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thanen Gewissen dadurch gerettet und getröstet, der Allmächtige aber in Ewigkeit dafür möge gepriesen werden".

Diese Gedanken über den Beruf eines christlichen Fürsten, die wir hier für das Fürstentum Lüneburg zuerst ausgesprochen finden, hat Ernst sich zu eigen gemacht und häufig in seinen Erlassen wiederholt.

Das sog. Artikel-Buch zerfällt in zwei Teile, in dem ersten werden die abzuschaffenden Misbräuche in 21 Artikeln festgestellt, im zweiten folgt der Beweis ihrer Unrichtigkeit aus der heiligen Schrift. Das Büchlein ist, wie das meiste in der damaligen Zeit, was nicht gerade aus der herzoglichen Kanzlei kam, in niederdeutscher Sprache geschrieben.

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An die Spitze wird die Forderung gestellt, die auch Ernst schon früher, wie wir sahen, ausgesprochen hatte, dass jeder Pfarrherr in eigner Person an seiner Kirche wirken soll. Lauter, klar und rein soll er das Evangelium predigen; Fabeln und andere unnütze Wascherei" vermeiden. Christus allein und die Liebe des Nächsten möge gepredigt werden (Art. 2). Kein Pfarrherr soll für alle Zeiten eingesetzt werden. Die Obrigkeit muss Macht haben, die Säumigen zu strafen, an die Ungeschickten ihr Mass anzulegen und die Kranken zu versorgen (Art. 3). Jede Gemeinde soll durch Einsehen der Obrigkeit angehalten werden, dass ihr Pfarrer und die Kirchendiener eine genügende Versorgung haben (Art. 4), aber alle Amtshandlungen sollen frei sein, nur den Vierzeitenpfennig darf der Pfarrer fordern (Art. 5). Die Geistlichen sollen sich eines ehrbaren Lebens befleissigen; wem es nicht gegeben ist, keusch zu leben, der soll sich in den Ehestand begeben (Art. 6). Die Gelübde der Klosterjungfrauen dürfen nur von solchen, die zu beständigen Jahren gekommen sind, und auch dann nicht auf ewige Zeit abgelegt werden (Art. 7). Fasten und die Feier der Festtage (mit Ausnahme des Sonntags) soll man in eines jeden Belieben stellen, aber solche Feste, wie Hagelfeier u. a., deren sich die Bauern in abergläubischer Weise bedienen, sollen abgeschafft werden; dagegen soll bei gegenwärtiger Not (wie schlechtem Erntewetter) im Gotteshause ein Gebet mit vorheriger Ermahnung aus der Schrift stattfinden (Art. 8-11). Wallfahrten nach Bildern und die Bettelei, die besonders bei Geistlichen und Ordensleuten ein Gräuel ist, soll abgeschafft werden; aber man soll eine Ordnung schaffen, durch welche die Hausarmen versorgt werden und nicht zu betteln brauchen (Art. 12-14). Messe soll nicht um Geld gehalten werden. Es soll dabei das Wort Gottes gepredigt

und sie soll Sonntags und nicht an andern Tagen, wenn keine Communicanten da sind, gefeiert werden (Art. 15). Vigilien, Seelenmessen, Kalande und Brüderschaften sollen abgethan werden, ebenso Gesänge zu Ehren Marias, auch soll man kein Wachs, Wasser, Salz u. dgl. weihen (Art. 16. 18. 19). Die Toten sollen ehrlich mit einer kurzen Ermahnung für die Lebenden begraben werden (Art. 17). Bei der Taufe soll deutsch geredet werden, damit nicht mehr so leichtfertig wie bisher bei der Übernahme der Pathenschaft verfahren wird (Art. 20). Alle diese Artikel sollen so gelehrt und ausgelegt werden, dass die Schwachen nicht geärgert werden und die Ruchlosen keine „Freiheit fassen“ (Art. 21).

Das ist in kurzen Worten der Inhalt der Artikel. Es zeigt sich auf den ersten Blick, wie vorsichtig sie abgefasst sind, damit die Schwachen nicht geärgert werden". Für das Abendmahl unter beiderlei Gestalt behält man den Namen Messe bei; auf die Klöster wird nur wenig eingegangen, nur über das Klostergelübde der Nonnen wird gesprochen. Die Artikel sind die erste Kirchenordnung des Fürstentums Lüneburg geworden und sind es längere Zeit geblieben, ergänzt wurden sie erst in einigen Punkten durch die herzoglichen Verfügungen vom Jahre 1543.

Das Artikel-Buch sollte nun - dazu hatte es der Herzog bestimmt den Ständen des Fürstentums zur Annahme vorgelegt werden und zwar schon in nächster Zeit.

Ein neuer Landtag war ausgeschrieben auf die Woche nach dem Tage Laurentii (10.-17. August), wir können nur ungefähr die Zeit desselben angeben, auch den Ort kennen wir nicht1). Zur Verhandlung lagen zwei hochwichtige Sachen vor; es sollte über die Schulden und über die Religion beraten werden. Nur sehr spärlich sind wir über die Teilnahme und über die äusseren Ereignisse des Tages unterrichtet. Nachweisen lässt sich ziemlich sicher die Anwesenheit des Abtes Boldewin); die Partei der Prälaten muss hier wie sich aus den Beschlüssen des Landtages ergiebt, ziemlich stark ge

sogar,

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1) Dürfte man annehmen, dass die von Herzog Ernst erlassene Verschreibung an die Stände" unmittelbar am Schluss des Landtages erlassen wäre, so hätte der Landtag zu Celle stattgefunden, da von hieraus die Urkunde erlassen ist. Dieser Schluss würde aber bei je

dem andern Orte sicherer sein als gerade bei der herzoglichen Residenz.

2) Seine Anwesenheit ergiebt sich aus der Vorrede der „Verschreibung". Davon, dass sich früher die Prälaten geweigert hätten, auf den Landtagen zu erscheinen (Ranke II, 322), findet sich keine Spur.

wesen sein. Das Resultat des Landtages liegt uns vor in einer Urkunde, die Herzog Ernst am Sonnabend nach Laurentii (17. August) 1527 von Celle aus erliess1); wir können daraus manche Schlüsse über die Verhandlungen des Landtages ziehen.

Das Ergebniss war in betreff der Schuldenfrage für den Herzog ein sehr günstiges, allein es musste mit grossen Gegenleistungen erkauft werden. Die Landschaft übernahm es, die Pfennigschuld, über die ein Register vorgelegt worden war, zu bezahlen, dafür wurde den Ständen eine ganze Reihe Rechte teils neu erteilt, teils wieder bestätigt. Allgemein werden alle Privilegien bestätigt; zur Erhaltung derselben dürfen sich die Stände jederzeit frei versammeln. Holzund Jagdrecht, sowie die Patrimonialgerichtsbarkeit werden besonders gewährleistet. Nur mit Bewilligung aller Stände dürfen Steuern ausgeschrieben, Fehden angesagt und Bündnisse geschlossen werden. Die Bezahlung der herzoglichen Schulden ist keine Pflicht, die Stände brauchen nicht für Schulden zu bürgen, wozu sie keine Ursache gegeben haben. Die Burgfestdienste werden beschränkt; die Gewaltthaten der herzoglichen Amtleute verboten; gegen den Herzog kann bei den Räten des Fürstentums geklagt werden. Die Hof haltung des Herzogs soll beschränkt werden. Leidet ein Ritter in seinem Dienste Schaden, so soll ihm derselbe ersetzt werden. Die Gerichtspflege soll eine schnelle sein; eine Gerichtsordnung soll vereinbart werden.

Die Gegenleistungen des Herzogs sind, wie man sieht, nicht unbedeutend. Auch auf die religiösen Fragen, die hier beraten wurden, wird die Schuldenfrage nicht ohne Einfluss gewesen sein. Die Partei der Prälaten war noch immer stark genug, um eine Forderung des Herzogs zum Scheitern zu bringen. Wollte derselbe ihre Zustimmung zu der Übernahme der Pfennigschuld durch die Landschaft gewinnen, so musste er auch ihnen gegenüber noch besondere Opfer bringen.

Ausdrücklich liessen sich jetzt die Klöster die freie Election der Pröpste bestätigen, freilich nach vorheriger Nomination etlicher Personen durch den Fürsten. Das war eine Bestätigung des Zustandes, wie er sich (wie gezeigt ist) seit längerer Zeit herausgebildet hatte. Aber dieselbe war gerade in dem jetzigen Augenblicke, wo der Bestand der Klöster jeden Augenblick in Frage gestellt werden konnte, durchaus nicht unwichtig 2).

1) Gedruckt bei Jacobi, Landtagsabschiede I, 134 ff.

2) In seinem Schreiben vom Tage Egidii (1. Sept.) 1527 beruft sich Heino von dem Wer

Der Herzog wünschte, die Annahme des Artikelbuches und damit die Gültigkeit der Vorschriften desselben für das ganze Land durchzusetzen. Er legte dasselbe auf diesem Landtage den Ständen vor und forderte besonders die Geistlichen zur Prüfung desselben auf. Fänden sie darin nichts gegen die Heilige Schrift, so möchten sie die Ordnung gütlich aufnehmen und nach ihr in „Kirchendiensten und Sachen des Gewissens unvorweislich handeln". Damit man aber genügende Zeit habe, die Sache zu prüfen, oder sich mit Schriftverständigen zu besprechen, wolle er den geistlichen Räten das nächste Vierteljahr Zeit dazu geben und noch mehr, wenn sie daran nicht genug hätten. Der Vorschlag, so milde er war, wurde zurückgewiesen; nicht einmal auf eine Prüfung des Buches wollte man sich einlassen. Es gelang aber dem Herzoge doch noch, einen Beschluss herbeizuführen: „Mit gemeiner Verwilligung der Prälaten, Stände und aller Mannschaft wurde erhalten beschlossen und allerseits angenommen, Gottes Wort überall in des Fürstentums Stiftern, Klöstern und Pfarren rein, klar und ohne menschlichen Zusatz predigen zu lassen". Und mit diesem Abschied ist ein jeder friedlichen abgezogen". So giebt der Herzog in einem Schreiben an den Rat von Lüneburg den Inhalt desselben an1). Allein es war noch eine Beschränkung zu Gun

der der Landschaft gegenüber auf dieses Versprechen.

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1) Nach dem Vorgange von Schlöpke hat man die Vorlage des Artikel-Buches erst auf einen Ostern 1529 gehaltenen Landtag gesetzt und hat dann entweder nur zwei Landtage (Uhlhorn bezieht die Verschreibung" vom August 1527 auf den Landtag von Scharnebeck und nimmt dann im August keinen mehr an) oder drei, auf denen in betreff der Religion verhandelt worden sei, angenommen. Auf allen dreien ist dann im Grunde dasselbe beschlossen worden, nur durch verschiedene Worte hat man das Resultat verändert.

Meine Bemühungen Ostern 1529 einen Landtag nachzuweisen, waren vergeblich, er findet sich zuerst bei Schlöpke. Im Februar 1529 hat freilich einer stattgefunden, aber der vorhandene Abschied bezog sich nur auf eine Verhandlung mit der Stadt Lüneburg.

Bei meiner Ansicht über diese Landtage stütze ich mich auf das erwähnte Schreiben des Herzogs an den Rat von Lüneburg, d. d. Isenhagen, Division. Apostol. (15. Juli) 1529 und ein ähnliches an das Kloster St. Michaelis, d. d.

Lüne am Tage Margarethae (13. Juli) 1529. (Das Original des ersteren befindet sich im L. A., eine Copie des letzteren im H. St. A. Des. 49. Reform. der Stifte und Klöster 1).

Der Herzog rechtfertigt in diesen Schreiben sein Vorgehen gegen die Klöster im Juli 1529 und geht dabei auf die Verhandlungen eines Landtages ein (ohne dessen genauere Zeit anzugeben). Dass dies ein Landtag gewesen ist, der Ostern 1529 abgehalten wurde, ist ganz unmöglich; denn der Herzog sagt darin: dass, obwohl der angegebene Abschied allseitig angenommen worden sei, derselbe doch bei den Geistlichen in Vergess gekommen sei. Das habe er nicht erwartet, da es nun aber geschehen sei, habe er mit Geduld und und Schmerzen eine Zeit her den Abbruch göttlicher Ehre und vielfältiges Ärgernis getragen. Wenn nun aber, wie man das angenommen hat, der Herzog Ostern 1529 den Geistlichen auf dem Landtage das Artikel-Buch zur Prüfung übergab und ihnen ein Vierteljahr oder länger Zeit dafür gewährte, wie kann er dann kaum ein Vierteljahr nach dem Landtage schreiben, er habe eine Zeit her mit Schmerzen das angesehen, dass der Ab

sten der katholisch Gesinnten gemacht worden, die sich aus der „Verschreibung" des Herzogs vom 17. August ergiebt: Den Vorständen und Prälaten der Klöster, den Stiftern Bardowik und Ramelsloh und der Ritterschaft wurde es in den von ihnen abhängigen Kirchen „in ihr Gewissen gestellt, es mit den Ceremonien zu halten, wie sie es vor Gott verantworten könnten". Ebenso nahm auch

der Herzog und das ist sehr wichtig für sich das Recht in Anspruch: „In den Kirchen, so von uns oder Ausländischen zu Lehen gehen, wollen wir mit Ceremonien und Verkündigung des göttlichen Wortes es also zu halten uns vorbehalten haben, als wir das vor Gott, auch kaiserlicher Majestät und menniglichem zu verantworten verhoffen und wollen".

Indem der Herzog die Forderung der katholischen Partei in betreff der Ceremonien gewährte, musste er sich sagen, dass damit eine Einwirkung auf dieselbe in religiösen Sachen ausgeschlossen war, wenn man wenigstens anscheinend das Wort Gottes predigte. Denn unter dem Ausdruck „Ceremonien" können

schied nicht befolgt worden sei?

Ich erkläre mir den Irrtum bei Schlöpke auf folgende Weise: Schl. kannte das Schreiben an den Rat (er giebt das Datum desselben an), aber nicht genau genug. Aus dem Vorschlage | des Herzogs, den Prälaten ein Vierteljahr Zeit zur Prüfung des Artikel-Buches geben zu wollen, kam er durch ungefähre Berechnung dazu, einen Landtag auf Ostern 1529 anzusetzen, und das Vorgehen des Herzogs wurde dann dadurch erklärt, dass bis Juli 1529 noch keine Antwort der Prälaten eingetroffen war.

Nun ist in der „Verschreibung“ vom 17. August 1527 die Verfügung des Herzogs erlassen: Als dan auch auf vorigem gehaltenen Landtage es der massen verlassen, angenommen und bewilligt, wollen wir mit den Ceremonien zu halten, den Vorständen und Prälaten der Klöster (dasselbe wird später von den Stiftern Bardowik und Ramelsloh und von der Ritterschaft gesagt) in ihr Gewissen heimgestellt und gegeben haben, also in den Klöstern im Fürstentum gelegen und den Pfarrkirchen als von ihnen zu Lehen gehen, zu handeln, dass sie es vor Goit mögen bekantstehen; doch unbeschadet, dass sie sich des jüngst bewilligten Abschieds halten und in ihren Kir

chen und Klöstern das Evangelium lauter, rein und ohne menschlichen Zusatz verkündigen und den befohlenen Seelen predigen lassen". Dieser eigentliche Hauptbeschluss des Landtages stimmt mit dem Abschiede, welchen Ernst in seinen beiden Schreiben erwähnt, fast wörtlich überein, und das zwingt uns, den Landtag, von dem Ernst redet, bereits in das Jahr 1527 vor den 17. August zu setzen.

Das kann aber nicht der Landtag zu Scharnebeck gewesen sein; denn das Artikel-Buch wurde auf dem Landtage vorgelegt und dasselbe wurde erst am 3. Juli dem Herzoge überreicht.

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Meine Annahme, dass der Landtag in die Woche nach Laurentii (10.-17. August) fällt, wird dadurch gestützt, dass der Propst Heino von dem Werder am 12. August (Montag nach Laurentii) an Abt Boldewin, Prälaten, Räte, Mannschaft, Städte und alle Stände des Fürstentums" gegen den Herzog eine Klageschrift richtet, auf die derselbe von den Ständen am 1. September 1527 bereits eine Antwort erhalten hatte.

Endlich will ich noch erwähnen, dass Einst gerade um Ostern 1529 nicht im Fürstentume, sondern auf dem Reichtage in Speier war.

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