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Diese Berechnung des Kaisers und seiner Räthe, diese schlaue und feine Politik, die einstens den spanischen Aufstand rasch nieder geworfen und die Spanier alle dem Hofe und dem Dienste Karls fügsam ge= macht hatte, sie ist auf dem Reichstag von Augsburg an der festen Ueberzeugung der „Kezer“ zu Schanden geworden: ein religiöses Gefühl bei den Neuerern hatte der politische Rechenmeister nicht mit in Rechnung gestellt, auf Glaubensmuth und Glaubenseifer bei dem protestan tischen Gegner hatte der katholische Herrscher nicht zu stoßen gedacht: an der festen religiösen Ueberzeugung jener protestirenden Fürsten, die mit entschlossenem Sinn ihre Glaubenslehre die Augsburgische Confession - dem Kaiser überreichten, ist dieser erste Versuch der kaiserlichen Politik gescheitert.

Von allen Seiten kam man zu der schon vorher besprochenen 3dee ein allgemeines Conzil zu berufen; und so ließ Karl den officiellen Antrag auf eine solche Berufung jezt in Rom stellen. Allein während diese Frage den Papste und den Kardinälen ernstliches Nachdenken und wiederholte Berathungen erregte, eröffneten der Kaiser und der Legat in Augsburg rührig und eifrig mit den Gegnern Verhandlungen, fie Schritt für Schritt von ihrem Bekenntniß abzubringen. Karl drang persönlich in den Landgrafen von Hessen; dem Kurfürsten von Sachsen drohte des Kaisers Ungnade und des Stammesvetters Feindschaft. Der Legat aber ließ sich sogar zu Besprechung und Briefwechsel mit dem theologischen Führer der Protestanten, dem friedfertigen und gebildeten Melanchthon herbei): und als der katholischen Theologen Widerlegung des protestantischen Bekenntnisses vorgetragen und von den Reformirten nicht gebilligt war, da trat man sogar zu Debatten und Berathungen über die controversen Fragen der Lehre zusammen: man schien dabei sich einen Moment in den dogmatischen Fragen sehr nahe zu kommen, von römischer Seite machte man Miene, im Einzelnen, vielleicht in der kirchlichen Praris das Eine eder das Andere zuzugestehen, zuleßt aber verschlugen sich alle diese Aussichten, und die kirchliche Spaltung - das ist das Resultat aller Verhandlungen blieb auf dem gütlichen Weg einer theologischen Besprechung nicht mehr zu heilen. Freilich dem Conzil konnte der Papst unmöglich offen widersprechen: wenn er auch jeden andern Ausweg vorgezogen hätte,

7) Im Corpus Ref. II. 169, 172, 174, 247. Vgl. Campeggios Depesche bei Lämmers p. 43, 52, 55 (auch ib. p. 231) und Pallavicinos Mittheilungen III. 4. § 3).

so mußte er doch sich mit widerstrebendem Sinne zu diesem Schritte entschließen 8). Des Papstes bedingte Zustimmung eröffnete Karl seinen Ständen und forderte die Neuerer auf, einstweilen sich dem Gebote der Kirche zu fügen und des Kaisers, des Papstes, der ganzen Christenheit Urtheil zu erwarten. Aber es gelang ihm nicht, die Protestanten zu vorläufiger Unterwerfung zu bewegen: auf dem Boden ihrer dargelegten Lehre verharrend wiesen sie alles Weitere ab. Und das schien nun allen den Räthen Recht zu geben, die bei Karl auf energischere und strengere Haltung schon lange gedrängt hatten. Sofort bemühte sich Campeggio dem katholischen Kaiser es eindringlich vorzustellen, wie hier. allein die Gewalt, eine strenge und entschiedene Durchführung des Reichsgesetzes von 1521, eine mächtige That gegen die Rebellen an Kaiser und Gett das einzige Mittel sei, das zum Ziele treffe. Er schien den Kaiser davon überzeugt zu haben, es fand eine Berathung mit den eifrigeren katholischen Ständen Statt, wie man mit Gewalt die Einheit der Kirche durchsetzen und aufrechthalten könne 9): cs ward auch im kaiserlichen Staatsrath die Frage vielfach und gründlich erörtert 10) und zuletzt entschied man sich doch dahin, daß in diesem Augenblick ein Gewaltschritt, wie etwa die Festsetung der protestantischen Häupter 11) zu gewagt und zu gefährlich sei, daß auch für den Winter von den unvorbereiteten nicht ausreichend gerüsteten Fürsten noch Nichts unternommen werden könne, daß aber im Frühjahr des nächsten Jahres, wenn bis dahin Drohung mit Güte vereint noch Nichts gefruchtet, der Krieg des Kaisers und des katholischen Theiles gegen die rebellischen und ungläubigen Fürsten und Städte beginnen solle.

So endete der Augsburger Tag mit dem Bruche des deutschen Reiches in zwei feindliche Lager: während die Protestanten, die bei dieser scharfen. Wendung des Reichtages eilig Augsburg verließen, zum Schuß gegen das drohende Unwetter des kaiserlichen Zornes, zur Vertheidigung ihres Glaubens und ihrer Religion den Bund zu Schmalkalden schlossen und fest auf ihrer Verneinung des kaiserlichen Willens beharrten, nahm Karl ebenfalls Maßregeln vor, seine Stellung zu festigen: es gelang ihm, die Wahl des Erzherzoges Ferdinand zum römischen Könige, auch trotz des sächsischen Protestes, zu Stande zu bringen, und eine Vereinigung aller Katholiken

8) Interessant sind Lo ay sa's Mittheilungen vom 31. Juli bei Heine p. 359. 9) Dep. vom 23. September, bei Lämmers p. 57.

10),,Articuli aliqui notati quomodo et qualiter Caesar rebelles in fide punire possit“ im Anhang. I. 3.

11) Vgl. darüber Karl an Ferdinand vom 13. Juni 1531 bei Lanz I. 481.

in Deutschland diese Wahl zu schirmen und die Rechte der allein im Reiche anerkannten Kirche zu schützen ward emsig vorbereitet 12). Nach Rom aber legte es Karl ausführlicher dar 13), wie jezt allein das oft geforderte allgemeine Conzil der abendländischen Kirche eine Heilung der deutschen Schäden bringen könne, das Conzil, das nicht nur den Lutheranern wirksam begegnen sollte, sondern das auch die katholischen Deutschen laut und dringlich gefordert hatten. Während Karl die Gewalt gegen die Protestanten dabei doch durchaus nicht ausgeschlossen wissen, im Gegentheil zu dem Protestantenkrieg sich nur besser vorbereiten wollte, während er schon aus Italien vom Papste Truppen herbeizuziehen gedachte 14): entschloß man in Rom sich nach einigem Zögern auf die Conzilfrage einzugehen, freilich nach Farnese's Rathschlag nur in solcher Weise 15), daß vorher die Zustimmung aller europäischen Mächte eingeholt und die Bedingungen des Zusammentritts durch die europäische Diplomatie vorher erst geordnet werden sollten: damit war die Möglichkeit angedeutet, wie man der ungern und widerwillig gegebenen Zusage wieder zu entschlüpfen meinte; die Hoffnung blieb rege, daß in so schwierigen Verhältnissen der Kaiser, wenn ihn nur der Papst in außerordentlichem Maße unterstützen wollte, doch zuleht lieber zur Gewaltthat gegen die Protestanten greifen werde 16).

Wenn so am Ende des Jahres 1530 die große Frage, ob ein Conzil oder ein Krieg oder Beides zugleich die deutsche Reformation bändigen solle, noch in der Schwebe gehalten wurde, so konnte die Entscheidung in dieser Alternative für die kaiserliche Politik nur aus der gesammten Lage, aus der großen Anschauung aller politischen Verhältnisse von Europa erfolgen. Was hatte aber dem Kaiser die Möglichkeit verschafft, sich der Kirchenfrage Deutschlands überhaupt anzunehmen, was hatte die Grundlage, die Vorbedingung abgegeben für seine Politik von 1529 und 1530? Nichts Anderes als der Friede mit Frankreich. Und in der That, Waffenruhe und Freundschaft mit dem französischen Rivalen ist für Karl V. stets die unerläßliche Voraussetzung einer Thätigkeit in den deutschen Dingen gewesen.

Schon in den Verhandlungen über den Frieden von Cambray war die Idee ausgesprochen worden, daß die beiden Rivalen um die

12) Gutachten in Lanz, Staatspapiere 57.

13) Cueva's Sendung im Oktober 1530 bei Heine p. 525 533.

14) Campeggio am 11. November bei Lämmers p. 63.

15) Loaysa vom 30. November bei Heine 390 ff.

16) Darauf zielt Campeggio's Rathschlag. (Lämmers p. 64-66.)

Herrschaft Europa's sich einmüthig vertragen, in friedlichem Bunde sich vereinigen, durch Familienverbindung zu Einem Ganzen sich zusammenschließen sollten. Als Franz nun wirklich des Kaisers Schwester, Leonor, die Wittwe von Portugal, ehelichte, gewann am französischen Hofe eine den Habsburgern befreundete Richtung der Politik festeren Halt; und auch in Karl's Rath gab es Stimmen, die auf die französische Allianz die Zukunft seiner politischen Schöpfung gründen wollten. Die Erzherzogin Margarethe hatte laut dafür sich ausgesprochen 17), und in der nächsten Umgebung des Kaisers konnte Granvella als Organ dieser Anschauung gelten 18). Allerdings, Karl selbst hatte sich dieser Idee doch nicht hinzugeben vermocht, als ob ein Bund mit dem französischen Könige möglich sein könnte, er hatte sogar bald nach dem französischen Verzicht auf italienischen Besit wieder an der Wahrhaftigkeit des Königs gezweifelt und mißtrauisch seine Schritte beobachtet 19). Allein trotzdem wurde über die kaiserlich-französische Allianz als eine feste Basis des europäischen Friedens zwischen Brüssel und Paris lebhaft verhandelt. Die Projekte und Pläne, die man gefaßt hatte, haben zuletzt sich doch alle als eitel und nichtig erwiesen: schon im April 1531 ist das Resultat klar gestellt, daß man zu dem ge= suchten Ziele nicht gelangen werde, und daß die kaiserlich - französischen Entwürfe für die europäische Ordnung verwirklicht zu werden wenig Aussicht behalten.

Wenn in diesem diplomatischen Schachspiel der Sieger von 1529 nach und nach die Vortheile seiner Stellung verloren, wenn ihm 1531 schen wieder Verwickelungen der bedenklichsten Natur auf allen Seiten. drohten: wie hätte er da noch an den Kriegsgedanken für Deutschland festhalten können? in Erwartung eines drohenden Türkenzuges, im Angesicht der mehr als zweideutigen Haltung Frankreichs, wie mußte da Karl seine Forderungen in Deutschland herabstimmen!

Er, der die Protestanten in seine Auffassung der kirchlichen Dinge hineinzuzwingen oder sie mit kriegerischem Schlage heimzusuchen beabsichtigt hatte, er war jetzt zufrieden, sich gegen einen Angriff von ihrer Seite sicher zu stellen, er war bemüht, den Friedstand im Reiche zu erhalten, er glaubte viel zu erreichen, wenn er die auf allen Seiten

17) So am 2. Oktober 1529 (Lanz I. 346) ähnlich einen Tag vor ihrem Tode, am 30. November 1530 (ib. 408).

18) Vgl. 3. B. Papiers d'etat II. 132. 248.

19) Vgl. Karl's Aeußerungen bei Lanz I. 352 u. 369.

mächtig verbringende neue Lehre zum Stehen gebracht 20). Sogar den Religionskrieg in der Schweiz, wie lebhaft auch die Sympathien für die Sache der Kirche sein mochten, mußte er zuletzt doch ungenut vorbeigehen lassen. Und nachdem König Franz, auf des Papstes Meinung eingehend, durch seine Einwürfe und Erörterungen dem Kaiser gezeigt, wie wenig er das allgemeine Conzil des Abendlandes wünschte, nachdem auch der Papst immer mehr seiner Hinneigung zu dem französischen Interesse nachgegeben: da bezwang sich auch der Kaiser durch Mittelspersonen auf Besprechungen mit den Lutheranern einzugehen, da sagte er es zu, in dem rechtlichen Verfahren des Reichsgerichtes gegen die Usurpateren der kirchlichen Güter inne zu halten, da war er bereit, den Deutschen einen vorläufigen Frieden auf Grundlage des Statusquo zu gewähren. Und nicht einmal das war leicht zu erreichen. Die Fürsten des Schmalkaldener Bundes erkannten recht wohl die Bedeutung ihrer Stellung, sie weigerten sich lange, auf ein solches Abkommen einzugehen, und erst nach einer langwierigen, eft abgebrochenen, immer aber neu angeknüpften Unterhandlung gelang es, sie zu der Uebereinkunft zu bewegen, die den Namen des Nürnberger Religionsfriedens trägt. Nachdem zwei Jahre hindurch die großen Mächte des europäischen Lebens über Conzil und Ordnung Europa's verhandelt, war das Ergebniß aller ihrer Sendungen und Neten, das Produkt aller ihrer diplomatischen Pläne und Gegenpläne eine theilweise Anerkennung der so glühend gehaßten Kegerei, eine papierne Schanze gegen den Fortschritt der Neuerung in Deutschland.

Das Jahr 1532 brachte den erneuerten Angriff der Türken auf Ungarn und die Grenze des Reiches; dem Türkenkriege sah Franz unthätig zu, schadenfroh und kalt die Aufforderung Karl's zur Hülfe ablehnend 21). Und nachdem der Habsburger sich hier eben der Ungläubigen erwehrt, drängte wieder alles zu dem Ausbruch eines Krieges zwischen den alten Rivalen. Mochte auch der Kaiser, der durch Italien die Rückreise in seine spanischen Länder angetreten, in Bologna mit dem Papste und den italischen Staaten eine italische Defensivliga schließen, mochte er auch noch einmal alle Mittel der Ueberredung an den Papst verschwenten: des französischen Rückhaltes sicher, war der Papst nicht zu einem ernstlichen, aufrichtig gemeinten Beschluß des Conziles zu bewegen, ja, wenn einmal im Colleg der Cardinäle sich die 20) Karl an Ferdinand 3. April (Lanz I. 430) und an Bonvalot 2. Mai (P. d'ét. I. 533.)

21) Mission Balançon's in Frankreich P. d'ét. I. 601 ff.

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