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Kaisers Politik zu der deutschen Frage in den letzten Jahren gestaltet hatte: auf der einen Seite war Karl bemüht gewesen, den Frieden durch kluge Zugeständnisse aufrecht zu erhalten und den Protestanten einstweilen thatsächliche Sicherung ihrer Lage zu gewähren, und auf der andern Seite hatte sein Gesandter in Deutschland die schroffe Unversöhnlichkeit der bestehenden Gegensätze offen zum Ausdruck gebracht und alle katholischen Elemente zu einem festen Bunde gesammelt. Welches war der eigentliche Sinn der kaiserlichen Politik? Ich finde, sie hat beide Seiten des Verhältnisses zu gleicher Zeit gepflegt: wie sie damals unter den Verwickelungen der europäischen Lage nur auf eine augenblickliche Erhaltung der bestehenden Zustände in Deutschland bedacht sein konnte, so hat sie ebensowohl sich die Möglichkeit einer gütlichen Verhandlung mit den Protestanten offen zu halten als die Waffen zu dem großen schon früher beabsichtigten Schlage in Bereitschaft zu setzen gewußt. Das Bündniß der katholischen Stände wurde vom Kaiser gutgeheißen); in Rom wurde versucht, den Papst zum Beitritt, zur Beisteuer für diese katholischen Bundeszwecke zu bewegen; aber zugleich wurde der Ausbruch eines Krieges der feindlichen Bündnisse in Deutschland verhindert; ja, mit frischem Muthe ging man auf Besprechungen, Erörterungen, Verhandlungen mit den Protestanten ein. Der Kaiser und der König hatten sich in Aiguesmortes darüber geeinigt, daß man mit den Führern der Protestanten in Verhandlungen eintreten und den Versuch machen solle, ob nicht auch durch eine offene Verständigung unter Betheiligung und Leitung des Papstes die Ausgleichung alles kirchlichen Streites herbeigeführt werden könnes). Und in Deutschland schienen die Wünsche Vieler einem solchen Versuche entgegen zu kommen.

In den Tagen, in welchen der Nürnberger und Schmalkaldener Bund dem Beginn eines deutschen Bürger- und Religionskrieges zuzueilen schienen, nahm der Kurfürst von Brandenburg es auf sich, den Zusammenstoß der beiden Parteien zu verhindern und durch Verhandlungen mit beiden Theilen den Friedstand zu erhalten. Man ging auf beiden Seiten in seine Meinung ein: man sette zur ersten Besprechung. einen Tag nach Frankfurt a. M. an. In Folge der Verabredungen von Nizza erschien dort auch ein Vertreter der römischen Curie, der

7) Bucholz IX. p. 377. Wichtig scheint mir auch das zu sein, daß Held der Urheber des Bündnisses noch im Jahre 1539 als kaiserlicher Minister neben dem Erzbischofe von Lund in Deutschland thätig auftritt.

8) Karl an Ferdinand 18. Juni 1538 (Lämmers p. 191.)

eben neu creirte Cardinal Aleander, ein alter, erprobter und geriebener Diplomat, der auch in deutschen Zuständen sich schon reichlich Erfahrung gesammelt hatte. Auch der Kaiser schickte einen gewandten Politiker, den Erzbischof von Lund, dem Held's katholischer Eifer zwar abging, der aber die Ziele der augenblicklichen Politik seines Herrn wohl be= griffen und sich angeeignet hatte. Und in der That, der kaiserlichpäpstlichen Politik Absicht ging jetzt deutlich und bestimmt darauf aus, die Ausgleichung mit den Lutheranern ernstlich zu versuchen: sie konnte von ihrem Standpunkte aus allerdings das nicht zugeben, daß man die wesentlichen Dogmen der Kirchenlehre berühre, sie wollte gerade im Gegentheil sehen, ob nicht auch die „Keßer“ wieder dafür gewonnen werden könnten; aber ihnen den Rücktritt in die Kirche zu erleichtern, kam es dem Kaiser durchaus nicht darauf an, in einigen unwesentlichen Fragen nachzugeben oder in einigen äußeren Dingen sich der lutherischen Weise anzubequemen: durch derartige Zugeständnisse im Kleinen hoffte der Kaiser sie zu Frieden und Eintracht in Deutschland und zu ausreichender Hülfe für seinen großen Türkenkrieg zu bewegen). Und auch der Papst hatte seine Mitwirkung und Zustimmung zu diesen Versöhnungsversuchen schon im Allgemeinen ausgesprochen 10); die näheren Modalitäten dabei blieben der bewährten Einsicht und Zuverlässigkeit Aleander's überlassen.

So ist es die Entwickelung der politischen Beziehungen gewesen, welche zu diesen großartigen Versuchen einer Vermittelung der religiösen Gegensätze geführt hat. Aber auch im Innern der Kirche ist eine Strömung gewaltiger Bedeutung ihnen entgegengekommen.

Auch in der italienischen Geistlichkeit war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine neue religiöse Bewegung eingetreten. Die glänzende Entfaltung des Humanismus, die in Italien zuerst die Geister aus der Kirche hinausgeführt, sie hat auch dort bald die verweltlichten mit neuem religiösem Leben erfüllt. Noch in den Zeiten Leo's X. haben sich in Rom hervorragende Männer von Geist und Bildung zusammengefunden, die die tiefe Versunkenheit der bestehenden Kirche schmerzlich empfanden, und die ihre Heffnung einer innerlichen Erneuerung der Kirche selbst zu verwirklichen erstrebten. Von verschiedener Richtung und Begabung im Einzelnen sind diese Männer gewesen. Wenn auch der starre

9) Klar bezeichnet dies Karl am 22. September 1538 (Lämmers p. 194.) 10) Instruction vom 4. Juni 1538 bei Raynaldus. Dieselbe mit falschem Datum steht auch in den P. d'ét II. p. 577.

und starke Caraffa, der in Spanien sich mit der geistesverwandten Richtung der spanischen Reformer erfüllt hatte, dem Freunde, dem weichen, feingebildeten Contarini nicht in seine dogmatischen Arbeiten zu folgen. vermochte, so waren doch beite Männer, die Führer der religiösen Bewegung in Italien, gleich aufrichtig von dem Wunsche beseelt, der Wiedergeburt der Kirche, der als dringlich anerkannten Reformation der Geistlichkeit die Bahn zu eröffnen. Und wenn in den Zeiten dieser mediceischen Päpste das nur ein Wunsch hervorragender Geister geblieben, so hatte Papst Paul III. an seinem Hofe selbst jener reformatorischen Richtung eine Stätte bereitet. Hatte er doch sofort nach seiner Erhebung jene Männer des römischen,,Bundes der göttlichen Liebe“ in die Curie berufen, mit ihnen die geistlichen Angelegenheiten Europas zu berathen, von ihnen sich Mittel und Wege weisen zu lassen zu einer Reform der Kirche. So bieten die ersten Jahre des neuen Papstes in Rom ein anziehendes und merkwürdiges Schauspiel. Wieder einmal ist in jenen kurzen Jahren Rom das religiöse Centrum der romanischen. Nationen geworden; und auch der neue kirchliche Sinn, der in Spanien vor einem halben Jahrhundert ins Leben getreten, hat seinen beredtesten, seinen feurigsten, seinen thätigsten Apostel an diesen römischen Hof entsendet: Loyola, der Vater der Jesuiten, hat damals in Rom mit Caraffa, dem Gründer der italienischen Inquisition, jenen Bund geschlossen, der rie Restauration der Kirche im Tridentinum ermöglichen sollte. Und gerade ihm, dem spanischen Pilger, ist der Eintritt in die päpstlichen Kreise, die Möglichkeit einer weltumfassenden Wirksamkeit, durch Cons tarini's Vermittelung eröffnet worden, desselben Contarini, der in seiner Glaubenslehre sich sehr nahe mit protestantischen Anschauungen berührte11). In der Umgebung und im Rathe des Papstes sind in jenen Jahren die verschiedensten Richtungen gleichzeitig laut geworden, die sich

11) Dies Faktum, das ziemlich unbemerkt geblieben, ist durch Ribanedey ra Vita S. Ign. Loyolae II. 17. zweifellos bezeugt. Vgl. Acta Sanctorum ad 31. Juli. Nach Maffei Vita Ign. L. II. 6. ist die Freundschaft zwischen Contarini und Loyola eine so intime gewesen, daß Contarini eigenhändig die geistlichen Uebungen“ Loyola's sich abgeschrieben und denselben als seinen Beichtvater und geistlichen Lenker gebraucht. Wie wenig abgeklärt die Stellung der religiösen Parteien in Rom damals gewesen, zeigt auch Aleander's Gutachten über die Wahl der nach Deutschland zu sendenden Theologen, in welchem neben den schroffsten Gegnern der Protestanten auch Peter Martyr (der bald nachher offen mit der Kirche gebrochen) und M. A. Flaminio (der damals schon gegründeten Verdacht gegen seine katholische Rechtgläubigkeit erregt hatte) als Anwälte der päpstlichen Sache empfohlen werden (Lämmers p. 300.)

wenige Jahre nachher schon feindlich befehden. Aber allen den Män= nern, die der Papst zum Erstaunen der Welt an seinen Hof berufen, ist das Eine Gefühl gemein gewesen, daß die Kirche einer inneren Erneuerung bedürfe, daß die äußere Erscheinung, der ganze Dienst der Kirche eine Vertiefung des religiösen Inhaltes erheische. Im Einzelnen mochten die Räthe des Papstes verschiedener Meinung sein, sie mochten in Befestigung mittelalterlicher Formen, in Erneuerung scholastischer Systeme, in strengerer Härte gegen Abweichende den Weg des Heiles erblicken, oder sie mochten auf eine gründliche Erneuerung der inneren Gesinnung, auf eine stärkere Bethätigung wahren Glaubens an Stelle äußeren Werkdienstes allen Nachdruck legen: Alle waren sie doch überzeugt davon, daß wenigstens die Reform der Geistlichkeit für die Erneuerung der Kirche unentbehrlich geworden 12.

Und wie mußte nun diese religiöse Strömung am päpstlichen Hofe, diese Reformtendenz im Herzen des Papstthums selbst einer Politik zu Hülfe kommen, die auch ihrerseits auf gütlichem Wege die Protestanten mit der allgemeinen Kirche wieder vereinen wollte!

Zunächst freilich entwickelten sich die Verhältnisse doch nicht ganz in der beabsichtigten Weise. Sobald man in Deutschland versuchte, die Verhandlungen zu dem gewünschten Ziele einer Ausgleichung hinzuführen, erhoben sich doch manche Hindernisse. Wenn auf dem Tage in Frankfurt die Protestanten die Forderung aufstellten, daß der Friedstand, der Schutz für ihre Lehre ein dauerhaft gesicherter sein sollte, so war der Kaiser nach seiner ganzen Anschauung der Dinge doch nur im Stande, ihnen einstweiligen Frieden zu gewähren, ihnen die Erhaltung der augenblicklichen Lage auf Grundlage des Statusque anzubieten; und es erregte gewaltiges Aufsehen, als der Erzbischof von Lund nicht nur den ursprünglichen Mitgliedern des Schmalkaldener Bundes, sondern allen Bekennern der Augsburger Confession auf die Dauer von achtzehn Monaten den kaiserlichen Schuß und Frieden zusagte. In diesem Frankfurter Anstand 13) ward auch das weitere Ziel der kaiserlichen Politik in Deutschland näher ins Auge gefaßt: es ward verabredet, in kurzer Frist durch Gespräche unter den beiderseitigen Theologen die

12) Das bekannte Consilium de emendanda ecclesia ist von den Vertretern der verschiedensten Richtungen unterzeichnet. Auch nach der trefflichen Skizze dieser_gei= stigen Bewegungen Italiens, die Ranke in den Päpsten I. gegeben, verdienten diese Verhältnisse noch einmal eine ausführlichere Darstellung.

13) Vgl. Nanke D. G. IV. 103 ff.

Grundlage für eine religiöse Annäherung ausarbeiten zu lassen. Aber dies erste Resultat der entgegenkommenden Schritte des Kaisers bei den deutschen Protestanten hat die Katholiken allenthalben in Aufregung versetzt. Ebensowohl der Cardinallegat Aleander, als der Nuntius, der Bischof Morone von Modena jener geschickteste und gewandteste aller Geistlichen, den die Curie bei den entscheidendsten Ereignissen in Deutschland verwendet hat, jener Vorkämpfer der katholischen Kirche außerhalb Italiens, der bei den Eiferern in Italien bald selbst sich den Verdacht der Keßerei zugezogen, jener Staatsmann, der wie Wenige den Wechsel des Geschickes auf Roms schlüpfrigem Boden erfahren erklärten ihren Abscheu vor solchen Concessionen nach allen Seiten hin; und von Rom aus erging in besonderer Sendung eine Zurechtweisung an den katholischen Kaiser in Spanien, die in den heftigsten Ausdrücken die Frankfurter Vorgänge tadelte und eine Zurücknahme des Beschlossenen verlangte. Auch Kaiser Karl konnte nur wenig Gefallen an solchen Resultaten seines Gesandten in Deutschland finden; auch ihm konnte es unmöglich willkommen sein, daß die Ausdehnung der protestantischen Genossenschaft über die Kreise des Schmalkaldener Bundes hinaus als eine zu Recht bestehende anerkannt wurde; aber wie ihn, den spanischen Herrscher von Deutschland, die europäischen Angelegenheiten zu dem Verhandeln in Deutschland gebracht, so mußte ihn auch dieselbe Rücksicht auf seine allgemeine Stellung davon abhalten, der päpstlichen Aufforderung zu gehorchen und den in Frankfurt gethanen Schritt seiner Politik zu widerrufen; ja, weit entfernt, das Geschehene zu verwerfen, nahm er es sogar zum Ausgangspunkt seines weiteren Vorgehens14).

In jenem Jahre 1539 war es dem Kaiser schon klar geworden, daß der gewaltige und großartige Türkenzug, zu dem sich schon lange seine Phantasie in kühnem Schwunge begeistert, zu dem er lange schon Mittel und Wege zu bereiten gesucht hatte, zunächst noch nicht erfolgen könne. Wenn auch die spanischen Minister unablässig hin und her mit allen Mächten darüber verhandelt, es war ihnen doch nicht gelungen, die sich entgegenthürmenden Schwierigkeiten zu überwinden. Auch

14) Respuesta que se hizo sobre la resolucion que se tomo en las cosas de Alemania y Receso de Frankfort, que se envio al Marques de Aquilar (Döllinger I. p. 22.) Den zweiten Theil dieses Aktenstückes in lateinischer Uebersetzung hatte auch schon Raynaldus bekannt gemacht (ad a 1539). Hier ist auch die richtigere Fassung der in Döllinger's Abdruck unverständlichen Stelle auf S. 26. 3. 8 ff.

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