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fanden; unter diesen sogenannten Schuppen wurden auch noch Tische aufgestellt, welche mit Brod, Fleischbrühe, Wein und namentlich Wasser, sowie mit Charpie und Verbandbändern, an welchen es stets mangelte, beladen waren. Die von den jungen Leuten des jeweils berührten Ortes gehaltenen Fackeln verdrängten die Dunkelheit, und die Städter beeilten sich, ihren Tribut an Aufmerksamkeit und Dankbarkeit den Siegern von Solferino darzubringen; unter religiösem Schweigen verbanden sie die Verwundeten, welche mit väterlicher Sorgfalt aus den Waggons gehoben und dann auf die für sie bereit stehenden Lagerstätten gebracht wurden; die Damen des Ortes reichten erfrischende Getränke und Lebensmittel aller Art sowohl an sie, als auch an die in den Waggons Zurückgebliebenen, welche bis nach Mailand gebracht werden sollten. In dieser leztern Stadt, woselbst in jeder Nacht gegen tausend Verwundete ankamen*), wurden während mehreren Nächten die Märtyrer von Solferino mit der gleichen Bereitwilligkeit und Zuneigung aufgenommen, wie seiner Zeit die Sieger von Magenta und Marignano.

Allein jezt wurden nicht mehr Rosenblätter von den beflaggten Balkonen der prachtvollen Paläste der mailändischen Aristokratie aus den Händen der niedlichen und schönen, durch ihren leidenschaftlichen Enthusiasmus noch reizender gewordenen Patrizierinnen auf die glänzenden Epauletten und die von Gold und Edelsteinen funkelnden Krcuze her

Gegen die Mitte des Juni's 1859 und somit vor der Schlacht von Solferino beherbergten die Spitäler von Mailand in Folge der vorhergehenden Kämpfe gegen 9000 Verwundete; das Spital Maggiore oder große Civilspital (im 15. Jahrhundert von Bianca Visconti, der Gemahlin des Herzogs Sforza, gegründet) hatte allein deren gegen 3000 aufgenommen.

abgeworfen; man empfieng diese verstümmelten Krieger mit heißen Thränen, mit dem Ausdrucke schmerzlicher Bestürzung und eines Mitgefühles, das sich bald in christliche Ergebung und geduldige Entsagung verwandelte.

Alle Familien, welche Wagen besaßen, holten am Bahnhofe Verwundete ab, und es waren von den Mailändern zu diesem Zwecke mehr als fünfhundert solche Equipagen gesendet worden; die reich geschmückten Kaleschen, sowie die bescheidensten Wagen fuhren jeden Abend nach der Porta Tosa an den Bahnhof der Eisenbahn von Venedig. Die edlen italienischen Damen rechneten es sich zur Ehre an, eigenhändig die ihnen zufallenden Verwundeten in ihren mit Matraßen, Leintüchern und Kopfkissen versehenen Wagen bequem unterzubringen und die lombardischen Edelleute fuhren sie alsdann mit Hülfe der ebenso aufmerksamen Diener in ihren prachtvollen Wagen. Die Menge begrüßte beim Vorüberfahren diese Begünstigten, man entblöste das Haupt, Fackelträger schritten zur Seite der Wagen her, und der Schein ihrer Fackeln beleuchtete das Antlig der Verwundeten, welche zu lächeln suchten; die Menge folgte bis zu den gastlichen Pallästen und Häusern, in denen der Leidenden die aufmerksamste Sorgfalt wartete.

Jede Familie wollte ihren französischen Verwundeten haben und suchte auf jede Weise den Leidenden die Abwesenheit vom Vaterlande, von den Verwandten und Freunden zu erseßen; in den Privathäusern, sowie in den Spitälern waren die besten Aerzte um sie beschäftigt.*) Die angesehensten

*) Die Bewohner von Mailand mußten zum größten Theile und bereits nach wenigen Tagen die bei sich aufgenommenen kranken Soldaten nach den Hospitälern bringen, weil man die ärztlichen Hülfeleistungen nicht nach so

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mailändischen Damen bewiesen ihnen eine unermüdliche Sorgfalt und schreckten vor keiner Dienstleistung zurück; sie wachten mit uncrschütterlicher Standhaftigkeit sowohl an dem Bette des einfachen Soldaten, als des Offiziers; Frau Uboldi di Capei, Frau Boselli, Frau Sala, geb. Gräfin Taverna, und viele andere Damen verzichteten vollständig auf ihre elegante und bequeme Lebensweise, um während ganzer Monate an den Schmerzenslagern der Kranken, deren Schußengel sie wurden, zuzubringen. Alle diese Wohlthaten wurden ohne Prahlerei vollbracht, und die Sorgfalt, die Tröstungen, kurz die Aufmerksamkeiten von jedem Augenblicke verdienen wohl neben der Erkenntlichkeit der Familien derer, welche Gegenstand derselben waren, die achtungsvollste Bewunderung jedes Menschenfreundes. Einige dieser Damen waren' Mütter, deren Trauerkleider auf erst kürzlich erlittene Verluste deuteten; wir wollen hier nur die wirklich schönen Worte, welche eine dieser Damen zu dem Dr. Bertherand sagte, mittheilen: „Der Krieg hat mir," sagte die Marchese

vielen Seiten hin zersplittern wollte, und da die so außerordentlich ermüdeten Aerzte nicht so viele Krankenbesuche machen konnten.

Die oberste Leitung über die Spitäler der Stadt war dem Dr. Cuvellier anvertraut, der sich auf würdige Weise seiner schweren Aufgabe entledigte, welche ihm der Chef-Chirurg der italienischen Armee übertragen hatte. Dieser letztere war nach der Schlacht von Solferino auf das Kräftigste unterstützt worden von Herrn Faraldo, dem General-Intendanten von Brescia, dessen Thätigkeit und edle Gefühle nicht genug gerühmt werden können.

Als die französische Armee gegen die Mitte Juni nach Brescia vorrückte, ließ sie hinter sich hinreichende Räumlichkeiten für die Unterkunft von mehr als Tausend Verwundeten.

Es muß hier ebenfalls noch die in humanitärer Beziehung so gute Organisation der franz. Armee erwähnt werden, welche man insbesondere S. E. dem Kriegsmin.ster und Marschall Randon, sowie dem GeneralstabsChef der italienischen Armee, Marschall Vaillant, und dem General-Adjutanten desselben, General de Martimprey, verdankte.

L*** zu ihm, „den ältesten meiner Söhne geraubt; er starb vor 8 Monaten in Folge einer Schußwunde, die er erhielt, als er neben Ihrer Armee bei Sebastopol im Kampfe stand. Als ich erfuhr, daß verwundete Franzosen nach Mailand kommen sollten, und daß ich sie pflegen könne, fühlte ich, daß mir Gott den ersten Trost gesendet.“

Gräfin Verri-Borromeo, die Präsidentin des CentralHülfs-Comité's*) übernahm die Oberleitung der Depots von Leinwand und Charpie und fand außerdem noch Zeit genug, um troß ihres vorgerückten Alters den Verwundeten wäh

*) Die Gräfin Justina Verri, geb. Borromeo, starb 1860 in Mailand, von Allen, die das Glück hatten, sie zu kennen, auf das Tieffte be trauert. Die Magazine für Charpie und Verbandbänder 2c. in der Contrada San Paolo, welche von ihr mit wirklicher Intelligenz verwaltet wurden, erhielten ihren regelmäßigen Vorrath durch fortwährende Sendungen aus den verschiedenen Städten und Landestheilen, namentlich aber von Turin, wo die Marchese Pallavicino-Trivulzio sich in ähnlicher Weise, wie die Gräfin Verri in Mailand, der Sorge für das Wohl der Verwundeten hingab.

Von Genf und andern Schweizer-Städten, ebenso von Savoyen, wurden bedeutende Ladungen von Linnenzeug und Charpie durch die Vermittelung des Dr. Appia, der in Genf hiezu die Initiative ergriffen hatte, nach Turin gesendet. Bedeutende Summen Geldes waren außerdem dazu bestimmt, den Verwundeten ohne Rücksicht auf ihre Nationalität alle Arten kleiner Annehmlichkeiten zu verschaffen. Die Gräfin G. empfahl zu diesem Zwecke die Bildung eines Comité's, und dieser in Paris sehr günstig aufgenommene Vorschlag fand zuerst in Genf seine Ausführung. Von diesem neutralen Gebiete aus, in welchem die Sympathien sich natürlich zwischen den kriegführenden Parteien theilten, ließ man die Unterstützungen den offiziellen Comité's in Turin und Mailand zufließen, und diese vertheilten sie dann unparteiisch unter die Franzosen, Deutschen und Italiener.

Die so gute, großherzige und hingebende Marchese Pallavicino-Trivulzio präsidirte in Turin das Haupt-Comité (Comitato delle Signore per la raccolta di bende, filacce, a pro dei feriti) mit der Thätigkeit, welche eine so schwere Aufgabe verlangte. Außerdem hatten sich in Turin noch andere Comité's gebildet, und die Bevölkerung zeigte sich daselbst sehr freundlich gegen die Opfer des Krieges.

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rend mehrerer Stunden vorzulesen. Alle Palläste hatten Kranke aufgenommen; der auf den Borromeischen Inseln enthielt deren allein 300. Die Superiorin der Ursulinerinnen, die Schwester Marina Videmari, stand einem Spitale vor, in welchem die größte Ordnung und Reinlichkeit herrschte, und das sie mit ihren Gefährtinnen bediente.

Nach und nach sah man nun kleine Abtheilungen wiederhergestellter französischer Soldaten den Weg nach Turin nehmen; ihre Züge waren von der Sonne Italiens gebräunt, die Einen trugen den Arm in der Schlinge, Andere stüßten sich auf Krücken, Alle ließen aber die Spuren schwerer Verwundungen erkennen. Ihre Uniformen waren zwar abgenußt und zerrissen, aber prachtvolles Linnenzeug, mit dem fie die reichen Lombarden versahen, hatte ihre blutbesprißten Hemden ersetzt. Ihr Blut ist für die Vertheidigung unseres Vaterlandes geflossen," hatten die Italiener zu ihnen gesagt, „wir wollen dasselbe als Andenken bewahren." Diese noch vor Wochen so starken und kräftigen Leute, jetzt eines Armes oder Beines beraubt oder mit eingehülltem, noch blutendem Kopfe, ertrugen ihre Leiden mit Gelassenheit. Aber sie waren ja von nun an nicht mehr im Stande, die Laufbahn des Kriegers länger zu verfolgen oder ihren Familien beizustehen, und Mancher dachte schon mit schmerzlicher Bitterkeit daran, Gegenstand des Bedauerns oder des Mitleids zu werden und sich und Andern zur Last zu fallen.

Ich kann mich nicht enthalten, mein Zusammentreffen in Mailand, auf der Rückreise von Solferino, mit einem ehrwürdigen Greise zu erwähnen, dem Marquis Ch. de Bryas, ehemaligen Deputirten und Maire von Bordeaux, welcher, im Besize eines großen Vermögens, nur deßhalb nach Ita

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