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daß man durchaus nicht an die Restitution von Piacenza dachte. Wir wissen nun, daß wirklich nie der Gedanke den kaiserlichen Politikern gekommen ist, Piacenza wieder fahren zu lassen. Ja, Gonzaga hielt mit ganzer Hartnäckigkeit jezt noch an der Idee fest, in Parma einen Aufstand hervorzurufen, der auch diesen von Ottavio gehaltenen Plat in seine Hand bringen sollte. Aber da erhielt Gonzaga die Weisung, einstweilen diesen Fortgang des Unternehmens auf sich beruhen zu lassen: man würde ja dadurch auch die Betheiligung an dem Aufstande in Piacenza verrathen und den Gegner zu den verzweifeltsten Versuchen hingedrängt haben 26).

Die Farneses waren in der That durch diese Vorgänge aus allen Träumen eines neuen Verhältnisses zum Kaiser erweckt. Stand boch zwischen ihnen und dem Kaiser jegt die Leiche des ermordeten Herzogs von Parma und Piacenza. Sie ließen dem Kaiser wohl auf indirecten Wegen noch Andeutungen zugehen, daß er mit ihnen noch immer seinen Handel schließen könne, aber auch der Cardinal Farnese erklärte es dem kaiserlichen Diplomaten, wenn Karl jezt nicht ernstlich Gonzaga's Auftreten strafe, und nicht ernstlich sich der Farneses annehme, dann würde man selbst bei dem Teufel Schuß suchen müssen2)." Und im Consistorium der Cardinäle gab der Papst die feierliche Versicherung ab, daß er zwar die ihm als Menschen zugefügte Beleidigung verzeihen könne, Gott die Strafe des Frevlers überlassend, daß er aber die dem Papstthume und der Kirche zugefügte Unbill und Beraubung niemals vergeben oder vergessen werde, daß er Rache zu nehmen schwöre, wenn es ihm selbst auch den Märtyrertod einbringen sollte28). Man wandte sich auch sofort an die Seite, wo man Hülfe zu finden hoffen durfte.

Die früheren Verhandlungen mit Frankreich und Venedig hatten, wie wir oben sahen, nicht zum Abschlusse geführt. Besonders in Vene

26) Gonzaga besteht am 17. September auf den Angriff gegen Parma: io vi ho mandato diverse persone per solevarla et ho operato che i medesimi di questa città vi mandino; quando perseverassero in obstinatione sera bene che V. M. mi ordine quanto havero da fare. Karl antwortet darauf am 8. October: quanto a lo de Parma que, pues el duque de Camarino se ha entrado en ella y no se ha podido seguir lo que se pretendia de cobrarla juntamente con Placenzia, mejor sera que por agora se dexe de tentar mas adelante esta empresa, que seria dar mal son a lo de Placenzia y ocasion de mover guerra por aquella parte.

27) Mendoza 20. September bei Döllinger 119.

28) Bericht über dieses Consistorium bei Ribier II. p. 6i und aus einem Schreiben Montesa's vom 13. September bei Affò p. 189.

Maurenbrecher, Karl V.

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dig waren alle Anträge auf Widerspruch gestoßen. Jezt unter dem Eindrucke der Ereignisse von Piacenza fühlte man in Venedig wie in Rom, welche Drohung des Kaisers in diesem Aufstande gelegen. Schon wenige Tage nach jenem Racheschwur ließ der Papst König Heinrich auffordern, die im Sommer fast eingeschlafenen Verhandlungen über diese italienisch-französische Defensivliga wieder aufzunehmen29). Und wie sich die Dinge geändert hatten, das wurde den Kaiserlichen klar, als troß der eben geschlossenen Uebereinkunft in der Conzilfrage der Papst wieder von Eröffnung der Verhandlungen in Bologna zu reden anfing 30). Auch der Cardinal Farnese, der bis dahin zu des Kaisers Seite gehalten, ging jezt, von dem Tode des Vaters getroffen, zu den Franzofen über.

Die französisch-päpstlichen Verhandlungen wurden lebhafter und nahmen bestimmtere Gestalt an, als jezt auch der Cardinal Karl von Guise in Rom erschien. Dieser Staatsmann, der, noch jung an Jahren, auf Heinrich's II. Regierung Einfluß zu üben begonnen, dieser mächtige Cardinal, der die nächsten Jahrzehnte in der französischen Geschichte die hervorragendste Rolle spielt, gab durch sein persönliches Auftreten in Rom den schleppenden Verhandlungen eine raschere Wendung; mit eindringender Lebhaftigkeit stellte dieser junge Priester dem Papste die furchtbare Höhe der Beleidigung vor, die Karl ihm zugefügt habe, eine That, so ungeheuer, daß, wie Guise überzeugt war, niemals ein Gedanke von Vergeben und Vergessen in des Papstes Seele Eingang haben könne. In den Busen des jungen Franzosen ergoß der alte Italiener alle Gefühle seines Hafsses, seiner Bitterkeit, seines Rachedurstes gegen den Kaiser. Ja, mit edler Offenheit und großartiger Selbsterkenntniß vertraute er es ihm an, wie tief er es fühle, daß er selbst sich alle diese Leiden geschaffen habe: hätte er nicht den Kaiser zum Kriege in Deutschland getrieben und unterstüßt, so würde doch Karl nicht im Stande gewesen sein, solche Frevelthaten an ihm zu vollziehen. Freilich, eine solche Machterhöhung sei durchaus nicht seine Absicht gewesen, ja, ganz offen wolle er es ihm sagen, er habe es für das Beste erachtet, den Kaiser in eine Sache zu verwickeln, aus der er wohl nicht leicht zum Ziele gelangen könnte31). Wie tief bereute es

29) Französische Depesche aus Rom vom 18. September Ribier II. p. 63. Vgl. die Mittheilung aus Venedig ebendaselbst p. 60.

30) Mendoza 26. September bei Döllinger p. 122.

31) Guise's Depeschen vom 31. October und .11. November. Ribier II. p. 71-85. Vgl. bes. p. 75.

da in dem vertraulichen Gespräche mit seinem jungen Freunde der Papst, daß er die kaiserliche Verbindung eingegangen. Unanfechtbar klar und unwiderleglich bewiesen war es dem 3taliener jegt, daß allein auf einer französischen Allianz das Heil der italienischen Zukunft ruhe. Die Ordnung der italienischen Verhältnisse, die Sicherheit der Familie Farnese, den Schutz der allgemeinen Kirche, Alles war jest Paul III. bereit, seinem lieben Sehne von Frankreich anzuvertrauen. Natürlich in seinen Ideen war das Nächste und Dringendste, Piacenza aus den Händen Gonzaga's loszulösen, und deßhalb kamen der Papst und Farnese und Guise darin überein, daß Piacenza sowohl als Parma nicht dem Eidame des Kaisers, sondern dem mit der französischen Bastardtochter zu vermählenden Horazio Farnese übergeben werden sollten. Ob Horazio an französischem Schuße und französischer Besatzung genug habe, oder ob er einen Tausch dieser seiner Länder gegen ein französisches Lehen eingehen solle, blicb einstweilen noch vorbehalten. Ottavio dachte man mit Castro und Camerino zu entschädigen: auf diese Weise hoffte man ganz Mittelitalien unter französische Hoheit zu bringen. Darin durfte man weiter erwarten, auch eine Ermunterung zur Liga bei den immer noch zaudernden Venetianern zu haben. Aber alle diese Verabredungen, die sich in den Grenzen eines Vertheidigungsbundes zu halten schienen, faßte man in Rom nur als Einleitung zur Offensive gegen den Kaiser auf. Sowohl Genua als Neapel konnte der Punkt sein, auf den man den ersten Schlag zu richten hatte. Wenn schon im Sommer die kaiserliche Diplomatie Verbindungen der Franzosen und des Papstes mit dem neapolitanischen Aufstande gefürchtet, wenn aber damals der Papst alle Anträge der Rebellen zurückgewiesen hatte, so ließen jezt Farnese und der Papst bei König Heinrich direct anfragen, ob er nicht einen Angriff auf Neapel machen wollte, sie reizten und drängten in unruhigem Eifer den König zu diesem Einfall in das italienische Land. Ja, mit einigem Erstaunen erfahren wir, daß der Stellvertreter Christi sogar eine Ver= bindung der Franzosen mit den Türken anregte: entweder von der Flotte des Sultans selbst, oder von dem Herrscher von Algier, so er= örterte man es an Guise32), sei ein Angriff auf die neapolitanische Küste zu erbitten.

In solche Aufregung versetzten die Vorgänge in Piacenza den alten Bapst. Die Stellung der beiden Häupter der Christenheit ist so auf italienischem Boden immer feindlicher geworden. Nachdem die Hoff=

32) Ribier 11. p. 77 und 81.

nung dem Papste genommen, von dem Kaiser die Ausstattung seiner Familie zu erlangen, hat er sich wieder an den französischen König ge= wandt. Und während er hier die französischen Waffen zu einem Angriff auf des Kaisers Stellung in Italien zu erregen versuchte, ließ auch der Führer der kaiserlichen Macht, in Italien keinen Moment ungenutzt, auf ein Fortschreiten der kaiserlichen Annexionspolitik zu dringen. Den Bemühungen des Papstes auf die venetianisch-französische Liga entgegen bestand Gonzaga auf einer kaiserlichen Offensive als dem einzigen zutreffenden Rettungsmittel. Er meinte, daß ebensowohl Siena als Genua unter die direkte Regierung des Kaisers zu stellen und dort kaiserliche Festungen und Besatzungen aufzurichten seien; er glaubte weiterhin dem Papste in seinem eigenen Kirchenstaate zu Leibe zu gehen, sei es, indem man einen Angriff des kaiserlichen Vasallen von Florenz auf Perugia hervorrufe, oder sei es, indem man die Colonnas zu einem Aufstande veranlasse; und er rieth endlich auch den Venetianern Ernst zu zeigen, auch gegen sie die Unzufriedenheit ihrer Vasallenstädte zu benutzen 33).

So haben von beiden Seiten die Verhältnisse zu einem italienischen Kriege hingedrängt.

Welch einen Rückschlag mußte diese italienische Verwickelung auf die Ordnung des deutschen Reiches, auf die Neugestaltung der deutschen Kirche, auf die Befestigung des kaiserlichen Sieges über die Protestanten ausüben! In die Religionsverhandlungen des deutschen Reichstages hat die Verbindung des Papstes mit Frankreich hemmend eingegriffen.

Wer könnte da noch zweifeln, daß die Verhältnisse der italienischen Landespolitik die geistlichen Angelegenheiten der Christenheit gelenkt haben?

33) Gonzaga vom 4. und 7. November 1547. Sim. Leg. 1193 fol. 115 und fol. 184.

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Der er deutsche Krieg hatte Karl V. das Resultat ergeben, daß die Macht der Gegner in wenigen Schlägen gebrochen, daß ganz Deutschland ängstlich auf des Kaisers Willen gespannt, daß ihm endlich Raum geschaffen war, alle Gedanken seines Willens in Ausführung zu bringen. Und auch auf italienischer Seite hatte in dem letzten Jahre es sich deutlich angezeigt, wohin dieses spanischen Habsburgers Macht das italienische Volk führen wollte. Aber die eigenthümliche Lage der italienischen Dinge brachte ihm manches nicht erwartete Hemmniß auf seine Bahn auch in Deutschland. Es verwickelten sich die politischen Angelegenheiten der Halbinsel immer ernstlicher und immer bedenklicher mit den allgemeinen Bedürfnissen der kirchlichen Lage. In den italienischen Fragen war es schlechterdings unmöglich, an einem Bruche mit dem Papste für immer vorbeizukommen, und in Deutschland war es unbedingt nothwendig, in innigster Uebereinstimmung mit dem geistlichen Haupte der Kirche zu bleiben. Aus dieser Schwierigkeit hat auch Karls V. politische Meisterschaft keinen Ausweg zu ersinnen vermocht.

Bei aller Virtuosität, die diese Spanier in politischen Dingen erlangt hatten, gelang es ihnen nicht, in diese so verwickelten und so verwirrten Beziehungen bleibende Klarheit zu bringen. Bei aller Schärfe des Urtheiles und der Einsicht in die schwebenden Fragen vermochten sie nicht, die politischen Anforderungen der kaiserlichen Stellung und die kirchlichen Bedürfnisse der großen religiösen Bewegung des sechszehnten Jahrhunderts in bleibenden Einklang zu stimmen. Bei aller Energie und Kraft ihres politischen Handelns waren sie nicht im Stande, das unmögliche und unvernünftige Ideal einer kaiserlichen Weltherrschaft möglich und vernünftig zu machen.

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