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Es ist eine anerkannte Thatsache, daß gerade die wirklich ausgezeichneten Kriegsmänner sich milde und höflich zeigen, wie alle hervorragenden Leute; der französische Offizier ist auch gewöhnlich eben so leutselig, als ritterlich und großmüthig; er verdient noch heute das Lob des General von Salm, der bei der Schlacht von Nerwinde gefangen genommen wurde und, vom Marschall von Luxemburg mit der äußersten Artigkeit behandelt, zum Chevalier du Rozel sagte: „Welche Nation seid ihr? Ihr schlagt euch wie die Löwen und behandelt eure Feinde, sobald ihr sie besiegt habt, wie eure besten Freunde!"

Das Militair-Verpflegungsamt fuhr fort, nach Verwundeten suchen zu lassen, welche, verbunden oder nicht, auf Mauleseln, auf Tragbahren oder auf Cacolets zu den Feldlazarethen gebracht wurden; von da transportirte man sie nach den Dörfern oder Flecken, welche dem Orte, wo sie ge= fallen oder wo sie aufgefunden wurden, am nächsten lagen. In diesen Ortschaften hatte man in den Kirchen und Klöstern, in den Häusern, auf den öffentlichen Pläßen, in den Höfen, auf den Straßen und den Promenaden, kurz an allen passenden Lokalitäten provisorische Feldlazarethe hergerichtet; und so waren in Carpenedolo, Castel Goffredo,

euch befehlige, werde als den schönsten Titel meiner Laufbahn den betrachten: als Commandant der 2. Division.“

Den 18. Mai 1859 sprach in Marengo Marschall Regnand de St. Jean d'Angely in folgender Weise zu der kaiserlichen Garde:

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„Soldaten der Garde ihr werdet der Armee das Beispiel ge= ben der Unerschrockenheit in der Gefahr, der Ordnung und der Disciplin auf den Märschen, der Ruhe und Mäßigung in dem Lande, das ihr zu betreten habt. Die Erinnerung an eure Familien wird euch Wohlwollen gegen die Bewohner, Achtung vor dem Eigenthum einflößen, und seid dann versichert, daß der Sieg euch erwartet

"

Medole, Guidizzolo, Volta und in allen umliegenden Ortschaften eine große Menge Verwundeter untergebracht, allein der größte Theil derselben befand sich in Castiglione, wohin sich die minder schwer Verletzten bereits zu Fuße geschleppt hatten.

Dahin zog nun eine lange Prozession von Wagen des Militair - Verpflegungsamtes, beladen mit Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren jeden Grades, bunt durcheinander, Cavaleristen, Infanteristen, Artilleristen: sie waren alle mit Blut befleckt, erschöpft, in zerrissenen Kleidern, bestaubt; dann kamen wieder Maulesel im kurzen Trabe, deren unruhige Bewegungen den unglücklichen Verwundeten mit jedem Schritte Ausrufe des Schmerzes entlockten. Dem Einen war ein Bein zerschmettert, das fast vom Körper losgetrennt zu sein schien, so daß jede leichte Erschütterung des Wagens ihm neue Qualen verursachte; einem Andern war der Arm gebrochen, und er stüßte ihn mit dem noch unverlegten; einem Corporal war der Seher einer Congrève'schen Nakete in den Arm gedrungen, er zog ihn selbst heraus und suchte sich dann, ihn als Stock benußend, nach Castiglione zu schleppen; viele dieser Verwundeten starben unterwegs, und ihre Leichname wurden dann an dem Rande der Straße niedergelegt, wo man sie später begrub.

Von Castiglione sollten die Verwundeten nach den Spitälern von Brescia, Cremona, Bergamo und Mailand gebracht werden, um endlich hier eine regelmäßigere Pflege zu finden und die nöthigen Amputationen zu erdulden. Da jedoch die Oestreicher bei ihrem Nückmarsche alle Fuhrwerke der Bewohner mit Gewalt requirirt hatten, und die Transportmittel der Franzosen im Verhältnisse der Menge Ver

wundeter nicht ausreichen konnten, so mußten sie 2-3 Tage warten, ehe man sie nur nach Castiglione bringen konnte, das mit Verwundeten bereits überfüllt war*). Diese ganze Stadt verwandelte sich sowohl für die Franzosen als auch für die Oestreicher in ein weites improvisirtes Spital; schon während des Freitags war hier das Lazareth für das Hauptquartier aufgeschlagen worden, Charpie-Kisten wurden ge= öffnet, Verbandapparate und chirurgische Instrumente zurecht gestellt; die Einwohner gaben alles, was sie an Bettdecken, Leinwand, Strohsäcken und Matrazen entbehren konnten. Das Spital von Castiglione, die Kirche, das Kloster und die Kaserne von San Luigi, die Kapuzinerkirche, die Gensdarmeriekaserne, sowie die Kirchen Maggiore, San Giuseppe und Santa Rosalia wurden mit Verwundeten angefüllt, die dichtgedrängt neben einander nur auf Stroh zu liegen kamen; man mußte nun auch auf den Straßen, in den Höfen und auf den Pläßen Stroh legen und hier überdeckte man die Lagerstätten mit Brettern oder spannte Tücher aus, um die von allen Seiten ankommenden Verwundeten gegen die Sonnenstrahlen zu schüßen. Auch die Privathäuser füllten sich bald mit Verwundeten, Offiziere und Soldaten wurden von den vermöglicheren Eigenthümern aufgenommen, welche ihr Möglichstes thaten, um ihnen Linderung zu verschaffen;

*) Das 6 Meilen östlich von Brescia gelegene Castiglione delle Stiviere zählt 5300 Seelen. Vorwärts desselben hatte, den 5. August 1796 und zwei Tage nach der Einnahme dieser Stadt durch General Augereau, General Bonaparte einen entscheidenden Sieg über den östreichischen Feldmarschall Wurmser erfochten. Ebenfalls ganz in der Nähe, an der Chiese, gewann den 19. April 1706 der Herzog von Vendome die Schlacht von Calcinato über den Marschall von Reventlow, der in Abwesenheit des Prinzen Eugen die Kaiserlichen befehligte.

die einen suchten eifrig in den Straßen nach einem Arzte für ihre Gäste, andere verlangten, daß man doch die Leichname aus ihren Häusern wegtrage, die sie selbst nicht im Stande waren wegzuschaffen. Nach Castiglione wurden auch die Generale Ladmirault, Dieu und Auger, die Obristen Broutta, Brincourt und andere höhere Offiziere gebracht, welche von dem gewandten Dr. Bertherand gepflegt wurden, der von Freitag Morgen an fortwährend mit Amputationen in San Luigi beschäftigt war. Zwei andere Ober-Chirurgen, die Doktoren Leuret und Haspel, zwei italienische Aerzte und die Gehülfen Niolacci und Lobstein haten während 2 Tagen Verbände angelegt und seßten ihre mühsame Arbeit noch während der Nacht fort. Der Artillerie-General Auger, welcher zuerst nach der Casa Morino gebracht worden war, woselbst sich das Feldlazareth des Hauptquartiers von dem Corps des Marschalls Mac-Mahon befand, zu dem er gehörte, wurde dann nach Castiglione geführt; diesem ausge= zeichneten Offiziere war die linke Schulter durch eine Kugel zerschmettert, welche während 24 Stunden in den Muskeln der Achselhöhle sizen blieb; er starb den 29. an den Folgen der Operation, welche die Ausziehung der Kugel verursachte, nachdem schon der Brand eingetreten war.

Während des Samstages waren die Convois der Verwundeten in so großer Zahl angekommen, daß das Personal der Militärverwaltung, die Einwohner und die in Castiglione gelassene Truppenabtheilung durchaus nicht hinreichten, um die nothwendigen Dienste zu versehen. Jezt begannen noch weit traurigere Auftritte, wenn gleich anderer Art, als am vorhergehenden Tage; es waren wohl Wasser und Lebensmittel vorhanden, allein die Verwundeten starben dennoch

an Hunger und Durst, es war genug Charpie da, allein es fehlte an Händen, um die Wunden damit zu verbinden; der größte Theil der Aerzte hatte sich nach Cavriana begeben müssen, und es fehlte überdies noch an Krankenwärtern und an dienendem Personale. Man mußte deßhalb wohl oder übel einen freiwilligen Krankendienst organisiren, was jedoch inmitten dieser Unordnungen sehr schwer war, und bei dem panischen Schrecken der Einwohner noch schwerer wurde; denn der traurige Zustand der Verwundeten hatte auf dieselben einen so erschütternden Eindruck geübt, daß die Verwirrung noch zunahm.

Dieser Schrecken wurde durch einen in der That unbedeutenden Vorfall noch vermehrt. Je nachdem jedes Corps der französischen Armee sich wieder gebildet und Stellung genommen hatte, wurden am Tage nach der Schlacht die Gefangenen-Transporte durch Castiglione und Montechiaro nach Brescia geführt. Eine dieser von. Husaren eskortirten Abtheilungen näherte sich gegen Nachmittag auf dem Wege von Cavriana nach Castiglione dieser letteren Stadt und schon von Weitem hielten sie thörichter Weise die Einwohner für die in Masse anrückende östreichische Armee.

Troß der Abgeschmacktheit dieser von den Bauern, den gedungenen Führern der Bagagewagen und den kleinen ambulanten, den Truppen im Felde regelmäßig folgenden Krämern herumgebotenen Nachricht schenkten die Einwohner der Stadt dem Gerüchte dennoch Glauben, als diese Leute mit ängstlicher Eile ankamen. Die Häuser wurden geschlossen, von den Bewohnern verrammelt, so gut es gieng, man verbrannte die dreifarbigen Fahnen, die die Fenster schmückten und verbarg sich dann in Kellern und auf Speichern; viele flohen über die Felder mit ihren Frauen und Kindern, in

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