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dungen herleiten will: einer eindringenderen Kenntniß in die Geschichte des Conziles ergiebt es sich, daß die allgemeinen Fragen und die persönlichen Beweggründe erst zusammengenommen das Resultat des Conziles, wie es heute vorliegt, hervorgebracht haben.

Nach der Natur der Verhältnisse der Leitung von Kaiser und Papst unterstellt, hatte das Conzil in seinen Dekreten die Einflüsse der kaiserlichen und päpstlichen Politik zu erfahren. Wir haben nun verfolgt, wie eine innere Einheit von Kaiser und Papst, eine Vereinigung Beider zu demselben Standpunkt nicht zu erreichen war, wie auch ein jeder Versuch, der von beiden Seiten gemacht wurde, sehr bald zu einer neuen Entzweiung geführt hat. Auch der Bund, den Karl und Paul III. im Sommer 1545 geschlossen, war demselben Geschicke erlegen. Und wie nach den ersten Siegen des Kaisers der Papst ihm seine helfende Hand entzogen, so hatte auch auf dem Conzile die augenblickliche Vereinigung der beiden Mächte, welche die Eröffnung desselben möglich gemacht, bald wieder zu einer Differenz ihrer Anschauungen geführt. Ja, wir dürfen das Urtheil wagen, von Anfang an ist jener päpstlichkaiserliche Bund mehr ein scheinbares Compromiß, ein Uebersehen des Zwiespaltes als eine aufrichtige Vereinigung zu demselben Ziele gewesen. Der Papst sann doch immer darauf, so schnell als möglich die Verhandlungen zu Ende zu bringen und in möglichst kurzer Frist summarisch die Dogmen der Kirche auf's Neue verkünden zu lassen. Der Kaiser aber wollte vor Allem die geforderte Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern in's Werk richten, ein Begehren, zu dem der Papst nie aufrichtig zugestimmt hat. Der Kaiser wollte ferner das Conzil in möglichstem Pompe versammelt halten, bis ihm Deutschlands Unterwerfung gelungen: den deutschen Ständen, denen er ein Conzil zugesagt, wollte er das Tridentinum bieten, das mit offenen Armen die Reduktion der Kezer entgegennehmen sollte. Nur eine Folgerung aus diesem Wunsche war es, daß die großen Entscheidungen erst in Gegenwart der Deutschen geschehen sollten. Während also — und an dieser Anschauung kann uns kein päpstlicher Protest und keine furialistische Geschichtschreibung irremachen der Papst aus allen Kräften die Beschleunigung des Conziles herbeiwünschte und die eigentlichen Reformdebatten zu vermeiden suchte, war es gerade des Kaisers Absicht, der auf seine deutschen Verhältnisse in scharfer Berechnung Rücksicht nahm, die große Versammlung in Trident noch recht lange versammelt und seinen Wünschen gefügig zu erhalten und durch die allseitige und umfassende Reform der Kirche ein bleibendes Resultat seiner Wirksamkeit zu schaffen.

Dieser Gegensatz der kaiserlichen und der päpstlichen Meinung über das Conzil hat sich uns schon in den ersten Momenten seiner Thätigkeit, auch bei der Eintracht von Kaiser und Papst, herausgestellt. Wir werden es demnach leicht begreifen, daß er jetzt, wo Kaiser und Papst auf's Neue sich zu neuer Feindschaft trennten, in noch grellerer Weise und schärferem Ausdruck in die Verhandlungen und in die Geschichte des Conziles eingreift.

In der sechsten Session, am 13. Januar, war gegen den Willen des Kaisers das Dogma der Justifikation verkündet und die Scheidewand zwischen der katholischen Kirche und den Protestanten aufgerichtet. Der Papst, der den Entschluß Cervino's zu diesem entscheidenden Schritte billigte, hielt durch ihn die Arbeiten des Conziles für erledigt und glaubte, dasselbe könne sofort beendigt werden 22). Aber das war mit nichten die Meinung des Kaisers. Wenn er und seine Theologen auch an dem Dogma selbst nichts auszusetzen hatten, so bedauerten sie doch die unzeitige Bekanntwerdung desselben. Nach dem Willen des Kaisers that Pacheco und thaten die spanischen Geistlichen Alles, die weiteren Verhandlungen in die Länge zu ziehen. Und sie kamen, als man nun endlich sich mit den Vorarbeiten zur Kirchenreformation beschäftigte, mit sehr umfassenden Reformprojekten heraus. Ganz in Uebereinstimmung mit den Reformtendenzen, welche in Spanien selbst schon vor einem halben Jahrhundert Ximenes durchgesezt hatte, ganz nach den Ideen, wie sie auch die strengere, religiösere Richtung der neuen Cardinäle in Rom angedeutet hatte, wollten sie nicht nur das Dispensationsrecht, die Residenzpflicht, die Pfarrordnungen der Geistlichkeit nach reineren Grundsägen umgestaltet wissen, sondern sie gelangten dabei auch zu der Erörterung der alten Streitfragen, wie die allgemeine Geistlichkeit zu dem Papste stehen müsse 23). In diesen Verhandlungen gab es Scenen, in welchen der Eifer in den Vorkämpfern Roms und die Beharrlichkeit in den Vertheidigern des ,,göttlichen Rechts" der Bischöfe hart an einander geriethen. Es wurde den Legaten oft schwer, die erregten Gemüther zu besänftigen. Nachdem am 3. März noch die siebente Session die Lehre von den Sakramenten im Allgemeinen, der Taufe und Confirmation im Besonderen festgestellt, und als eben die Geistlichen mit der

22) Vega vom 8. Februar (Simancas).

23) Vgl. das Memoriale des Vargas über die Reformen in der Kirche (bei Villanueva, vida literaria II. p. 412 ff.) das auf das bekannte Consilium de emendanda ecclesia zurüdweist. Auf dem Conzil überreichten die spanischen Bischöfe einen gemeinsamen Antrag, censura, bei Le Plat III. p. 509-511.

Erörterung der Abendmahlslehre den Anfang gemacht hatten, wurde in den Legaten und im Papste das Verlangen immer dringender, den überhandnehmenden Reformdebatten auszuweichen. Und wie der Papst in jenen Tagen auch einem Bruche mit dem Kaiser immer näherkam, so hatte er schon am 22. Februar den Legaten die Vollmacht ertheilt, wenn sie es für nöthig hielten, die Verhandlungen abzubrechen und das Conzil zu verlegen.

Eine Krankheit, die gerade damals in Trident ausbrach, gab den Legaten den erwünschten Vorwand für eine solche Verlegung, auf die Cervino wir erinnern uns dessen schon mehrmals gedrungen Hatte 24). Als er freilich den Vätern des Conziles diesen Vorschlag machte, entstand ein offener Bruch zwischen der päpstlichen und kaiserlichen Partei. Pacheco und seine Genossen geriethen in die heftigste Aufwallung: sie drohten mit dem Zorne des Kaisers, sie protestirten gegen jeden Beschluß. Aber es half nichts. In der mit überstürzender Eile auf den 11. März berufenen achten Session ging der Antrag der Legaten durch, die nächste Session des Conziles in Bologna zu halten. Pacheco und die Spanier blieben zurück, den Befehlen ihres Kaisers entgegensehend; die Italiener, dem Winke der Legaten gehorchend, verließen die Stadt mit Schmähworten gegen die zurückbleibenden Spanier25).

Ein Schisma in der allgemeinen Versammlung der Kirche war entstanden, der politische Bruch zwischen Kaiser und Papst war in der Kirchenversammlung mit großartigem Scandale in Scene gesetzt!

Wie mußte dieses Verhalten der geistlichen Politiker in Rom und Trident den Kaiser erschüttern! Der Papst, von dem er Hülfe erwartet, entzog ihm seine Truppen, seine Subsidien und endlich seine geistliche Hülfe: er hatte ihn in den Krieg verwickelt, ungeduldig zum Losschlagen gedrängt und ließ ihn endlich schmählich im Stiche. Des Kaisers Zorn, sich immer mehr steigernd, kannte da keine Grenzen mehr: es sind eine Reihe sehr bewegter Auftritte vorgefallen, in welchen Karl mit Schärfe und Bitterkeit die päpstlichen Redensarten in ihrer wahren Bedeutung enthüllt hat. Da mußte er es doch völlig unbegreiflich finden, wie der Papst es ablehnen konnte, die italienische Unterstüßung den kaiserlichen Waffen ferner zu leihen; und wenn er auch bei sich sogleich den wahren Grund dieser Sinnesänderung der Kurie erkennend, gerade in dem Erfolge des gemeinsamen Feldzuges die Ursache der päpstlichen 24) Pallavicino IX. 14 u. 15.

Vgl. Ranke D. G. IV. 385.

Raynaldus 1547 § 45 und §. 48.

25) Juan Paez de Castro. 3. April 1547 bei Villanueva II. 414 f.

Unlust sehen mußte, so hielt er doch nach Außen Anfangs noch an sich 26); und erst als ihm nun in salbungsvollen Phrasen von den päpstlichen Agenten vorgetragen wurde, daß der Papst als neutraler Bater aller Christen nicht einen Separatbund mit ihm, als einem einzigen Gliede der Christenheit, aufrechthalten dürfe, erst bei dieser allerdings sehr fadenscheinigen Argumentation flammte der Zorn des Spaniers empor 27). Freilich, den Rückzug des italienischen Hülfscorps durfte er billigen, wegen der schlechten Mannszucht und der schlechten Bezahlung hatten diese Soldaten weit mehr Schaden angerichtet, als sie im Felde genügt 28) aber die vorgebrachten Gründe für diese Abberufung, wie sie mit Glückwünschen und Segenssprüchen vermischt ausgesprochen wurden, durfte der Kaiser ohne Scheu als Spott und Hohn bezeichnen. In seinem gerechtfertigten Aerger sagte Karl in der That dem Vertreter des Papstes manche bitteren Dinge in's Gesicht: er kenne die französischen Gesinnungen des Papstes jetzt zur Genüge, seine französische Krankheit nannte es der Kaiser, absichtlich dieses doppelsinnige Wort wählend — sein schlechtes Leben liege aller Welt offen vor, gewiß werde er den heiligen Petrus fortfahren zu verehren, aber nicht diesen Papst Paul: und ähnliche Dinge wiederholte er in vielfachen Wendungen. Wie nun endlich gar der päpstliche Antrag einlief, auf die Bekehrung Englands mit allen Mitteln zu arbeiten, äußerte sich Karl noch ge= reizter29): er werde sicher nie mehr eine Sache anfassen, die auf Wunsch oder zum Nutzen dieses Papstes zu geschehen habe; habe ihn doch Paul Einmal schon in einen Krieg verwickelt, und lasse ihn jezt im Stiche; aber dennoch hoffe er, auch ohne den Papst, auch zum Aerger Seiner Heiligkeit, den Sieg in Deutschland zu vollenden, wie er ihn mit Gottes Hülfe begonnen; und wolle der Papst ihm nur Legaten und Nuncien als Beistand schicken, so werde Karl es erproben, was diese Priester, in die erste Schlachtreihe gestellt, mit ihrem Segen gegen die feindlichen Waffen auszurichten im Stande seien.

Aber wie groß auch immer die Entrüstung des Kaisers gewesen,

26) 17. Januar 1547 im Anhang V. 9. 10.

27) 11. Februar 1547. im Anbang V. 11.

28) Wir haben allen Grund Karl's Klagen in dieser Richtung als wohlbegründete anzusehen; der savoyische Gesandte wenigstens theilte schon während des Feldzuges selbst darüber Einiges mit (Stroppiana's Depesche vom 6. September 1546 in Compte rendu de Séances de la Commission royale d'histoire de Bruxelles. 2. Serie XII. p. 123 ff.)

29) 17. März 1547. im Anhang V. 12.

er konnte und wollte es doch noch nicht glauben, daß Alles mit dem Papste zu Ende sei 29a). Auch nach diesen Zwistigkeiten hielt er noch an der Meinung fest, daß zum Zweck einer so heiligen Unternehmung die geforderte Hälfte des spanischen Kirchengeräthes oder wenigstens jene Million Subsidie bewilligt werden würde. Und sogar als in der spanischen Regierung, die Prinz Philipp leitete, die Idee des Kaisers auf allerlei Bedenken gestoßen und allerlei Gegenvorstellungen hervor gerufen hatte, ließ sich doch der Kaiser nicht in seinem Plane beirren: freilich versicherte er seinen Spaniern, nicht ohne des Papstes Zustimmung solle die Maßregel durchgeführt werden, und jede andere Deutung seiner früheren Aeußerungen sei ein Mißverständniß; aber er befahl doch auch jetzt (nachdem er eben die päpstliche Ablehnung erfahren) die Maßregeln der Ausführung vorzubereiten 30). Erst die Vorgänge des 11. März haben ihm auch hierüber gründlich die Augen geöffnet.

Als ihn die Nachricht von der Translation des Conziles erreichte, erließ er sofort an seine Vertreter in Italien den Befehl, in Rom und am Conzile ungesäumte und schleunige Rückkehr aller Väter nach Trident zu verlangen31); und feine Entschuldigung nahm er an, was auch immer der Papst und die Legaten sagen mochten.

Einen solchen Zorn hatte man freilich in Rom nicht vorausgesehen. Der Papst hatte sich mit der Hoffnung geschmeichelt, die Thatsache der Verlegung werde der Kaiser als eine geschehene Thatsache ruhig hinnehmen. Aber obwohl die Cardinäle, mit Ausnahme dreier Spanier, alle die Verlegung nach Bologna gut hießen, so war der Papst doch in eine große Verlegenheit gerathen. Er konnte doch seine Legaten nicht bloßstellen, und er durfte diesem Willen des Kaisers gegenüber nicht sein Vorherwissen oder seinen Befehl eingestehen. Er wußte sich in dieser Klemme nicht anders zu helfen, als daß er mit feierlichem Schwure dem kaiserlichem Gesandten die Versicherung bekräftigte, alles Vorgefallene sei ohne sein Wissen geschehen32). Natürlich diesen Betheuerungen,

29a) Vgl. im Anhang 98* und 104*.

30) Vgl. Anhang IV. 16. Wie es sich übrigens mit diesem Mißverständniß der früheren Aeußerung verhält, beweist die ausdrückliche Erklärung Karl's, auch ohne päpstliche Gutheißzung diese Säkularisation ausführen zu wollen, wie sie im Schreiben vom 28. November 1546 vorliegt. Vgl. Anhang p. 50*.

31) Anhang V. 13. 14

32) Depeschen Vega's vom 26. 29. März und 5. April (Sim.) z. B. in der Depesche vom 26. März heißt es: el respondio que el concilio se avia mudado de Trento sin su sabiduria, afirmandolo con tantos juramentos que hera la major vergença del mundo oyrlo.

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