Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

des Grafen Stadion und Clam-Gallas sicherte. Die Brigaden Koller und Gaal, sowie das Regiment Reischach zeichneten sich in sehr ehrenhafter Weise aus. Die Brigaden Brandenstein und Wussin wendeten sich unter der Führung des Prinzen von Hessen gegen Volta, von wo aus sie den Uebergang der Artillerie über den Mincio durch Borghetto und Valeggio deckten.

Die zersprengten östreichischen Soldaten wurden gesam= melt und nach Valeggio geführt; die Straßen waren bedeckt theils mit der Bagage der verschiedenen Corps, theils mit Brückenequipagen und Artillerie-Trains, welche gegenseitig sich überstürzend in aller Eile den Paß von Valeggio zu erreichen suchten; das Train-Material wurde allein nur gerettet durch das schnelle Schlagen der fliegenden Brücken. Die ersten Convois der leicht Verwundeten rückten zur nämlichen Zeit in Villafranca ein, ihnen folgten andere Convois mit schwerer verwundeten Soldaten, und während dieser ganzen so traurigen Nacht war der Zudrang an Verwundeten ein ungeheurer; die Aerzte verbanden ihre Wunden, flößten ihnen einige stärkende Lebensmittel ein und schickten sie dann auf der Eisenbahn nach Verona, welches von Verwundeten überfüllt war. Obgleich jedoch die Armee auf ihrem Rückzuge alle Verwundeten, welche die Armeefuhrwerke und die requirirten Wagen führen konnten, mit sich nahm, wie viele Unglückliche mußten noch in ihrem Blute gebadet auf dem weiten blutgedrängten Schlachtfelde zurückbleiben!

Gegen das Ende des Tages und mit Einbruch der Dunkelheit, welche ihre geheimnißvollen Schleier über dieses Blutfeld breitete, irrte so mancher französische Offizier oder Soldat da und dort, um einen Kameraden, einen Lands

mann, einen Freund zu suchen; fand er einen Bekannten, so kniete er bei ihm nieder, suchte ihn wieder zu beleben, drückte ihm die Hand, stillte sein Blut oder umwickelte das zerschmetterte Glied, allein er vermochte nicht für die armen Leidenden sich Wasser zu verschaffen. Wie viele Thränen sind an diesem düsteren Abende geflossen, wo jede falsche Eigenliebe, wo jede menschliche Ehrsucht geschwunden war!

Während des Kampfes waren überall Feldlazarethe in den Landgütern, Häusern, den Kirchen und Klöstern der Nachbarschaft oder selbst unter dem Schatten der Bäume im Freien errichtet worden; hier wurde den verwundeten Offizieren während des Morgens eine Art Verband angelegt, und nach ihnen den Unteroffizieren und Soldaten; alle französischen Chirurge zeigten eine unermüdliche Hingebung und gönnten sich während vierundzwanzig Stunden auch nicht einen Augenblick Ruhe; zwei von ihnen, bei dem unter Dr. Mery, dem Chef-Arzt der Garde, stehenden Feldlazarethe hatten so viele Glieder abzunehmen und Verbände anzulegen, daß sie vor Ermattung bewußtlos zusammensanken; bei einem anderen Lazarethe war einer ihrer Collegen gezwungen, seine erschlafften Arme von zwei Soldaten stüßen zu lassen, damit er seine Funktionen verrichten könne.

Während einer Schlacht pflegt man ein rothes Fahnentuch *) auf einer Anhöhe aufzustecken, um den Verbandplaß für die Verwundeten und die Feldlazarethe der im Kampfe stehenden Regimenter zu bezeichnen und durch ein stillschweigendes gegenseitiges Uebereinkommen wird nach diesen Punkten nicht geschossen; dennoch aber reichen auch oft die Bom

*) Die Hospitäler tragen eine schwarze Fahne.

ben bis dahin, ohne weder die Administrativbeamten und das ärztliche Personal, noch auch die für die Kranken und Verwundeten mit Brod, Wein und Fleisch für Brühen beladene Wagen zu schonen. Die Soldaten, welche noch gehen konnten, begaben sich selbst zu diesen Lazarethen, die anderen, vom Blutverluste oder von langer Entbehrung geschwächt, wurden mittelst Sänften oder Tragbahren dahin gebracht.

Auf dieser so ausgedehnten und zugleich so unebenen Landstrecke, von mehr als 20 Kilometers Länge, und nach einer so großartigen zerstörenden Umwandlung konnten Soldaten, Offiziere und Generale nur unvollkommen den Ausgang aller gelieferten Gefechte und Kämpfe wissen, und während des Kämpfens selbst konnten sie kaum erkennen, was neben ihnen vorgieng. Diese Unkenntniß war in der östreichischen Armee um so bedenklicher bei der Verwirrung in den Befehlen und dem Mangel einer zusammengreifenden, wohl geleiteten Aktion.

Die Höhen, welche sich von Castiglione bis Volta hinziehen, erglänzten in Tausenden von Feuern, welche man mit Trümmern von zerschmetterten östreichischen Munitionswagen und mit den von den Kugeln oder dem Gewitter abgerissenen Aesten nährte; die Soldaten trockneten an diesen Feuern ihre durchnäßten Kleider und schliefen dann ermattet auf dem Gesteine und dem Boden ein; allein die Kräftigeren ruhten noch nicht, sie suchten nach Wasser, um ihre Suppe oder ihren Kaffee zu kochen, denn sie hatten ja diesen ganzen Tag nicht nur der Ruhe, sondern auch der Nahrung entbehrt.

Welche herzzerreißende Episoden, welche traurige Ent= hüllungen, welche schmerzliche Täuschungen! Ganze Bataillone

sind ohne Lebensmittel, und Compagnieen, welche man die Tornister hatte ablegen lassen, entbehren auch des Nöthigsten; bei andern fehlt das Wasser, und der Durst ist so groß, daß man zu kothigen und schlammigen, mit geronnenem Blute gemischten Pfüßen seine Zuflucht nimmt. Husaren, welche zwischen 10 und 11 Uhr Nachts nach dem Bivouak zurückkamen, weil sie ausgeschickt worden waren, um auf weite Entfernung Holz und Wasser zur Zubereitung des Kaffees zu holen, hatten so viele Sterbende auf ihrem Wege gefunden, die sie um einen Trunk baten, daß sie fast alle ihre Kessel leerten, um eine Pflicht der Menschlichkeit zu erfüllen. Indeß konnten sie endlich ihren Kaffee bereiten, allein kaum war er fertig, so vernahm man Schüsse in der Ferne, und man rüstete sich zum Aufbruch; die Husaren warfen sich auf's Noß und sprengten nach der Gegend, wo die Schüsse fielen, ohne daß sie Zeit hatten, ihren Kaffee zu trinken, der im Getümmel umgeschüttet wurde. Bald erfuhr man, daß die gefallenen Schüsse, in denen man einen drohenden feindlichen Angriff vermuthete, von den französischen Vorposten herrührten, deren Vedetten auf ihre eigenen Leute feuerten, die ebenfalls Holz und Wasser suchten, und die man für Oestreicher gehalten hatte. Nach diesem Allarm kehrten die Reiter erschöpft zurück und warfen sich beim Bivouak nieder, um die noch übrigen Stunden der Nacht hier zu schlafen. Auch bei ihrem Rückritte hatten sie zahlreiche Verwundete getroffen, welche sie um Wasser anflehten. Ein Tyroler lag unweit von ihrem Bivouak, fortwährend um einen Trunk Wassers bittend, allein sie hatten selbst keines mehr und konnten sein Verlangen nicht erfüllen; des andern Morgens fand man ihn todt, mit schaumbedeckten Lippen

1

und den Mund voll Erde; sein angeschwollenes Gesicht war grün und schwarz; bis zum Morgen lag er in den furchtbarsten Zuckungen und die Nägel seiner krampfhaft geschlos= senen Hände waren gebogen.

In der Stille der Nacht hörte man Klagen, Angstund Schmerzensschreie, herzzerreißende Hülferufe: wer wäre im Stande, alle die Todeskämpfe dieser schrecklichen Nacht zu beschreiben!

Die ersten Sonnenstrahlen des 25. beleuchteten eines der furchtbarsten Schauspiele, das sich dem Auge darzubieten vermag. Ueberall war das Schlachtfeld mit Menschen- und Pferdeleichen bedeckt; auf den Straßen, in den Gräben, Bächen, Gebüschen, auf den Wiesen, überall lagen Todte umher, und die Umgebung von Solferino war im wahren Sinne des Wortes damit übersäet. Die Felder waren verwüstet, Frucht und Mais niedergetreten, die Garten- und Feldeinfassungen zusammengerissen, die Wiesen durchfurcht, und überall sah man größere und kleinere Blutlachen. Die Ortschaften waren verlassen und zeigten überall Spuren der Gewehrchargen, der Stückkugeln, Raketen, der Bomben und Granaten: die Mauern sind zerrissen, von Kugeln durchbohrt, welche weite Brechen öffneten; die Häuser sind durchschossen, in ihren Fundamenten erschüttert zeigen ihre Mauern weite Risse; die seit einem Zeitraume von nahe an 20 Stunden versteckten und geflüchteten Bewohner beginnen nach und nach die Keller zu verlassen, in welche sie sich, ohne Licht und Lebensmittel mitzunehmen, eingesperrt hatten; ihr verstörtes Aussehen zeigt von dem Schrecken, den sie ausgestanden. In der Umgebung von Solferino und besonders bei dem Kirchhofe des Ortes lagen massenweise Gewehre, Patrontaschen, Gamaschen, Tschako'z,

« ZurückWeiter »