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ausgestellt hatte, daß in diesen geistlichen Gebieten die protestantischen Unterthanen von den katholischen Lantesberren in ihrer Religion nicht beläftigt werden sollten 54).

Ter Augsburger Religionsfriere, der am 25. Sertember 1555 zu Stande gekommen ist, hat also noch nicht alle streitigen Fragen endgültig entschieden, aber troh der Differenzen und treh der recht wesentlichen Differenzen hat man, tie zwingende Nothwendigkeit eines Friedens anerfennent, den Frieten abgeschlossen.

Das wesentliche Entergebniß aus Allem ist also ein Religionsfriede auf der Basis gegenseitiger Toleranz, ein Ereigniß, das die Nation aus sich selbst erreicht und der katholischen Politik ihres spanischen Kaisers abgezwungen hat.

Nach dem Siege Karl's über die protestantische Partei war dieser Sieg der Nation über den Wicerstand des Kaisers ein großes und herrliches Resultat. Wenn man damals noch nicht alle Fragen zu erletigen vermocht, wenn man noch manche Streitpunkte offen gelassen, se durfte man der Folgezeit es überlassen, auch diese in billiger Weise zu lösen. Nachdem das Fundament der Toleranz in unserer Nation gelegt war, konnte es die Aufgabe der folgenden Generationen werden, auf diesem Grunde weiter zu bauen und das anerkannte Axiom zu seinen praktischen Folgerungen zu entwickeln.

54) vgl. meine Erörterung in der Hist. Zeitschrift VII. 360–364, (bei. auch Note 13).

20.

Auch wer das politische System Karl's V. nicht als ein Heil für die deutsche Nation ansieht, wird ein tieferes menschliches Mitgefühl haben können mit dem alten Kaiser, der von der Höhe des Glückes in jener Mainacht des Jahres 1552 herabgestürzt ist.

Hatte doch dieser Kaiser mit seiner großartigen und kühnen Politik für einen Moment seinen Willen in allen europäischen Dingen zur Herrschaft gebracht, hatte er doch nach den Erfolgen der letzten Jahre dem Glauben sich hingegeben, als werde er den allgemeinen Zustand der Christenheit auf bleibende Dauer feststellen können. Und jetzt waren ihm alle diese Ideen europäischer Herrschaft wie ein Traumbild zerflossen; jezt waren die Kräfte der kaiserlichen Politik im innersten Leben getroffen und gelähmt. Aber nicht leicht und freiwillig hat Karl seine Ansprüche aufgegeben, unermüdlich hat er mit den Verhältnissen noch eine Weile gerungen und rastlos gearbeitet, von einer oder der anderen Seite die Verluste wieder einzubringen, sich neue Positionen zu schaffen, von denen aus er wieder an Deutschland seine Hebel ansegen konnte. Und doch ist alles Ringen und Mühen vergeblich geblieben: wie schon im Juli 1552 derKaiser erkannte, daß sein Widerstreben gegen die neue Ordnung in Deutschland ihn für den Augenblick nicht fördern könne, und wie er damals schon dem Bruder die deutsche Regierung auf seine eigene Verantwortung überlassen mußte, sich selbst nur geheime Einwendungen. vorbehaltend, so haben auch alle die fehlschlagenden Entwürfe der näch sten Jahre in dem Kaiser endlich den Entschluß zur Reife gebracht, auf Deutschland ganz zu verzichten. Die Strömung zum Frieden in der deutschen Nation ist zu stark gewesen, als daß der Kaiser sie zurückzudämmen die Mittel gehabt hätte: die einzelnen Versuche, von diesem oder

Maurenbrecher, Karl V.

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jenem Punkte aus sich wieder der Macht über die Nation zu bemeistern, sie alle sind an dem Friedenssinne der vorwaltenden Mächte im Reiche gescheitert.

Und auch die allgemeine Lage der kaiserlichen Politik hatte Karl keine Aussicht verschafft, seine Stellung in Deutschland wesentlich zu bessern. Seitdem König Heinrich mit den deutschen Protestanten, mit allen antikaiserlichen Elementen Europa's verbündet, den neuen Krieg gegen den Kaiser erhoben, hatte den Kaiser ein Unglücksschlag nach dem andern getroffen. Karl hätte sein Ansehen wohl durch einen persönlichen Sieg über die Franzosen wieder hergestellt; aber die Niederlage, die seine Operationen vor Meß erfuhren, nahm ihm den letzten Rest militairischen Rufes, der ihm nach der Flucht von Innsbruck noch geblieben 1). Und der wechselvolle Feldzug, der in den nächsten Jahren in den Niederlanden sich entspann, hatte zwar Sonnenblicke des Glückes, aber eine maßgebende und für die allgemeinen Verhältnisse austragende Entscheidung ward nicht gewonnen.

Und weit gefährlicher noch gestalteten sich die Dinge auf italienischer Seite. Es ist ein betrübendes und niederdrückendes Schauspiel, in diesen Jahren die kaiserliche Partei auf italienischem Boden zu beobachten. Unlustig und widerwillig kämpften die kaiserlichen Generale, operirten die kaiserlichen Politiker. Während auch hier das Glück der Waffen heute dem Kaiser und morgen dem Franzosen kleine Vortheile brachte, gerieth nach und nach im Großen und Ganzen die kaiserliche Seite in Nachtheil. Es gelang den Anstrengungen der militairischen und geistlichen Diplomaten durchaus nicht, eine günstige Aenderung in Rom oder im Felde hervorzurufen. Der Papst war durch die Franzosen eingeschüchtert; furchtsam und schreckbar suchte er jede Beziehung mit den Kaiserlichen zu vermeiden, die nach der anderen Seite ihn hätte kompromittiren können; seine Politik einer Friedensvermittelung unter den Mächten galt bei den entschlosseneren Vertretern des Kaisers als höchst verdächtig und zweideutig). Man bestürmte den Kaiser mit Vorstellungen, der Lage Italiens größere Aufmerksamkeit, höhere Beachtung zu schenken;

1) Der Venetianer Badoero erörtert 1558, daß Karl's Reputation vornämlich durch seine Flucht von Innsbruck und seinen Nichterfolg vor Metz erschüttert sei. (Alberi I. Bd. 3, 230.)

2) Besonders Manrique's Berichte zeigen den Papst als furchtsam und schüchtern und wetterwendisch: in seiner derben Weise sagt er einmal, den Papst müsse man mit „Kuchen und Stocprügeln“ behandeln, „del pan y del palo ha de haver."

aber der Kaiser ließ sich nicht beeinflussen: wie gelähmt und wie gleichgültig erscheint sein Verhalten gegen Italien; und je länger dieser Zustand dauerte, desto bedrohlicheren Charakter gewann er für die Zukunft der spanischen Herrschaft auf italienischem Boden.

Es ist in allen diesen Beziehungen, als ob der Sturz aus der Höhe des Sieges in drohende und beängstigende Gefahren die ganze Seele des Kaisers und seine Politik mit Apathie erfüllt habe: so trostlos haben sich die Dinge im Frühjahre 1553 gestaltet.

Die Krankheiten und Leiden, die ihn von Jugend auf verfolgt hatten, überfielen ihn um diese Zeit mit erneuerten, heftigeren, nachhaltigeren Schlägen und erschütterten die Reste seiner Lebenskraft: Gicht und Asthma und Hämorrhoidalbeschwerden und, wie man sagte, noch andere Uebel3) machten sich in unmittelbarer Folge, oft auch in unbarmherziger Gleichzeitigkeit fühlbar: alle Zeichen deuteten auf ein baldiges Ende hin. Von diesen körperlichen Leiden bestürmt, von dem Mißlingen seiner politischen Gedanken tief erschüttert, ließ Karl mehr und mehr die melancholische Stimmung, den angeborenen Hang zur Schwermuth, eine Erbschaft seiner Mutter, über seinen Geist Herr werden. Wer hätte da in dem an Geist und Körper gebrochenen Manne den glorreichsten Sieger seiner Zeit erkannt?

Der Kaiser hatte von früh an sich den Sohn zum Nachfolger erzogen und ausgebildet; er selbst hatte ihn in der praktischen Politik unterwiesen und mit den Tendenzen der kaiserlichen Stellung erfüllt. Da konnte der Gedanke nahe liegen, noch bei Lebzeiten den Prinzen Philipp, den Nachfolger, gleichsam als Mitregenten aufzunehmen: wenn Karls eigene Kräfte erschöpft und aufgerieben waren, durfte er wünschen, die Bürde der laufenden Geschäfte selbst auf die Schultern des Sohnes zu übertragen. Ich glaube, auf gelegentliche Aeußerungen, die Karl schon in früheren Jahren gethan hat, als wolle er sein Leben im Kloster beschließen, auf diese vorübergehenden Stimmungen melancholischen Weltschmerzes werden wir nicht gar zu viel Gewicht legen dürfen, es wird wenig ausmachen, festzustellen, bei welchem Ereignisse zum ersten Male eine solche Idee laut geworden ist1). Aber unter dem Drange des per

3) Marillac bei Ranke VI. 497. und ähnlich Cavalli 1551 (Alberi I. Bd. 2, 211), der hinzusetzt si dice anco che si risente un poco di mal francese. Vgl. auch die Krankheitsnotizen bei Gachard Retraite et mort de Charles-Quint aus monastére de Yuste. Introduction 15 ff.

4) Gachard 36. ff. Mignet Charles-Quint, son abdication etc. Man kommt bei diesen Erörterungen zu dem Resultate, daß entweder 1535 oder 1542

sönlichen Ungemaches und des politischen Unglückes, das in diesen letzten Jahren über den Kaiser hereingebrochen ist, darf es uns nicht Wunder nehmen, daß seine ermattete Seele nach Ruhe verlangte. Und wenn das gesundere Klima der spanischen Halbinsel den Kranken anzuziehen wohl im Stande war, so machten auch die politischen Bedürfnisse seiner ganzen Herrschaft das Auftreten des Sohnes in den Niederlanden und gleichzeitig die Rückkehr des Kaisers nach Spanien wünschenswerth. Der oft geäußerte, immer wieder aufgeschobene Plan dieser persönlichen Residenznahme auf der spanischen Halbinsel verband sich da mit der Sehnsucht des Kaisers nach Befreiung von der Last der Geschäfte: und so konnte es zuletzt dahinkommen, daß Karl den Entschluß zur Ausführung brachte, zu dem ihn geheime Neigungen seiner Seele schon lange getrieben und gestimmt hatten. Der mächtige Selbstherrscher entschloß sich, in einem spanischen Kloster den Rest seiner Tage zu verleben, ein Entschluß, der schon damals das ungeheuerste Aufsehen gemacht, der bis in unsere Tage hinein das Interesse aller Welt gespannt hat.

Allmälig und langsam erfolgte die Uebertragung der Regierungsgeschäfte an den Prinzen Philipp. Nach der Rückkehr zu der heimathlichen Halbinsel im Sommer 1551 hatte Philipp hier schon selbständiger gewaltet und dann nach und nach in den Angelegenheiten Italiens seine Thätigkeit geltend gemacht. Während nun im Sommer 1553 in Italien die Meinung Platz griff, eine Uebernahme der italienischen Geschäfte durch den spanischen Prinzen könne nur zum Vortheile der habsburgischen Herrschaft über Italien dienen, während der Papst wohl einmal dem gealterten Kaiser einen dahinzielenden Rath zu ertheilen wagte, während sogar der Vertreter Karl's in Rom es auszusprechen den Muth hatte, die Abwendung Karl's von Italien möge ihn doch zur Abgabe der italienischen Regierung an Philipp bewegen"); so wünschte Karl in derselben Zeit die Niederlande dem Sohne zu übergeben: Philipp sollte

Karl schon diese klösterliche Sehnsucht gefaßt habe: es liegt aber auf der Hand, daß bis in dies Jahr 1553 hinein die Thätigkeit des Kaisers davon nichts gezeigt hat. Die Wahl San Yufte's fällt wohl in das Jahr 1554. (Gachard 41.)

5) Manrique schreibt am 8. Juni 1533, der Papst habe ihm davon geredet, Karl solle doch dem Prinzen die laufenden Arbeiten überlassen; ja, im März 1554 wiederholt er dies, darauf hindeutend, daß er bei Manrique's kurzer Anwesenheit vor 2 Jahren ihm dies schon aufgetragen habe: que el principe trabajasse y V. M. descansasse y ajudasse a su hijo con consejo y con lo demas que pudiesse. (Depesche vom 20. März 1554) Manrique selbst hatte schon einmal (14. Oftober 1553) auf eine ähnliche Einrichtung hingedeutet.

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