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als Dollmetscher dienen, da sie die mit ihrer Sprache nicht bekannten Gäste nicht zu verstehen im Stande seien. Einer dieser Verwundeten war unruhig und aufgeregt darüber, daß man ihn nicht verstand, zum großen Leidwesen der ganzen Familie, welche ihn mit den Gefühlen des Mitleides umstand und sich über die üble Laune des Kranken grämte, während ihn Fieber und heftige Schmerzen heimsuchten. In einem anderen Hause lag ein Offizier, dem ein italienischer Arzt Ader lassen wollte und der, in dem Glauben, daß man ihn zu amputiren beabsichtige, mit aller Kraft Widerstand leistete und durch seine Aufregung das Uebel nur noch verschlimmerte; die beruhigenden und aufklärenden Worte in der Muttersprache waren bei diesen bedauerlichen Verwechslungen allein im Stande, die Invaliden von Solferino zu beruhigen. Mit welcher Sanftmuth und Geduld suchten die Bewohner von Brescia diejenigen zu pflegen, welche herbeigekommen waren, um sie und ihr Vaterland von dem fremden Joche zu befreien! Es erfüllte sie mit wirklichem Kummer, wenn ihr kranker Gast dem Tode erlag. Wie rührend war es, ganze, auf diese Weise improvisirte Familien längs der langen Cypressenanlage des St. Johannthors bis zum Kirchhofe dem Sarge eines französischen Offiziers folgen zu sehen, der ihr Gast seit wenigen Tagen gewesen, dessen Namen sie vielleicht nicht einmal kannten, und den sie jezt wie einen Freund, wie einen Verwandten, wie einen Sohn beweinten!

Die in den Spitälern sterbenden Soldaten wurden während der Nacht beerdigt, allein man schrieb vorher, und dies zwar in den meisten Fällen, ihren Familiennamen und ihre Ordnungsnummer auf, was vorher in Castiglione nicht geschehen war.

Alle lombardischen Städte betrachteten es als einen Ehrenpunkt, ihren Theil von Verwundeten aufzunehmen. In Bergamo und in Cremona war die Pflege auf's Beste organisirt und die besonders dazu gebildeten Gesellschaften wurden noch durch die Hülfscomité's der Frauen unterstüßt, welche auf das Vollkommenste ihre zahlreichen Contingente von Kranken pflegten. In einem der Spitäler von Cremona hatte ein italienischer Arzt gesagt: „Wir behalten unsere guten Bissen für die Freunde in der alliirten Armee und werden unseren Feinden nur gerade das Nothwendige zukommen lassen, um so schlimmer, wenn sie sterben,“ und er sezte dann, um sich über diese etwas barbarischen Worte zu entschuldigen, hinzu, daß nach den Berichten, welche einige von Verona und Mantua zurückgekommene italienische Soldaten brachten, die Oestreicher die Verwundeten der frankosardischen Armee vollständig hülflos ließen. Eine edle Dame von Cremona, die Gräfin ***, welche diese Worte gehört hatte und die mit ganzem Herzen sich der Pflege in den Hospitälern widmete, sprach darüber ihre Mißbilligung aus und erklärte, daß sie den Oestreichern und den Alliirten vollständig dieselbe Pflege angedeihen lasse und durchaus keinen Unterschied zwischen Freunden und Feinden mache; „denn,“ sezte sie hinzu, „unser Herr Jesus Christus kannte auch keinen Unterschied zwischen den Menschen, sobald es sich darum handelte, ihnen Gutes zu thun." Obgleich es nicht unmöglich ist, daß Gefangene der alliirten Armee von den Oestreichern anfänglich etwas grob behandelt wurden, so waren doch die obigen Berichte unrichtig oder mindestens übertrieben und die gethanen Aeußerungen mindestens nicht gerechtfertigt.

Was die französischen Aerzte betrifft, so thaten sie Alles, was in ihren Kräften stand, ohne sich um die Nationalität der Verwundeten zu bekümmern, und es war ihnen nur leid, daß sie ihre Arbeitskräfte nicht vervielfältigen konnten. Hören wir hierüber den Dr. Sonrier: „Es erfüllt mich immer wieder mit tiefer Trauer," sagte er, wenn ich an einen Saal von 25 Betten denke, in welchem zu Cremona die am schwersten verwundeten Oestreicher lagen. Ich sehe sie noch vor mir diese entstellten erdfarbigen Gesichter mit ihren durch die Erschlaffung und das Einathmen der verpesteten Luft zusammengeschrumpften Wangen, wie sie mit durchdringendem Geschrei als eine letzte Gnade die Abnahme eines Gliedes verlangten, das man noch hatte erhalten wollen, um die Unglücklichen nur einem schauerlicheren Todeskampfe zu überantworten, bei dem wir ohnmächtige Zuschauer sein mußten!“ Der General Intendant von Brescia; Herr Faraldo, Dr. Gualla, der Direktor der Spitäler dieser Stadt, Dr. Commissetti, Chef-Arzt der sardinischen Armee, und Dr. Carlo Cotta, Sanitäts-Inspektor der Lombardei, wetteiferten in der Hingebung für die Kranken und Verwundeten, und ihre Namen verdienen auf die ehrenvollste Weise nach dem des berühmten Baron Larrey, dem ärztlichen Chef-Inspektor der französischen Armee, genannt zu werden. Dr. Jsnard, Oberarzt 1ster Classe, zeichnete sich durch eine bemerkenswerthe Ge= wandtheit als Arzt und Administrator aus; neben ihm könnten wir noch in Brescia Herrn Thierry de Maugras und eine ganze Reihe muthiger und ausdauernder Chirurgen nennen, welche sich nicht minder verdient machten; denn es ist jeden= falls gewiß, daß wenn Jene, welche tödten, auf Nuhm Anspruch machen, auch diejenigen einer rühmenden Erwähnung und die

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Achtung und Erkenntlichkeit ihrer Mitmenschen verdienen, welche, und zwar oft genug mit Gefahr ihres Lebens, heilen. Ein anglo-amerikanischer Chirurg, Dr. Norman Bettun, Professor der Anatomie in Toronto, im oberen Canada, kam nur deßhalb von Straßburg, um seine Mithülfe jenen ausgezeichneten Männern anzubieten. Von Bologna, Pisa und anderen Städten Italiens waren die Studenten der Medizin herbeigeeilt. Außer den Bewohnern von Brescia hatten auch einige durchreisende Franzosen, Schweizer und Belgier gute Dienste geleistet und sich auf alle mögliche Weise den Kranken. angenehm gezeigt; so brachten sie ihnen namentlich Orangen, Sorbet, Kaffee, Limonade und Tabak. Einer von ihnen wechselte einem Croaten einen Guldenschein, nachdem dieser seit einem Monate alle Leute, welche kamen, um dieselbe Gefälligkeit angegangen hatte, da er mit diesem Papiergelde, dieser bescheidenen, sein ganzes Vermögen ausmachenden Summe in dieser Gestalt keinen Gebrauch machen konnte.

Im San Gaetano - Spitale zeichnete sich besonders ein Franziskaner in seinem Eifer für die Kranken aus und ein junger, wiederhergestellter, piemontesischer Soldat von Nizza diente als Dollmetscher zwischen den Kranken und den lombardischen Aerzten, da er französisch und italienisch sprach und deßhalb auch zu diesem Zwecke beibehalten wurde. In Piacenza, dessen drei Spitäler von Privatleuten und Damen, welche den Dienst als Krankenwärter und Krankenwärterinnen versahen, besorgt wurden, war besonders eine dieser Lezteren sehr eifrig, eine junge Dame, deren Familie sie vergebens bat, auf den Dienst in den Spitälern wegen der bösen und ansteckenden Fieber zu verzichten. Sie erfüllte ihre Aufgabe mit solcher Unermüdlichkeit und zeigte dabei eine solche liebens

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würdige Güte, daß die Soldaten in ihrer Verehrung von ihr sagten: „Sie macht das Spital zu einem Aufenthalte der Freude." Ach! wie nüßlich würden in diesen lombardis schen Städten etwa 100 freiwillige, gewandte und geübte Krankenwärter und Krankenwärterinnen gewesen sein! Sie hätten um sich die zerstreuten Hülfskräfte sammeln können, welche überall einer belehrenden Leitung bedurften; denn es fehlte nicht allein für diejenigen, welche Rathschläge und Anleitungen geben konnten, an Zeit, dies zu thun, sondern dem größten Theile der Geübteren giengen auch selbst die nothwendigsten Kenntnisse und die Praxis ab, so daß sie nur ihren eigenen guten Willen darbringen konnten, der hier ungenügend und oft genug erfolglos war. Was konnten in der That einer so umfangreichen und dringenden Arbeit gegenüber eine Handvoll einzelner Personen thun, wenn sie auch von dem bestem Willen beseelt waren! Und nach acht bis zehn Tagen war auch schon der liebrciche Eifer der Bewohner von Brescia, so ungekünstelt er auch anfangs gewesen, bedeutend abgekühlt; sie fühlten sich ermattet und mit nur wenig Ausnahmen der Sache überdrüßig. Außerdem mußte den minder einsichtsvollen und verständigen Bürgern, welche in die Kirchen oder Spitäler eine für die Kranken ungesunde Nahrung brachten, der Eintritt versagt wer= den; mehrere, welche recht gerne ein oder zwei Stunden bei den Kranken sich aufgehalten haben würden, verzichteten darauf, sobald sie hiefür einer Erlaubniß bedurften und zu Erlangung derselben umständliche Formalitäten erfüllen sollten; und die Fremden, welche geneigt gewesen wären, sich nüßlich zu zeigen, stießen bald auf diese, bald auf jene Weise, auf Hindernisse, welche sie auf ihren Vorsatz verzichten lie

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