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monarchie aus allen Kräften widerstrebt hatte, derselbe Ferdinand von Spanien hat zuletzt nur die Mittel bereitet, die diesem Gedanken des habsburgischen Reiches dienen sollten, und die erst dem Streben der Habsburger die Möglichkeit einer ernstlichen Verwirklichung boten!

Was einst des habsburgischen Mar' verwegener und phantastischer Ideenflug von der Zukunft seines Hauses geträumt hatte, das alles kann der Enkel, der spanische Karl mit spanischen Mitteln auszuführen unternehmen!

Als Karl V. mit den habsburgischen Landen die Reiche der spanischen Krone, die wohlgefügte Macht der großen spanischen Staatsmänner, durch Erbgang vereint hatte, ist er dem rivalisirenden Valois, Franz I., bei weitem überlegen gewesen.

Schon in dem spanischen Reiche verfügte Karl über eine bedeutende Macht, die in den italienischen Kriegen gegen Frankreich ihren Nachdruck und ihre Ausdauer hinlänglich bekundet und die sich jetzt nach und nach mit großartigem Feuer und stürmischer Begeisterung erfüllt hatte: es war eine Nation, die von selbst zu Eroberungen drängte, die ein wahrer und großer Staatsmann weit eher gezügelt als angespornt hätte.

Und die politischen Stellungen, welche dieser habsburgische Kaiser in Europa einnahm, gaben ihm sehr leicht die Mittel und Wege an die Hand, auf allen Seiten seine Macht noch weiter zu führen.

Hielt im Norden doch der Erbbesig der Niederlande und des österreichischen Landes das deutsche Reich umspannt, es in des Kaisers aufsteigende Macht hineinzuzwingen; und im Süden war der Erwerb von Neapel, den Ferdinand schon gesichert hatte, und die kaiserliche Hoheit über Mailand ganz geeignet, Italien und das Papstthum in spanische Abhängigkeit zu versetzen.

In der finanziellen Blüthe, welche die Regierung der katholischen Könige und die neu entdeckten Colonien der spanischen Zukunft verhießen, in dem geschulten und schlachtgeübten Heere, das gegen Mauren und in Italien sich Lorbeeren erkämpft, in der Reihe erprobter und geübter Diplomaten, die jener feinste und gewandteste Politiker selbst erzogen hatte: in allem, was Ferdinand und Isabella dem Enkel hinterließen, fand Karl den Weg geebnet, den seines väterlichen Ahnherrn politisches Ideal ihn gewiesen: Alles hat er an die Verwirklichung dieses habsburgischen Programmes gesezt, und er ist in der That seinem Ziele nahe gekommen.

Und was hat diesen spanischen Kaiser Karl V. im Grunde verhin

dert, die habsburgische Universalmonarchie ins Leben zu rufen? Es ist jene große religiöse Erhebung in Europa und ihre Folge, die Spaltung in der abendländischen Kirche, gewesen, die wir die Reformation nennen.

Die Verschiedenheit und der Gegensatz der nationalen Elemente, aus denen Karls Reich bestehen sollte, sie sind durch die Erschütterung des religiösen Zustandes und durch die Bewegungen im kirchlichen Leben immer mehr geschärft worden: es war bald nicht möglich, in gedeihlicher Weise zwei Nationen zu vereinen, die der heftigste religiöse Fanatismus auseinanderriß.

Und in Deutschland entstanden aus der reformatorischen Bewegung dem Kaiser stets Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten, auch für seine politische Stellung. Denn eine rein politische Haltung der Kirchenneuerung Deutschlands gegenüber zu beobachten und die Opposition der Deuts schen gegen die abendländische Kirche des Mittelalters nur nach politischen Gesichtspunkten zu seinem politischen Ziele zu benußen, ein solches Verfahren war für diesen spanischen Habsburger undenkbar: auch Karl war dafür zu katholisch, zu sehr ein Gegner der deutschen Reformation.

Es ist die Absicht dieser Darstellung, es auszuführen, welche Stellung Karl zu der Reformation in Deutschland eingenommen und in welchen Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen seine europäische Politik, sein Streben nach der Universalmonarchie zu der kirchlichen Bewegung des deutschen Protestantismus gestanden hat.

1.

Es ist ein kleines und geringfügig erscheinendes Ereigniß gewesen, aus welchem die gewaltige, den ganzen Erdtheil erschütternde Bewegung der Reformation ihren Anfang genommen hat. In die dicht geschichteten Massen des Zündstoffes in Staat und in Kirche ist an einer Stelle ein Funken gefallen, und in wenigen Monaten steht das ganze Deutschland von einem Ende zum andern in Flammen. Es ist eine Zeit hereingebrochen des ungestümen, unruhigen Drängens und Wogens, eine Periode der gährenden und treibenden Kräfte, in welcher das Endziel der vorwärts drängenden Bewegung wohl noch keinem der Neuerer flar vor der Seele gestanden. Die Wegen der Revolution schlugen an die Grundmauern des mittelalterlichen Staatsgebäudes, sie umspülten die Pfeiler des alten Kirchendomes: alles war in Bewegung, in Umgestaltung, in Erneuerung.

An die Spitze der so erregten Nation trat 1519 durch die Wahl der Kurfürsten ein Prinz, jung, rührig, strebsam, aber dem deutschen Volke fremd und dem deutschen Reiche ein Ausländer. Und dennoch empfing ihn der Jubel der popularen Begeisterung: als die Wage geschwankt zwischen dem muthigen, kecken, eroberungslustigen Könige Franz von Frankreich und dem habsburgischen Herrscher der Niederlande, der auf sein Haupt auch die spanischen Kronen gebracht hatte, da war ohne Bedenken der Deutschen Zuruf laut und stürmisch für den Habsburger erschollen. Die Erwartung war im Volke lebendig geworden, daß dieser Enkel des verstorbenen Kaisers alle die Hoffnungen erfüllen werde, die einst des österreichischen Max' Beliebtheit erregt hatte: so brachte dem in Frankfurt Gewählten die Nation in lebhafter Bewegung ihre Neigung und ihre Kräfte entgegen.

Dem jungen Fürsten der Niederlande und Spaniens hatten sich die Anfänge der Regierung an keiner Stelle sehr hold erwiesen, aber

die Staatsmänner, die seine Jugend lenkten, waren der Verhältnisse doch damals schon Meister geworden, und auch die deutsche Wahl, eine dornige Aufgabe, hatten sie trotz aller Hindernisse durchzusehen gewußt, ja gerade in diesen Verhandlungen hatten sie ein leidlich gutes Verhältniß zum Papste Leo X., dem eleganten und feinen Medici, gewonnen und dem zuwählenden Kaiser noch eine engere päpstliche Allianz vorbereitet.

Die Auftritte in Wittenberg hatten indessen den Charakter eines localen Streites sehr bald verloren, sie waren sehr bald zur allgemeinen Sache geworden; und als erst der kühne Mönch von Wittenberg in Leipzig offen mit der bestehenden Kirche gebrochen, und als ihm der Bann der Kirche diesen Bruch gelohnt hatte, da schaarten sich um ihn alle die lebhaften, unruhigen Geister, die das deutsche Reich und die deutsche Kirche erneuern wollten, alle die Feinde der kleinen Fürsten und der geistlichen Herren, Alle, die zu Frankfurt jubelnd des Habsburgers Wahl begrüßt hatten.

Wie nun aus Spanien der erwählte Kaiser herankam, von freudiger Begeisterung des Volkes empfangen, ward auf dem Reichstag zu Worms die Frage, die uralte, immer aufs Neue der deutschen Geschichte gegebene Frage, wieder einmal zur Entscheidung gestellt: will der Herrscher, der die deutsche Krone trägt, dem Wohle Deutschlands dienen, nur der Nation sein Denken widmend, oder will er seinen eigenen Interessen nachgehen, fremden Impulsen gehorchend, die nicht in der Nation ihren Ursprung gehabt?

Es kann für die historische Betrachtung heute keinem Zweifel unter liegen: die Bewegung, die damals an einer Stelle auf dem kirchlichen Gebiet zum Ausbruch gelangt ist, sie hatte die ganze Nation ergriffen, sie war eine mächtige, aus der Tiefe des Bedürfnisses hervorgestiegene Forderung jener Zeit. Unter die vorsichtige und kräftige Leitung eines wahrhaft deutschen Kaisers gestellt, mußte sie zu erfreulichen Früchten gelangen. Aber der von der Nation freudig begrüßte Kaiser Karl hatte keine Veranlassung, die Frage von dieser nationaldeutschen Seite zu betrachten, ihn lockten politische Aufgaben und Ziele weit anderer Natur. Es beschäftigte ihn damals lebhaft der Gedanke, die ihm unbequeme französische Macht zu entkräften und Italien wieder ganz unter seinen kaiserlichen Einfluß zu bringen. Und mit noch stürmischerer Lebhaftigkeit erfüllte den König Franz das Verlangen, dem glücklichen Rivalen, der im Wettkampf um die Kaiserkrone gesiegt, den errungenen Siegespreis zu verkürzen: es drängte eben damals Alles auf den Ausbruch des

französisch-kaiserlichen Krieges hin. Wenn dabei die Freundschaft des römischen Papstes für den spanischen König und deutschen Kaiser ein Gut höchsten Werthes wurde, so war auch die kaiserliche Diplomatie aus allen Kräften bemüht, den Bund zwischen Kaiser und Papst sich als die Basis ihres Erfolges zu sichern. Freilich, auch aus den kirchlichen Unruhen in Deutschland ließ sich dafür Nußen ziehen, sie waren ein ganz geeignetes Mittel, den nöthigen Druck auf den zögernden Papst zu üben, und vielleicht vermochte auch die spanische Anschauung der Sache Luthers eine gefällige Seite abzugewinnen.

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Nicht genug können wir es betonen, daß jene Periode den allgemeinsten Verfall der Kirchenzucht im ganzen Europa gesehen: aus allen Kulturvölkern des Abendlandes ist ein Ruf der Klage über die kirchlichen Zustände aufgestiegen, allenthalben in den Nationen der. Christenheit hat sich ein reineres religiöses Gefühl zu neuem Leben geregt. Auch Spanien, das Land des eifrigsten und glühendsten Katholizismus, hat an dieser Entwickelung seinen Antheil gehabt, aber hier in dem abgeschlossenen kräftig regierten Reiche der,, katholischen Könige" hatte der religiöse Eifer der Staatsgewalt schon den Anfang zu einer Besserung von der Geistlichkeit erzwungen: von ernstem und strengem Geiste beseelt haben dieselben Fürsten, welche die Inquisition gegen die Abweichenden und Verdächtigen im Glauben aufgerichtet, auch die Geistlichkeit mit starkem Arm der Zucht und Disciplin nach ihrem Sinne unterworfen. Von der spanischen Kirche ist dann ein Strom strenger und herber, einseitig aber nachhaltig wirkender Religiosität ausgegangen, der auch auf die anderen romanischen Völker, vor allen auf Italien, einen bleibenden Einfluß ausgeübt, der zu der Neubelebung des religiösen Lebens in der katholischen Kirche den ersten Anstoß gegeben, der die ersten Keime dieser katholischen Restauration des sechszehnten Jahrhunderts in Italien gepflanzt hat.

Und Männer solcher Geistesrichtung haben den jungen Fürsten von Spanien auch auf den Wormser Reichstag begleitet. Wenn seine Diplomaten die Sache des deutschen Mönches in politischem Sinne an dem päpstlichen Hofe verwendet wissen wollten, so hat der spanische Beichtvater versucht, ob nicht Luther, in dessen Schriften und Reden der Spanier so manches berechtigte Element anerkennen mußte, auch zu einer Besserung und Hebung der deutschen Geistlichkeit dienen konnte und wollte 1).

1) Des Pontanus' Bericht über Glapion's Eröffnungen bei Seckendorf I. pag. 143 f.

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