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Dienstmüßen, Käppi's, Gürtel, kurz alle Arten von Monturstücken umher, darunter selbst zerfeßte und blutbefleckte Kleidungsstücke und zertrümmerte Waffen.

Die Unglücklichen, welche während des Tages aufgeladen wurden, waren bleich, eingefallen, vollkommen erschöpft: die Einen, und insbesondere die arg Verstümmelten, schauten scheinbar stumpfsinnig drein, sie verstanden nicht, was man zu ihnen sagte, ihre Augen blickten stier ihre Retter an, aber dennoch zeigten sie sich nicht unempfindlich für ihre Schmerzen; Andere waren unruhig, ihr ganzes Nervensystem zeigte sich erschüttert und sie zuckten convulsivisch zusammen; diejenigen mit offenen Wunden, bei denen bereits die Entzündung um sich gegriffen, waren wüthend vor Schmerz; sie verlangten, daß man ihren Leiden durch einen schnellen Tod ein Ende mache, und mit verzerrtem Antlige wanden sie sich im lezten Todeskampfe.

Wieder an andern Stellen lagen Unglückliche, welche nicht allein von Kugeln und Bombenstücken getroffen, sondern deren Glieder auch noch von den Rädern der Ge= schüße, welche über sie hinwegfuhren, zerschmettert oder weggerissen worden waren. Der Anprall der cylindrischen Kugeln zersplitterte die Knochen nach allen Seiten hin, so daß die dadurch verursachte Wunde stets sehr gefährlich wurde; allein auch die Bombenstücke und die konischen Kugeln verursachten solche schmerzhafte Knochenzerschmetterungen und große innere Verlegungen. Splitter jeder Art, Knochenstücke, Theile von Kleidern, der Ausrüstung oder der Fußbekleidung, Erde und Stücke Blei machten die Wunden gefährlicher durch den geübten Reiz und vermehrten dadurch die Qualen der Verwundeten.

Derjenige, welcher diesen ausgedehnten Schauplatz des Kampfes vom vorigen Tage durchwanderte, traf auf jedem Schritte und inmitten einer Verwirrung ohne Gleichen unaussprechliche Verzweiflung und Elend in allen Gestalten.

Ganze Regimenter hatten die Tornister abgelegt und bei ganzen Bataillonen war der Inhalt derselben verschwunden. Lombardische Bauern und algierische Jäger hatten genommen, was ihnen in die Hände fiel; so waren die Jäger und Schüßen der Garde, welche ihre Tornister bei Castiglione abgelegt hatten, um leichter zur Unterstüßung der Division Forey gegen Solferino vordringen zu können, und die, immer stürmend bis zum Abende, bei Cavriana bivouakirt hatten, des andern Tages in aller Frühe zurückgeeilt, um ihre Tornister zu holen, allein diese waren leer, man hatte sie während der Nacht ausgeplündert. Der Verlust war für diese Leute sehr empfindlich, da ihr Weißzeug und ihre Uniformstücke beschmußt, abgenüßt und zerrissen waren und sie außer ihren militärischen Effekten auch noch ihrer beschei= denen Ersparnisse, die ihr ganzes Vermögen ausmachten, und so manchen Gegenstandes beraubt waren, der sie an ihre Verwandten, ihr Vaterland erinnerte und der von einer Mutter, einer Schwester oder einer Braut kam. An vielen Stellen wurden die Todten von den Dieben völlig entkleidet, die selbst die Verwundeten, bei vollem Bewußtsein, nicht verschonten; besonders hatten es die lombardischen Bauern auf die Fußbekleidungen abgesehen, die sie den Verwundeten unbarmherzig von den geschwollenen Füßen rissen.

Neben diesen bedauernswürdigen Auftritten boten sich aber auch wieder feierliche, ergreifende Scenen dem Auge

dar. Da suchte der alte General Le Breton umherirrend seinen Schwiegersohn, den verwundeten General Douay, indessen er seine Tochter, dessen Gattin, etliche Meilen hinter sich, im Gewirre des Lagerlebens und in der ängstlichsten Erwartung zurückgelassen. Dort lag der Leichnam des ObristLieutenant de Neuchèze, der, als er seinen Chef, den Obrist Vaubert de Genlis schwer verwundet vom Pferde sinken sah, in dem nämlichen Augenblicke von einer Kugel in's Herz getroffen wurde, als er herbeisprengte, um das Commando zu übernehmen. Unweit davon lag Obrist de Genlis selbst im hißigsten Wundfieber, während man ihm den ersten Verband anlegte; in seiner Nähe nahm man dem Unterlieutenant Selve de Sarrau von der reitenden Artillerie, der erst vor einem Monate die Militärschule von St. Cyr verlassen hatte, den rechten Arm ab. Dort lag ein armer Sergeant-Major der Vincenner Jäger, dem beide Beine durchschossen worden; ich sah ihn später noch im Hospital von Brescia, dann wieder in einem Eisenbahnwagen, als ich von Mailand nach Turin fuhr; aber er starb in Folge seiner Wunden, als er den Mont Cenis passirte. Lieutenant de Guiseul, den man todt glaubte, wurde an derselben Stelle noch lebend gefunden, wo er mit der Fahne im Arm zusammenstürzte. Nahe da= bei und fast inmitten eines ganzen Haufens todter östreichischer Lanziers und Jäger, Turcos und Zuaven, lag in seiner eleganten orientalischen Uniform der Leichnam eines muselmännischen Offiziers, des Lieutenants der algierischen Jäger Larbi ben Lagdar, dessen sonnverbranntes, gebräuntes Gesicht auf der von einer Wunde zerrissenen Brust eines illyrischen Hauptmanns mit blendendweißer Casake ruhte; alle diese aufgeschichteten menschlichen Ueberreste verbreiteten

einen widerlichen Blutgeruch. Obrist de Maleville, der so ruhmvoll bei der Casa Nova verwundet wurde, stieß hier den lezten Seufzer aus; dort begrub man den Commandanten de Pongibaud, welcher während der Nacht den Geist aufgegeben, und fand an einer andern Stelle den jungen Grafen de St. Paer, der erst seit einer Woche sich den Grad eines Bataillonschefs erkämpft hatte. Hier war es auch, wo der wackere Unterlieutenant Fournier von den Gardejägern, am vorhergehenden Tage schwer verwundet, mit 20 Jahren seine militärische Laufbahn beschloß: mit 10 Jahren als Freiwilliger eintretend, ward er mit 11 Jahren Corporal und mit 18 Unterlieutenant, hatte bereits zwei Feldzüge in Afrika mitgemacht, sowie den Krimkrieg, woselbst er bei der Belagerung von Sebastopol verwundet wurde *). Bei Solferino sollte auch der letzte Sprößling einer der glorreichsten Familien des ersten Kaiserreiches fallen, in der Person des Obrist-Lieutenants Junot, Herzog von Abrantes und Generalstabs-Chef des Generals de Failly.

Der Wassermangel nahm immer mehr überhand, die Gräben waren ausgetrocknet, die Soldaten fanden meistens nur ein ungesundes und morastiges Getränk zur Stillung ihres Durstes, und an allen Stellen, wo sich ein Brunnen

*) Unterlieutenant Jean-François Fournier wurde den 6. Februar 1839 in Metz geboren, ließ sich dann als Freiwilliger den 4. Juni 1849 in die Fremdenlegion anwerben und kam nach Algier; den 6. April 1850 wurde er Corporal, den 1. April 1851 Sergeant, den 11. Juli 1852 Sergeant Fourier, 1854 Sergeant-Major; den Krim-Feldzug machte er in den Jahren 1855 und 1856 als Adjutant mit, war den 20. Nov. 1855 zum Unterlieutenant im 42. Linien-Regiment ernannt worden, von welchem er im gleichen Grade den 13. Oktober 1856 zum 2. Regimente der kaiserlichen Jäger versetzt wurde. Den 24. Juni tödtlich verwundet, starb er den 25.

befand, wurden Schildwachen aufgestellt mit scharf geladenen Gewehren, weil man das Wasser für die Kranken erhalten wollte; bei Cavriana wurden in einem Sumpfe mit stinkig gewordenem Wasser während 2 Tagen 20,000 Artillerieund Cavaleriepferde getränkt. Diejenigen reiterlosen Pferde, welche verwundet während der ganzen Nacht umherliefen, schleppten sich jezt zu den Gruppen ihrer Genossen, gleich als ob sie von ihnen Hülfe verlangen wollten; man tödtete sie jeweilen mit einem Schusse. Ein solch' edles Thier, in herrlichem Schmucke, kam auch zu einem französischen Detachement; der Mantelsack, welcher noch fest auf dem Sattel angeschnallt war, enthielt Briefe und sonstige Gegenstände, welche erkennen ließen, daß das Pferd dem wackern Prinzen von Isenburg gehöre; man suchte nun unter den Todten und fand auch endlich den östreichischen Prinzen verwundet und bewußtlos von dem Blutverluste; allein den Bemühungen der französischen Chirurgen gelang es, ihn in's Leben zurückzurufen, so daß er zu seiner Familie zurückkehren konnte, als diese bereitz, da sie ohne Nachricht von ihm geblieben war, Trauer angelegt hatte.

Bei manchen todten Soldaten bemerkte man den Ausdruck der Ruhe auf dem Antliße, es waren jene, welche auf den ersten Schuß todt zusammensanken; allein eine große Zahl trug die Spuren des Todeskampfes, mit starr ausgestreckten Gliedern, den Körper mit bleifarbenen Flecken bedeckt, die Hände in die Erde gebohrt, den Schnurrbart borstig aufgerichtet, ein finsteres Lächeln um den Mund mit krampfhaft zusammengepreßten Zähnen.

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Man verwendete drei Tage und drei Nächte, um die Todten, welche auf dem Schlachtfelde liegen geblieben wären,

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