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füllt, daß allein die alte durch Jahrhunderte geheiligte Lehre der Kirche den Weg des Heiles zu öffnen vermöge, von ernster Gesinnung und hoher herber Strenge in ihrem eignen Wandel beleben sie die alte Kirche mit einem neuen und frischen Impulse: recht im Gegensatz zu dem Beginnen der deutschen Reformation arbeiten sie an der Restauration des Katholicismus. So hat bald nach dem Mißlingen der Regensburger Versuche die katholische Kirche in Rom den Versuch gemacht, zunächst die romanischen Nationen durch eine sittliche Wiedergeburt wieder fester in ihrem Schooße zu erhalten.

Und nun, nachdem die Versuche einer friedlichen Ausgleichung mit den Protestanten gescheitert waren, erhob sich für den Kaiser auf's Neue die Frage, wie er jetzt den Protestanten gegenüber Stellung zu nehmen habe. War es jetzt für ihn möglich, zu dem schon mehrfach beabsichtigten Gewaltstreich zu kommen, oder gab es zwingende Gründe, noch ferner in der abwartenden Haltung zu verharren? Die Unmöglichkeit, die kirchlichen Gegensäge aus sich selbst zu versöhnen, lag zweifellos klar zu Tage: wird die Politik es dem katholischen Kaiser gestatten, auf anderem Wege die Einigung der Deutschen jetzt zu erzwingen?

Der Abschied des Regensburger Reichstages wiederholte und erneuerte den einstweiligen Frieren, wie ihn der Kaiser schon 1532 hatte zugestehen und später erweitern und befestigen müssen; ja, die Bedingungen seiner Lage wiesen ihn so zwingend auf die Vermeidung jeglichen. Bruches mit den Protestanten hin, daß er in einer noch neben dem officiellen Reichsschluß hergehenden Declaration für die protestantischen Stände alle zweifelhaften Punkte nach ihren Wünschen zu erledigen sich genöthigt sah. Und noch mehr als das: die errungene Stellung an der Spitze des Reiches zu sichern, ren gefährlichen Bewegungen der feindlichen Mächte zu begegnen, mußte sich der stolze Spanier herbeilassen, mit den mächtigeren der protestantischen Fürsten noch besondere Verhandlungen anzuknüpfen und besondere Abkommen zu treffen 23).

Aber damit war nicht das letzte Wort der kaiserlichen Meinung ge= sprochen. Alles, was er nachgiebt, gestattet, verspricht, Alles war nur eine Auskunft, für den Augenblick getroffen und nur auf augenblickliche Dauer berechnet.

Schon in den ersten Tagen seines Aufenthaltes in Regensburg hatte Karl den eifrigen Vorstellungen der bayerischen Herzoge, welche

23) Vgl. im Allgemeinen Ranke D. G. IV. 170 ff. u. 177 ff.

durch den Bischof Morone veranlaßt, auf Anwendung der Gewalt gegen die,,Keter" und auf muthigen Anfang des deutschen Krieges drangen, durch Granvella die Antwort ertheilt, es sei der lezte Versuch, den in der bisherigen Weise der Kaiser mache, und er sei entschlossen, . wenn durch das Religionsgespräch er die Abgewichenen nicht wieder beibringe, in Thaten der Welt zu zeigen, daß er ein echt katholischer Kaiser sei24. Wie er so die Eifrigeren der katholischen Stände trog 1 aller Zugeständnisse an die Protestanten seiner Politik geneigt zu erhalten wußte, so hat er auch den 1538 geschlossenen katholischen Bund auf breiter Basis zu erneuern gewußt. Schon Farnese und Cervino waren beauftragt gewesen, des Papstes Beitritt zu erklären; und Morone's Einsicht und Thätigkeit war in dieser ganzen Zeit unablässig bemüht, die Nothwendigkeit eines solchen Bundes allen Theilen nahe zu legen, und auch die anscheinend nur Frieden athmende Legation Contarini's war zugleich bestimmt, für diese katholische Bundesfrage des Papstes Zusagen mitzutheilen. Jetzt endlich wurde an demselben Tage, an dem den Protestanten die Deklaration ertheilt wart, der förmliche Abschluß des katholischen Bundes vollzogen; auf's Neue wurden mit dem Papst Verhandlungen angeknüpft, ihn zu größeren Leistungen für die gemeinsame Sache des Katholizismus zu gewinnen25). Allerdings, der päpstlichen Auffassung konnte es nicht ganz als das Richtige erscheinen, wenn man die Bundesglieder auch auf den Regensburger Abschied verpflichten. wollte, auf einen Abschied, gegen den die strenge Richtung nur protestiren, den sie nie als Reichsrecht anerkennen konnte 26). Die Verhandlungen über die Gestaltung des Bundes schleppten sich daher noch eine Zeit lang hin.

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Als der Kaiser im Herbste 1541 Deutschland verließ, hatte er demnach die vorgefundene Lage nicht wesentlich gebessert, das Doppelsinnige, Schwankende seiner Haltung nicht aufzugeben vermocht: das Höchste, was er erzielt, waren Separatverträge mit den Lutheranern und ein Separatbündniß mit den Katholiken. In der That, den Ausbruch des BürHerkrieges hat er damit nur hinausgescheben, und für den unvermeidlich

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24) Depesche Morone's an den Kardinal Farnese vom 4. März 1541 bei Lämmers 367.

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25) Instruction Ferdinand's nach Rom, in Pap. d'état II. 528. (wo das falsche Datum 1538 in 1542 zu verwandeln sein wird.)

26) Depesche Morone's vom 28. März 1542 bei Lämmers 419.

drohenden Religionskrieg die Waffen der einen Seite, seiner Partei, zu stärken und zu schärfen das Seine gethan.

An dem politischen Horizont, den Karl's und Franz' Allianz mit freundlichem Lichte erhellt, waren inzwischen neue Unwetter eines neuen Bruches und eines neuen unseligen Krieges aufgestiegen. Die alten Erscheinungen eines solchen Zustandes ließen sich auf's Neue erblicken. In edler Uebereinstimmung, in brüderlichem Vereine arbeiteten jet wieder einmal die Türken und die Franzosen auf den Ruin der Christenheit. Auf jede Weise sich in den Besit von Mailand zu sehen, spann Franz an allen Stellen seine Ränke an. Ebenso die Unzufriedenheit in der italienischen Bevölkerung und bei den italienischen Mächten als die Ansprüche des Herzogs von Cleve auf das Herzogthum von Geldern waren ihm Mittel, sich des ersehnten Besiges auf italienischem Boden zu bemächtigen. Und den Türken war es gewiß nicht verborgen geblieben, daß Karl's Verhandlungen über Stillstand und Frieden, die er in jener französischen Allianz aufgenommen hatte, nur eine Maste waren, die Rüstungen in der Christenheit und die Verschwörungen im türkischen Reiche zu verbergen27). Daß endlich der Sturm, den Franz dem Kaiser bereitete, eine schickliche Gelegenheit zum Ausbruch habe, wurden in der Lombardei zwei französische Agenten von Bewaffneten des kaiserlichen Heeres erschlagen. Ueber diese Gewaltthat gerieth Franz in heftige Bewegung und beschloß den neuen Krieg.

Als der Kaiser nach Italien kam, berieth er in Lukka sich mit dem Papste, wie man diesem neuen Kriege ausweichen könne: wenigstens eine Verzögerung bis in's folgende Jahr hat er erreicht. Die beiden Häupter kamen in Lukka auch auf den Gedanken zurück, die endgültige Erledigung allen politischen und religiösen Zwistes auf einer großen Versammlung, einem großen europäischen Conzile vorzunehmen. Hatten doch dahin auch alle die Rathschläge gezielt, welche die einsichtigeren der römischen Diplomaten auf deutschem Boden gewonnen.

Unter dem Einfluß der jüngsten Ereignisse in Deutschland, von Morone schriftlich und mündlich bestürmt, erklärte der Papst jezt seine bestimmte Absicht, das früher von den Deutschen geforderte, von ihm früher leichthin bewilligte, zuletzt aber auf allseitigen Wunsch aus

27) Vgl. über Karl's Absichten, im türkischen Reiche selbst einen Aufstand zu erregen, der seinen Angriff unterstüße, und über seine Verhandlungen mit Barbarossa die Akten in Col. de doc. in I. p. 207 ff. und bei Lafuente Historia de España XII. p. 181 ff.

gesetzte Conzil ohne Zaudern, ohne Zweifel, ohne Bedenken sofort einzuberufen. Obwohl er früher den europäischen Frieden zur Voraussetzung des Conziles gemacht, so nahm er jetzt auf den politischen Zwiespalt der beiden katholischen Großmächte durchaus keine Rücksicht, und berief das Conzil nach Trident, auch während die neuen Stürme das italische Land erschütterten.

Noch bevor der Krieg ausbrach, hatte Karl den Zug nach Algier unternommen, ein Beginnen, das ihn die Bedürfnisse des spanischen Reiches, die Forderungen einer gesicherten Stellung im Mittelmeer nicht länger hinausschieben ließen. Oder sollte er nicht den verzeihlichen Wunsch hegen, an dem kühnen Corsaren, der den Kaiser mit Versprechungen einer Auflehnung gegen den Sultan hingehalten, kaiserliche Rache zu üben? Oder sollte er nicht der Befürchtung Raum geben, daß auf's Neue die französische und türkische Macht in dem unvermeidlich drohenden Kriege gemeinschaftliche Sache mache? Es ist bekannt, wie unglücklich des Kaisers zweiter afrikanischer Krieg geendet. Kaum hatte er sich und die Reste seines Heeres auf spanischen Boden gerettet, und es brach der französische Krieg über Karl's Besizungen herein.

Papst Paul III. blieb neutral. Wie sehr auch des Kaisers Entrüstung über den Papst laut werden mochte, wie sehr er auch auf eine Erklärung gegen den eigentlichen Friedbrecher und Treulosen drang, der Papst war nicht aus seiner Stellung zu bewegen, in der er als der Vater der Christenheit, als der gleich treue Freund der beiden Reiche verharren wollte. Das besprochene Conzil nach Trident berufend, ermahnte er den Kaiser und den König in gleich dringlicher, gleich väterlicher Weise, den unseligen Krieg aufzugeben und in dem allgemeinen Frieden die Wirksamkeit der Kirchenversammlung und ihrer reformaterischen Aufgabe möglich zu machen. Noch nie hatte den Kaiser eine Aufforderung des Papstes in höherem Grade beleidigt, als dieses Breve, das ihn, den katholischen König, den Bewahrer und Erhalter des allgemeinen Friedens, auf gleichem Fuß und in gleichem Tone behandelte, wie den französischen Fürsten, den ewigen Friedbrecher, den Freund und Genossen des ungläubigen Türken. Zum ersten Male mußte der alte Papst die heftigen Ausbrüche, die gereizte Leidenschaftlichkeit des Kaisers erfahren, von der ihm im weiteren Verlauf noch wiederholte Proben werden sollten28). Ja, es verdient besonders betont zu werden, sogar

28) Depesche des Kaisers an den Papst vom 28. August 1542 in P. d'ét. II. 633-644.

zu einer politischen Maßregel allgemeiner Bedeutung kam der Kaiser in seiner Aufwallung gegen des Papstes hartnäckige und zweideutige Neutralität: er erließ das Gesetz, daß kein nicht- spanischer Geistlicher eine Pfründe der spanischen Kirche bekleiden oder eine Pension von einer spanischen Pfründe beziehen dürfe29). Für die spanische Kirche selbst sollten durch dieses und ähnliche Gesetze die Geistlichen zur Residenz angehalten werden.

Im Mai des Jahres 1543 verließ der Kaiser Spanien, um mit seiner ganzen Macht den Krieg gegen Frankreich selbst zu führen. Er fühlte es, daß er da an einen Moment der Entscheidung gelangt war; mit ernster Resignation sich auf alle Fälle wappnend, ließ er Spanien unter der Regentschaft des Sohnes, des sechzehnjährigen Prinzen Philipp, und erwartete von ihm eine nachhaltige Unterstützung im französischen Kriege30).

Für diesen Krieg des Papstes Beistand zu erlangen, machte Karl noch einmal in Italien bei der persönlichen Zusammenkunft mit den Farneses in Busseto einen Versuch. Dort trugen ihm diese Italiener mit allem Nachdruck den schon oft geäußerten Wunsch noch einmal vor, von seiner Hand ein größeres Fürstenthum in Italien zu erhalten. Und wenn in italienischen Kreisen schon Gerüchte auftauchten einer Uebertragung von Mailand auf Ottavio Farnese oder einer Ueberlassung von Parma und Piacenza an des Papstes Sohn Pier Luigi, so ward auch wirklich im Staatsrathe des Kaisers und unter den Ministern des Papstes die Frage erörtert, ob ein solches Geschenk an die Familie des alternden und stets unzuverlässigen Papstes zulässig sein könne. Wir wissen, daß Ferrante Gonzaga, der Feldherr des Kaisers, und Don Diego de Mendoza, der Gesandte in Venedig, dessen glorreiche diplomatische Laufbahn eben jezt ihren Anfang nahm, sich auf des energischste den Wünschen der Farneses widersetzten; und ihren Vorstellungen wurde es zugeschrieben, daß die Anträge in Busseto vom

29) Sandoval II. p. 431.

30) In den Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. III. S. 281– 310 habe ich die beiden Schreiben Karl's an Philipp mitgetheilt, in welchen er seinen Sohn in seine Anschauung der allgemeinen Lage einweiht. Als ich sie aus dem in Madrid aufgefundenen Original von der Hand des Kaisers veröffentlichte, war es mir entgangen, daß schon Lanz' Staatspapiere S. 359 ff. (freilich aus einer schlechten Abschrift im Brüsseler Archiv) sie publicirt hatte. Ich denke aber, daß auch so noch die neue und genauere Veröffentlichung sich rechtfertigen läßt. (Vgl. Gött. gel. Anz 1863, Stüd 45.)

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