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Lehre und wünscht auch dem Rate Glück zur Annahme derselben. Ihre letzten Lebensjahre wurden verbittert durch das Leid, welches ihr untreuer Mann ihr bereitete; sie verlebte dieselben, wie es scheint, in tiefster Zurückgezogenheit am Hofe ihres Bruders, des Kurfürsten von Sachsen.

Heinrich der Mittlere stand der Religion überhaupt ziemlich gleichgültig gegenüber; er war weit davon entfernt, ein fanatischer Anhänger des Katholicismus zu sein. Sein Urteil ging dahin: „Ich bin wohl geständig, dass mir der alte Glaube noch zur Zeit bass denn das neue Wesen gefällt; doch halte ich, sie taugen im Grunde beide nichts und bedürfte wohl eines Mittels, dass aus beiden ein Guts gemacht würde. Zu welchen Zeiten solches geschieht, will ich mich mit der Hülfe Gottes halten, wie einem frommen Christen zusteht, und es meines Teils bei dem Abschied zu Speier lassen. Bin wohl zufrieden, wenn ich glaube, was mir Gott ins Herze giebt; ein anderer desgleichen thue"1).

Der alte Herzog ist keine unsympathische Erscheinung, trotzdem Sinnlichkeit ein hervorstechender Charakterzug desselben ist. Er war rasch und heftig und liebte es nicht, da zu reden, wo er handeln konnte. Jene Anekdote, die Hämmenstädt uns von ihm erzählt, charakterisiert ihn ganz: Als seine Räte lange zu Ebstorf mit der Stadt Lüneburg wegen der Huldigung verhandelten, wurde der Herzog ungeduldig. Eines Morgens ritt er „kurz und gut, in Stiefel und Sporen", ohne irgend einem vorher Mitteilung davon zu machen, in die Stadt und erledigte noch an demselben Morgen die ganze Sache zur allgemeinen Zufriedenheit.

Wo politische Erwägungen in Frage kamen, da war ihm die Religion Nebensache. Als der Official des Bischofs einst den herzoglichen Vogt zu Winsen gebannt hatte, da forderte Heinrich die schleunige Aufhebung des Bannes, „,sonst werde er ihm zeigen, wer Herr im Fürstentum sei“ 2).

Auf diesen Mann richteten sich die Blicke aller derer, die mit der Regierung Ernsts unzufrieden waren. Seit dem Anfang des Jahres 1527 war Ernst alleiniger Regent geworden, Herzog Otto war mit Harburg abgefunden worden 3).

Auskunft über diese Vorgänge. Gedruckt Bre- | storico-politicus benutzt). Havemann giebt das mer Jahrbuch, Serie 2. Bd. 1. p. 53 f. Datum derselben nicht an.

1) Die Urkunde (aus dem H. St. A. im Auszuge gedruckt bei Havemann a. a. O. p. 99, Anm. 1) ist von der Mitte des Jahres 1528. (Auch Elvers hat sie in seinem Discursus hi

2) Havemann a. a. O. p. 98.

3) Havemann a. a. O. führt die Urkunde (Montags nach Antonii (21. Januar) 1527) aus dem H. St. A. an.

Das beschleunigte wohl die Rückkehr des alten Herzogs und konnte vielleicht als Handhabe gegen Ernst dienen. Er versuchte gerade in dieser Zeit seinen Frieden mit dem Kaiser zu machen. Sein Schwager, Kurfürst Johann, verwandte sich für ihn bei Karl V. und veranlasste auch Heinrich von Nassau Fürbitte einzulegen 1). Die Bitten wurden hinfällig durch das Vorgehen Heinrichs des Mittleren. „Auf den Rat etlicher Prälaten", wie Schomaker ausdrücklich berichtet, verliess er Frankreich. Mit der festen Absicht, die Regierung selbst wieder zu übernehmen, kam er im Anfang April in das Land seines Sohnes und begab sich nach Winsen a. d. Luhe 2).

Alles stand auf dem Spiele das, was schon gewonnen war, und die Frucht künftiger Jahre, wenn es Heinrich gelang, sich im Lande einen Anhang zu verschaffen und gegen seinen Sohn erfolgreich aufzutreten. Aber die Aufnahme des Herzogs mag nicht so ausgefallen sein, wie er erwartet und man ihm vielleicht vorgespiegelt hatte. Sein Schuldenmachen stand noch im frischen Andenken und war eine Gefahr für das Land, gegen die man sich schützen musste. Auch kann man jetzt wohl schon von einer lutherischen Partei im Lande reden, die natürlich völlig auf Seiten Ernsts stand.

Eiligst rief der Herzog auf Gründonnerstag (18. April) 1527 einen Landtag nach Scharnebeck zusammen, und es scheint ihm dort ohne grosse Schwierigkeit gelungen zu sein, den Beschluss herbeizuführen: „, dass dem alten Herrn sein Mutwille solle gesteuert werden“ 663).

Als Herzog Heinrich von diesem Beschlusse Kunde erhielt, begab er sich sofort, noch am Charfreitage (19. April) in die Stadt Lüneburg, deren Abgeord

1) Kurf. Johann an den Kaiser, Torgau 20. April 1527 und an Heinrich von Nassau. (Ernest. Ges. Archiv in Weimar). Er betont besonders, dass Heinrich der Mittlere sich von Franz I, zu keinem Kriege gegen Karl V. habe brauchen lassen.

2) Es war nach Schomaker,,circa Palmarum" 1527, man kann also nicht den Tag seiner Rückkehr ganz genau bestimmen, wie Havemann dies (p. 97) thut, indem er das „circa“ unbeachtet lässt.

3) Der Landtag zu Scharnebeck, für den die Chronik Schomakers die einzige originale Quelle ist (Hämmenstädt ist daraus abgeleitet), hat in der Reformationsgeschichte des Fürstentums eine gewisse Berühmtheit erlangt. Man

hat auf ihm die Stände den ersten Beschluss über die Einführung der Reformation fassen lassen. Wenn man nun auch zugiebt, dass die Veranlassung nahe lag, in Scharnebeck über die Religion zu verhandeln, so berechtigen uns die vorhandenen Quellen doch nicht dazu, zu behaupten, dass hier ein derartiger Beschluss gefasst wurde. Es ist das eben nur eine Vermutung; andere Zeugnisse lassen es gewiss erscheinen, dass der Beschluss erst später gefasst wurde. Auch damit kann ich mich nicht einverstanden erklären, dass man, wie dies Uhlhorn thut und andere vor ihm gethan haben, den bei Jacobi I. p. 134 ff. abgedruckten Landtagsabschied vom August 1527 einfach auf den Landtag zu Scharnebeck bezieht.

nete ebenfalls in Scharnebeck gewesen waren, die aber doch wohl ein geheimes Einverständnis mit ihm unterhielt. Er schlug hier vorläufig seinen Wohnsitz im Fürstenhause auf, und die Stadt gab ihm, was er zum Leben nötig hatte1).

Allein das gegenseitige Wohlgefallen, welches man zunächst an einander pfand, dauerte nicht lange. Herzog Ernst forderte von dem Rate, er solle dem alten Fürsten den Aufenthalt in der Stadt nicht gestatten und erklärte, dass er etwaige Schulden desselben nicht bezahlen werde. Das hatte zunächst zur Folge, dass die täglichen Lieferungen aufhörten 2). Auch von anderer Seite wurde der Rat aufgefordert, den Herzog nicht zu unterstützen3). Ernst suchte eine Versöhnung mit seinem Vater, aber er verlangte, dass zuvor die Ungnade des Kaisers beseitigt, die alte Freundschaft mit den braunschweigischen Vettern und der Friede mit seiner Mutter wieder hergestellt werde1). Natürlich war dabei Voraussetzung, dass Heinrich sich jedes Eingriffs in die Regierung enthalten werde. Er hatte es nämlich versucht sich in die Angelegenheiten seines Sohnes einzumischen, so erliess er in Sachen des Propstes von Ebstorf eine Verfügung, deren Annahme natürlich verweigert wurde).

Die strengen Erlasse des Herzogs, sowie die Furcht, Heinrich könne ihnen dauernd zur Last fallen, bewirkte bei dem Rate von Lüneburg eine völlige Änderung in der Stimmung; so dass der alte Herzog jetzt bitten musste, ihn nicht aus der Stadt zu treiben; er halte dort ja nicht sein Hof-, sondern nur sein Notlager, er wolle selbst Bürgerpflicht leisten und seine Diener dem Rate schwören lassen. Er habe bereits die nötigen Schritte zu einem Ausgleich mit dem Kaiser und zur Versöhnung mit den braunschweigischen Vettern und seiner Gemahlin gethan 6). Auch seine Tochter Elisabeth, sowie deren Gemahl, Herzog Karl von Geldern verwandten sich bei dem Rate für ihn); und so blieb denn

1) Da das Fürstenhaus (um einen längeren Aufenthalt der Herzöge in der Stadt zu verhindern) keine Küche hatte, sandte der Sothmeister ihm täglich acht Gerichte und vier Stübchen Wein (Schomaker).

2) Schomaker a. a. O. fügt hinzu: Actum Jubilate, und Hämmenstädt sagt: Herzog Heinrich lag binnen Luneborch bet Frydag na Jubilate (17. Mai). Das ist aber nicht richtig, sein Aufenthalt hat noch länger gedauert, es bezieht sich dies wohl nur (wie bei Schomaker) auf das Aufhören der täglichen Lieferungen.

3) So vom Kurfürsten Joachim von Brandenburg.

4) Havemann a. a. O. p. 100.

5) Heino an die Lüneburger Landschaft, Freitag nach Georgii, und der Kanzler an die Räte des Fürstentums, am Tage Thomae apli. 1527 (H. St. A. Des. 55. Ebstorf 1).

6) Auszug aus der Urkunde, d. d. Donnerstag nach Mariae Magdal. (23. Juli) 1528 bei Havemann p. 100. Anm. 3. Vgl. auch Elvers, Discurs., der diesen Brief ebenfalls kennt.

7) Elvers a. a. O.

Heinrich in der Stadt, bis ein Ausgleich mit seinem Sohne herbeigeführt wurde. Derselbe wurde freilich, obwohl ihn der Herzog jetzt selbst zu wünschen schien, dadurch verzögert, dass er sich zu einem Schritte hinreissen liess, der ihm sebr schadete und ihm den letzten Rest von Achtung raubte, der bei seinen wenigen Freunden noch übrig geblieben war. Bald nach dem Tode seiner Gemahlin Margaretha, die am 7. December 1528 zu Weimar starb1), ging er eine neue Ehe mit seiner damaligen Geliebten ein, die der „Papenmeister" Dietrich Rhode in Lüneburg kirchlich einsegnete 2).

Im Juni des Jahres 1529 kam es dann endlich zu einer Versöhnung 3). Heinrich wiederholte seinen Verzicht auf die Regierung, und es wurde ihm eine jährliche Rente von 700 Goldgulden ausgesetzt). Vorläufig blieb er in Lüneburg und Ernst hatte auch, nachdem sein Vater im Jahre 1530 von der Acht gelöst war), die Absicht ihm das Fürstenhaus dort zum ständigen Wohnsitz anzuweisen, allein dies betrachtete der Rat als einen Eingriff in seine Freiheiten"), und Ernst musste nachgeben. Den Rest seines unruhigen Lebens verbrachte Heinrich der Mittlere in Wienhausen; hier ist er denn bereits im Jahre 1532 gestorben 7).

Der Tag von Scharnebeck bedeutet einen grossen Erfolg Herzog Ernsts: die alten Anhänger wurden nur noch enger an ihn gefesselt, und neue wurden gewonnen durch den errungenen Sieg. So konnte er daran denken jetzt noch weiter vorzugehen. Nicht ohne Bedeutung war es für ihn, dass er im Juni 1527 auf der Hochzeit des Kurprinzen Johann Friedrich mit Sybilla von Cleve

1) Spalatin bei Mencken II, 1102.

2) Ob dies gerade Anna von Campe, seine frühere Geliebte gewesen ist, darüber sagt unsere Quelle (Hämmenstädt) nichts: Der Fürst sei,,mit dieser lichtferdigen Plage sunderlich vorhafft" gewesen.

Die Urkunde, in der Herzog Ernst über diese Heirat klagt, führt Havemann p. 102 an, leider ohne Datum.

3) Der nochmalige Aufenthalt in Frankreich, den Havemann p. 103 annimmt, ist gar nicht bezeugt. Er könnte nur in die Zeit von December 1528 (Heirat Heinrichs nach dem Tode Margarethas) bis zum Juni 1529 (Verzichturkunde) fallen. Ich habe keine Spur davon gefunden.

4) Die Urkunde ist vom Dienstag nach Bonifacius (8. Juni) 1529. Vgl. Havemann p. 131, Anm. 2.

5) Die Lösung aus der Acht geschah auf Fürbitte Erichs v. Calenberg und Heinrichs von Wolfenbüttel, Die Urkunde darüber gedruckt bei Lünig, Bd. 9 p. 408 ff.

6) Der Rat an den Herzog, Mittwoch nach Vincula Petri 1531 (Copie. Des. 55, 8).

7) Über den Todestag sind verschiedene Angaben vorhanden: Schomaker giebt Invocavit (17. Februar), Hämmenstädt Montag nach Invocavit (18. Februar), am besten ist wohl die Nachricht des Necrologs von Wienhausen, 25. Februar: Zts. d. hist. Vereins f. Niedersachsen. 1855, p. 232, Anm. 34.

zu Torgau anwesend war. Er traf dort mit Luther zusammen, und es lässt sich vermuten, dass er sich mit ihm sowie mit den Fürsten von Sachsen über seine nächsten Schritte in Sachen der Religion beraten hat. Eine Anekdote ist freilich das einzige, was uns von seinen damals mit Luther geführten Gesprächen erhalten ist. Herzog Ernst, einer der sittenstrengsten Fürsten seiner Zeit, klagte über das unmässige Saufen an den deutschen Fürstenhöfen. „Da solltet ihr Fürsten und Herren dazu thun", antwortete Luther. Darauf der Herzog: „Ja, lieber Herr Doctor, wir thun freilich dazu; es wäre sonst längst abkommen"

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Ohne Einfluss wird diese Begegnung nicht gewesen sein; vielleicht ist durch sie der Befehl hervorgerufen, den Ernst jetzt an seine Prediger zu Celle ergehen liess: die Misbräuche, die sich bei den Pfarren im Fürstentum Lüneburg fänden, in ein Buch zu verfassen 2). Am 3. Juli 1527 überreichen die „verordneten Prediger zu Celle" (ihre Namen sind nicht einzeln angegeben) ihre Schrift dem Herzoge3). Sie ersuchen ihn in der Vorrede, die Artikel zu prüfen und ihre Befolgung anzubefehlen, bis sie durch gemeine christliche Ordnung verbessert und vollkommen gemacht worden seien. Nun wird", so heisst es in der Vorrede weiter, „ungezweifelt I. F. G. vor Gott sich schuldig erkennen, in einer wohlgeschickten, löblichen Landordnung dies vor allen Dingen höchsten Ernstes zu verschaffen, dass zuerst die gebührliche, wahrhaftige Ehre Gottes, demnächst aber rechte und billige Ordnung und Wege aufgerichtet, gefördert und gehandhabt werden, dass dergestalt in der Gemeinheit Ruhe und Einigkeit leiblich, Friede und Freude geistlich möge erhalten werden. Dazu werden I. F. G. nicht allein von geistlichen Dingen, sondern auch von der Ehre oder Unehre Gottes, von dem Gedeihen oder Verderben der Seele, so viel bei I. F. G. des Verstandes oder Vermögen gewesen, für ihre Unterthanen dem Allmächtigen Rechenschaft ablegen müssen. Darum getrösten wir uns, I. F. G. werden aus diesen und andern unvermeidlichen Ursachen dermassen bei den angeführten Gebrechen gnädiglich und ernstlich ein Einsehen haben, dass der armen einfältigen Unter

1) Bünting, Braunschweig - Lüneburgische Chronik p. 38. Er giebt die Hochzeit aber ein Jahr zu früh an: 2. Juni 1526.

2) Wiederholt sagt der Herzog in seinen Urkunden, dass er die Abfassung des ArtikelBuches veranlasst habe; so in dem Schreiben an den Rat von Lüneburg, d. d. Isenhagen, Di

vision. apostol. 1529 (L. A.).

3) Artikel darinne etlike mysbruke by den Parren des Förstendomes Lüneborg entdecket, unde dar gegen gude ordenynge angegeven werden, mit bewysinge und vorklarynge der schrifft. Vgl. Richter, die evang. Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts I, 70 ff.

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