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zu begraben*); allein auf dieser weiten Strecke waren manche Leute in den Gräben, in den Ackerfurchen verborgen oder versteckt in Gebüschen und anderen Terrainunebenheiten und konnten erst später aufgefunden werden und alle diese Leichname, wie die gefallenen Pferde, hatten die Luft mit giftigen Dünsten geschwängert.

In der französischen Armee wurde eine gewisse Anzahl x Leute per Compagnie bestimmt, um die Todten zu suchen und zu begraben und gewöhnlich thaten dies die Leute des gleichen Corps für ihre Waffengefährten; sie schrieben sich die Ordnungsnummer der Effekten jedes getödteten Mannes auf und legten dann mit Hülfe der dafür bezahlten lombardischen Bauern den Leichnam mit seinen Kleidern in eine gemeinschaftliche Grube.

Unglücklicherweise darf wohl angenommen werden, daß bei der Hast, mit welcher diese Arbeit vollführt wurde, und bei der Sorglosigkeit oder groben Nachläßigkeit mancher dieser Bauern auch hin und wieder ein Lebender mit den Todten begraben wurde. Die Orden, das Geld, Uhren, Briefe und Papiere, welche man bei den Offizieren fand, wurden den Todten abgenommen und später an ihre Familien gesendet; allein bei einer solchen Menge von Leichnamen, wie sie hier begraben wurden, war es wohl nicht immer möglich, diese Aufgabe getreulich zu erfüllen.

Ein Sohn, der Liebling seiner Eltern, den eine zärtliche Mutter während einer langen Reihe von Jahren auf

*) Drei Wochen nach dem 24. Juni 1859 fand man noch auf mehreren Punkten des Schlachtfeldes todte Soldaten von beiden Armeen. Die Behauptung, daß der 25. Juni genügt habe, um alle Verwundeten wegzuführen und aufzunehmen, ist vollständig falsch.

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gezogen und gepflegt, über dessen geringstes Unwohlsein sie sich erschreckt; ein schmucker Offizier, von seiner Familie geliebt, der Frau und Kinder zu Hause gelassen; ein junger Soldat, der beim Abmarsche in's Feld seine Braut verließ, oder wie wohl ein Jeder eine Mutter, Schwestern, einen alten Vater daheim hatte, da liegt er nun im Kothe, im Staube und in seinem Blute gebadet; sein männlich schönes Antlig ist unkenntlich, der feindliche Säbel oder die Kartätschkugel haben es nicht verschont: er leidet und er stirbt; und sein Leib, der Gegenstand so langer Pflege, jezt geschwärzt, angeschwollen, zerstümmelt, wird da, wie er ist, in eine kaum ordentlich gegrabene Grube geworfen, nur mit einigen Schaufeln Kalk und Erde bedeckt, und die Raubvögel schonen seiner Hände und Füße nicht, welche beim -Abspühlen der Erde, ob in der Ebene oder auf dem Abhange, herausschauen aus dem Grabe; man wird wohl wieder kommen, Erde aufschütten, vielleicht ein hölzernes Kreuz aufrichten, aber das wird Alles sein!

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Die Leichname der Oestreicher lagen zu Tausenden auf den Hügeln, den Bergvorsprüngen, auf den Mamelons, oder zerstreut unter Baumgruppen und in den Ebenen von Medole, mit ihren zerrissenen tuchenen Wämsen, ihren grauen mit Koth beschmußten Mänteln oder mit ihren vom Blute ge= rötheten weißen Waffenröcken. Ganze Schwärme von Mücken saugten an ihnen, und Raubvögel umkreisten diese von der Fäulniß grünlich gefärbten Körper, in der Hoffnung, sie zerfleischen zu können. Zu Hunderten wurden diese Todten in eine gemeinschaftliche Grube geworfen.

Wie viele erst vor wenig Wochen in die Armee eingereihte Ungarn, Böhmen oder Numainen, welche sich vor

Müdigkeit oder Erschöpfung niederwarfen, sobald sie sich einmal außer dem Schußbereiche befanden, oder auch leicht verwundet durch den Blutverlust bewußtlos liegen blieben, sind nun da auf elende Weise zu Grunde gegangen!

Viele gefangenen Oestreicher zeigten einen furchtbaren Schrecken vor den Franzosen, weil man für gut gefunden hatte, sie ihnen als leibhafte Dämonen darzustellen, und dieses Bild entwarf man besonders von den Zuaven. Diese Vorstellung war so fest in ihnen eingewurzelt, daß einige bei der Ankunft in Brescia und beim Anblicke der Bäume einer Promenade der Stadt ganz ernsthaft fragten, ob man sie wohl an diesen Bäumen aufhängen wolle. Mehrere vergalten die Gutherzigkeit französischer Soldaten in ihrer Blindheit und Unwissenheit auf sehr unsinnige Weise; so näherte sich am Samstag ein mitleidiger Jäger einem in sehr beflagenswerthem Zustande daliegenden Oestreicher und bot ihm in seiner Gutmüthigkeit eine volle Wasserkanne zum Trinken an; der Oestreicher jedoch, der an solche mitleidige Gesinnung nicht glauben konnte, ergriff rasch das neben ihm liegende Gewehr und versezte mit aller ihm noch übrigen Kraft dem barmherzigen Jäger empfindliche Kolbenschläge auf die Füße und das Bein. Ein Gardegrenadier wollte einen vollständig verstümmelten östreichischen Soldaten aufheben, allein dieser faßte eine neben ihm liegende geladene Pistole und feuerte sie so in nächster Nähe auf den ab, der ihm Hülfe leisten wollte *).

*) Vor der Schlacht von Marignano (Melegnano) am 8. Juni 1859 wurde ein auf Vorposten stehender fardinischer Soldat von einer Abtheilung Destreicher überrascht, welche ihm die Augen ausstachen, damit er, wie sie sagten, für ein andermal lerne, hell sehender zu sein; und

„Sie dürfen nicht erstaunt sein über die Hartherzigkeit und das rohe Benehmen einiger unserer Leute," sagte ein gefangener östreichischer Offizier zu mir; denn wir haben in unserer Armee wirkliche Wilde, die aus den entlegensten Provinzen des Reiches kommen, wahre Barbaren."

Einige französische Soldaten wollten übrigens auch ihrerseits Vergeltung nehmen an etlichen Gefangenen, die sie für Croaten hielten, „die mit ihren anliegenden Hosen,“ wie sie dieselben in ihrer Aufregung bezeichneten, welche stets die Verwundeten niedermachten; allein die Bedrohten waren Ungarn, welche zwar eine ähnliche Uniform wie die Croaten trugen, sich jedoch nicht so grausam benahmen, wie diese. Es gelang mir schnell genug, nachdem ich den französischen Soldaten diesen Unterschied erklärt hatte, die vor Schrecken zitternden Ungarn vor der ihnen zugedachten Rache zu bewahren. Die Franzosen sind in der Regel, mit wenig Ausnahmen, sehr wohlwollend gegen Gefangene. So war es durch eine Höflichkeit des Armeecorps-Commandanten den gefangenen östreichischen Offizieren gestattet worden, ihren Säbel oder ihren Degen zu behalten, sie erhielten die gleiche Nahrung, wie die französischen Offiziere, und diejenigen, welche verwundet waren, wurden von den gleichen Aerzten behandelt, man hatte selbst einem von ihnen gestattet, seine Effekten zu holen. Viele französische Soldaten theilten brüderlich ihre Lebensmittel mit den fast zum Tode verhungerten Ge

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einem Bersagliere, der sich von seiner Compagnie verlief und einer Handvoll Desteicher in die Hände fiel, schnitten diese die Finger ab und ließen ihn dann mit den Worten laufen: „Laß dir jetzt eine Pension geben!" Hoffen wir, daß diese verbürgten Vorfälle die einzigen dieser Art im italienischen Kriege waren.

fangenen; andere schleppten feindliche Verwundete nach den Feldlazarethen und bemühten sich voll Hingebung und Mitleid um sie. Auch Offiziere nahmen sich östreichischer Verwundeter an; einer umwickelte mit seinem Taschentuche die tiefe Kopfwunde eines Tyrolers, der nur ein altes, ganz blutiges Tuch besaß.

Wenn wir noch eine Menge einzelner Thatsachen aufzählen könnten, welche Zeugniß geben von dem hohen Werthe der französischen Armee und dem Heroismus ihrer Offiziere und Soldaten, so durften wir auch die Menschlichkeit des gemeinen Mannes, seine Güte und sein Mitgefühl gegen den besiegten oder gefangenen Feind nicht zu erwähnen vergessen, denn gerade diese Eigenschaften haben eben so viel Werth als seine Unerschrockenheit und sein Muth *).

*) Die französischen Soldaten hatten das Eigenthum der Landesbewohner auf das Gewissenhafteste geschont, und man konnte nicht genug ihre Disciplin, ihre Höflichkeit, ihre Enthaltsamkeit und ihre gute Aufführung während des ganzen italienischen Krieges loben.

Proklamationen wie diejenigen des Marschalls Regnaud de St. Jean d'Angely oder des Generals Trochu verdienen aufbewahrt zu werden und dienen denen zum Ruhme, welche sie an ihre Soldaten erließen.

„In dem beginnenden Feldzuge,“ sagte General Trochu in seiner Proklamation vom 4. Mai 1859, die von Alessandria datirt war und allen Compagnieen seiner Division unter den Waffen vorgelesen wurde, müssen wir mit ausdauerndem Eifer auch die härtesten Proben, die bereits für uns begonnen haben, bestehen; wir müssen disciplinirt sein und strenge nach unseren Vorschriften leben, bei deren Vollziehung ihr mich unbeugsam finden werdet, und am Tage der Schlacht wollen wir nicht dulden, daß es noch Tüchtigere als wir giebt. Wir dürfen nicht vergessen, daß diese Landesbewohner unsere Alliirten sind, wir haben ihre Gebräuche, ihr Eigenthum und ihre Person zu achten; wir wollen den Krieg mit Menschlichkeit, im Geiste der Gesittung führen. Auf diese Weise werden unsere Bestrebungen achtungswerth sein, Gott wird sie segnen, und ich, der ich

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