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sich alle möglichen Misbräuche verstecken, und es ist dasselbe hier wohl nicht einfach mit „Liturgie" identisch 1).

Folgen des Landtages vom August 1527.

Der Herzog hatte sich auf dem Landtage dasselbe Recht vorbehalten, welches er den Klöstern, Stiftern und der Ritterschaft hatte einräumen müssen; und das nicht bloss für die Kirchen, die von ihm selbst, sondern auch für die, welche von Ausländischen zu Lehen gingen. Das war wieder ein Schritt weiter; denn damit war die Aufhebung des "jus patronatus" des Bischofs ausgesprochen, und der Herzog nahm in den bisher bischöflichen Kirchen des Fürstentums, deren es eine ganze Anzahl gab, das Patronat in seine eigne Hand.

Die Thätigkeit des Herzogs in den nun folgenden beiden Jahren richtete sich darauf, in den ihm unterstellten Kirchen die Reformation auf Grund des Landtagsbeschlusses durchzuführen. Das Artikel-Buch bildete dann für die reformierten Kirchen die Kirchenordnung, nach der sich die Pfarrer zu richten hatten. Auch danach wird der Herzog getrachtet haben, möglichst viele von der Ritterschaft zu gewinnen, damit auch in ihren Patronatskirchen die päpstlichen Misbräuche abgeschafft werden konnten. Eifrig unterstützt wurde er darin von seinem Kanzler Förster, der ja bei „Fürsten und Edlen, Äbten und Pröpsten und Nonnen, Blutsverwandten und Schwägern" für die Beförderung der Reformation thätig war und „an allen Orten einen Prediger der Wahrheit gab".

Nur von verhältnissmässig wenig Kirchen des Fürstentums kennen wir genau den Zeitpunkt der Einführung der Reformation, aber doch finden wir gerade in dieser Zeit, dass eine Reihe von Orten sich der Reformation anschliesst. 1526 war bereits Burgdorf zum Luthertum übergetreten. In Uelzen wurde 1527 Wemaring aus Stade erster lutherischer Propst. In Dannenberg hob der Rat im Jahre 1528 die Gilden auf, der katholische Propst Matthias Dorheide trat in den Ehestand (er wurde später Bürgermeister) und Matthias Mylow, bisher in Celle, wurde dort Pastor 2). In demselben Jahre wurde Johann Prühl erster evan

1) Havemann a. a. O. p. 105, nach Gebhardi Bd. 14.

2) Vaterländ. Archiv 1820: Sultemeier, zur Geschichte Dannenbergs, p. 230 und 239.

gelischer Prediger zu Lüchow1) und Henning Kelp zu Walsrode 2). zu Walsrode 2). 1529 werden in Bergen, einer Patronatskirche des Klosters St. Michaelis 3), und in Amelingshausen der Katholicismus abgeschafft, und an dem letzteren Orte wird Johann Corbicula der erste lutherische Pfarrer1). Heinrich Palster wird Pastor zu Dorne in den Freien, sein untauglicher Vorgänger wird durch Herzog Ernst vorläufig auf sechs Jahre versorgt). An die Stelle des zum Predigtamte ungeschickten Bartold tritt in Holdenstedt Heinrich Lange. Bartold wird vom Herzoge auf Lebenszeit versorgt, jedoch nur unter der Bedingung, dass er „de my nschen, de he suslane in unehren by sick gehadt, sick schall geuen und ehlich vertruven laten", sonst bekommt er gar nichts ®).

Wenn wir nun auch nicht behaupten wollen, dass an allen diesen Orten der Herzog den Wechsel der Religion herbeigeführt und dass nicht auch das Volk dabei die Initiative ergriffen habe, so sind doch dem Herzoge die wesentlichsten Erfolge zu danken, die das Luthertum in diesen Jahren davon getragen hat. In den ihm unterstellten Pfarren hatte er bis zur Mitte des Jahres 1529 den Katholicismus wenigstens äusserlich völlig beseitigt.

Vor Pfingsten desselben Jahres hatte der Herzog bereits im Amt und Vogtei Celle eine Visitation der Pfarrer vornehmen lassen. Weil viele Gebrechen, Unwissenheit christlicher und göttlicher Lehre, viele Misbräuche und Gotteslästerung bei den Kirchherren und Seelsorgern gefunden waren, hatte er sie in Gottes Wort verhören und in christlicher Lehre unterweisen lassen". Man hatte gefunden, dass die Barfüsser aus Hannover und Lüneburg grossen Einfluss hatter, und dass auf ihre Veranlassung viel Abgötterei durch Beschwörung, Gesichte und Visionen getrieben wurden. Bücher und Kristalle, deren man sich bei diesem ungöttlichen Treiben bediente, kamen gerade aus der Stadt Lüneburg).

1) Schlegel, Hannoversche Kirchen- und Reformationsgeschichte II, 53.

2) Urkundenbuch von Walsrode No. 411. Kelp war in Lamspringe 1498 geboren (U. B. v. Walsrode nr. 373); er hatte 1521 in Wittenberg studiert: Förstemann Album academiae Vitebergensis p. 107.

3) v. Weihe-Eimke, die Äbte des Klosters St. Michaelis p. 137 aus Gebhardi VII. 4) Schlöpke p. 509.

5) Der frühere Inhaber, Joh. Holthusen, darf auf 6 Jahre die Wiese der Kirche in der Hannoverschen Masch gebraucher, dazu soll er

von seinem Nachfolger 2 Gulden jährlich er halten. Urk. Ernsts, d. d. Zelle, Sonnabend nach Matthaei 1529 (H. St. A. Des. 48. Klostersachen 10).

6) Auf Lebenszeit soll Bartold, der sich aus beweglichen und redlichen Ursachen zum Kirchenamte ungeschickt erfunden hat, vom Herzoge jährlich 8 Gulden, vom Kirchenvorstand 2 Gulden und von dem jetzigen Pastor 4 Schinken erhalten. Urk. Ernsts d. d. Mittwoch, nach Quasimodo geniti 1530. (Ebendort).

7) Der Herzog an den Rat von Lüneburg Sonnabend in den Pfingsten (22. Mai) 1529.

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Das Artikel-Buch brachte der Herzog in seinen Kirchen völlig zur Durchführung, so dass er Mitte Juli 1529 an den Rat der Stadt Lüneburg schreiben konnte1): Wiewohl wir nun willig für uns selbst auch in Kraft des angeführten Abschieds verpflichtet gewesen sind, Gottes Wort predigen zu lassen, haben wir nichts desto weniger auf Grund unserer Ordnung bei unsern Pfarren den Kirchherren gnädiglich und ernstlich befohlen, in der Verkündigung des Wortes die Misbräuche bescheidentlich abzustellen, derselben Ordnung bis zur Besserung zu leben und sich hierin richtig zu halten, wie es in unsern Pfarr-Lehen wird bis anhero erfunden".

Mit allem, was noch irgendwie nach einer Begünstigung des Klosterlebens aussehen konnte, brach Ernst jetzt völlig, obwohl er, was sehr beachtenswert ist, gegen die Klöster des Landes, deren Vorsteher zu den Ständen des Fürstentums gehörten, keine direkten Schritte unternahm. Er habe bis dahin, sagt er

selbst in einem Schreiben vom Ende des Jahres 1528, alle Klöster im Fürstentum bei ihren gewöhnlichen Ceremonien ungehindert bleiben lassen, um ihrer Schwachheit willen und ihnen bis heute keine Lehre vortragen lassen, die sie zu Irrsal oder Beschwerung führen möchte. Auch die Befolgung des Landtagsbeschlusses habe er bisher ihrer eignen Verantwortung überlassen und es sei ihnen kein Eintrag geschehen).

Eine Schwester des Herzogs, Apollonia, war noch immer im Kloster zu Wienhausen, wohin sie als zartes Kind von ihrem Vater gebracht worden war, und sie war dem Katholicismus sehr ergeben. Um sie aus dem Kloster zu entfernen, nahm Ernst zu einer List seine Zuflucht, und dabei leistete der Propst des Klosters Heinrich von Kramm hülfreiche Hand. Unter der Vorspiegelung, ihre Mutter wolle sie vor ihrer Abreise nach Meissen noch einmal sehen, wurde sie veranlasst nach Celle zu kommen (Anfang October 1527), und ihr dann von ihrem Bruder die Rückkehr ins Kloster verweigert. Alle ihre Bemühungen Ernst anders zu stimmen waren vergeblich; man sandte sie an den Hof des Kurfürsten von Sachsen; eine ehemalige Nonne, die zum Luthertum übergetreten war, war

Der Rat soll nach derartigen Dingen suchen, sie confiscieren und dem Herzoge senden (L. A.) 1) In dem erwähnten Schreiben, d. d. Isenhagen, Division. Apostol. 1529.

2) In dem bereits erwähnten Schreiben an Thumpropst, Senior und Capitel zu Hildesheim, Montag nach Nativit. Christi 1529 (1528).

ihre Begleiterin. Später söhnte sie sich mit ihrem Schicksal aus, aber sie blieb stets unvermählt 1).

Der Propst Heinrich von Kramm, der durch die Begünstigung dieser Entführung Apollonias die Ordnung seines eignen Klosters verletzt hatte, legte etwa ein Jahr später sein Amt nieder. Schon lange war er ein treuer Anhänger des Herzogs gewesen, jetzt trat er demselben (am 22. November 1528) die Verwaltung des Klosters völlig ab, so dass in Wienhausen die Sachlage dieselbe war, wie in Ebstorf. Der Herzog ernannte Heinrich von Kramm zum Amtmann von Gifhorn (am 5. Juli 1529) und verwandte ihn häufig in den Geschäften des Fürstentums 2).

Auch für die Mönchsklöster (mit Ausnahme der Barfüsser) scheinen die Beschlüsse des Landtags nicht ohne Folgen geblieben zu sein.

In Scharnebeck verliessen im Anfange des Jahres 1528 bereits einige Mönche das Kloster, und dem Abte schärfte der Herzog ein: sich in dieser Sache zu verhalten, wie er es aus christlichem Gewissen vor Gott und allen Christgläubigen verantworten könne3).

Der Abt von Oldenstadt dachte sogar daran, selbst dem Klosterleben zu entsagen. Er ist eine sehr wohlthuende Erscheinung, dieser alte Heino Gotschalk, wahrhaft fromm, wohlthätig gegen Arme, milde gegen Fremde. Schon im Jahre 1523 hatte er sich geweigert, in Lüne die Einkleidung von zwölf Klosterjungfrauen vorzunehmen, wozu man ihn aufgefordert hatte1). Die Jahre hatten seine Hinneigung zur Lehre Luthers gefördert und befestigt. Er wandte sich an Luther und bat ihn um seine Meinung über die Frage, ob ein alter Abt, der sich abgewandt habe von den Misbräuchen des Katholicismus, wohl im Kloster ohne Gefahr für seine Seele bleiben könne. „Ich freue mich", antwortete ihm Luther, dass Gottes Gnade sein Wort auch in jenem Winkel und Ende der Erde hat aufgehen lassen und bitte, dass er es bei uns allen zum guten Ende führen möge". Ruhig könne der Abt im Kloster bleiben, wenn er nur nicht die ungöttlichen Messen feierte, oder sonst etwas gegen den Glauben thäte. Er

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1) Vgl. Bertram, Evangelisches Lüneburg p. 126 f

2) Vgl. Bötticher, Necrolog und Verzeichnis der Pröpste und Äbtissinnen von Wnhausen: Zts. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1855 p. 252.

3) Herzog Ernst an den Abt zu S. (sic!), d. in unserm Kloster Scharnebeck am Tage Pentecostes 1528 (Concept im H. St. A. Des. 49, Reform. der Stifte und Klöster 1).

4) Havemann a. a. O. p. 109; aus Gebhardi XIV.

könne dort den Brüdern dienen, mit ihnen die heilige Schrift lesen, die Horen abhalten und das Abendmahl feiern. Das Klosterleben hindere nichts, wenn nur Freiheit des Geistes herrsche. Er würde nicht einmal solchen alten, ehrwürdigen Männern zum Verlassen des Klosters raten; draussen könne er leicht andern lästig werden, das sei im Kloster nicht der Fall. Er selbst würde noch jetzt im Kloster leben, wenn es bei der Beschaffenheit desselben angegangen wäre1). Auch den Barfüssern gegenüber brachte der Herzog jetzt die Vorschriften des Artikel-Buches zur Anwendung, wie bei den ihm unterstellten Kirchen.

In Winsen a. d. Luhe kam es zuerst zur völligen Aufhebung des Franziskaner-Klosters. Der bisherige Guardian Joachim Gustrow, der dem Herzoge, wie es heisst, früher viel zu schaffen gemacht hatte, war in ein Kloster in Mecklenburg versetzt; an seine Stelle kam Johann Oldersen. Ehe derselbe sein Amt antrat, forderte der herzogliche Hauptmann Ludolf Klenk auf Befehl Ernsts von den Barfüssern, sie sollten „kein Salz oder Wasser weihen, weder heimlich noch öffentlich predigen, keine Messe halten, keine Psalmen lesen und im Fürstentum Lüneburg nicht betteln" lauter Misbräuche, deren Abstellung auch in dem Artikel-Buch verlangt worden war. Aber die Brüder „verlachten, verachteten und verspotteten" dies Gebot und trieben es ärger als zuvor.

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Die Übernahme des Guardianats durch Oldersen verstärkte den Zorn des Herzogs. Noch am 8. Juli 1528 schrieb der neue Guardian an den Herzog und bat um Erhaltung des alten Standes des Klosters" mit Berufung auf die Stiftungsurkunde Herzog Friedrichs (von 1477) 2). Allein der Hauptmann warnte ihn er möge sich vorsehen, dass der Herzog nicht mit Ungnade gegen ihn handle, oder ihn vielleicht nach Celle bringen lasse; er wolle ihn in Winsen nicht als Guardian haben, darum möge er sich eine andere Stätte aussuchen. Das veranlasste Oldersen zur Flucht nach Lüneburg (9. Juli), von wo aus er sich noch einmal an den Herzog wandte. Er wiederholte seine alte Bitte und berief sich zugleich auf das, was in der Vorrede des Unterrichts der Visitatoren in

1) Luther an den Abt Heino, Wittenberg penultima Februarii 1528. De Wette III, 284 f. Havemann (p. 109. Anm. 3) setzt dies Schreiben in das Jahr 1529, weil er eine Abschrift der Gebhardischen Sammlung in der

Kgl. Bibl. zu Hannover benutzt hat, die kein
Jahr hat.

2) Joh. Oldersen an den Herzog, Winsen, am 8. Juli 1528 (Copie im H. St. A. Verzeichn. d. Manuscripte J. 76, wo sich auch die Copien der folgenden Urkunden befinden).

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