befriedigenden Eroberungslust nach. Selten sind solche Fürsten, die selbst reich begabten Charakters einer aufstrebenden Nation gebieten, durch die Niederlagen ihrer Vorgänger belehrt, zu politischer Mäßigung gemahnt worden.

Trotz allen Unheiles, das die Eroberungspolitik über die Nationen gebracht hat, ist das Streben nach Weltherrschaft in den politischen Führern und den politischen Mächten Europas ein altes unvertilgbares Erbübel geblieben.

Als im Mittelalter von allen staatlichen Elementen Europas zuerst die deutsche Nation geordneten Zuständen entgegenzugehen und ihre innere Tüchtigkeit zu fühlen beginnt, da haben Deutschlands Kaiser die Erhebung dieses Volkes an die Spitze der ganzen Christenheit erstrebt; sie haben aus allen Kräften darum gerungen und gekämpft, auf der Grundlage der deutschen Monarchie das Weltreich der ganzen abendländischen Kirche zu erbauen. Aber sie sind völlig gescheitert, diese hochfliegenden Plane unserer Kaiser, und mit ihnen sind die besten Kräfte unserer Nationaleinheit vergeudet.

Als nun im Beginne der Neuen Zeit die Staaten Europas sich in nationale Staatswesen zusammenzuschließen und in sich abzurunden anfangen, da haben sich gleichzeitig aus dem Kreise der romanischen Nationen zwei Staaten, Frankreich und Spanien, erhoben, welche mit der inneren Erstarkung des staatlichen Lebens sich ihrer nationalen Kräfte bewußt geworden und dem natürlichen Drange einer frischen

Volkskraft nachgebend nach Außen hin eine Politik der Eroberung eröffnen. Und wie Beide zunächst die italienische Halbinsel ihrem nationalen Staate einzufügen streben, sind sie in Italien feindlich zusammengestoßen.

Und doch, welch ein Unterschied in dem Kampfe dieser beiden Mächte um den Besitz von Italien!

Spaniens Staat war der Leitung eines ächten Realpolitikers unterstellt, der erreichbare Ziele anstrebend dem nationalen Wohle seines Volkes nach allen Seiten wahrhaftige Förderung zu geben sich bemüht hat. Frankreich aber, dessen Könige alle Elemente der Nation mit kühner Energie zusammengefaßt, ist bald in die glänzenderen Bahnen einer allseitigen Eroberungspolitik eingetreten. Während Spaniens katholischer König die Vereinigung verwandter und gleichartiger Elemente zu einem großen romanischen Reiche bereitet, nehmen die französischen Könige jene Universalpolitik auf, die im Mittelalter schon einmal Deutschlands Kräfte ruinirt hatte: auch Frankreich will seine Periode der Weltherrschaft haben!

Da ersteht noch eine dritte politische Größe. In jenen Kampf um. Italien greift eine neue Macht ein, die eben jezt aus den verschiedensten Elementen sich bildet: die Herren von Habsburg-Burgund, die auch die deutsche Kaiserkrone erlangen, werden die Rivalen der Valois um den Preis jener Weltmonarchie.

Was der Vater von ferne allmälig vorbereitet, das sucht Kaiser Maximilian I. auf allen Seiten zu entfalten: in der Wirklichkeit mit äußerst beschränkter Macht und mit äußerst geringen Mitteln ausgestattet, hat er die höchsten, die ausschweifendsten Pläne einer kaiserlichen Weltmonarchie verfolgt, wie sie nur immer im Mittelalter die kühnste Phantasie sich erdacht hatte. Und wenn er auch in dem Ringkampfe mit den französischen Königen oft nahe daran war, aus seinen Kaiserideen heraus in vollständige Ohnmacht niedergeworfen zu werden, so ist er doch im Reiche der Pläne und Entwürfe nie einen Schritt vor dem Gegner zurückgewichen. Nach allen Demüthigungen und Enttäuschungen hat er zuletzt wirklich eine Zeit der Erfolge für Habsburg herannahen gesehen.

Wie verwandeln sich oft die Tendenzen der Menschen zu nicht gewollten Erfolgen!

Der Staatsmann, der mit praktischem Blicke ein spanisch-italienisches Reich aufzubauen sich zur Lebensaufgabe gesezt, der dabei allen Plänen unnüber Eroberungspolitik und allen Ideen einer Universal

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