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selbst, das mit gebieterischem Tone sich geltend machte, Aufhebung des religiösen Zwanges und Religionsfrieden verlangend.

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Kaiser Karl hatte dieser Maßregel nicht zuzustimmen vermocht; und wie hätte man von diesem katholischen Spanier Billigung eines Religionsfriedens erwarten dürfen? — Er hat noch zuletzt die Forderung eines unbeschränkten, beständigen Friedens in die Gewährung eines einstweiligen Stillstandes aller religiösen Händel herabgestimmt. Dem Frieden, den die Nation mit überwiegender Majorität forderte, hatte er sich nicht gefügt: der Widerspruch seines Charakters mit den Tendenzen der deutschen Nation war auch in dieser Lebensfrage wieder einmal zu Tage getreten. Aber wenn der Kaiser sich den Wünschen der Nation nicht unterzuordnen vermochte, und wenn er sogar auf seinem Widerstande gegen den dauernden Frieden beharren wollte, desto schlimmer für ihn.

Die Nation hat ihren Frieden auch ohne den Kaiser, auch gegen den Willen des Kaisers gefunden.

Schon der Passauer Stillstand war zu Stande gekommen, vornehmlich durch das feste, consequente, unbeirrte Auftreten jener großen Partei der Vermittlung. Wenn es auch im Reiche unruhige Geister und habgierige Kriegsfürsten gab, die in einer Fortsetzung des Krieges ihren Vortheil sahen, so waren doch von den größeren Reichsständen fast alle von der Nothwendigkeit des Friedens durchbrungen, die geistlichen Kurfürsten, die eigentlichen Häupter der katholischen Kirche in Deutschland, nicht minder als der Kurfürst von der Pfalz, in seiner Jugend der eifrigste Parteigänger Habsburgs im Reiche. Und auch der Staat, der früher den Friedensversuchen die heftigste Opposition gemacht und treu zu dem römischen Papste gehalten hatte, Bayern, stand jetzt in der ersten Reihe derjenigen Fürsten, die auf eine feste Grundlage gegenseitiger Anerkennung das Reich zu stüßen vermeinten. Sogar der Bruder des Kaisers, so gut katholisch er auch für seine Person gewesen und geblieben war, hatte die Nothwendigkeit des Religionsfriedens nicht in Abrede gestellt; segar Ferdinand hatte geglaubt, dem Bruder zureden zu sollen, daß er den Religionsfrieden bewillige: er hatte das ganze Gewicht seines Einflusses eingesetzt, den Bruder von dem Gedanken eines neuen Krieges abzuwenden.

Es waren wenige Parteigänger, auf die Karl bei seinen Kriegsplänen hätte zählen können. Da mochte wohl Einer oder der Andere der Prälaten, von unbeugjamem Eifer des Katholizismus erfüllt, sich nach den Prinzipien seiner Kirche gegen einen Frieden mit den Keßern

erklären, wie Kardinal Otto von Augsburg; da mochten auch wohl einzelne Fürsten, die bei dem Frieden verloren hatten, den Wunsch hegen, das Verlorene wieder einzubringen: Herzog Heinrich von Braunschweig, der alte Kämpfer des Katholizismus gegen die Schmalkaldener, dürstete nach Rache an seinen alten Feinden und suchte sich von der in Passau ihm auferlegten Bedingung einer Amnestie seines Landadels zu befreien: Herzog Johann Friedrich von Sachsen, der eifrige Bekenner und Beschüßer des Protestantismus, konnte nicht vergessen, daß er der geborene Kurfürst“ von Sachsen gewesen, er hätte gerne trog des gemeinsamen Glaubens dem Kurfürsten Moriß die Usurpation von 1546 mit gleicher Münze belohnt. Aber alle diese Elemente, die möglicher Weise sich dem Kaiser zu einer Friedstörung darboten, waren doch nur vereinzelt, in sich widerstrebend: es hätte schwer gehalten, mit ihnen einen nachdrücklichen Schlag gegen den Statusquo zu führen. Wenn bald die Nation von solchen Ideen des Kaisers erfuhr, wenn hier und da Vermuthungen auftauchten, als habe der Kaiser bei dem Widerspruche solcher Personen gegen den Frieden seine Hand im Spiele, so hat doch dies Benehmen nur dazu geholfen, den spanischen Karl mehr und mehr von der deutschen Nation zu entfremden.

Wenn Karl in Deutschland irgend Etwas ausrichten wollte, das die Zustände nach dem Passauer Vertrage wieder hätte umwerfen können, so war das Nächste und Dringendste für ihn, den Einfluß der franzö fischen Macht auf Deutschland zu brechen. Es wurde auch schon im August 1552 dem Kaiser klar, daß er vor allen anderen Schritten sich gegen König Heinrich wenden müsse; so beschloß er den Zug nach Lothringen, so uuternahm er die Belagerung von Mezz.

Aber wie gewaltig war die Macht des Kaisers auf allen Punkten in diesem Sommer erschüttert! Wie gewaltig waren die Fortschritte, die in diesem Sommer Heinrichs Waffen an allen Enden gemacht! Nicht nur, daß er Lothringen und jene Bisthümer in seine Hand ges bracht, nicht nur, daß er die habsburgischen Niederlande mit gefährlichem Angriffe bedrohte, nicht nur daß sein Alliirter, der Türke, vom Osten her die habsburgischen Lande angefallen und in augenscheinliche Gefahr versezt hatte, nein, auch in Italien hatte der Kaiser keine Vortheile von jenem im Frühjahre geschlossenen Stillstande gezogen: auch hier waren die französischen Heere vom Glücke begleitet, auch hier schwankte die spanische Herrschaft über Italien in ihren Fundamenten. Ein glücklicher Handstreich sette die Franzosen in den Besitz von Siena; der piemontesische Feldzug Gonzaga's nahm eine unglückliche Wendung; selbst

Neapel hatte von Mittelitalien aus, die Möglichkeit,

der Besitz von Siena bot dazu und gleichzeitig von der combinirten Flotte der Türken und Franzosen Angriffe zu bestehen 1). So war der Kaiser seines Rückhaltes in Italien nicht sicher, ja Italien forderte in beson= ders hohem Maße Aufmerksamkeit und Thätigkeit, Schuß und Hülfe von der kaiserlichen Regierung. Und wie da die Anklagen gegen die bisherige Leitung der italienischen Angelegenheiten durch Gonzaga und Mendoza immer lauter sich erhoben, kam zu den äußeren Angriffen noch diese innere Verwirrung unter den kaiserlichen Politikern hinzu. Die Toledos setzten es durch, daß zuerst Mendoza und dann auch Gonzaga aus Italien entfernt wurden, daß die Leitung der italienischen Geschäfte immer mehr in andere Hände kam. Wir begreifen, wie diese Parteiungen unter den kaiserlichen Ministern nicht gerade geeignet waren, dem äußeren Auftreten gegen französische und italienische Feinde eine bessere Haltung zu geben. So kam es, daß auch in Italien Karl's Macht in jenen Jahren immermehr in Rückschritt und in Perfall gerieth.2)

Es ist nicht die Absicht der gegenwärtigen Darstellung alle Abwandlungen weiter zu verfolgen, die Karl's europäische Politik unter dem Einflusse der äußeren Kriege nnd unter dem Drucke der neuen, mit Prinz Philipp in Spanien emporkommenden Partei erfahren hat: wie seit dem Passauer Vertrage die große Politik des Kaisers sich mehr und mehr von Deutschland abgewendet hat, beschränken wir uns darauf, die Gestaltung der deutschen Verhältnisse bis zum endlichen Frieden zu verfolgen und das Verhalten des Kaisers zu dieser friedlichen Strömung von Deutschland zu beobachten.

Die Majorität der Fürsten, die einen Frieden anf allen Gebieten für Deutschland anstrebte, schloß sich seit dem Passauer Vertrage immer

1) Ribier II. 378 ff. Charrière II. 201 ff.

2) Ich werde in anderem Zusammenhange auf diese Parteikämpfe zurückzukommen haben und behalte mir die näheren Details deshalb vor. Aus den zahlreichen mir vorliegenden Akten gebe ich hier nur einige Notizen. Mendoza wurde schon am 20. August 1552 abberufen, und fiel vollständig in Ungnade. Was Gon= zaga angeht, so nehmen in demselben Sommer die Klagen über seine Ungeschicklichkeit, sein Mißgeschick, seine Verschwendung u. s. w. überhand, es kommt damals schon zu Untersuchungen gegen ihn, zu diplomatisch-militärischen Commissionen vom kaiserlichen Hose in das italienische Lager. Während Karl im November 1553 fich schon nach einem Nachfolger für diesen Posten umsieht, wird Gonzaga aber erst am 16. Januar 1554 abberufen, und auch jetzt noch unter freundlichem Vorwande: man glaubte seine Persönlichkeit stets schonen zu müssen.

compacter zusammen; sie hatte ja einen vortrefflichen Rechtsboden, den sie verfocht: es galt ihr den Passauer Vertrag in allen seinen Bestimmungen aufrecht zu erhalten, die bestehenden Zustände schützend, nicht mehr neue Veränderungen verlangend. Und sie hatte einen vortrefflichen Führer bei diesem Bestreben, den thatkräftigen und gewandten Kurfürsten von Sachsen. Es war jetzt nicht mehr ein Parteibund, der die Toleranz für den Protestantismus zu seiner Losung gemacht, wie der Schmalkaldener gewesen, es waren jezt nicht mehr unbestimmte Verheißungen, zweideutige Bewilligungen des Kaisers, auf die man fußte, wie es im Speierer Abschiede von 1544 geschehen, es waren jetzt nicht mehr theologische Fürsten, fromme und redliche Männer, aber ungeübte und ungeschickte Politiker, die diese Forderung der Toleranz aufstellten, wie es die Häupter des Schmalkaldener Bundes 1546 gethan: nein, jetzt war es die Majorität des Reiches, die das Programm der Schmalkaldener Partei vertrat, jest war es ein festes, klares, unzweideutiges Gesetz, was früher nur Wunsch und Verheißung gewesen, jetzt war es ein umsichtiger, entschlossener, politisch - organisirter Kopf, der die Partei des religiösen Friedens zu leiten unternommen.

Und gegen diese allgemeine Richtung auf den Frieden arbeitete Kaiser Karl noch eine Zeit lang, in vereinzelten Schlägen und Stößen seine Kräfte versuchend. Wie seine Gesundheit immer zweifelhafter wurde, wie seine politische Spannkraft und Thätigkeit immer mehr erlahmte, wie andere außerdeutsche Aufgaben ihn immer mehr von Deutschland abzogen, so war auch diese seine Opposition gegen den Frieden nicht nachhaltig, nicht energisch, nicht kräftig, nicht nach der alten Weise, mit der er schon einmal die Nation bezwungen. Und in der That, Nichts lähmte ihn dabei mehr, als die Differenz der Meinungen mit dem Bruder. Während Karl es Ferdinand niemals verborgen hatte, daß er nur ungern in den Passauer Stillstand gewilligt und daß er jede Möglichkeit zu benutzen gedenke, sich den Verpflichtungen dieses Vertrages wieder zu entziehen, hatte Ferdinand kein Hehl daraus gemacht, daß er den Frieden für nöthig halte, und daß er alle Kräfte aufbieten werde, den Passauer Vertrag zu schüßen und zu vertheidigen.

Schon wenige Wochen nach der Unterzeichnung des Vertrages hatte Karl geäußert, wenn Moritz nicht pünktlich und genau alle einzelnen Stipulationen erfülle, werde auch er sich nicht mehr für gebunden erachten, werde er sofort die erste Gelegenheit ergreifen, nach seiner

eigenen Anschauung in Deutschland eine andere Ordnung zu schaffen 3). Und als nun Herzog Heinrich von Braunschweig gegen die ihm auferlegten Bedingungen reclamirtė, als dort im deutschen Norden sich Reste des Heeres der verbündeten Fürsten zusammenfanden, als dort eine lokale Fehde auszubrechen drohte, die einen Theil der Passauer Bestimmungen zerriß, da meinte Karl diesen Anlaß schon gefunden zu haben, aus dem er den Vertrag zu verwerfen berechtigt wäre1). Mansfeld's Truppenwerbungen waren gewiß ausdrücklich gegen die Friedensordnung, aber Karl that Nichts zur Beilegung der Wirren, er unterftüßte sogar heimlich den Braunschweiger Herzog, den Riß in den Passauer Vertrag zu erweitern. Und da jezt ihm Geldmittel aus Spanien geschickt wurden3), verdoppelte sich sein Eifer, die ungern gegebenen Zugeständnisse des Passauer Vertrages auf irgend eine Weise wieder zurückzunehmen. Ja, die Neigungen des Kaisers hatten bald Gelegen= heit in noch grellerem Lichte hervorzutreten.

Der Kulmbacher Markgraf, der den Passauer Vertrag nicht anerkannt hatte und nun auf eigene Faust einen Raubkrieg zu führen unternahm, war in die rheinischen Bisthümer eingefallen und hatte sich von Trier aus der französischen Grenze genähert. Wie er in französischem Bunde gestanden, war es auch jetzt seine Absicht, sich mit dem französischen Heere zu verbinden und als General französisch-deutscher Heerhaufen die begonnene Arbeit des Plünderns und Mordbrennens fortzusetzen. Aber es gab Mißhelligkeiten zwischen den französischen Staatsmännern und diesem deutschen Markgrafen. Als da nun der Kaiser mit seinen Heere heranrückte, befand Albrecht sich einen Moment in peinlicher Lage: der Kaiser hatte die schärfsten Mandate gegen sein Treiben erlassen, er hatte die Raubverträge, die Albrecht von Würzburg, Bamberg, Nürnberg erpreßt, von Reichswegen kassirt; und auf der andern Seite war Albrecht mit den Fran,osen durchaus noch nicht handelseinig geworden, er glaubte Grund zu Mißtrauen und Klagen zu haben. Da versuchte der kaiserliche Feldherr, der Herzog von Alba, diese augenblickliche Mißstimmung Albrechts auszubeuten, ihn auf die Seite des Kaisers zu ziehen. Und in der That, das Unerwartete gelang. Statt dem Franzosen gegen den Kaiser zu dienen, stürzte sich Albrecht mit kriegerischem Ungestüm auf die Haufen der

3) Karl 1. September. Lanz 3, 483.

4) 17. Oktober 1552. 12. Januar 1553. ebd. 501. 530.

5) Am 18. September dankte Karl dem Sohne für die durch Manrique überbrachte Summe von 500,000 Dukaten.

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