Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Ermuthigung und die von der obersten Verwaltung gewährte Erleichterung, jezt besser etwas Gutes thun zu können, würden nun sicherlich und selbst auf ihre eigenen Kosten herbeikommen, um während kurzer Zeit eine so ungemein philanthropische Aufgabe zu erfüllen. In diesem für so egoistisch und faltherzig verschrieenen Jahrhunderte, welche Anziehungskraft müßte es nicht für edle und gefühlvolle Herzen, für ritterliche Charaktere haben, den gleichen Gefahren wie die Krieger zu troßen, und dabei eine ganz freiwillige Mission des Friedens, der Tröstung und der Selbstverleugnung zu erfüllen!

Die Beispiele der Geschichte beweisen, daß es durchaus nichts Grillenhaftes ist, auf solche Hingebungen zu zählen, und um hier nur deren zwei bis drei zu erwähnen, so wird man sich wohl des Erzbischofes von Mailand erinnern, des heil. Carolo Borromeo, welcher aus seiner Diözese nach dieser Stadt kam, als die Pest von 1576 in derselben hauste und, ohne die Ansteckung zu fürchten, den Einwohnern Hülfe leistete und sie zu ermuthigen suchte. Und wurde sein Beispiel nicht im Jahre 1627 von Frederico Borromeo_nachgeahmt? Wurde nicht Bischof Belzunce von Castel-Moron berühmt durch seine heroische Hingebung, welche er bei den Verheerungen dieser grausamen Landplage in den Jahren 1720 und 1721 in Marseille an den Tag legte? hat nicht ein John Howard Europa durchreist, um die Gefängnisse, Lazarethe und Spitäler zu besuchen? Die Schwester Marthe von Besançon war ja auch in den Jahren 1813 bis 1815 dafür bekannt, daß sie die Verwundeten der alliirten sowie die der französischen Armee verband; und vor ihr hatte sich eine andere Klosterfrau, die Schwester Barbara Schyner, im Jahre 1799 in Freiburg ausgezeichnet durch

die Pflege der Verwundeten der feindlichen Armee und derjenigen der Armee ihres Vaterlandes.

Allein wir wollen hier namentlich nur zwei folcher in neuerer Zeit vorgekommener Fälle erwähnen, welche in dem orientalischen Kriege vorkamen und vollständig zu unserem Gegenstande passen. Während die barmherzigen Schwestern die Verwundeten und Kranken der französischen Krim-Armee pflegten, kamen vom Norden und Osten zwei edle Legionen hingebender Krankenwärterinnen, von zwei heiligen Frauen geführt, bei der russischen und bei der englischen Armee an. Kaum war nämlich der Krieg ausgebrochen, als die Großfürstin Helena Paulowna von Rußland, geb. Prinzessin Charlotte von Würtemberg und Wittwe des Großfürsten Michael, mit nahe an 300 Damen St. Petersburg verließ, und diese Damen übernahmen nun den Dienst der Krankenwärterinnen in den Spitälern der Krim, wo sie Tausende russischer Soldaten retteten. *) Anderseits erhielt Miß Florence Nightingale, welche die Spitäler von England und die Hauptsächlichsten Barmherzigkeits- und Wohlthätigkeitsanstalten auf dem Festlande besucht und sich, indem sie auf die angenehme Lebensweise ihres Standes verzichtete, wohlthätigen Zwecken gewidmet hatte, einen dringenden Aufruf von Lord Sidney-Herbert, zu jener Zeit Kriegssekretär des britanischen

*) Während dem Orientkriege vom Winter 1854-1855 besuchte der Kaiser von Rußland, Alexander II., die Epitäler der Krim. Dieser mächtige Herrscher, dessen ausgezeichnetes Herz und dessen großmüthige, menschenfreundliche Seele bekannt genug sind, war von dem Schauspiele, das sich seinen Blicken darbot, so tief ergriffen, daß er sich von diesem Augenblicke an entschloß, Frieden zu schließen, da es ihm widerstrebte, die Metzeleien fortdauern zu lassen, welche eine so große Zahl seiner Unterthanen in diesen bejammernswerthen Zustand versetten.

Reiches, in welchem sie ersucht wurde, die Pflege der englischen Soldaten im Oriente zu übernehmen. Miß Nightingale, deren Namen seitdem im Volksmunde lebt, zögerte feinen Augenblick, diesen Vorschlag, für den sie auch das Herz ihrer Monarchin eingenommen wußte, anzunehmen, und sie reiste im November 1854 über Constantinopel und Scutari mit 37 englischen Damen, welche gleich nach ihrer Ankunft in der Krim die so zahlreichen Verwundeten von Inkermann zu pflegen Gelegenheit hatten. Im Jahre 1855 folgte ihr Miß Stanley mit 50 neuen Gefährtinnen, wodurch es Miß Nightingale möglich wurde, nach Balaklava zu gehen und dort die Spitäler zu besuchen. Man weiß ja, was ihre glühende Liebe für die leidende Menschheit in der Krim für Gutes vollführte. *)

Allein wie viele andere Beweise von Hingebung, sowohl in der neueren als in der älteren Zeit und von denen wohl die Meisten unbekannt geblieben sind, wie Viele waren mehr oder weniger erfolglos, weil sie allein standen und nicht durch zusammengreifende und wohlorganisirte Anordnungen unterstüßt wurden!

Wenn solche freiwillige Krankenwärter den 24., 25. und 26. Juni in Castiglione, oder zur selben Zeit in Brescia wie auch in Mantua und Verona gewesen wären, welch' unberechenbares Gute hätten sie hier wohl leisten können?

*) Das Bild der Miß Florence Nightingale, wie sie während der Nacht mit einer kleinen Laterne in der Hand die weiten Schloffäle der Militärspitäler durchwandert, und den Zustand jedes Kranken sich aufschreibt, um ihm die nothwendigste Hülfe verschaffen zu können, wird sich wohl niemals aus den Herzen derer verwischen lassen, welche Gegenstand oder Zeuge dieser bewunderungswürdigen Barmherzigkeit waren, und die Geschichte wird den Namen dieser Frau für immer in ihren Annalen bewahren.

Wären sie nicht während dieser schrecklichen Nacht vom Freitag auf den Samstag, da sich Klagen und durchdringende Hülferufe aus der Brust von Tausenden von Verwundeten rangen, welche bei den furchtbarsten Schmerzen von der unaussprechlichen Qual des Durstes geplagt wurden, von dem größten Nußen gewesen!

Wenn der Fürst von Isenburg in seinem besinnungslosen Zustande etwas früher durch mitleidige Hände von diesem feuchten, blutgetränkten Boden aufgehoben worden wäre, so würde er nicht heute noch an den Wunden leiden, welche durch die Vernachlässigung von mehreren Stunden sich ungemein verschlimmert hatten; und wenn man nicht zufällig, durch sein Pferd auf ihn aufmerksam gemacht, ihn unter so vielen Leichnamen hervorgezogen hätte, würde er nicht wegen Mangel an Hülfe zu Grunde gegangen sein, wie so manche anderen Verwundeten, welche nicht weniger Geschöpfe Gottes sind, und deren Tod nicht minder schmerzlich ihre Familien berührt haben wird? Glaubt man nicht, daß diese schönen jungen Mädchen und diese guten Frauen von Castiglione noch viele der verstümmelten oder entstellten Krieger, welche noch zu heilen waren, hätten pflegen können? Es genügte aber hier nicht an schwachen und oft unwissenden Frauen, nein es hätten mit und neben ihnen erfahrene, taugliche und entschlossene Männer thätig sein sollen, welche, im Voraus organisirt, in das Ganze Ordnung gebracht haben würden, um alle jene Unglücksfälle und Fieber zu vermeiden, welche die Wunden nur verschlimmern und sie schnell genug tödtlich werden lassen.

Wenn man eine hinlängliche Anzahl Gehülfen gehabt hätte, um bei dem Aufsuchen der Verwundeten in der Ebene

von Médole und in den Schluchten von San Martino, sowie auf den Abhängen des Fontanaberges oder der Mamelons von Solferino thätig zu sein, so würde man nicht den 24. Juni während vieler langen Stunden jenen Bersagliere, jenen Uhlanen oder jenen Zuaven in so drückender Todesangst, in der so bitteren Furcht des Verlassenseins gelassen haben; diese Unglücklichen versuchten troß ihrer furchtbaren Schmerzen sich zu erheben, und gaben vergebens von der Ferne und wiederholt Zeichen, damit man eine Tragbahre nach ihrer Seite hinbringe. Endlich würde man nicht in den schrecklichen Fall gekommen sein, wie dies nur zu wahrscheinlich den andern Tag geschehen, noch Lebende mit den Todten zu begraben!

Bei besseren und vollkommeneren Transportmitteln *) würde man jenem Jäger der Garde die schmerzhafte Ampu

Sobald man bessere Transportmittel anwendet, so werden auch die so häufigen Verschlimmerungsfälle während der kurzen Strecke vom Schlachtfelde bis zum Feldlazarethe vermieden werden, und dadurch vermindert sich auch die Zahl der Amputationen und selbstverständlich die Ausgaben für jeden Staat, der die Invaliden zu pensioniren gezwungen ist.

Mehrere Chirurgen haben in letzterer Zeit den Transport der Verwundeten zum Gegenstande besonderer Studien gemacht; so erfand Dr. Appia einen weichen, leichten und sehr einfachen Apparat, in Folge dessen die Stöße in den Fällen von Kochenbrüchen vermindert werden, und Dr. Martrès hat auch mit günstigem Erfolge seine Aufmerksamkeit dieser Frage zugewendet.

Herr Louis Joubert, ehemaliger Zögling der Chirurgie in den Spitälern von Paris, und jetzt Premier Attaché des kaiserlichen Hauses, hat seit dem italienischen Kriege eine Tornister-Tragbare oder ein Tornisterbett mit einem sehr einfachen und sinnreichen Mechanismus erfunden, welches so bedeutende Vortheile darbietet, daß man bereits eine gewisse Anzahl dieser Transportapparate den französischen Expeditionstruppen nach Mexiko und Cochinchina mitgab. Mehrere Regierungen, welche bereits die Nützlichkeit dieses Tornisterbettes erkannten, haben dasselbe angenommen, und seine Anwendung ist auch schon in Frankreich bei den Civilverwaltungen, in großen industriellen Etablissements, wie Hüttenwerken, großen Bauhöfen, Minen 2c. ziemlich allgemein. Das Tornisterbett kann zu gleicher Zeit als Schutzzelt, Feldbett, provisorisches Spitalbett und als gedeckte Tragbahre mit Kopfkissen dienen.

« ZurückWeiter »