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Mai wurden die französischen Waffen zum Abzuge aus Deutschland genöthigt. Kurfürst Moritz selbst hatte seinem französischen Verbündeten von den Verhandlungen mit König Ferdinand Mittheilung gemacht und ihm dabei dargelegt, wie man jetzt im Begriffe stehe, die ausgesprochenen Ziele des Aufstandes auch auf gütlichem Wege zu er reichen; und damit hatte er die freundliche Bitte verbunden, mit einem weiteren Vordringen französischer Waffen, das ja für Deutschlands Freiheit unnöthig geworden, jezt das Reich zu verschonen; wenn Heinrich ihm seine Friedensbedingungen mittheilen wolle, so werde er, Moritz, gerne auch den Frieden Frankreichs mit dem Kaiser vermitteln17). Und als nun in dem französischen Lager gleichzeitig mit dieser sächsischen Botschaft auch Gesandte der rheinischen Kurfürsten eintrafen, die sich, durch die kaiserlichen Mahnungen angeregt, zu einem gemeinsamen Schritte ermannt hatten18), da hielt der französische König es für angemessen, sich nicht einen ernstlichen Krieg der deutschen Nation zuzuziehen, er be gnügte sich mit dem gemachten Erwerbe der lothringischen Bisthümer, und zog in das eigene Land zurück, seinen deutschen Freunden erklärend, welche unsterblichen Verdienste er sich um die deutsche Freiheit erworben, wie gefährlich der Habsburger Kräfte geblieben, wie bereit er zu neuen Diensten für seine deutschen Freunde sei19).

Das siegreiche Vordringen der Fürsten nach Tirol und der Rückzug des Franzosenköniges aus Deutschland, das sind die Ereignisse ge= wesen, die seit der Conferenz von Linz nicht zu Gunsten des Kaisers die Lage der Parteien verändert haben. Aber während der Kaiser von Tag zu Tag mehr Aussicht gewann, an verschiedenen Stellen des Reiches Truppen zusammen zu bringen, verfiel er wieder auf das alte Mittel von 1546: auch diesmal suchte er aus den protestantischen Gegnern sich Bundesgenossen zu erwerben. Man beurtheilte den Markgrafen Albrecht Alcibiades gewiß richtig, wenn man bei ihm unter nationalen und popularen Redensarten recht reelle und egoistische Ziele veraussette; man meinte von Anfang an, ihn für eine Summe Geldes gewinnen zu können, man stellte ihm recht verlockende Anträge 20). Aber

17) Moritz an Heinrich. 2. Mai. Langenn II. 346.

18) Schreiben der rheinischen Kurfürsten aus Worms vom 9. Mai — (Abschrift in Simancas) vgl. Leodius vita Friderici 280.

19) Heinrich. 13. Mai. Langenn II. 350.

20) In der Correspondenz von Karl und Ferdinand ist schon seit März 1552 die Rede von solchen Bestechungsversuchen. Den Antrag theilt Voigt Albrecht Alcibiades. I. 284 f. mit.

der heißblütige Kriegsfürst war diesmal der Meinung, sich noch bessere Beute durch die eigene Faust zu erringen; er zog brandschaßend und plündernd in Franken umher, Verträge und Waffenruhe, die seine Verbündeten geschlossen, nicht anerkennend; an den reichen Pfaffen von Würzburg und Bamberg und an den Pfeffersäcken von Nürnberg dachte er sich zu erholen. Dieser Brandenburger hat den Krieg auch im Sommer 1552 weiter geführt, auf eigene Rechnung, auf eigene Gefahr. Man kann ihn zu keiner der großen Parteien im Reiche zählen. Eine glücklichere Wendung aber nahmen die kaiserlichen Verhandlungen mit dem Markgrafen Hans. Diesen Fürsten, der eigentlich zuerst und am energischsten die Idee einer Auflehnung gegen den kaiserlichen Religionsdruck gefaßt hatte, versuchten vergebens die Bundesfürsten für ihre Ziele zu gewinnen. Ja, den kaiserlichen Agenten gelang es sehr bald, Wege und Mittel ausfindig zu machen, die diesen heftigen Protestanten wieder einmal der kaiserlichen Politik dienstbar machten. Nach langen und schwierigen Verhandlungen erklärte Hans sich zuletzt wieder zu Kriegsdiensten für den Kaiser bereit21).

Auf diese Weise operirte Karl's Politik neben und hinter den Vermittlungsverhandlungen, die That möglich zu machen, nach der gleich Anfangs sein Sinn getrachtet. Wie er einst den Groll gegen den Papst Farnese, seinen Verbündeten, der sich gegen ihn gekehrt, in trïgerischem Schein verborgen und mitten aus freundlichen Verhandlungen heraus mit einem Gewaltstreiche die Treulosigkeit des Papstes gerächt hatte, so ließ er auch jetzt den Bruder in seinen Verhandlungen mit dem untreu gewordenen Vasallen gewähren; aber auch jetzt, — ich glaube, wir dürfen keinen Zweifel daran hegen, — spähte dieser Kaiser auf Moment und Gelegenheit zur Züchtigung des sächsischen Kurfürsten. Es ist nicht unsere Absicht die Passauer Verhandlungen im Einzelnen zu verfolgen; aber wenn es innerhalb unserer Aufgabe liegt, die Stellung des Kaisers zu den Friedensverhandlungen genauer ins Auge zu fassen, so glaube ich es sofort hier recht nachdrücklich betonen zu sollen, daß bei jedem friedlichen Schritte, den Ferdinand dem Bruder abgerungen, Karl die Möglichkeit berücksichtigt und berechnet hat, zulegt der VerHandlung doch noch Gewalt gegen den Gegner. vorzuziehen. Finden wir doch an keiner Stelle, daß Karl aufrichtig den Frieden gemeint hat: und nicht sein Wille, nur die Noth der Verhältnisse hat die That der Rache zurückgehalten.

21) Voigt I. 280. Die Verhandlungen des Kaisers wurden durch Schwendi und Böcklin geführt (ihre Berichte bei Lanz III.)

Etwas später, als man Anfangs beabsichtigte, am 1. Juni, überreichte Moritz der Versammlung in Passau die Forderungen des Aufstandes. Am 2. vereinigte man sich über die Weise der Verhandlung. Es ist charakterstisch und bezeichnet ganz genau den Umschwung der Verhältnisse in der Nation, es zeigt uns, wo der Schwerpunkt ihrer Geschicke damals zu suchen war: hier in Passau traten auf der einen Seite der Kaiser und auf der anderen Kurfürst Moritz mit seinen Verbündeten als die Parteien auf. Zwischen ihnen aber stand die ganze Masse jener vermittelnden Reichsstände, welche die Nation vor dem Unglücke eines neuen, allgemeinen Krieges bewahren wollten: sie einigten sich zuerst unter sich über die den Parteien aufzuerlegenden Vorschläge, fie verhandelten dann mit König Ferdinand; und erst wenn diese Majorität der deutschen Fürsten sich mit dem römischen Könige zu derselben Meinung geeinigt hatten, erst dann wurden die Bedingungen den hadernden Parteien zur Annahme mitgetheilt. Wir sehen, welch ein Unterschied in diesen Passauer Verhandlungen und in der Geschäftsordnung der deutschen Reichstage waltet. War es hier doch dahin gekommen, daß diesen Fürsten die Entscheidung zufiel; hatte sich doch hier das als das Resultat ergeben, daß die Fürsten zu derjenigen Partei stehen würden, die auf ihre Anschauungen eingehen wollte. Es stand hier die Alternative in Aussicht, entweder daß man allgemein sich gegen den Kaiser erheben oder daß die Nation den Rachestreich des Kaisers gegen Moritz unterstützen werde, es sei denn, daß man beide Parteien in den Vorschlägen der vermittelnden Fürsten vereinigt hätte 22).

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Es gab ein paar Punkte, die sich allmälig erledigen ließen. Wenn die kaiserliche Politik Nichts von einer Betheiligung Frankreichs an den Friedensverhandlungen wissen wollte, so brachte man auch bald die Fürsten dahin, den französischen Agenten abzuweisen: er konnte froh sein, ohne weitere Belästigung aus Passau zu entkommen. Und dann hatte doch gleich im Anfange dieser Bewegungen der Kaiser Aussicht gegeben, den Landgrafen frei zu lassen; es handelte sich nur um die Zusicherung, einmal, daß Philipp selbst keine Rache für das Vergangene nehme, und dann, daß die Bundesfürsten ihre Heere ohne Weiteres zu entlassen versprächen. Die Passauer hatten zuerst die Gleichzeitigkeit der Freilassung Philipps mit der Entlassung dieses fürstlichen

22) Reiches Material neben der Darstellung Rankes bietet über diese Dinge der 3. Band der Sammlung von Lanz: hier ist nur an wenigen Stellen das entscheidende Aktenstück besonders citirt worden.

Heeres aufgestellt; Ferdinand aber hatte dies dahin zu mildern gewußt, daß man den Landgrafen zuerst in die Hand einer dritten zuverlässigen Person ausliefere, bis der Gegentheil seine Verpflichtung erfüllt habe. Als nun Karl widerstrebend dies angenommen, fand sich, daß die Vermittler und ganz besonders der Kurfürst von Köln, dem jene Rollə eines Dritten zugedacht war, sich dagegen erklärten. Schließlich mußte der Kaiser auch die Gleichzeitigkeit, auf der die Stände bestanden, sich gefallen lassen, hierin den Wünschen Ferdinands sich fügend.

Man brachte dann alle jene Beschwerden der Nation vor, die der Druck der spanischen Gewaltregierung aufgeregt und angehäuft hatte. Aber wenn nun auch im Allgemeinen der Kaiser seine Geneigtheit zur Abhülfe wirklich nachweisbarer Rechtskränkungen erklärte, so wollte er doch nicht einige wenige Reichsstände als Richter anerkennen über die Akte seiner Regierung: es sei Sache des Reichstages, hierin Bitten und Beschwerden vorzutragen, wie ja auch der Reichstag einige der vergebrachten Klagepunkte früher ausdrücklich gebilligt habe. Der Kaiser gab hierin nicht nach: freilich zeigte er sich bereit in einzelnen Dingen schon zu helfen. Aber seine Bedeutung erhielt dieser Punkt erst durch die Verbindung, in die man ihn zur Religionsfrage seßte.

Der Kern der ganzen Verhandlung, die Frage, deren Lösung die Nation gebieterisch forderte, war auch diesmal der Religionspunkt. Und hierin traten sofort die tieferen Gegensätze zu Tage, in welchen Ireen und Tendenzen der beiden Parteien sich bewegten. Wie der Kaiser an dem Gedanken der kirchlichen Einheit festhielt, so war die Majorität der Nation, ohne jeglichen Zweifel in ihrem Sinne protestantich, durchaus abgeneigt diesen Tendenzen des Kaisers. Kurfürst Morig forderte mit klaren und bündigen Worten ein Zurückgehen auf die Gesetze des Speierer Reichstages von 1544, jene Geseze, deren Frucht ein allgemeiner, unantastbarer, ewiger Religionsfrieden sein mußte 23).

Wir haben früher gesehen, daß die Entwicklung der religiösen Angelegenheit in Deutschland schon lange von den Bahnen abgewichen war, die zu einer nationalen Kircheneinheit hingeführt hätten. Selbständigkeit der Landeskirchen, territoriale Mannigfaltigkeit der Religionen, Toleranz und Friede zwischen den Kirchen waren so die Ziele geworden, zu denen man nach dem Verluste der Einheit hinstreben mußte. Unter den Combinationen der äußeren Lage war schon einmal die Nation diesem Ziele nahe gekommen; und wenn man damals friedliche Versuche der Annäherung und Aus

23) Rante V. 206 ff.

gleichung gemacht hatte, so war doch auch damals schon die Idee aufgestiegen, in jedem Falle friedlich neben einander zu wohnen. Aber in diese Entwickelung war des Kaisers spanische Religionspolitik hineingefahren, mit wuchtigen Schlägen diesen Friedenstempel zu zerstören und die Deutschen, Katholiken wie Protestanten, wieder in die Eine Kirche zusammen zu zwingen. Wir haben gesehen, welche Erfolge eine Zeit lang dies Werk des spanischen Meisters gekrönt haben. Hier in Passau droht aber plötzlich bei dem ersten Stoße das neue Gebäude der kaiserlichen Kircheneinheit zusammenzufallen: auf's neue treten uns aus den gestürzten Elementen jene Ideen der Selbständigkeit in religiösen Dingen und des allgemeinen Religionsfriedens entgegen. Wie natürlich uns heute ein solcher Religionsfriede auch erscheinen mag, wir dürfen uns nicht wundern, daß Kaiser Karl vor dem Gedanken zurückbebte, auf solche Greuel hören oder gar eingehen zu müssen: es wäre doch eine Niederlage seines Prinzipes gewesen, des Grundsaßes der Kircheneinheit, für den er so mannhaft gestritten, gehandelt, gesiegt hatte es wäre eine Zurücknahme aller seiner Errungenschaften aus den letzten Jahren gewesen, seines Interims und seines Conziles. In der That, auf dem Standpunkte, auf dem das Leben dieses Kaisers beruhte, konnte Karl dem Friedenswunsche der Deutschen nicht nachgeben.

Die Forderungen der Protestanten wurden allerdings in dem Congresse etwas abgeschwächt, aber dies Eine blieb doch das Resultat, daß man für alle religiösen Verhandlungen die Basis unbedingter Toleranz, eines unbedingten Religionsfriedens festhielt. Und die kaiserlichen Agenten in Passau, die Gelegenheit hatten, die wahre Lage der Dinge kennen zu lernen, konnten nicht umhin, dem Kaiser vorzustellen, daß die Forderung nach einem solchen Religionsfrieden eine durchaus allgemeine sei 24): man sei einverstanden damit, die Beilegung der religiösen Differenzen auf die Entscheidung eines Reichstages zu verweisen, aber man bestehe von allen Seiten darauf, und hierin seien Protestanten, Katholiken und selbst die geistlichen Fürsten Eines Sinnes, daß ein allgemeiner Friede, ein immerwährender Friede, der den Katholiken und den Augsburger Confessionsverwandten gleiche Berechtigung zuweise, nicht länger umgangen werden könne. Diese kaiserlichen Gesandten bemühten sich, auf alle Weise ihrem Herrn die Pille schmackhaft zu machen; ja, sie gingen soweit, dem Kaiser auszusprechen, wenn er ablehne, werde er allein

24) Rye und Seld 15. Juni. Lanz 3, 263 ff. eins der wichtigeren Documente von allgemeiner Bedeutung.

Maurenbrecher, Karl V.

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